War die enge Beziehung, die die ersten Christen mit Gott, dem Vater, und Jesus Christus hatten, nur für ihre Generation vorgesehen, oder ist sie auch für heutige Christen möglich?
Von Robin Webber
Der Bestseller in den USA, The Greatest Generation („Die größte Generation“) von Tom Brokaw, dem bekannten US-Starreporter, beschreibt die Männer und Frauen, die die große Depression und den Zweiten Weltkrieg erlebten. Ihre Kinder und Enkelkinder, die das Buch lesen, sind von den Umwälzungen tief beeindruckt, die ihre Eltern bzw. Großeltern verkraften mussten. Brokaw beschreibt im Detail auch das moralische Rückgrat jener Generation, das ihr die Kraft zum Ausdauern und Bewältigen gab.
Die Menschen, die Brokaws Buch lesen, sind nicht die einzigen, die eine frühere Generation bewundern. Heutige Christen staunen manchmal über den Glauben und die Werke der ersten Nachfolger Christi. Man ist geneigt, sie aufgrund ihrer Opferbereitschaft und ihres Eifers für die Sache Gottes als die „größte Generation“ aller Christengenerationen zu bezeichnen.
Hat unser himmlischer Vater aber wirklich nur eine „größte Generation“ von Nachfolgern, oder ist es sein Ziel, mit jeder Generation zu arbeiten – vielleicht auf unterschiedliche Weise –, um ihr moralisches Rückgrat zu formen und zu vollenden? Wo finden wir die Antwort? Wir finden sie ausgerechnet in uns selbst. Sie zeigt uns, wie Gott jeder Generation bei der Umsetzung von Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ beisteht.
Es ist, als wäre er nie von uns gegangen
Sie fragen sich wahrscheinlich, wie die Antwort in Ihnen sein kann. Am letzten Abend im irdischen Leben Jesu Christi ermutigte er seine Jünger mit folgenden Worten:
„Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben. An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch“ (Johannes 14,19-20; alle Hervorhebungen durch uns).
Ist Ihnen die dreimalige Betonung des Wortes „in“ aufgefallen? Welche großartige Bedeutung steckt in diesem kleinen Wort?
Jesus versprach seinen Jüngern etwas sehr Persönliches an jenem Abend. Er wollte in ihnen sein. Und seine Nachfolger damals stellten seine Gegenwart unter ihnen nie in Frage, auch nachdem er von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren war. Sie nahmen ihn beim Wort.
Ihre Verkündigung des Evangeliums und ihre persönliche Lebensführung waren in jeder Hinsicht von dem Bewusstsein einer engen persönlichen Beziehung zu Jesus Christus gekennzeichnet. Sie forderten diejenigen, die ihre Botschaft hörten, nicht nur dazu auf, an Jesus zu glauben, sondern auch ihn so zu erleben, wie sie ihn erlebten.
Die ersten Christen verstanden sehr wohl, dass Christi Auferstehung und Himmelfahrt eine Veränderung bei der Ausführung des Auftrags bedeutete, den Jesus vom Vater erhalten hatte. Es war nicht mehr Christus als Mensch auf der Erde, der das Werk Gottes tat, sondern er tat es nunmehr durch seine Gemeinde, in der er wohnte. Das Neue Testament berichtet über die Fortsetzung seines Wirkens, angefangen mit der Apostelgeschichte: „Den ersten Bericht habe ich verfasst, Theophilus, von allem, was Jesus angefangen hat, zu tun und auch zu lehren“ (Apostelgeschichte 1,1).
Der Sohn Gottes wirkt in seiner Gemeinde, die sein Leib ist und deren Haupt er ist: „Und alles hat er [Gott, der Vater] unter seine [Jesu] Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Epheser 1,22-23).
So wurden Jesu Nachfolger zu seiner Zunge, die seine Wahrheiten predigten. Sie wurden zu seinen Armen und Händen, um hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Sie wurden zu seinen Füßen, um die wunderbare Heilsbotschaft in alle Welt zu tragen. Hörte diese Arbeit mit dem Ableben der ersten Christengeneration auf, oder geht sie heute mit uns weiter?
„In“ bedeutet in!
Der Apostel Paulus ruft Christen aller Generationen auf zu prüfen, ob die dynamische Realität der Verheißung Christi vorhanden ist: „Erforscht euch selbst, ob ihr im Glauben steht; prüft euch selbst! Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Wenn nicht, dann wärt ihr ja untüchtig“ (2. Korinther 13,5).
Viel zu oft neigen wir dazu, die möglichen Auswirkungen dieser einfachen Worte zu minimieren, indem wir sie auf eine Metapher reduzieren. Jesu Verheißung ist keine Metapher, sondern ein stabiler, realer Anker für unsere Lebensführung als Christen!
Zur Zeit seines irdischen Wirkens sagte Jesus voraus, dass seine wahren Nachfolger Gott auf andere Weise anbeten würden, als es die alten Israeliten taten. Bevor Jesus als Gott in Menschengestalt auf der Erde erschien, führte er Israel durch seine Gegenwart in einem brennenden Busch oder als Feuer- oder Rauchsäule an der Stiftshütte. Sein Geist wirkte von Zeit zu Zeit durch die Worte der Propheten oder durch Botschaften, die Engel überbrachten.
Wie sollte es in Zukunft bei seinen Jüngern sein? Jesus sagte: „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Johannes 4,23-24). Damit meinte Jesus eine neuartige Beziehung der Berufenen zu ihrem himmlischen Vater und ihm.
Paulus erläuterte einen weiteren Aspekt dieser Beziehung durch den uns innewohnenden heiligen Geist. „Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Römer 8,9-11). Der Geist des Vaters und der Geist Christi ist derselbe heilige Geist – der Geist, der in uns wohnen kann.
Untersuchen wir nun, was die Gabe des heiligen Geistes wirklich ist. Gott ist heilig (1. Petrus 1,15-16; Offenbarung 15,3-4). Christus ist heilig (Apostelgeschichte 2,26-27; 4,30). Und Gott, der Vater, und Jesus sind beide Geist (Johannes 4,23-24; Römer 8,9-11).
Die einfache Wahrheit der Bibel ist, dass Gottes wunderbares Geschenk an uns seine wahrhaftige Gegenwart ist, die in uns wohnt – der heilige Geist, denn Gott ist Geist! Petrus schreibt, dass wir einen Anteil an der göttlichen Natur bekommen haben (2. Petrus 1,4), denn Gott, der Vater, und Jesus Christus wohnen durch ihren Geist tatsächlich in uns.
Sie sind der Tempel Gottes!
Mittels einer Analogie beschreibt Paulus diese erstaunliche Realität: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr“ (1. Korinther 3,16-17). So können wir Jesu Ankündigung verstehen, dass seine wahren Nachfolger nicht von Berg zu Berg wandern müssen, um ihn anzubeten.
Wir müssen nicht irgendwo hingehen, um Gott zu begegnen, denn Gott beruft uns zur Reue und Umkehr mit dem Resultat, dass er und sein Sohn zu uns kommen und Wohnung bei uns nehmen.
Vor dem Hintergrund dieses Tatbestands wundert es nicht, dass Paulus sagen konnte: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2,20). Er sagte nicht nur, dass er Christus ähnlich geworden war. Der Geist Gottes arbeitet in uns, um uns zu bekehren, damit wir „auch leben, wie er gelebt hat“ (1. Johannes 2,6). Christus soll in uns so leben, wie er es damals auf Erden tat.
In Kolosser 1, Vers 27 schrieb Paulus, dass „Gott kundtun wollte, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“.
Vergleichen wir den Reichtum dieses Geheimnisses mit den Worten von Paulus in 2. Korinther 4, Verse 6-7: „Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten [bei der Erneuerung der Erde in 1. Mose 1], der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben [in geistlicher Hinsicht], dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen [d. h. im menschlichen Körper], damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“
Diese Erkenntnis beflügelte die ersten Christen und half ihnen bei der Überwindung der Hindernisse und Anfechtungen, die sie damals erlebten. Das Wissen um die Gegenwart Gottes in uns hilft auch allen Menschen, die Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ umsetzen wollen. Jesu Jünger vertrauten auf seine Verheißung: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch“ (Johannes 14,18).
Sie verstanden, dass er damit nicht nur seine leibliche Rückkehr zur Erde als König der Könige und Herr der Herren meinte, sondern auch seine Gegenwart in unserem Leben jetzt als unser persönlicher Hirte – der Erzhirte aller berufenen Schafe (Hebräer 13,20).
Als unser Hirte möchte er, dass uns nichts fehlt. Da er in uns wohnt, unterliegt seine Gegenwart nicht externen Einflüssen. Gott baut seinen geistlichen Tempel heute – der wir sind – sozusagen von innen heraus.
So gesehen wohnt Gott heute in der gleichen Weise in seiner Gemeinde, wie er es seit den Tagen der ersten Christen getan hat. Es gibt bei ihm keine „größte Generation“, denn bei ihm gibt es kein Ansehen der Person (Apostelgeschichte 10,34). Christen in allen Generationen sind seine Kinder gewesen (1. Johannes 3,9-10). Er hat die Gerechtigkeit seines Sohnes in Christen aller Generationen wohnen lassen.
Als Gott bestimmte, dass sein Sohn auch den Namen Immanuel – „Gott mit uns“ – haben sollte (vgl. dazu Matthäus 1,23), war noch nicht bekannt, dass der Messias nicht nur mit uns gehen sollte, d. h. neben uns her, sondern auch in uns leben wird, damit unser himmlischer Vater uns vervollkommnen kann.
Sind wir aufgrund der Sorgen und Probleme dieses Lebens jemals versucht, Jesus nicht mehr nachzufolgen, so denken wir an die Aufforderung des Paulus: „Erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“ Was für ein Geschenk – Christus wohnt in uns! Und was für eine Sicherheit! Dieses großartige Geschenk ist auch an eine große Verantwortung geknüpft, wie wir in der nächsten Ausgabe behandeln werden.