Wie gut sind Sie darauf vorbereitet, auf Ihrem christlichem Weg Menschen zu begegnen? Solche Begegnungen können eine Gelegenheit sein, Zeugnis für Gottes Lebensweise abzulegen.
Von Robin Webber
Die beste Predigt wird weder gehalten noch gehört, sondern in realer Zeit mit realen Menschen vor einem sehr realen Gott gelebt. Eine Lebensführung, die Gott gefällt, ist unser wirksamstes Zeugnis, wenn wir die Einladung Jesu „Folgt mir nach!“ beherzigen.
Als Beispiel dient ein wunderbares Ereignis in der Apostelgeschichte, als Petrus und Johannes sich dem Tempel in Jerusalem näherten. Als sie den Tempel betreten wollten, trafen sie auf einen Gelähmten, der täglich die Menschen, die an ihm vorbeigingen, um Almosen bat:
„Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen“ (Apostelgeschichte 3,1-3).
Sie erinnern sich vielleicht, wie dieser Mann von den Aposteln auf wundersame Weise geheilt wurde. Mich interessiert aber, was dieser Heilung unmittelbar vorausging: „Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge“ (Verse 4-5; alle Hervorhebungen durch uns).
Dies stand in krassem Gegensatz zu den anderen Menschen, die an diesem Mann vorbeihasteten. Sie hatten keine Zeit für ihn, denn sie beeilten sich, ihren scheinbar wichtigeren religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Petrus und Johannes hielten hingegen an, sahen dem Gelähmten in die Augen, brachten ihm Würde entgegen und lenkten seine Aufmerksamkeit auf sich.
Woher hatten Petrus und Johannes das Verhalten, allen Menschen – auch Bettlern – mit Achtung zu begegnen? Sie lernten sie von demjenigen, der die Aufforderung „Folgt mir nach!“ an uns richtet. Sie lernten nicht nur durch das, was er sagte, sondern auch durch das, was er gegenüber denen tat, denen er selbst begegnete.
Praktischer geistlicher Realismus
Manchmal können wir geistlich blockiert sein, wenn es darum geht, das Licht Christi durch uns in einer zunehmend dunklen Gesellschaft leuchten zu lassen. Wir fragen uns vielleicht: „Wo soll ich anfangen und wird es überhaupt etwas bewirken?“ Was können wir aus dem Beispiel Jesu Christi lernen, der wenige Stunden vor seinem Tod erklärte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6)?
Wenn wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ beachten wollen, gilt es, die vier praktischen Schritte zu kennen, wie Jesus selbst mit denen umging, die seinen Weg kreuzten. Diese Schritte weisen uns auf Entscheidungen hin, die in den flüchtigen Momenten der Begegnung mit anderen getroffen werden und uns als wahrhaftige Nachfolger unseres Herrn und Meisters ausweisen.
1. Erkennen Sie Ihren persönlichen Einflussbereich
Seien wir realistisch in Bezug auf das, wozu wir fähig sind. Wir sind nicht in der Lage, allen in der Welt zu helfen, so sehr wir uns das auch wünschen mögen. Auch Jesus, der gekommen ist, um durch sein Opfer letztlich alle Menschen der Welt zu erlösen, ist während seines irdischen Daseins nicht allen begegnet.
Als er durch das galiläische Hügelland wanderte, machte er sich keine Sorgen darüber, auf wen er nach dem nächsten Anstieg treffen könnte. Aber er übernahm persönliche Verantwortung für alle, denen er auf seinem Weg begegnete – einem Menschen nach dem anderen. Er scheute nie davor zurück, diesen Menschen seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
Eine sorgfältige Untersuchung der Evangelien zeigt, dass die meisten der aufgezeichneten Begegnungen mit Christus nicht in Synagogen oder am Jerusalemer Tempel stattfanden. Stattdessen fanden sie an gewöhnlichen Orten wie am Dorfbrunnen, auf Wiesen, der Straße und bei Anlässen wie Hochzeiten und Mahlzeiten statt.
Aber zwischen seinem Beispiel bei diesen Begegnungen und unserem Vermögen gibt es einen großen Unterschied. Jesus war innerlich stets darauf vorbereitet, wir hingegen manchmal nicht.
In unserem täglichen Umfeld haben wir viele Gelegenheiten vorzuleben, wie Christus in uns lebt. Und wir müssen nicht weit unterwegs sein. Denken Sie an Ihren Ehepartner, Ihre Kinder, Ihre Verwandten, Nachbarn, Kollegen, Klassenkameraden, Gemeindemitglieder und die vielen Unbekannten, die täglich unseren Weg kreuzen.
Eine Anmerkung zum geistlichen Realismus und der Herausforderung, die vor uns liegt: Jesus lebte in einer Zeit, in der der Ablauf des Lebens viel langsamer war als heute. Im Allgemeinen ging man zu Fuß, wollte man sich mit anderen treffen.
Die Menschen hatten keine Handys, in die sie sich in eine quasi selbst auferlegte Isolation zurückziehen konnten. Das Tempo der Lebensführung und die Ablenkungen waren ganz anders. Aber die größte Ablenkung gab es damals wie auch heute – unsere selbstverliebte und eigennützige menschliche Natur.
Ein wichtiger Schlüssel zur Vorbereitung auf die Begegnung mit den Menschen in unserem Umfeld ist zu lernen, einfach auf Gott zu hören, wenn er sagt: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“ (Psalm 46,11). Das ist der erste und wichtigste Schritt bei der Zähmung unserer Ichbezogenheit.
Bitten Sie Gott, in Ihnen ein Gefühl der Erwartung zu entwickeln, damit er Sie jeden Tag gebrauchen kann, um etwas im Leben eines anderen Menschen zu bewirken. Das soll aber nicht durch das geschehen, was Sie wissen und sagen, sondern durch die Interaktion, wenn sich Ihr Weg mit dem eines anderen kreuzt, und sei es nur für einen Augenblick. Und wenn Sie Gott darum bitten, dann bereiten Sie sich bewusst darauf vor, die Erfüllung Ihres Gebetsanliegens in Echtzeit mit echten Menschen zu erleben.
2. Allen Menschen mit einem Christus ähnlichen Herzen begegnen
Jeder Mensch ist nach dem Bild Gottes mit dem Potenzial geschaffen, sein geistliches Kind zu werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Berufung, die wir selbst jetzt durch ihn erfahren, nur dank seiner Gnade erfolgt ist. Und es gibt doch so viele, die Liebe, Hoffnung und Frieden in Geist und Herz erfahren müssen.
Matthäus 9, Verse 35-36 beschreiben, was Jesus unterwegs erlebte. Er „ging ringsum in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. Und als er das Volk sah, jammerte [Griechisch splanchnizomai, ‚innerlich bewegt sein‘, Vine’s Expository Dictionary of Old and New Testament Words] es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“ Ist das nicht auch eine Beschreibung unserer heutigen Welt?
Was können wir als Berufene mit anderen Menschen teilen? Der Apostel Paulus nennt ein Attribut: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Römer 5,5). Diese Liebe ist nicht menschlich, sondern die vollkommene, nach außen gerichtete Zuneigung unseres himmlischen Vaters und seines Sohnes. Sie wird von ihnen absichtlich „ausgegossen“ und überträgt sich auf alle, die sie berührt.
Was sind wir also als Jesu Jünger? Wir sind menschliche Gefäße, die dieses kostbare Geschenk von oben tragen. Wir haben es frei erhalten, sollen es zum Vorschein kommen lassen und es mit anderen teilen!
3. Konzentrieren wir uns wie Jesus auf die, denen wir unterwegs begegnen
Was nun folgt, ist ein kleiner, aber wichtiger praktischer Schritt, der über unseren ichbezogenen Widerstand hinausgeht und eine Christus ähnliche Bindung schaffen kann.
Die Schrift sagt uns, dass Gott uns ein sehendes Auge und ein hörendes Ohr gegeben hat (Sprüche 20,12; „Neues Leben“-Übersetzung). Welch ein Segen!
Können wir aber ehrlich sein? Die Hektik des Lebens und unsere menschliche Natur führen dazu, dass wir unsere Augen nicht zum vollen geistlichen Vorteil nutzen. Außerdem verkennen wir manchmal, dass unsere Augen die Leuchte des Leibes sind: „Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!“ (Matthäus 6,22-23).
Unsere Augen sind wirklich der Spiegel unserer Seele und der Menschen, die unseren Weg kreuzen. Sie sind eine Brücke, über die Beziehungen geknüpft und vertieft werden. Und sie müssen für andere weit offen sein!
Denken Sie beispielsweise an die Begegnung Jesu mit Zachäus, dem kleinen Mann aus Jericho, der seine Ankunft in der Stadt erleben wollte. Weil die vielen Menschen ihm den Weg versperrten, kletterte er auf einen Baum, um freie Sicht zu haben.
Was passierte als Nächstes? „Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren“ (Lukas 19,5). Stellen Sie sich Jesu Gesichtsausdruck vor, als er den Mann auf dem Baum sah, der ihn nicht verpassen wollte. Und stellen Sie sich die Freude des Zachäus vor, als Jesus ihm die Hand reichte und ihm in die Augen sah.
Ich meine, dass sie sich nicht nur gegenseitig in die Augen sahen, sondern auch in die Herzen. Ist es da ein Wunder, dass Petrus und Johannes später den Gelähmten, der in der Menge vor dem Eingang zum Tempel saß, ansahen und ihn aufforderten, sie anzusehen?
4. Wer auch immer Ihnen über den Weg läuft, geben Sie Gott die Ehre
Dieser letzte Schritt ist vielleicht der wichtigste, wenn wir die Aufforderung Jesu „Folgt mir nach!“ wirklich beherzigen wollen. Das Unglaubliche an unserem Herrn und Meister war, dass er nie den Ruhm für sich selbst beanspruchte, nein, er richtete Lobpreis für seine Werke stets auf Gott, den Vater: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn“ (Johannes 5,19). Er hat uns damit ein Beispiel gegeben.
Warum ist das so wichtig? Weil die menschliche Natur, wenn sie sich selbst überlassen wird, alles, was wir tun, mit unserer persönlichen Unterschrift versehen will. „Seht, was ich heute geschafft habe!“
In krassem Gegensatz dazu steht die vollkommene Demut des Menschen, der Gott in Menschengestalt war: „Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns“(Matthäus 1,23; vgl. auch Johannes 1,14).
Jesus prahlte nicht damit, was er für die Menschen tat, sondern dankte seinem himmlischen Vater, dass er es tun durfte. Seine Reaktion auf diejenigen, denen er auf seinem Weg der menschlichen Erfahrung begegnete, spiegelt die Worte Davids wider: „Ich danke dir, Herr, mein Gott, von ganzem Herzen und ehre deinen Namen ewiglich“ (Psalm 86,12).
Es ist an der Zeit, dass ich diesen Beitrag beende und das, was ich Ihnen geschrieben habe, in die Praxis umsetze. Gehen wir alle mit christlicher Sorgfalt mit denen um, die uns heute nach Gottes Willen begegnen, und geben wir ihm alle Ehre, wenn er durch uns wirkt.