Um Jesu Nachfolger zu sein, müssen wir in seine Fußstapfen treten und unser eigenes Kreuz tragen. Wie sollen wir das verstehen?
Von Robin Webber
In Lukas 14, Verse 25-33 erfahren wir viel über die wahre Bedeutung der Aufforderung Jesu Christi, „Folgt mir nach“. Wir lesen, dass „eine große Menge mit ihm“ ging. Warum auch nicht? Es handelte sich schließlich um einen großen humanitären Lehrer mit bemerkenswerter Erkenntnis, der Nahrung für die Menge bereitstellte und Wunderheilungen wirkte.
Jesus strahlte eine magnetische Wirkung aus, durch die sich viele Menschen zu ihm hingezogen fühlten. Was gab es überhaupt an ihm, das einem missfallen hätte? Nun erkannte Jesus aber, dass die Zeit gekommen war, um seine Zuhörer darüber zu informieren, was ihnen bei der wahren Nachfolge bevorstand.
Jesus rief aus: „Wer mir nachfolgen will, muss mich mehr lieben als Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern – ja, mehr als sein Leben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein“ (Lukas 14,26; „Neues Leben“-Übersetzung). Wie soll uns das gelingen?
Unser Kreuz im Leben tragen
Jesu Feststellung ist eine ernst gemeinte Erwartung, die die Kapitulation unseres ganzen Wesens verlangt. Ein Kreuz zu tragen war für Jesu Zuhörer damals keine bedeutungslose Floskel. Unter ihnen waren manche, die zum Tode verurteilte Verbrecher den Balken an den Hinrichtungsort hatten tragen sehen, an dem sie dann gekreuzigt wurden. Jesu Wortwahl ließ die Menge bestimmt aufhorchen!
Christi Aufforderung „Folgt mir nach“ gilt allen Menschen zu allen Zeiten, also auch uns. Sehen wir uns daher die Details in Bezug auf Jesu Erwartung an uns näher an.
Diejenigen, die Jesu Einladung zur Nachfolge annehmen, werden das eigene Kreuz tragen müssen. Das dürfen wir nicht mit dem versöhnenden Opfer verwechseln, das Jesus selbst für uns darbrachte. Jesus trägt uns also nicht huckepack mit seinem Kreuz, sondern wir sollen an seinem Beispiel lernen, wie wir als seine Nachfolger die Herausforderungen in unserem Leben ertragen können.
Derjenige, der vielen ihre Gesundheit wiederherstellte und einige sogar wieder zum Leben erweckte, betonte das Leiden und auch noch den Tod als bedeutenden Aspekt der wahren Nachfolge. Er ermahnt alle Kandidaten der Jüngerschaft zum Überschlagen der Kosten, um festzustellen, ob ihre Hingabe ihm gegenüber bis zum Erreichen der endgültigen Ziellinie ausreicht (Lukas 14,28-33).
Wie sollen wir bei unserem Weg mit Gott auf seine Ermahnung reagieren? Zunächst stellen wir fest, dass das Konzept „das eigene Kreuz tragen“ eine grundlegende Sichtweise der ersten Christen war. Der Apostel Paulus fasste es wie folgt zusammen: „Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galater 2,19-20; alle Hervorhebungen durch uns). Paulus beschränkte das Gekreuzigtsein nicht allein auf Golgatha, sondern sah es als integralen Bestandteil seiner täglichen Lebensführung, der ihn motivierte.
Unsere tägliche Anbetung Gottes orientiert sich zum wesentlichen Teil an der Metapher eines Kreuzes, das jeder für sich trägt. Bei unserem Weg mit Gott sollen wir dieses Sinnbild, wie es Jesus und Paulus zum Ausdruck brachten, beherzigen. Das tun wir, indem wir uns nicht der Welt gleichstellen, sondern uns in Gedanken erneuern lassen (vgl. dazu Römer 12,2). Wie sollen wir also, dem Beispiel Jesu folgend, unser Kreuz tragen?
Die Bestimmung immer vor Augen
Als Erstes gilt es zu bedenken, dass Jesus seinen Auftrag immer klar vor Augen hatte. Er lebte zielbewusst. Er wurde nicht einfach als „zufälliger Retter“ ans Kreuz genagelt! Am Anfang seines irdischen Wirkens sagte er: „Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden“ (Johannes 3,14) – ein eindeutiger Hinweis auf seine spätere Kreuzigung.
Mit der Erhöhung der Schlange in der Wüste hatte Gott dem Tod Einhalt geboten. In ähnlicher Weise sollte die Erhöhung Jesu der Last der Sünde, dem ewigen Tod, Einhalt gebieten. Zu Beginn eines jeden Tages war sich Jesus dieser Bestimmung seines Lebens bewusst. Er war „Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ (Johannes 1,29).
Im täglichen Leben mit Christus gekreuzigt zu sein ist nichts, was sich ein natürlich gesinnter Mensch wünscht. In diesem Sinne sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Johannes 15,16). Unsere Berufung zum Dienst für Gott und unsere Mitmenschen soll uns klar vor Augen sein, damit wir keine „zufälligen Christen“ sind.
Jesus sagte auch: „Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Johannes 5,30). Er wusste, dass er sterben musste, damit wir leben können. In ähnlicher Weise muss „unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt“ werden (Römer 6,6), damit Christus in uns leben kann.
Solange wir uns an unsere früheren Lebensziele klammern, wird der Wille Gottes in unserem Leben nicht zum Ausdruck kommen bzw. erfüllt werden. Bei seiner Berufung hatte der Apostel Paulus diesen Grundsatz erkannt: „Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Galater 6,14).
Für Paulus bedeutete die Nachfolge Christi den Verzicht auf die Reize der Welt oder persönliche Ambitionen, die im Gegensatz zum Willen Gottes standen. Steht der Wille Gottes an erster Stelle in unserem Leben, wird unser Leben kein Zufall sein. Das Bewusstsein des Kreuzes, das wir in unserem christlichen Leben tragen, dient uns als geistliches GPS zur Festlegung unserer täglichen Lebensführung.
Unser Kreuz mit Demut tragen
Ein weiterer überlegenswerter Aspekt der Lebensführung Christi ist, wie er sein Kreuz getragen hat. Es geht nicht allein um die Erkenntnis, dass wir in unserem Leben ein Kreuz zu tragen haben oder zum Schultern dieser Last bereit sind. Die Art, wie wir es tragen, ist das Entscheidende bei der Verherrlichung Gottes. Unser Kreuz so zu tragen, wie Christus es getan hat, bedeutet, dass wir seinem Beispiel in Demut folgen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ganz offen reden. Religiöse Menschen gehören nicht immer zu den Demütigen. Das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner (Lukas 18,9-14) oder die Reaktion der Schriftgelehrten und Pharisäer auf all die Sünder, die sich um Jesus versammelt hatten (Lukas 15,1-2), zeugen von einer von Stolz geprägten Haltung, die der Denkweise Christi fundamental widerspricht. Ihre aufgeblasene Selbsteinschätzung vor Gott aufgrund dessen, was sie an Erkenntnis zu besitzen glaubten, versperrte ihnen die Einsicht in die wahre Motivation ihres Herzens.
Sie meinten es aufrichtig, aber dennoch stand ihre innere Haltung im starken Gegensatz zu den Worten des Paulus in Philipper 2, Verse 5-8: „Geht so miteinander um, wie Christus es euch vorgelebt hat. Obwohl er Gott war, bestand er nicht auf seinen göttlichen Rechten. Er verzichtete auf alles; er nahm die niedrige Stellung eines Dieners an und wurde als Mensch geboren und als solcher erkannt. Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis zum Tod, indem er wie ein Verbrecher am Kreuz starb“ („Neues Leben“-Übersetzung).
Jesus verabschiedete sich vorübergehend von der Ewigkeit und begab sich in die Raum-Zeit-Dimension, um für uns zu sterben, damit wir ewig leben können! Er tat es, ohne in die große eigene Posaune zu stoßen oder sich über den Auftrag, den Gott ihm gegeben hatte, zu beschweren. Er erhöhte sich nie über das ihm gebührende Maß, und „deshalb hat Gott ihn in den Himmel gehoben und ihm einen Namen gegeben, der höher ist als alle anderen Namen“ (Philipper 2,9; ebenda).
Die geistliche Realität beherzigen
Was bedeutet Demut für die Nachfolger Jesu Christi? Demut ist eine realistische Einschätzung dessen, was wir ohne Gott sind. Dazu gehört die Erkenntnis, dass wir mit unseren Sünden den Tod verdient haben, aber durch den Tod Jesu die Sündenvergebung erlangt und mit Gott versöhnt worden sind. Die Realität dieser Demut ist, dass wir ohne die Gnade Gottes in dem Sumpf unseres Selbst ertrinken würden.
Diese Demut lässt uns andere Menschen respektieren und in Gnade so sehen, wie Gott uns sieht. Gott hat sein Werk in uns noch nicht vollendet, und das gilt auch für alle anderen Menschen. Wie sie waren auch wir vormals Todgeweihte, und das dürfen wir nie vergessen.
In seinen Briefen behandelt Paulus diese Demut immer wieder. Für ihn war Demut eine hervorstechende Eigenschaft des Geistes Gottes, was im starken Gegensatz zur Sichtweise der damaligen Gesellschaft stand, die Demut als Tugend gering schätzte. An die Gemeinde in Ephesus schrieb Paulus: „So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld“ (Epheser 4,1-2).
Wir sollen unser eigenes Kreuz zielbewusst und in Demut tragen, aber auch an dieser Stelle muss ich ein offenes Wort reden: Mit Christus gekreuzigt zu sein kann zur Folge haben, dass wir unter unseren Mitmenschen einsam sind, wenn es um die wahre Nachfolge Christi geht. In den Evangelien werden die diesbezüglichen Erfahrungen Jesu beschrieben: Seine Jünger haben ihn oft nicht verstanden, er betete allein, während die anderen geschlafen haben, alle seine Jünger verließen ihn fluchtartig bei seiner Verhaftung, und einer seiner engsten Mitarbeiter verleugnete ihn mehrmals.
Anderen ihr Kreuz tragen helfen
Bedeutet das, dass wir beim Tragen unseres Kreuzes immer ganz allein sein werden? Nein! Wenn nötig, wird Gott uns Leute schicken, die uns beim Tragen unseres Kreuzes helfen. In Markus 15, Vers 21 lesen wir, wie Simon von Kyrene genötigt wurde, das Kreuz Jesu zu tragen, als Jesus körperlich nicht mehr dazu in der Lage war.
Wenn Gott solche Menschen zu uns schickt, sollen wir sie uns beim Tragen unserer Last helfen lassen. Wir sollen sie schätzen! Darüber hinaus sollen wir selbst dazu bereit sein, anderen ihr geistliches und emotionales Kreuz tragen zu helfen.
In der Beschreibung der Demut Christi finden wir diese Ermahnung: „Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient“ (Philipper 2,4). Paulus kommentiert diese Haltung auch in 2. Korinther 1, Verse 3-4: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.“
Einfach ausgedrückt sollen wir das mit anderen teilen, was Gott mit uns geteilt hat. Ein moderner Simon von Kyrene zu sein kann nie geplant werden, ist nie einfach und oft unbeliebt – außer in den Augen Gottes. Es erfordert nur, dass wir für das offen sind, was Gott für uns vorgesehen hat.
Wenn wir Christus nachahmen und unser eigenes Kreuz tragen, sollen wir verstehen, dass unser Kreuz nicht verschwinden wird, weil wir Jesu Fußstapfen nachfolgen. Es kann sein, dass wir schwer geprüft werden, aber die Prüfungen werden einem großen Zweck dienen. Die einzigartige Berufung, die Gott uns und anderen Gläubigen gewährt hat, dient nicht der schnellen Befriedigung unserer Wünsche, sondern der Überwindung des Fleisches und der Vollendung der ewigen Vollkommenheit Gottes in unserem inwendigen Menschen – der „neuen Kreatur“ in Christus (2. Korinther 5,17).
Wenn wir diese Realität akzeptieren, werden wir erkennen, dass Schmerzen auf unserem Weg mit Gott unausweichlich sind, Elend hingegen nicht obligatorisch sein muss. Christus trug sein Kreuz, wurde ans Kreuz genagelt und blieb bis zu seinem Tode dort. Er blieb seiner Bestimmung bis zum Ende seines Lebens treu, und genauso müssen wir unserer Berufung treu bleiben, damit Gottes Zweck für unser Leben offenbar werden kann.
Bevor wir eine Krone aufsetzen dürfen (2. Timotheus 4,8), müssen wir ein Kreuz tragen. Vielleicht sind wir jetzt schon dabei, oder der Anfang unseres Weges mit Gott liegt noch vor uns. Wo immer wir im Leben auch stehen mögen, wir sollen wissen, dass Gott uns nie dorthin führen wird, wo er nicht für uns sorgen kann.
Wenn wir die Gnade Gottes brauchen, wird sie uns auch sicher zuteil. Schreiten wir Schritt für Schritt voran und folgen wir dem Beispiel Christi, indem wir seine Aufforderung beherzigen und das eigene Kreuz tragen.