Nachdem Jesus eine Gruppe ausgestoßener und verzweifelter Aussätziger geheilt hatte, kehrte nur einer voller Dankbarkeit zurück. Diese Geschichte lehrt uns viel über unser eigenes Leben.
Von Robin Webber
Im Laufe der Jahre habe ich mit Kriegsveteranen gesprochen, die mir berichteten, dass sie, als sie unter feindlichen Beschuss gerieten und scheinbar nur noch wenige Momente vom Tod entfernt waren, folgendermaßen beteten: „Oh Gott, wenn du mir hier heraushilfst, gehe ich jede Woche in die Kirche!“
War ihre Bitte, gerettet zu werden, aufrichtig gemeint? Ganz bestimmt! Doch in unserer menschlichen Schwäche vergessen wir bald wieder, was Gott für uns getan hat, und so gelingt es uns nicht, dankbar und engagiert zu bleiben. Unsere große Not, die wir im Moment der Verzweiflung vor Gott gebracht haben, gerät im Laufe der Zeit in Vergessenheit.
Eines der zuverlässigsten Kennzeichen dafür, dass wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ (Matthäus 4,19 und Johannes 21,19) nachkommen, ist, dass wir uns daran erinnern, wo, wann und wie wir selbst Gottes rettende Liebe erfahren haben. Dies ist der Auftakt zu einem neuen und anderen Leben – einem Leben, das wir nicht mehr alleine führen. Des Weiteren spielt diese Erinnerung dann eine wesentliche Rolle, wenn wir andere durch unser Leben wissen lassen können, dass ihr Leben nicht in Verzweiflung enden muss, sondern in ungeahntem Wohlbefinden.
Genau dies finden wir in Lukas 17, Verse 11-19. Als sich Jesus durch die umliegenden Regionen von Galiläa und Samarien auf Jerusalem zubewegte, wo ihn sein Schicksal erwartete, traf er zehn Aussätzige. Die Zeit war kostbar, doch anhand derjenigen, denen Jesus an diesem Tag begegnete, werden wichtige Lektionen aufgezeigt, die auch für uns wichtig sind.
Jesus kommt zur Zeit der Hoffnungslosigkeit
Als er in ein Dorf kam, erhoben zehn verzweifelte Männer ihre Stimmen und sprachen: „Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“ (Vers 13). Jesus kam zu eben diesem Zeitpunkt, als die Hoffnung verloren war. Wir wissen nicht, welche Nationalität die zehn Männer hatten. Klar ist nur, dass einige von ihnen Juden waren und mindestens einer ein Samariter. Möglicherweise hatten diese einander früher ausgegrenzt, da die Samariter von den Juden als Mischlinge mit einer wertlosen und gottesfeindlichen Religion betrachtet wurden. Sie waren „die anderen“, die man zu hassen und verachten hatte. Doch nun waren alle in ihrer Not vereint, denn sie alle waren Aussätzige.
Aussatz, eine Plage der Antike, war eine sich fortschreitend verschlechternde Krankheit, die die Gliedmaßen und Nervenenden des Körpers angriff. Die eiternden Wunden zeigten den zunehmenden Verfall des Körpers unter der Haut.
In der Schrift steht, dass diese wandelnden Toten „von ferne standen“ (Vers 12), was mit anderen Berichten über die Gebräuche dieser Zeit hinsichtlich Infizierter übereinstimmt. Sie mussten abgesondert bleiben und ca. 2 m Mindestabstand zu anderen halten, bei Wind sogar ca. 45 m. Sie mussten andere von Weitem vor ihrer Anwesenheit warnen, um keinen Kontakt mit Gesunden zu haben. Man betrachtete sie als verflucht, da es die kulturelle Denkweise war, körperliche Leiden mit persönlicher Sünde oder einer Generationssünde zu verbinden (vgl. Johannes 9,1-3).
Der Sohn Gottes griff rettend in das Leben dieser Männer ohne Hoffnung ein und sagte ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ (Vers 14). Dies stimmte mit 3. Mose 14, Verse 1-32 überein, wo es heißt, dass Aussätzige wieder an der Gesellschaft teilhaben können, wenn ihre Krankheit nicht mehr nachweisbar ist.
Die Aussätzigen waren allerdings noch nicht geheilt, als Jesus sie zum Losgehen aufforderte! In Lukas 17, Vers 14 steht, dass sie geheilt wurden, nachdem sie sich gemäß der Aufforderung Jesu auf den Weg gemacht hatten. Stellen Sie sich ihre Freude vor, als die Wunden verschwanden und ihr Fleisch geheilt wurde!
Doch in den nächsten Versen kommt Jesus auf ein schreckliches menschliches Übel zu sprechen: Undankbarkeit. „Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen“ (Verse 15-19; Hervorhebung durch uns).
Diese Geschichte ist unsere eigene Geschichte
Welche Lehren können wir in diesen wenigen Versen für uns persönlich entdecken? Bedeutet Dankbarkeit lediglich, jemandem so bald wie möglich seinen Dank auszusprechen, oder steckt etwas Tiefgreifenderes dahinter?
Denken wir zunächst daran, dass Jesu Dienst auf der Erde nicht von Zufall geprägt, sondern vielmehr genau geplant war. Seine Begegnungen mit Menschen waren nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Wir beten niemanden an, der aus Zufall unser Retter geworden ist. Als er in das Dorf kam und den Aussätzigen begegnete, tat er dies nicht, weil sein Navigationssystem in dem Moment nicht funktionierte. Vorher hatte er nämlich gesagt: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2,49).
Der rote Faden des Lukasevangeliums kristallisiert sich in Lukas 19, Vers 10 heraus: „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Lukas verfasste ein Evangelium voller Berichte über Heiden, Aussätzige und Besessene – solche, die durch die Kultur bequem „außerhalb des Lagers“ gehalten wurden.
Später schrieb er die Apostelgeschichte, die frühe Geschichte der Kirche Gottes. Der sprichwörtliche Sicherheitsabstand vom Unreinen wird durch Christus und sein Opfer aufgehoben. Lukas schrieb sehr oft darüber, wie Gott auf diejenigen zuging, die ausgestoßen waren.
Diese waren jedoch nicht die einzigen Ausgestoßenen, die Rettung brauchten. Wir sollten aus Gottes Perspektive erkennen, dass wir alle einst Aussätzige waren – geistliche Aussätzige! Manche haben dies vielleicht vergessen, und manche erkennen es vielleicht nicht, wenn Gott in das Dorf ihrer Existenz kommt.
In der Bibel steht, dass „alle . . . gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren [haben]“ (Römer 3,23; Einheitsübersetzung). Durch unsere Sünden, die sich wie Wunden auf dem Wesen unseres Herzens ausbreiten, sind wir von Gott getrennt, sodass sein Angesicht vor uns verborgen ist (Jesaja 59,2). Dieser Abstand ist unermesslich größer als 45 Meter und von uns selbst gemacht.
Doch Gott hörte unseren Ruf und hört ihn auch jetzt – er ist wie ein Nachhall der Bitte um Erbarmen der Aussätzigen. Gott, der Vater, sandte seinen Sohn, der bereitwillig als das Lamm ohne Fehler kam und keine Wunden im Herzen, in der Seele und am Körper hatte. Er, „der von keiner Sünde wusste“ und „für uns zur Sünde gemacht [wurde]“ (2. Korinther 5,21), bezahlte den Preis der Sünde, damit wir leben können.
Beständig Dank als Opfer darbringen
In Hebräer 13 finden wir eine Beschreibung der Leiden Jesu und seiner Trennung vom Land der Lebendigen unseretwegen. Dabei geht es auch darum, wie unsere Reaktion darauf aussehen sollte: „Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor [wie ein Aussätziger]. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen . . . So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Verse 12-13 und 15).
Was tun wir jetzt dafür, während wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ nachkommen? Ist uns Gottes rettendes Eingreifen voll bewusst oder haben auch wir vielleicht bis jetzt unter geistlichem Gedächtnisschwund gelitten? Preisen wir Gott wie der dankbare Samariter mit lauter Stimme? Wie er sollen wir in ergebener Anbetung und Dankbarkeit niederfallen.
Das ist mehr als nur ein Nicken und ein obligatorisches „Dankeschön“. Wir zeigen, wie sehr wir Gottes anfängliches und fortwährendes rettendes Eingreifen wertschätzen, indem wir unsere Gedanken, Worte und Taten zu jeder Zeit vor den großen und liebenden Lebensspender bringen und ihm den Ausgang aller Dinge überlassen. Er verwandelt uns von lebenden Toten zu einer neuen Kreatur in Christus (2. Korinther 5,17). Nur er ist fähig, die Entfernung, die uns von ihm und anderen Menschen trennte, zu beseitigen. Er allein gibt uns eine ewige gemeinsame Zukunft in enger Gemeinschaft in seiner Familie.
Seine Gnade und seine Gunst jeden Tag anzuerkennen, indem wir jeden Menschen, der nach seinem Bilde geschaffen ist, mit Würde und Respekt behandeln, ist ein wichtiger Weg, Gott anzubeten. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Sicherheitsabstandsregel hinsichtlich derer, die unserer Meinung nach von Gott nicht erreicht werden können, zu beseitigen. Christi Aufforderung, ihm nachzufolgen, bedeutet nämlich auch zu verstehen, dass es nicht unsere Aufgabe ist zu bestimmen, wer ein Mitglied der Familie Gottes sein kann.
Wie der Samariter werden auch wir erkennen, dass wir immer etwas tun müssen, wenn Gott in unser Leben kommt. Auch wenn Gott alles alleine tun könnte, möchte er, dass wir unseren Gehorsam mit seiner Gnade vereinen. Manchmal wird dies für uns scheinbar keinen Sinn haben, wie beispielsweise auch für die Aussätzigen, die bereits zu den Priestern gehen sollten, als sie noch nicht geheilt waren. Wir müssen jedoch verstehen, dass Gott die Dinge sieht, als ob sie schon geschehen seien. Am Ende dieser Geschichte sehen wir, dass Jesus dem dankbaren Samariter einen weiteren Auftrag gibt: „Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen“ (Lukas 17,19). Er sollte sein Leben in Dankbarkeit fortführen und sich immer dessen bewusst sein, was für ihn getan worden war.
Gott wird uns immer eine Aufgabe geben! Wann haben wir ihn das letzte Mal gefragt: „Welche Aufgabe habe ich? Nehme ich sie nicht wahr? Erfülle ich sie nicht?“ Egal, ob es eine kleine oder große Aufgabe ist – wir beten einen großen Gott an, der das wenige, das wir zu bieten haben, groß macht und für seinen Zweck wirken lässt.
Eine meiner lebenslangen Aufgaben und Privilegien ist es, junge Menschen zu ermutigen, an Gottes Heilungsfähigkeit zu glauben. In meiner späten Teenagerzeit heilte Gott mich von einer gefürchteten Krankheit. Ich habe dies nicht vergessen und bleibe auf ewig dankbar. In den mehr als 40 Jahren als Pastor habe ich die Gelegenheit gehabt, meine Geschichte mit denen zu teilen, die in ihrem eigenen „finstern Tal“ wanderten (Psalm 23,4). Wie der dankbare Aussätzige gehorche ich unserem gemeinsamen Herrn darin, mein Leben in Dankbarkeit fortzuführen und die Geschichte, die mir Gott gegeben hat, mit anderen zu teilen. Teilen Sie Ihre Geschichte?
Ein dankbares Herz ist ein wachsendes Herz
Wie der dankbare Samariter sollten auch wir es wertschätzen, dass unser himmlischer Vater und Jesus Christus immer bereit sind, einem dankbaren Herzen zuzuhören. Dankbarkeit ermöglicht uns, im göttlichen Glauben zu wachsen und Gottes Plan für uns immer besser zu verstehen. Als der Samariter zurückkehrte, um sich zu bedanken, entdeckte er ein fehlendes Teil in dem Puzzle: Jesus erklärte ihm, dass sein Glaube ihm die Heilung ermöglicht hatte.
Was hält Gott für uns bereit? Was möchte er mit uns teilen, wenn wir wieder zu ihm zurückkommen? Nehmen wir die unglaublichste Einladung an, die der Menschheit je ausgesprochen worden ist: „Folgt mir nach!“ Dabei werden wir gemeinsam die Antworten auf unsere Fragen finden – wir, die wir verstanden haben, dass wir alle einst Aussätzige waren und es auch geblieben wären, wäre da nicht die Gnade unseres himmlischen Vaters durch Jesus Christus, unseren Herrn, gewesen.