Für Israelis kommt die Rückgabe Ost-Jerusalems an die Palästinenser überhaupt nicht in Frage. Die Palästinenser erheben Anspruch auf Ost-Jerusalem als zukünftige Hauptstadt ihres Landes. Wem gehört Jerusalem bzw. Israel?
Von Paul Kieffer und Cecil Maranville
Jerusalem ist seit der Zeit, als es zum ersten Mal in der Bibel erwähnt wurde, wiederholt umkämpft und belagert gewesen – also alles andere als der „Besitz des Friedens“, so eine wörtliche Übersetzung des Stadtnamens. Die letzten fast 60 Jahre seit der Staatsgründung Israels sind keine Ausnahme. Israelis und Palästinenser erheben beide Anspruch auf Jerusalem als ihre Hauptstadt und sprechen sich gegenseitig jeglichen Anspruch auf die Stadt – besonders den Tempelberg – ab.
Der im Dezember 2004 verstorbene Führer der PLO, Jassir Arafat, behauptete beispielsweise wiederholt, daß der Mangel an archäologischen Funden gegen eine jüdische Verbindung zum Tempelberg spreche. Darüber hinaus soll er die Palästinenser als Nachfahren der Philister gesehen haben – eine unter Fachleuten umstrittene Ansicht – und damit als legitime Erben nicht nur Jerusalems, sondern des gesamten Heiligen Landes.
Diese Sichtweise ist jedoch absolut unvereinbar mit der Überzeugung mancher Juden, die glauben, daß Gott ihnen das Land Palästina gegeben hat. Ein jüdischer Immigrant aus Ohio, der heute mit seiner Familie in den besetzten Gebieten lebt, wurde vor einem Jahr von einem großen US-amerikanischen Fernsehsender interviewt. Der Moderator fragte ihn, warum er glaube, daß Israel die Kontrolle über palästinensisches Gebiet behalten sollte. Seine Antwort lautete: „Weil Gott uns das Land gab.“ Interessant ist, daß dieser Mann den jüdischen Glauben nicht praktiziert. Trotzdem hält er an der Vorstellung fest, daß die Juden ein göttliches Erbrecht auf ganz Palästina haben.
Mit dem Waffenstillstand Anfang Februar 2005 zwischen Israelis und Palästinensern keimt – wie so oft in den letzten 57 Jahren – die Hoffnung auf eine dauerhafte Lösung des Nahostproblems. Die alten Probleme sind aber nicht verschwunden, was durch die Äußerungen des neugewählten Palästinenser-Präsidenten Machmud Abbas bestätigt wird. Der PLO-Chef meint, daß der Nahost-Konflikt nur dann gelöst werden kann, wenn die Besetzung des Westjordanlands beendet, Ost-Jerusalem an die Palästinenser übergeben und eine Lösung für die im Ausland lebenden palästinensischen Flüchtlinge gefunden würde. Auch wenn es im Augenblick friedlich aussieht, ist mit diesen Forderungen – besonders der Rückgabe von Ost-Jerusalem – die Fortsetzung des Konflikts vorprogrammiert.
Jerusalem, Israel und Juda in der Bibel
Als historisches Dokument ist das Alte Testament teilweise mindestens mehr als 1700 Jahre älter als der Koran. In der Bibel wird Jerusalem erstmalig im ersten Buch Mose erwähnt, als „Melchisedek, der König von Salem“, den Patriarchen Abraham nach seinem Sieg über regionale Fürsten empfing (1. Mose 14,18-20). Aus Psalm 76, Verse 2-3 läßt sich ableiten, daß Salem das spätere Jerusalem war.
Bei der Landnahme Kanaans besiegte der Nachfolger von Mose, Josua, den König von Jerusalem (Josua 10,1-10). Im späteren Verlauf der Erzählung erfahren wir, daß die Jebusiter, die anscheinend zu den kanaanitischen Ureinwohnern des Landes gehörten, Jerusalem besetzten. Den Benjaminitern gelang es nicht, die Stadt einzunehmen: „Aber Benjamin vertrieb die Jebusiter nicht, die in Jerusalem wohnten, sondern die Jebusiter wohnten bei denen von Benjamin in Jerusalem bis auf diesen Tag“ (Richter 1,21).
Die endgültige Einnahme der kanaanitischen Festung Jebus erfolgte erst zur Zeit Davids. Der biblische Bericht faßt knapp zusammen: „David nahm die Bergfeste Zion ein, das ist die Stadt Davids“ (2. Samuel 5,7; Elberfelder Bibel). Von Jerusalem aus herrschte David über die zwölf Stämme Israels: „Zu Hebron regierte er sieben Jahre und sechs Monate über Juda, und zu Jerusalem regierte er dreiunddreißig Jahre über ganz Israel und Juda“ (Vers 5; alle Hervorhebungen durch uns).
Interessanterweise gehörte die Stadt Jerusalem nicht zum Erbteil des Stammes Juda, sondern zu Benjamin (Josua 18,21. 28). Nach der ursprünglichen biblischen Zuteilung der Stammesgebiete läßt sich also kein Anspruch der Juden auf Jerusalem ableiten. Wie kam die Verbindung zwischen den Juden und Jerusalem zustande?
König Davids Nachfolger, sein Sohn Salomo, folgte zunächst Davids Beispiel der Bundestreue gegenüber Gott. In der zweiten Hälfte seines Lebens ließ er sich jedoch dazu verleiten, anderen Göttern zu dienen. Als Konsequenz dieser Untreue sollte sein Sohn nicht mehr König über ganz Israel sein: „Der Herr aber wurde zornig über Salomo, daß er sein Herz von dem Herrn, dem Gott Israels, abgewandt hatte ... Darum sprach der Herr zu Salomo: Weil das bei dir geschehen ist und du meinen Bund und meine Gebote nicht gehalten hast, die ich dir geboten habe, so will ich das Königtum von dir reißen und einem deiner Großen geben. Doch zu deiner Zeit will ich das noch nicht tun um deines Vaters David willen, sondern aus der Hand deines Sohnes will ich’s reißen. Doch will ich nicht das ganze Reich losreißen; einen Stamm will ich deinem Sohn lassen um Davids willen, meines Knechts, und um Jerusalems willen, das ich erwählt habe“ (1. Könige 11,9. 11-13).
Die Prophezeiung wurde wahr, als nach dem Tod Salomos zehn Stämme Israels dem neuen König Rehabeam die Gefolgschaft verweigerten und das „Haus Israel“ im Norden des Landes bildeten. Die verbliebenen Stämme Benjamin und Juda verbündeten sich, um das „Haus Juda“ im Süden des Landes zu gründen. Salomos Sohn Rehabeam und seine Nachfolger regierten über dieses „Haus“. Jerusalem war mehr als 300 Jahre lang die Hauptstadt dieses Königtums, und von dieser Zeit an waren die Juden eng mit Jerusalem verbunden.
Besitz und Bundestreue
Der zu Beginn dieses Artikels zitierte jüdische Emigrant aus Ohio meinte, Palästina gehöre den Juden, weil Gott ihnen das Land gegeben habe. Dieses Argument wird immer wieder angeführt, um ein quasi biblisches Existenzrecht für den heutigen Staat Israel zu begründen.
In der Tat kann man in der Bibel nachlesen, daß Gott den Israeliten das Land Israel gab: „Der Herr sprach zu Mose: Geh, zieh von dannen, du und das Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, in das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Deinen Nachkommen will ich’s geben“ (2. Mose 33,1). Die Frage, die es nun zu klären gilt, ist, ob der Besitz des Landes Kanaan ein unveräußerliches Recht war oder aber an bestimmte Bedingungen geknüpft wurde.
Die Antwort haben wir eigentlich bereits gelesen in dem Urteil, das die Bibel in bezug auf Salomos Untreue gegenüber dem Alten Bund verkündet: „Weil das bei dir geschehen ist und du meinen Bund und meine Gebote nicht gehalten hast ...“ Der fortgesetzte Besitz des „Gelobten Landes“ und der Segen Gottes waren an die Treue der Israeliten geknüpft.
Nach Aussage der Bibel führte Gott die Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten heraus und machte ihnen das Angebot einer besonderen Beziehung, die wir als den Alten Bund kennen. Dieses Angebot an Israel war nicht bedingungslos, sondern hing von dem Gehorsam Israels ab: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern“ (2. Mose 19,5).
Beim Alten Bund ging es nicht um eine Vereinbarung, die unter gleichrangigen Verhandlungspartnern ausgehandelt wurde, sondern eher um ein Abkommen, das ein Souverän einem Volk aufgibt, das er erobert hat. Kurz gefaßt teilte Gott dem Volk Israel mit, daß er es zu einem bestimmten Zweck ausgewählt hatte. Sinngemäß sagte er: „Ich, für meinen Teil, verspreche euch das Land Kanaan [Palästina] zu geben. Euer Teil ist es, nach den Regeln bzw. dem heiligen Gesetz zu leben, das ich euch gebe. Wenn ihr euren Teil des Bundes brecht, bin ich nicht mehr länger an mein Wort gebunden.“
Was war im Falle des Ungehorsams vorgesehen? Der Verlust der besonderen Beziehung zu Gott! Dazu gehörte auch die neue Heimat Israels, das Gelobte Land!
Das „Haus Israel“, das nur fünf Jahre nach Salomos Tod gegründet wurde und zehn der zwölf Stämme Israels umfaßte, existierte weitere 200 Jahre, bevor es von den Assyrern in Gefangenschaft verschleppt wurde. Die Bibel nennt einige der Gründe für den Untergang des Hauses Israel: Sie „ließen ihre Söhne und Töchter durchs Feuer gehen und gingen mit Wahrsagen und Zauberei um und verkauften sich, zu tun, was dem Herrn mißfiel ... Da wurde der Herr sehr zornig über Israel und tat es von seinem Angesicht weg, so daß nichts übrigblieb als der Stamm Juda allein“ (2. Könige 17,17-18).
Ca. 130 Jahre später geriet auch das Südreich, das Haus Juda, in Gefangenschaft. Mit der Verschleppung der Juden und Benjaminiter nach Babylon hörte die einstige nationale Identität der Israeliten im Sinne des Alten Bundes endgültig auf. In babylonischer Gefangenschaft offenbarte der Prophet Hesekiel weitere Gründe für den Untergang und die Verbannung beider Reiche – Israel und Juda:
„Seine Priester tun meinem Gesetz Gewalt an und entweihen, was mir heilig ist; sie machen zwischen heilig und unheilig keinen Unterschied und lehren nicht, was rein oder unrein ist, und vor meinen Sabbaten schließen sie die Augen; so werde ich unter ihnen entheiligt“ (Hesekiel 22,26). Hesekiel klagte die Israeliten für ihre Verwerfung des Sabbats, des biblischen Ruhetags, an. Dieser Tag war ein besonderes Zeichen für das Volk Israel, damit es durch die Heiligung des Sabbats immer wieder an seine Zugehörigkeit zu Gott erinnert wurde (2. Mose 31,13-17).
Die heutigen Juden sind nicht das ganze Israel der Antike
Was geschah mit dem „Haus Israel“ – den zehn Stämmen des Nordens – nach ihrer Verschleppung nach Assyrien? Im allgemeinen geht man davon aus, daß diese israelitischen Stämme untergegangen sind.
Daher wird oft von den „zehn verlorenen Stämmen“ gesprochen. Die vorherrschende Meinung in der Gelehrtenwelt ist, daß sie entweder von heidnischen Völkern aufgesogen wurden oder einfach ausgestorben sind. Im Gegensatz zu den Juden hatten die Bürger der zehn Stämme des Nordreichs nach der Trennung vom restlichen Israel den Sabbat nicht mehr gehalten; folglich verloren sie ihre völkische Identität.
Heute nehmen viele fälschlicherweise an, die Juden machten das gesamte Israel der Antike aus, was aber keineswegs der Fall ist. Die meisten Christen sind sich nicht bewußt, daß die heutigen Juden nur einen kleinen Prozentsatz der Nachkommen des alten Volkes Israel darstellen. Jakob (bzw. Israel) hatte zwölf Söhne. Jeder von ihnen wurde zum Vater eines Clans oder eines Stammes.
Juda war einer dieser zwölf Söhne und ist der Vorfahre der heutigen Juden. Die Juden machen also nur einen kleinen Teil der Nachkommen von ganz Israel aus. Von diesem Anteil stellen die heute in Israel lebenden Juden eigentlich nur eine Minderheit aller Juden dar.
Nach den Prophezeiungen der Bibel kommt die Zeit, wenn Gott ganz Israel wieder in das Gelobte Land zurückbringen wird – alle zwölf Stämme. Dann werden alle Nachkommen des alten Israels – weit mehr als nur die Juden – als eine Nation wiedervereinigt. So prophezeite Hesekiel:
„So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will die Israeliten herausholen aus den Heiden, wohin sie gezogen sind, und will sie von überall her sammeln und wieder in ihr Land bringen und will ein einziges Volk aus ihnen machen im Land auf den Bergen Israels, und sie sollen allesamt einen König haben und sollen nicht mehr zwei Völker sein und nicht mehr geteilt in zwei Königreiche“ (Hesekiel 37,19-22).
Bei seiner Wiederkehr wird Jesus die zwölf Stämme Israels zur Reue führen und wieder in das verheißene Land zurückbringen, wie Mose es prophezeit hat: „Wenn du bis ans Ende des Himmels verstoßen wärst, so wird dich doch der Herr, dein Gott, von dort sammeln und dich von dort holen und wird dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es einnehmen“ (5. Mose 30,4-5).
Erst dann wird ganz Israel – alle zwölf Stämme – wieder in der Lage sein, einen biblischen Anspruch auf das göttliche Erbe Palästina zu erheben.
Jerusalem heute und der Staat Israel
Um Mißverständnissen vorzubeugen, geht es uns in diesem Artikel überhaupt nicht darum, die Existenz des Staates Israel in Frage zu stellen. Der souveräne Staat Israel existiert in Übereinstimmung mit dem heutigen Völkerrecht und unterhält diplomatische Beziehungen zu fast allen Ländern außerhalb der islamischen Einflußsphäre.
Uns geht es vielmehr um die Frage, ob der jüdische Staat ein biblisch verbürgtes Besitzrecht auf Palästina hat. Existiert Israel aufgrund einer tiefen geistlichen Reue seiner Bürger? Nein, politische Intrigen, fremde Mächte und Krieg verhalfen der modernen Nation Israel zu ihrer Geburt. Bedeutet dies, daß Gott überhaupt keinen Einfluß auf die Staatsgründung Israels ausübte? Überhaupt nicht, denn Gott behält sich das Recht vor, zur Förderung seines Vorhabens in menschliche Angelegenheiten einzugreifen (vgl. Daniel 4, Vers 14).
In bezug auf Palästina gibt es dafür sogar ein geschichtliches Beispiel. Nach der biblischen Erzählung ermöglichte Gott die Rückkehr einiger der nach Babylon verschleppten Juden nach Jerusalem. Diese Rückkehr diente nicht der Gründung eines neuen Staates Israel, sondern ist im Zusammenhang mit Prophezeiungen zu sehen, die mit dem Leben Jesu Christi zu tun hatten. Die Rückkehr der Juden 500 v. Chr. nach Jerusalem war eine Voraussetzung für die Erfüllung dieser Prophezeiungen!
Ähnlich verhält es sich heute. Die jüdische Präsenz in Palästina schafft den Rahmen für prophetische Vorhersagen wie diese: „Siehe, ich will Jerusalem zum Taumelbecher zurichten für alle Völker ringsumher, und auch Juda wird’s gelten, wenn Jerusalem belagert wird. Zur selben Zeit will ich Jerusalem machen zum Laststein für alle Völker. Alle, die ihn wegheben wollen, sollen sich daran wund reißen; denn es werden sich alle Völker auf Erden gegen Jerusalem versammeln“ (Sacharja 12,2-3).
Vorerst wird der Nahostkonflikt weitergehen. Große rhetorische Worte werden ohne bleibende Wirkung bleiben, denn die Bomben werden wieder explodieren und leider wird noch viel mehr Blut fließen. Noch gewinnt der heutige Staat Israel seine Kriege. Die Bibel sagt jedoch voraus, daß in den nächsten Jahren eine Zeit kommt, in der Israel ernsthafte Niederlagen erleiden wird.
Erst später, nach der Wiederkehr Jesu, wird Jerusalem seinem Namen als „Besitz des Friedens“ alle Ehre machen: „So spricht der Herr: Ich [Jesus] kehre wieder auf den Zion zurück und will zu Jerusalem wohnen, daß Jerusalem eine Stadt der Treue heißen soll und der Berg des Herrn Zebaoth ein heiliger Berg“ (Sacharja 8,3).
Am Horizont: Jerusalem als internationale Stadt?
Zur Lösung des Streits um Jerusalem wurde mehrmals der Vorschlag gemacht, die Stadt einer internationalen Kontrollorganisation zu unterstellen – beispielsweise der UNO. Für die meisten Israelis ist dieser Vorschlag jedoch indiskutabel.
Israels ehemaliger Premierminister Benjamin Netanyahu stellte dazu fest: „Israel kann unter keinen Umständen über irgendeinen Aspekt Jerusalems verhandeln, genauso wenig wie Amerikaner über Washington, D.C. verhandeln würden ... Die Vorstellung, daß Jerusalem wieder geteilt wird, ist pure Phantasie.“
Doch er räumt ein, daß „es nicht nur die Araber sind, die an dieser Phantasie festhalten. In fast jedem Außenministerium des Westens, einschließlich des US-Außenministeriums, gibt es Landkarten, auf denen Ost-Jerusalem nicht als Teil eines geeinten Jerusalems unter israelischer Hoheit eingetragen ist“ (A Place Among the Nations, 1993, Seite 346).
Selbst unter jüdischer Kontrolle bleibt die Stadt in mancher Hinsicht geteilt. 2001 beschrieb der Autor Bernard Wasserstein die Situation in Jerusalem, die sich seither nur verschlimmert hat: „In vielfacher Hinsicht ist Jerusalem geteilter denn je. Mauern und Zäune zwischen jüdischen und arabischen Vierteln sind entstanden. Jüdische Taxifahrer fahren ungern in arabische Viertel, und jüdische Rettungswagen fahren nur in Begleitung von Sicherheitskräften dort hin. Der Verwalter für den Jerusalemer Bezirk der [fremden] palästinensischen Autonomiebehörde soll seine Autorität in der arabischen Gemeinde wirksam ausüben“ (Divided Jerusalem, 2002, Seite 359). Der israelische Intellektuelle Amos Elon fügt hinzu: „Zum größten Teil arbeiten und leben die beiden Hauptgemeinden, israelisch und palästinensisch, voneinander getrennt, als wäre die Stadt durch Stacheldraht und Minenfelder geteilt“ (Jerusalem: City of Mirrors, 1996, Seite 47).
Ist es vorstellbar, daß der Vatikan seine Dienste in einer Vermittlerrolle anbietet? lnteressant ist, wie wenig Aufmerksamkeit der Vatikan zwischen 1948 und 1967 der Stadt Jerusalem widmete. Als die Juden während des Sechstagekrieges die Hoheit über Ost-Jerusalem gewannen, änderte sich das schlagartig.
Beim Ausbruch der Zweiten Intifada im September 2000 forderte der Papst die internationale Gemeinschaft auf, den Frieden in der Region zu gewährleisten: „Die Geschichte und der gegenwärtige Stand der Beziehungen unter den Religionen im Heiligen Land sind derart, daß ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft kein gerechter und dauerhafter Frieden vorauszusehen ist.“ Meinte er damit eine Zusammenarbeit des Vatikans etwa mit den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union? Die Forderung nach einer internationalen Friedensmission für Jerusalem ist nicht neu: In den letzten Jahren wurde sie vom Vatikan, Rußland, der Europäischen Union und sogar von den Palästinensern gestellt.
Ausgerechnet die Prophezeiungen der Bibel deuten eine solche Lösung an. Sie sagen voraus, daß in der Zeit kurz vor der Wiederkehr Jesu Christi Nichtjuden über Jerusalem herrschen werden (Lukas 21,24-28; Offenbarung 11,2).
Eine dauerhafte Lösung des Jerusalem-Problems wird es nur bei der Wiederkehr Jesu Christi geben. Durch sein Eingreifen wird er die historische Stadt vor der Zerstörung retten. Erst dann wird Jerusalem seiner biblisch vorgesehenen Funktion als Quelle des Lichts, der Herrlichkeit und der Wahrheit gerecht werden.
Die Suche nach dem Frieden Jerusalems
In der Balfour-Deklaration des Jahres 1917 wurde erklärt, daß durch die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina „nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften in Palästina“ in Frage stellen würde.
Die Umsetzung dieser Erklärung setzte freilich die Bereitschaft aller in Palästina vertretenen Gruppen voraus, miteinander in Frieden zu leben. Dazu der britische Historiker Martin Gilbert:
„Im Kern hatte der Zionismus 100 Jahre lang die Anerkennung seiner Legitimität durch die Palästinenser angestrebt. Die vielen Auseinandersetzungen vor und nach 1948 ... konnten das grundlegende Gebot jedoch nicht zudecken, daß ein Weg für Juden und Araber auf dem schmalen Landstreifen zwischen Mittelmeer und Jordan gefunden werden muß, das gegenseitige Recht auf Leben und Gedeih anzuerkennen“ (Israel: A History, 1998, Seite 560).
Nur zwei Jahre bevor er im November 1995 von den Kugeln eines Attentäters niedergestreckt wurde, appellierte der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin an die Palästinenser: „Es ist unser Schicksal, auf dem gleichen Boden im gleichen Land zusammen zu wohnen ... Wir hegen keinen Haß auf Sie, noch fordern wir Rache. Wie Sie sind wir Menschen, die Häuser bauen, Bäume pflanzen, lieben und neben Ihnen wohnen möchten – in Würde und Mitgefühl, als Mitmenschen, als freie Menschen ... Beten wir gemeinsam, daß der Tag kommen wird, an dem wir von unseren Waffen Abschied nehmen.“
Rabins Gebet für den Frieden wird erst durch das Etablieren des Reiches Gottes auf Erden erhört (Micha 4,3-4). Vorher werden große Kampfverbände Jerusalem umzingeln und so die biblische Prophezeiung von Harmagedon erfüllen (Offenbarung 16,16), die in der durch Jesu Wiederkehr herbeigeführten Rettung gipfeln wird.
Die glorreiche Zukunft der Stadt Jerusalem
Nach den Prophezeiungen der Bibel wird Jerusalem in der Welt von morgen eine Vorbildfunktion für die ganze Welt haben. Nur unter der Regierung Gottes – dem Reich Gottes auf Erden – und der barmherzigen Führung Jesu Christi wird Jerusalem diese Bestimmung erfüllen können.
Jesus wird viele prophetische Aussagen, die auf die glorreiche Zukunft Jerusalems hinweisen, erfüllen. Bei der Wiederkehr Jesu wird Israels König David zum ewigen Leben auferweckt, um Israel die Gerechtigkeit Gottes zu lehren (Jeremia 30,9; Hesekiel 37,24-25). Das „Israel“, auf das sich diese Prophezeiungen beziehen, umfaßt viel mehr als nur den Stamm Juda – die Juden. Zu Beginn der Herrschaft Jesu werden nämlich die „verlorenen“ zehn Stämme des Hauses Israel mit dem Haus Juda wiedervereinigt (Hesekiel 37,22).
Vor 3000 Jahren leitete die Krönung Davids in Hebron zum König über alle zwölf Stämme Israels die Versöhnung unter den damals geteilten Stämmen Israels ein. Zu diesem Ereignis bestätigten Davids Landsleute seine Einsetzung als König mit folgenden Worten: „Der Herr, dein Gott, hat zu dir geredet: Du sollst mein Volk Israel weiden, und du sollst Fürst sein über mein Volk Israel“ (1. Chronik 11,1-2).
Die Krönung von König David im alten Israel ist ein Sinnbild für die Krönung Jesu Christi als Messias. Jesus kehrt nicht nur als erobernder König zurück (Offenbarung 11,15), sondern auch als fürsorglicher Hirte (Jesaja 40,10-11). Er wird einer Welt, die durch Streit und Sünde zerteilt ist, Heilung bringen. In dieser neuen Weltordnung wird Jerusalem endlich die „Stadt des Friedens“ und eine Leuchte für alle Menschen auf Erden sein.