Jesus von Nazareth stellte seinem Jünger Petrus zwei wichtige Fragen – zwei Fragen, die letztendlich jeder Jünger Jesu beantworten muss.
Von Robin Webber
Jedem Gläubigen stellt Jesus Christus zwei große Fragen. Niemand kann sie für uns beantworten. Damit will uns Jesus nicht bloßstellen, sondern uns zur Beherzigung seiner Aufforderung „Folgt mir nach!“ animieren.
Jesu Jünger Petrus war der Erste, dem die beiden Fragen gestellt wurden. Seine Antwort auf die erste Frage offenbarte die Grundlage für eine segensreiche Neuerung, und die zweite Antwort war mit der Wahrnehmung einer Verantwortung verknüpft. Sehen wir uns nun die Geschichte an, um uns auf unsere eigene Antwort auf die beiden Fragen vorzubereiten.
„Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“
Die erste Frage finden wir in Matthäus 16, Verse 13-17. Jesus fragte seine Jünger: „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ (Vers 13).
Die Jünger berichteten Jesus, was die Leute über ihn erzählten: „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten“ (Vers 14). Man meinte also, Jesus sei ein Mensch, wie sie es auch waren.
Dann wollte Jesus wissen, was die eigene Meinung seiner Jünger war: „Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“ (Vers 15).
Petrus, der oft vorpreschte, verkündigte prompt: „Du bist Christus [d. h. der Gesalbte, der verheißene messianische König der Linie Davids], des lebendigen Gottes Sohn!“ (Vers 16). Petrus traf den sprichwörtlichen Nagel direkt auf dessen Kopf, und Jesus bestätigte die Antwort seines Jüngers mit einem Segen: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Vers 17).
Das war aber erst der Anfang der geistlichen Ausbildung des Petrus. Der Jesus, den er sah, war der Herr der Bibel und die Personifizierung der Prophezeiung, aber noch nicht der bedingungslose Herr über alle Aspekte seines Lebens. Vielleicht ist das der Punkt, an dem Sie in Ihrem Leben angelangt sind, ohne es zu erkennen. Sie wissen, wer Jesus ist, haben Ihr Leben aber noch nicht bedingungslos in seinen Dienst gestellt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich werden: Es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen der Erkenntnis darüber, wer Jesus ist, und der bedingungslosen Hingabe des eigenen Lebens ihm gegenüber.
Vorerst war die Befragung der Jünger beendet, aber später sollte es für Petrus eine Fortsetzung des Unterrichts geben.
„Liebst du mich mehr als diese?“
Die zweite Frage wurde in Johannes 21 zum Schluss des irdischen Wirkens Jesu gestellt. Jesus und Petrus sind am Ufer des Galiläischen Meeres. In den Jahren seit ihrer ersten Begegnung ist viel passiert – gemeinsame Reisen, Wunder, die Vision der Verklärung Jesu und Jesu Verhaftung, Tod und Auferstehung.
Zwischen Christus und Petrus gibt es Unerledigtes. Christus stellt nun die zweite Frage: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Johannes 21,15; Elberfelder Bibel).
Das griechische Wort, das in diesem Vers mit „lieben“ übersetzt wurde, ist agapao – eine selbstlose ausströmende Liebe. Mit „diese“ scheint Jesus die anderen Jünger gemeint zu haben, wie es in der Lutherbibel zum Ausdruck kommt: „Hast du mich lieber, als mich diese haben?“
Damit wäre Petrus an seine eigenen Worte erinnert worden, die wir in Matthäus 26, Vers 33 finden: „Wenn sie auch alle Ärgernis nehmen, so will ich doch niemals Ärgernis nehmen an dir.“ Mit der ihm eigenen Forschheit hatte Petrus behauptet, er würde Jesus nie im Stich lassen, auch wenn die anderen es täten!
Doch am Abend des Verrats durch Judas, als Jesus seine Jünger am dringendsten gebraucht hätte, hat Petrus ihn dreimal verleugnet. Zunächst behauptete Petrus, Jesus überhaupt nicht gekannt zu haben (Lukas 22,57). Dann verleugnete er nicht nur Jesus, sondern auch seine Jünger (Vers 58). Zum Schluss verleugnete er seine ganze Erfahrung mit Jesus, einschließlich seiner galiläischen Herkunft (Verse 59-60).
Erst nach der dritten Verleugnung trafen sich die Augen von Petrus und Jesus (Lukas 22,61). Petrus wusste, dass er Christus dreimal verleugnet hatte, genauso wie Jesus es vorausgesagt hatte. Vor diesem Hintergrund formulierte Jesus seine Frage an Petrus auf eine Weise, nicht um ihn als Feigling abzustempeln, sondern um ihm die Gelegenheit zur vollständigen Wiederherstellung als wahrer Jünger zu geben.
Die Fragestellung dringt tiefer ein
Petrus, der von Jesu Frage wahrscheinlich überrascht wurde, antwortet prompt: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Doch in der griechischen Wiedergabe seiner Antwort benutzt Petrus ein anderes Wort für Liebe. Es ist das Wort phileo, die brüderliche Liebe. Wollte Petrus damit sagen, dass seine Liebe für Christus nicht nur die allgemeine göttliche Liebe zu allen Menschen war, sondern eine persönliche bzw. brüderliche Liebe? Auf jeden Fall hat er sich mit seiner Antwort nicht über die anderen Jünger gestellt.
Dann sagt Jesus zu Petrus, dass er sich der Aufgabe widmen soll, die Jesus für ihn vorgesehen hat: „Weide meine Lämmer!“ – seine Nachfolger (Johannes 21,15). Petrus sollte seine Liebe für Christus durch seine Hingabe gegenüber dem Dienst an der Gemeinde demonstrieren.
Jesus belässt es aber nicht bei einer einmal gestellten Frage. Stattdessen wiederholt er sie und verwendet abermals den allgemeineren Begriff apapao. Wir können uns vorstellen, wie Petrus geantwortet haben mag: „Du weißt doch, dass ich dich wie einen Bruder liebe“ (bei Petrus wird wieder das Wort phileo anstelle von agapao benutzt).
Christus bestand darauf, die Motive des Petrus zu hinterfragen. Schließlich war Petrus am Abend der Festnahme Jesu nicht in der Lage gewesen, zu seinem Wort zu stehen.
Wie es bei manchen heute der Fall ist, war die Religion des Petrus bislang eine der Emotionen und der schnellen Entschlüsse. Das wirkt zwar dynamisch und lässt andere weniger eifrig aussehen, aber die Flamme, die am heißesten brennt, erlischt auch am schnellsten. Christus will Petrus auf einen geistlichen Tiefgang hinweisen, der mehr als nur Emotion erfordert. Deshalb erhöhte er sozusagen den Druck auf Petrus, damit Petrus sich selbst erkennen konnte.
Jesus sagt Petrus nochmals, dass er für seine Schafe sorgen soll – eine große Verantwortung. War Petrus ihr wirklich gewachsen?
Dann stellt Jesus die Frage zum dritten Mal (Johannes 21,17). Sie schneidet bis ans Mark, denn Petrus muss jetzt erkennen, dass die Frage im Zusammenhang mit seinen drei Verleugnungen zu verstehen ist. Diesmal benutzt Jesus den gleichen Begriff wie Petrus – phileo –, als würde er ihn fragen: „Bis du mir wirklich verpflichtet, wie du es zu sein behauptest?“
In der Nachfolge wiederhergestellt
Petrus beruft sich auf Jesu Urteilsvermögen: „Herr, du weißt alle Dinge“ (Vers 17). Petrus wusste, dass er am Abend der Festnahme Jesu als Angeber entlarvt worden war. Nun gibt Jesus ihm die Gelegenheit, sich indirekt dafür zu entschuldigen, indem er Jesus dreimal seine Liebe beteuern kann. Zum dritten Mal bestätigt Petrus, dass er Jesus wie einen Bruder liebt.
Damit erfüllt Jesus seine prophetische Verheißung einer Wiederherstellung des Petrus, die er am Abend seiner Verhaftung verkündet hatte: „Simon, Simon! Der Satan ist hinter euch her, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber ich habe für dich gebetet, damit du den Glauben nicht verlierst. Wenn du dann zu mir zurückkehrst, so stärke den Glauben deiner Brüder!“ (Lukas 22,31-32; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).
Mit seiner dreimaligen Bekräftigung seiner Liebe zu Jesus ist Petrus nun zu ihm zurückgekehrt. Ein drittes Mal fordert Christus seinen Apostel auf, sich uneingeschränkt der Verantwortung zu stellen, die Christus ihm als Ausdruck seines Vertrauens übertragen will: „Weide meine Schafe!“ (Johannes 21,17). In seiner liebevollen Weisheit hat Christus die Schuld der Verleugnung durch Petrus vollständig getilgt. Es ist, als hätte es die Szene im Vorhof am Haus des Hohepriesters nie gegeben.
Jesus bekundet sogar seine Zuversicht, dass Petrus ihm bis zum Ende seines Lebens treu bleiben wird. Er gibt Petrus einen klaren Hinweis auf den Märtyrertod, der ihm bevorstand – die Kreuzigung: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst“ (Johannes 21,18).
Der Tag sollte kommen, an dem Petrus nicht handeln konnte, wie er es sonst gewohnt war. Ihm stand die Ehre zu, auf die gleiche Weise zu sterben wie sein Herr und Meister. Jesus fordert Petrus zur Treue auf, indem er noch hinzufügt: „Folge mir nach!“ (Vers 19).
Das wollte Petrus tun, aber er war neugierig, was aus seinem Apostelkollegen Johannes werden sollte: „Herr, was wird aber mit diesem?“ (Johannes 21,21). Jesu Antwort macht deutlich, dass sich Petrus lieber um seine eigene Sache kümmern sollte: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ (Vers 22).
Was bringt uns die Liebe zu Gott?
Wir verlassen nun das Ufer des Galiläischen Meeres und wenden uns unserem eigenen Leben zu. Wir stellen eine einfache Frage: Was bringt uns die Liebe zu Gott? Schließlich möchte Gott, dass alle, an die die Aufforderung „Folgt mir nach!“ ergeht, ihn lieben.
Als Erstes gilt es zu verstehen, dass Gott uns, wenn wir ihn lieben, eine Aufgabe gibt, genauso wie er es bei Petrus tat. Jesus sagte zu Petrus sinngemäß: „Wenn du mich liebst, wirst du diese Liebe zeigen, indem du diejenigen liebst, die ich in dein Leben bringe.“ Zuvor hatte Jesus gesagt: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Johannes 13,35).
Worte sind billig. Wir mögen sagen, dass wir Gott lieben, aber setzen wir diese Liebe auch in die Tat um?
Das geistliche GPS, das wir als Christen zum Ausloten unserer zwischenmenschlichen Beziehungen brauchen, lässt sich ganz einfach programmieren: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete“ (Johannes 15,12-14). Zur Liebe zu unserem himmlischen Vater und Jesus Christus berufen zu sein, ist ein großartiges Privileg, aber damit geht auch die Verantwortung einher, uns um andere zu kümmern.
Zweitens erfordert die Liebe zu Gott Opfer unsererseits. Die Liebe zu Gott ist immer an Verantwortung geknüpft, die Opfer bedeutet. Auf dem Weg eines jeden Christen gibt es ein Kreuz, das wir tragen müssen. Es ist in der heutigen Zeit wahrscheinlich nicht wie das Märtyrertum, das auf Petrus wartete, aber Christen stellen ihr Leben dennoch vollständig in den Dienst Gottes.
Bevor Jesus uns die Krone des ewigen Lebens überreicht, müssen wir unser Kreuz in diesem Leben aufnehmen. Es wird auch kein Kreuz sein, das wir uns ausgesucht haben. Wie Paulus müssen wir bereit sein, täglich zu sterben (1. Korinther 15,31).
Drittens bringt uns die Liebe zu Gott seine Akzeptanz und den inneren Frieden, der uns von Sorgen und Neid befreit. Denken wir an die Neugierde des Petrus in Bezug auf Johannes. Jesu Antwort war: „Kümmere dich nicht um die Aufgabe, die andere haben, sondern um deine eigene Aufgabe. Konzentriere dich auf deinen Dienst für mich!“
Petrus war anscheinend kein tiefsinniger Denker wie Johannes oder ein weltbürgerlicher Abenteurer für das Evangelium wie Paulus. Er konnte aber das, was er mit Jesus erlebt hatte, mit anderen teilen, um sie vor einem tiefen Sturz der Schuldgefühle zu bewahren. Er konnte als jemand reden, der selbst große Fehler gemacht hatte und dank der Liebe Gottes zum vollen Dienst für Christus wiederhergestellt wurde.
Jetzt haben Sie diesen Artikel zu Ende gelesen, und Ihr Leben geht danach weiter. Da stellen sich uns aber zwei große Fragen, die auch Petrus beantworten musste:
„Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“
„Liebst du mich?“
Wenn wir zu den Jüngern Jesu Christi gerechnet werden wollen, sollten wir verstehen, dass Jesus auf unsere Gedanken, Worte und Taten achtet. Daran erkennt er unsere Antworten auf diese beiden wichtigen Fragen und das Ausmaß unserer Standhaftigkeit bei der Befolgung seiner kostbaren Aufforderung „Folgt mir nach!“.