In unserer Gesellschaft der Extreme werden biblische Tugenden wie Sanftmut und Rücksichtnahme missverstanden und unterschätzt. Häufig reagiert man viel zu schnell und dann gereizt.

Von Don Hooser

Indische Elefanten sind so stark, dass sie häufig zum Transport oder zum Fällen von Bäumen eingesetzt werden. Diese Riesen sind aber trotz ihrer Stärke meistens sanfte Tiere, besonders wenn sie schon in jungen Jahren gezähmt wurden.

Der Rüssel des Elefanten ist ein besonderes Beispiel von Stärke, die gleichzeitig mit präziser Kontrolle verbunden ist. Der Rüssel enthält mehr als 40 000 einzelne Muskel. Er ist stark genug, Äste vom Baum zu brechen, und feinfühlig genug, um einen einzelnen Grashalm vom Boden aufzuheben!

Ein trainierter Elefant veranschaulicht, wie wertvoll es ist, wenn Stärke und vorsichtige Sanftmut zusammenkommen – ganz im Gegensatz zu dem sprichwörtlichen „Elefanten im Porzellanladen“.

Die griechische Sprache hat präzisere Worte, um den Wert von trainierten Tieren wie z. B. Elefanten und Pferden zu beschreiben. Das Neue Testament benutzt dieselben griechischen Wörter für die Tugend, die Christen nach dem Willen des Schöpfergottes entwickeln sollten.

Als der Apostel Paulus „Sanftmut“ als achte Eigenschaft der Frucht des Geistes in Galater 5, Vers 23 aufzählte, benutzte er das griechische Substantiv praotes oder prautes – und „Sanftmut“ ist die Übersetzung, die dem griechischen Wort am nächsten kommt. (Es ist ähnlich bei dem Adjektiv „sanft“, das den griechischen Adjektiven praos und praus am nächsten kommt.)

Zuerst einmal sollen wir sanft (ergeben, belehrbar, ansprechbar) in unserer Beziehung mit Gott sein. Zweitens sollen wir sanft (demütig, behutsam, respektvoll) in unserer Beziehung mit anderen Menschen sein. Um solch eine Person zu werden, muss der Schöpfergott uns zähmen und trainieren!

Ein Wort mit einer ähnlichen Bedeutung ist großherzig, definiert als „großzügig in der Vergebung; Vermeidung von Abneigung oder Rache; uneigennützig“.

Sanftmut ist ein wichtiger Teil von wahrer Liebe. „Die Liebe ist geduldig und gütig . . . Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach“ (1. Korinther 13,4-5; Gute Nachricht Bibel).

Die Bibel, das Handbuch Gottes für die Menschheit, legt großen Wert auf Sanftmut. Jesus sagte: „Selig sind die Sanftmütigen [Griechisch praus]; denn sie werden das Erdreich besitzen“ (Matthäus 5,5). Das ist eine große Belohnung für den Besitz von Sanftmut!

Sanftmut ist keine Schwäche!

Häufig wird „sanftmütig“ mit „schwach“ verwechselt. Das ist bedauerlich, denn göttliche Sanftmut erfordert Stärke!

Als physischer Vergleich: Wenn Sie schwer verletzt wären und dringend jemand bräuchten, der Sie vorsichtig trägt, sollte es in diesem Fall nicht jemand sein, der sehr stark ist? Man wünscht sich doch keine Person, die eventuell fallen könnte oder ungeschickt mit einem umgeht!

Zur zusätzlichen Verwirrung trägt auch bei, dass leicht reizbare, wütende Reaktionen an der Tagesordnung sind. So gehen viele davon aus, dass jemand, der nicht sofort mit einer Retourkutsche kommt, ängstlich sein muss. Wahre Stärke wird aber durch eine ruhige, gefestigte Person gezeigt, die zuerst nachdenkt und dann auf eine Art und Weise reagiert, die der anderen Person hilft. „Eine linde Antwort stillt den Zorn; aber ein hartes Wort erregt Grimm“ (Sprüche 15,1).

Der Schöpfergott des Universums ist allmächtig, aber er missbraucht seine Macht nie. Er ist der perfekte Vater, der nie überreagiert, sanftmütig mit seinen häufig ungehorsamen Kindern umgeht und immer das Beste für uns tut.

Auch Jesus Christus war mitfühlend, gütig und liebevoll, als er auf Erden wandelte, obwohl er auf die göttliche Macht zurückgreifen konnte. Er sagte: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Matthäus 11,29; alle Hervorhebungen durch uns). Er nutzte seine Macht zum Heilen, statt andere zu verletzten. Erinnern wir uns an seine Anweisung: „Lernt von mir.“

Frucht des heiligen Geistes

Die größte Macht auf Erden ist die Macht des heiligen Geistes. Es ist dieser Geist – Gottes Geist –, der einen dazu befähigt, viel sanftmütiger und rücksichtsvoller zu sein, als wir je ohne den Geist sein könnten, wie uns Paulus in seinem Brief an die Gemeinden in Galatien zeigt.

Paulus wusste, dass die ersten Christen in feindliche Verhaltensweisen und Streitigkeiten zurückfielen. Er schrieb, dass einige sich untereinander bissen und fraßen (Galater 5,15). Er ermahnte sie: „Durch die Liebe diene einer dem andern“ (Vers 13), und erinnerte sie: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (Vers 14).

Die Galater sollten im „Geist wandeln“ (Galater 5,16; Elberfelder Bibel). Und zu welchem Ergebnis kommt man, wenn man dem heiligen Geist folgt?

Paul beschrieb weiter, wie der heilige Geist unser Leben verändern wird: „Die Frucht [Auswirkung] aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit“ (Verse 22-23).

Was für eine großartige Lösung! Gott lässt uns bei dem Erwerb dieser Tugenden nicht allein. Indem wir an Gott glauben, unsere Sünden bereuen und getauft werden, können wir „die Gabe des heiligen Geistes“ empfangen (Apostelgeschichte 2,38). Und diese Gabe beinhaltet wunderbare Frucht!

Der Schlüssel zum Erfolg, wenn man geistliche Frucht bringen möchte, ist wie ein Ast am wahren Weinstock, nämlich Jesus Christus, zu bleiben (Johannes 15,1-6).

Man kann leicht erkennen, wie verschiedene Charaktereigenschaften bei der Frucht des Geistes sich überlappen und miteinander verbunden sind. Sanftmut und Rücksichtnahme beziehen sich sehr eng auf Liebe, Langmut, Güte und Selbstbeherrschung. Man kann auch verstehen, wie dringend wir Menschen Gottes Geist brauchen, um die „Werke des Fleisches“ zu überwinden – hässliche und schlechte Eigenschaften der menschlichen Natur (Galater 5,19-21). Sanftmut und Rücksichtnahme müssen „Feindschaft, Streit und Rivalität, Wutausbrüche, Intrigen, Uneinigkeit und Spaltungen“ (Gute Nachricht Bibel) ganz eindeutig ersetzen!

Später sehen wir, wie wichtig Sanftmut ist, wenn es darum geht, jemandem, der in Sünden verstrickt ist, zu helfen. Paulus sagte: „Brüder und Schwestern, auch wenn jemand unter euch in Sünde fällt, müsst ihr zeigen, dass der Geist Gottes euch leitet. Bringt einen solchen Menschen mit Nachsicht wieder auf den rechten Weg. Passt aber auf, dass ihr dabei nicht selbst zu Fall kommt!“ (Galater 6,1; Gute Nachricht Bibel). Der Apostel meinte nicht nur, dass wir sanftmütig in Wort und Tat sein sollten, sondern auch eine demütigeEinstellung zeigen sollten statt einer hochmütigen und selbstgerechten (siehe Vers 3).

Kämpfen oder nicht kämpfen?

Sollte ein Christ ein Kämpfer sein? Auf physischer Ebene sicherlich nicht. Aber ein geistlicher Kämpfer sollte er schon sein. Paulus schrieb an Timotheus: „Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!“ Er fuhr dann fort: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“ (1. Timotheus 6,11-12). Bei diesem Kampf geht es nicht um Menschen, sondern um schlechte Einflüsse, insbesondere die des Teufels und seiner Dämonen (Epheser 6,11-12). Christen sollen nicht physische, sondern geistliche Waffen benutzen (2. Korinther 10,4).

Ein erfolgreicher geistlicher Kampf erfordert Mut und Ausdauer: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ (1. Korinther 16,13).

In unseren Beziehungen zu anderen allerdings sollen wir nicht streitlustig sein – wir sollen Friedensstifter sein.

Paulus schrieb: „Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich . . . Seid eines Sinnes untereinander . . . Vergeltet niemandem Böses mit Bösem . . . Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden“ (Römer 12,10. 16-18).

Wenn jemand uns verletzt, sollten wir es hinnehmen, statt zurückzuschlagen. Dies meinte Jesus, als er davon sprach, jeden zu lieben und bei Verletzungen die andere Wange hinzuhalten (Matthäus 5,38-45).

Wir alle wollen sanft behandelt werden. Warum sollten wir dann nicht auch alle anderen sanft behandeln? „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ (Luke 6,31). Das ist die Goldene Regel!

Verwandte Qualitäten zu Sanftmut und Rücksichtnahme

So wie bei der Frucht des Geistes zeigen uns auch andere Schriftstellen, wie verschiedene Tugenden Hand in Hand gehen. Paulus ermahnt uns: „Wandelt . . . mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend!“ (Epheser 4,1-2; Elberfelder Bibel).

„So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kolosser 3,12-13).

Sanftmut beinhaltet, dass wir uns freiwillig einander unterordnen (Epheser 5,21). Der Apostel Petrus erklärte die Wichtigkeit der Unterordnung: Christen gegenüber der Regierung (1. Petrus 2,13), Diener gegenüber ihren Vorgesetzten (Vers 8), Jesus Christus gegenüber seinen Peinigern (Verse 21-25) und Ehefrauen gegenüber ihren Ehemännern (Kapitel 3, Vers 1).

Petrus ermutigte Ehefrauen auch, die innere Schönheit zu betonen statt der äußeren Schönheit: „Freundlichkeit und ein ausgeglichenes Wesen sind der unvergängliche Schmuck, der in Gottes Augen Wert hat“ (1. Petrus 3,4; Gute Nachricht Bibel). In Vers 7 ermahnte er dann die Ehemänner, echte Kavaliere zu sein und ihre Ehefrauen zu ehren und zu lieben.

Petrus schrieb weiterhin an alle Christen: „Seid immer bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand fragt, warum ihr so von Hoffnung erfüllt seid. Antwortet taktvoll und bescheiden und mit dem gebotenen Respekt“ (1. Petrus 3,15; Gute Nachricht Bibel).

In Sanftmut und Rücksichtnahme wachsen

Um die eigene Einstellung und Handlungsweise sanft und rücksichtsvoll zu erhalten, muss man sich in der heutigen Zeit gegen Unhöflichkeit und Respektlosigkeit durchsetzten. Paulus sagte eine Zeit voraus, in der die Menschen „viel von sich halten [werden] . . . lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild“ (2. Timotheus 3,1-3). Beschreiben diese Eigenschaften nicht das, was uns tagtäglich im Fernsehen und im Kino angeboten wird?

Der Schöpfergott ruft Christen aus dieser Dunkelheit heraus, um ein „Licht der Welt“ sein zu können bzw. um anderen das richtige Beispiel zu geben (Matthäus 5,14). Das ist ein hoher Anspruch! Aber Gott ist bereit, uns dabei zu helfen. Bitten Sie im Gebet um seine Hilfe. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Gottes Wort zu lesen, damit es Ihr Denken und Ihre Lebensweise verändern kann.

Um ein Licht für andere sein zu können, braucht man vor allen Dingen göttliche Sanftmut und Rücksichtnahme. Und eines Tages wird die ganze Welt ein friedlicher und glücklicher Ort sein. Dies geschieht ganz bestimmt bei der Rückkehr Christi!