Von der Redaktion
Im Frühjahr wurde der Text des Fahrplans zum Frieden im Nahen Osten veröffentlicht. So konnten alle – auch Israelis und Palästinenser, denen der Wortlaut vorher nicht bekannt war – nachlesen, wie sich das sogenannte Nahost-Quartett (die EU, Rußland, die USA und die Vereinten Nationen) den schrittweisen Verhandlungsweg zum endgültigen Frieden im Nahen Osten vorstellt.
Der letzte Teil des Fahrplans scheint uns sehr wichtig zu sein. Die für das Jahr 2005 vorgesehene endgültige Friedensvereinbarung soll „eine auf dem Verhandlungsweg erzielte Klärung des Status von Jerusalem“ enthalten, die die „politischen und religiösen Bedenken beider Seiten [Israelis und Palästinenser] berücksichtigt und die religiösen Interessen von Juden, Christen und Muslimen in aller Welt schützt“.
Aufgrund der Bedeutung Jerusalems für drei Weltreligionen überrascht es nicht, wenn auch der Vatikan sich für den Schutz der diversen religiösen Interessen in Jerusalem einsetzt. So betonte Papst Johannes Paulus II. vor drei Jahren den Standpunkt des Heiligen Stuhls, wonach „nur ein besonderer, durch internationale Garantien gesicherter Status die heiligsten Stätten in der heiligen Stadt wirksam bewahren und Glaubens- und Anbetungsfreiheit für alle Gläubigen, die in der dortigen Region und überall auf der Welt Jerusalem als Scheideweg des Friedens und der Koexistenz sehen, gewährleisten kann“ (L’Osservatore Romano, 26. Juli 2000).
In bezug auf die religiösen Stätten in Jerusalem scheinen sich auf den ersten Blick der zitierte Wortlaut des Fahrplans und der Standpunkt des Papstes zu ähneln. In Wirklichkeit erfüllt der Fahrplan nicht die Forderung des Vatikans nach „internationalen Garantien“. Das Nahost-Quartett verpflichtet sich, die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zu „unterstützen“. Daß diese Unterstützung Zwang ausschließt, beweist der Text des Fahrplans selbst. Fortschritte hängen nämlich davon ab, „daß sich die Parteien guten Willens bemühen und allen dargelegten Verpflichtungen nachkommen“. Ist das nicht der Fall, „wird die Nichteinhaltung von Verpflichtungen Fortschritte behindern“.
Was geschieht, wenn der Fahrplan zum Frieden nicht eingehalten wird? Nur wenige Terroristen genügen, um den Fahrplan zu torpedieren. Sein Scheitern wird nicht nur die Zukunft der im Nahen Osten lebenden Menschen beeinflussen, sondern immer mehr auch uns in Europa betreffen.
In einer Analyse des Nahostkonfliktes kam der amerikanische Sicherheitsberater Dr. George Friedman zu dem Schluß, daß Frieden durch die freiwillige Mitwirkung von Israelis und Palästinensern nicht möglich ist. Entweder setzt eine neue Regionalmacht eine Beendigung der Feindseligkeiten durch und sorgt für Ordnung – wie einst das Osmanische Reich –, oder eine starke Macht von außerhalb der Region greift ein, um dem Nahen Osten ihre eigenen Friedensvorstellungen aufzudrücken.
Scheitert der Fahrplan zum Frieden, scheint tatsächlich nur die zweite Möglichkeit realistisch zu sein: das „direkte Eingreifen einer fremden Macht, um Ordnung wiederherzustellen“ („From Skopje to Jerusalem: The American Empire“, George Friedman, 21. August 2001). Wenn es dazu kommt – was wir für mehr als wahrscheinlich halten –, sollten Sie nicht überrascht sein, wenn der Vatikan als mit großem Abstand größte Konfession des Christentums ein Wort mitreden will.