Als Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September wirft Amerika Bohnen im Norden und Bomben im Süden Afghanistans ab. Kann eine solche Politik den Terrorismus dauerhaft lösen? Besorgte Menschen stellen sich jetzt die Frage, wie es nach den Militärschlägen weitergehen soll.
Von Paul Kieffer und Melvin Rhodes
Am 11. September 2001 sind die USA von einem bisher beispiellosen terroristischen Anschlag heimgesucht worden. In weniger als 60 Minuten entführten Selbstmordeinheiten in einer koordinierten Aktion vier Passagierflugzeuge, um sie als Raketen gegen zivile Ziele einzusetzen. Mit Entsetzen verfolgten Millionen von Menschen im Fernsehen den Einsturz beider Türme des World Trade Center und den Brand in dem eingestürzten Flügel des Pentagon. Bei den Anschlägen starben mehr als 5000 Menschen aus 80 Nationen. Es starben nicht nur Christen, sondern Gläubige vieler Religionen, darunter auch ca. 500 Muslime.
Die US-Bundespolizei FBI leitete bei der Suche nach den Tätern mit mehr als 4000 beteiligten Beamten die größte Fahndung ihrer Geschichte ein. Die Ermittlungen deuten auf eine zwei- bis dreijährige Planung der Terroristen hin. Einige gehen sogar davon aus, daß mit der Planung bereits begonnen worden war, nachdem im Februar 1993 der Versuch islamischer Terroristen gescheitert war, durch einen Bombenanschlag einen Turm des World Trade Center zum Einsturz zu bringen.
Weltweit rief der Angriff auf Amerika große Bestürzung und Betroffenheit hervor. Die Verurteilung des Terrorismus war vielerorts auch mit der nüchternen Erkenntnis verknüpft, daß er eine neue, schreckliche Dimension angenommen hatte. Mit den brennenden Trümmern des World Trade Center als Motiv für ihre Titelseite faßte die britische Zeitschrift The Economist die Gemütslage vieler Menschen und die neue, am 11. September eingetretene Realität mit der Schlagzeile zusammen: „Der Tag, an dem sich die Welt veränderte.“
In den Stunden unmittelbar nach den tödlichen Anschlägen wurde in den USA der Vergleich zu einer früheren Katastrophe gezogen: Die Zahl der Toten war zweimal so hoch wie bei dem japanischen Angriff auf den Marinestützpunkt Pearl Harbor im Dezember 1941. „Man hat uns den Krieg erklärt“, kommentierte US-Präsident George W. Bush die Lage und warnte seine Landsleute vor der Erwartung, man könne diesen neuartigen Krieg schnell oder ohne eigene, vielleicht sogar große Verluste gewinnen.
Durch die Anschläge erlitt die ohnehin geschwächte Wirtschaft der westlichen Industrieländer weiteren Schaden. Mit den Kürzungen bei den großen amerikanischen Luftfahrtgesellschaften und dem schlagartigen Verlust von Arbeitsplätzen im World Trade Center verzeichnete man allein in Amerika 250.000 neue Arbeitslose. Eine Rezession in den USA scheint jetzt nicht mehr abwendbar.
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die NATO die Notwendigkeit ihrer Beistandspflicht für einen Angriff auf die Vereinigten Staaten anerkannt. Während amerikanische Militärverbände mobilisiert und von den USA in den vorderen Orient verlegt wurden, um den seit Anfang Oktober laufenden Militärschlag gegen das Taliban-Regime auszuführen, übernahmen Luftwaffeneinheiten der NATO-Verbündeten einen Teil der militärischen Flugabsicherung im Luftraum der kontinentalen USA – eine noch nie dagewesene Situation.
Seit Beginn des Militärschlages gegen das Taliban-Regime Afghanistans fragen viele besorgte Menschen, wie es weitergehen soll. Freilich gibt es keine Rechtfertigung für den Terror des 11. September. Die Ausführenden meinten hingegen, rationale Gründe für ihr Handeln zu haben. Wer eine Zukunftsprognose wagen will, sollte diese Gründe kennen, um beurteilen zu können, inwiefern man den Terroristen die Motivation für weitere Anschläge nehmen kann.
Reaktion der arabischen Welt
In den arabischen Ländern boten die Reaktionen auf den gegen Amerika gerichteten Terror ein zwiespältiges Bild. Den spontanen Freudentänzen in palästinensischen Flüchtlingslagern im Südlibanon und auf den Straßen in Bagdad stand die überraschende Zurückhaltung der Mullahs in Teheran gegenüber, die es in ihren Freitagspredigten in der Woche der Anschläge zum ersten Mal seit 20 Jahren unterließen, zum Kampf gegen die USA aufzurufen.
Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, verurteilte die Anschläge, und mehrere palästinensische Organisationen taten schnell kund, nicht an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Ein Sprecher der Hamas-Bewegung meinte dazu: „Wir [Palästinenser] bekämpfen Israel und keine Zivilisten.“ Trotzdem hatte eine Amtszeitung der Palästinensischen Autonomiebehörde bereits im vergangenen November das Resultat einer Umfrage veröffentlicht, wonach 73 Prozent der befragten Palästinenser „Selbstmordattentate auf amerikanische Interessen im Nahen Osten“ unterstützen.
Bis auf Irak haben alle international anerkannten muslimischen Staaten die Anschläge verurteilt. Besonnene Stimmen warnten deshalb davor, die Lage stereotyp als einen sich heraufbeschwörenden Kulturkampf zwischen Christentum und Islam darzustellen. Dazu meinte die Londoner Sunday Telegraph: „Freilich gibt es Millionen von Arabern und Muslimen – dazu gehören Iraker und Palästinenser –, die nicht jubeln, sondern den Horror verabscheuen, der [angeblich] in ihrem Namen verübt wurde ... sie sind von dem islamischen Fundamentalismus nicht weniger bedroht als die übrige zivilisierte Welt“ (16. September 2001).
Achse Amerika-Israel
Die Verurteilung der Terroranschläge vom 11. September bedeutet jedoch nicht, daß keine kritischen Kommentare in den arabischen Ländern zu hören sind. Im Gegenteil: Immer wieder hört man Stimmen, die auf die Unterstützung Amerikas für Israel hinweisen und die das Ausbleiben von amerikanischen Sanktionen gegen die Politik Israels gegenüber den Palästinensern beklagen.
Nicht nur das Taliban-Regime und Bagdad üben Kritik an Amerikas Nahost-Politik. Auch aus gemäßigten arabischen Ländern wird die Achse Amerika-Israel mit dem Terror gegen Amerika verknüpft. Der jordanische Ministerpräsident Tarawneh meinte beispielsweise, eine Lösung des Nahostkonflikts würde die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung solcher Anschläge gegen die USA deutlich reduzieren.
In ihren Kommentaren nach dem 11. September waren sich einige namhafte Zeitungen Ägyptens in der Kritik an Amerikas Außenpolitik im Nahen Osten einig. Die staatsnahe Zeitung Al Akhbar stellte fest, daß es ihrer Meinung nach keinen Unterschied zwischen dem Vorgehen der israelischen Armee gegen palästinensische Zivilisten und dem grausamen Terror gegen die USA gäbe. In ihren Stellungnahmen zu den Anschlägen unterließen es auch die religiösen Autoritäten Ägyptens nicht, Israels Politik gegenüber den Palästinensern zu erwähnen. Muhammad Sayyid Tantawi, der Scheich Al Azhar, bezeichnete das, was das palästinensische Volk ertragen muß, als „Terror an sich“.
Anläßlich eines Besuchs am 11. Oktober auf dem Gelände des zerstörten World Trade Center überreichte Saudi Prinz Alwaleed Bin Talal dem Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, eine Spende in Höhe von zehn Millionen US-Dollar für die Opfer des Anschlags. In einem Begleitschreiben drückte der Prinz sein Beileid aus und fügte hinzu: „Ich verurteile den Terrorismus jeglicher Art und wiederhole damit den eindeutigen Standpunkt Saudi-Arabiens zu diesen tragischen und schrecklichen Ereignissen.“
In der Pressemitteilung, die mit seinem Brief veröffentlicht wurde, äußerte sich der Prinz aber auch kritisch bezüglich der US-Außenpolitik. Darin hieß es: „In solchen Zeiten müssen wir jedoch einige der Kernfragen ansprechen, die zu einem Verbrechen dieser Art geführt haben. Ich glaube, die Regierung der Vereinigten Staaten muß ihre Politik im Nahen Osten neu überdenken und eine ausgeglichenere Haltung in der palästinensischen Sache einnehmen. Unsere palästinensischen Brüder werden nach wie vor von den Israelis geschlachtet, während die Welt wegschaut.“
Als Antwort auf diese Meinung verbat sich Bürgermeister Giuliani jegliche Rechtfertigung für den Anschlag auf das World Trade Center und ließ den Scheck des Prinzen uneingelöst zurückgehen. Giulianis Handeln wurde große Aufmerksamkeit in den amerikanischen Medien gewidmet. Einige Amerikaner verkennen dabei, daß obwohl insgesamt nur wenige in der arabischen Welt offene Sympathien für die Anschläge vom 11. September bekundet haben, sich viele Menschen dort mit den Worten des gemäßigten Saudi-Prinzen identifizieren können. Die in den Augen mancher Araber bestehende Achse Amerika-Israel und das in ihren Augen damit verbundene ungelöste Nahost-Friedensproblem ist ein Nährboden für den islamischen Fundamentalismus.
Globalisierung und Haß auf Amerika
Amerikas Unterstützung für den Staat Israel ist nicht der einzige Faktor, der zur zunehmenden Ablehnung der USA in der arabischen Welt beiträgt. Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region ist heute im Vergleich zu den westlichen Industrieländern eher rückläufig – auch ohne den Einfluß der derzeitigen weltweiten Konjunkturflaute. In der vom Westen hochgepriesenen Globalisierung mit ihrem Materialismus sehen manche Araber einen verdeckten Neukolonialismus, der die wirtschaftliche Abhängigkeit ihrer Region vom Westen nur verstärken soll.
Für viele fromme Muslime sind die geistigen Auswirkungen der Globalisierung viel schlimmer als der Materialismus selbst. In den Medien und durch das Internet exportiert der Westen seine liberalen Moralvorstellungen in alle Welt. Die vermeintlich liberale Gesellschaftsordnung des Abendlandes ist jedoch kein Vorbild für das gesellschaftliche Ideal des Islam.
Im Gegenteil: Die lockeren Moralwerte des Westens mit ihren allgegenwärtigen sexuellen Freizügigkeiten im Fernsehen und auf der großen Leinwand, der Verfall der herkömmlichen Familienstruktur und die Bereitschaft, unnatürliche Lebensgemeinschaften per Gesetz anzuerkennen, der Alkohol- und Rauschgiftkonsum u. v. a. m. sind Gift für das islamische Selbstverständnis.
Diesem Einfluß kann sich ein Land im sogenannten Informationszeitalter, in dem auch der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, kaum entziehen, es sei denn, man kapselt sich vom Westen vollständig ab. Das ist aber in der heutigen Welt kaum durchführbar. So sieht man sich unweigerlich dem sogenannten „Zusammenprall der Kulturen“ ausgesetzt.
Da hilft es in den Augen mancher Araber wenig, wenn US-Präsident Bush beteuert, der Militärschlag gegen Afghanistan sei nicht allgemein gegen die Araber oder den Islam, sondern nur gegen Terroristen gerichtet. Dabei bezeichnet er jedoch den Kampf gegen den Terrorismus als „Kreuzzug“ – ein Begriff, der auch für nichtfundamentalistische Muslime ein Reizwort ist (siehe dazu den Beitrag „Die wachsende Flutwelle islamischen Zorns“ zum Schluß dieses Artikels).
Islamische Terroristen nehmen den Kampf gegen Amerika auf
Obwohl es Präsident Bush vorerst gelungen ist, die Führung der meisten arabischen Staaten für seine Koalition gegen den Terror zu gewinnen, gibt es viele Bürger in diesen Ländern, die in Bin Laden – und auch in Saddam Hussein – einen Gegenpol zur Vormachtstellung Amerikas sehen. Bin Laden fühlt sich dazu berufen, den „großen Satan“ USA als Schutzmacht Israels zu besiegen. Nach den Bombenanschlägen auf amerikanische Botschaften in Nigeria und Tansania meinte Bin Laden: „Feindschaft gegen Amerika ist eine religiöse Pflicht. Dafür hoffen wir auf die Belohnung Gottes ... Gott sei gelobt, der uns dazu leitet, Dschihad in seiner Sache zu führen.“
Zu Beginn des amerikanischen Militärschlags gegen das Terrornetzwerk „El Kaida“ meldete sich Osama Bin Ladin per Video mit der Erklärung, der heilige Krieg gegen die „ungläubigen Juden und Christen“ habe begonnen. Bin Laden sagte voraus, daß Amerika „nicht in Frieden leben wird, solange nicht Frieden in Palästina eingekehrt ist“. Vier Tage nach dieser Erklärung meldete sich El Kaida-Sprecher Sulaiman Bu Ghaith zu Wort mit einer Drohung: „Die Amerikaner müssen wissen, daß der Sturm der [entführten] Flugzeuge, so Gott will, nicht enden wird. Es gibt noch Tausende junger Menschen, die sich auf den Tod genauso freuen, wie sich Amerikaner auf das Leben freuen.“ Gaith wiederholte Bin Ladens Bedingungen für ein Ende der Anschläge gegen Amerika.
Die Drohung des El Kaida-Sprechers mag für einige an Phantasie grenzen, aber seine Worte waren bestimmt bewußt gewählt. 633 n. Chr., nur ein Jahr nach dem Tod des Propheten Mohammed, schrieb der Oberbefehlshaber des neuen muslimischen Heeres an den persischen Kaiser: „Unterwerft euch unserer Autorität, und wir werden euer Land verlassen und gegen andere vorgehen. Sonst werdet ihr gegen euren Willen von Männern erobert, die den Tod lieben, wie ihr das Leben liebt.“
Der General war Khalid ibn al-Walid, einst Gegner des Mohammed, welcher nach seiner Bekehrung zum Islam ganze Dynastien mit dem Eifer seines Propheten besiegte. Dem persischen Kaiser muß der Brief aberwitzig vorgekommen sein. Wie konnte das persische Reich, das bereits mehr als 400 Jahre bestanden hatte, jemals von „Eidechsen-Fressern“, wie die Perser damals in ihrer Einbildung die Araber nannten, bedroht werden?
Für Muslime mit der gleichen fundamentalistischen Überzeugung Bin Ladens und seiner Taliban-Beschützer befindet sich der Islam in einem Überlebenskampf mit einem dekadenten Gegner, der sich ihrer Meinung nach nur wenig von den frühen Gegnern des Propheten Mohammed unterscheidet.
Andere kontern, Bin Laden habe nichts mit dem Islam zu tun. Darauf antwortet Amir Taheri, iranischer Journalist und Chefredakteur der Pariser Politique Internationale: „Die Behauptung, Bin Laden habe nichts mit dem Islam und Muslimen zu tun, erfordert ... große Vorstellungskraft. Bei hartnäckigem Nachfragen geben einige muslimische Führer zu, daß Bin Laden ,Teil des Islam‘ sei, versuchen aber, seine Rolle herunterzuspielen.“
Darüber hinaus wies Taheri auf die in der islamischen Welt übliche Polemik gegen den Westen hin, die es schon lange vor dem 11. September gab: „Wer mit den Schulbüchern in den meisten muslimischen Ländern vertraut ist, kennt ... den Haß, den sie fördern. Wer die Medien in der muslimischen Welt verfolgt, weiß, daß verbale Angriffe nach der Art des 11. September fast zur Tagesordnung gehören. Wer eine Predigt in praktisch jeder beliebigen Moschee – einschließlich vieler im Westen – hört, wäre von der Vehemenz der antiwestlichen, insbesondere der antiamerikanischen Gesinnung schockiert“ (The Wall Street Journal, 24. Oktober 2001).
Jerusalem: Schlüssel zur Zukunft
Die Zeitschrift Gute Nachrichten sieht in dem Zorn islamischer Fundamentalisten auf Amerika wegen seiner Unterstützung Israels einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der derzeitigen Situation. Die Fundamentalisten nennen Frieden in Palästina als Bedingung für die Einstellung ihres Agierens gegen die USA. Wie realistisch ist es, eine baldige Lösung des Nahostproblems zu erwarten?
Seit dem Zweiten Weltkrieg haben arabische Länder viermal Krieg gegen Israel geführt – 1948, 1956, 1967 und 1973 –, und viermal haben sie verloren. Während des Sechstagekriegs im Juni 1967 wurde die Situation komplizierter, als die Israelis Ost-Jerusalem (und das Westjordanland) eroberten. Sie überließen die Kontrolle über den Tempelberg im Ostteil der wiedervereinigten Stadt den Muslimen.
Für die Weltreligionen Islam und Judaismus hat der Tempelberg große Bedeutung und birgt deshalb das Potential eines ständigen Zankapfels, zumal Israel ganz Jerusalem und die Palästinenser Ost-Jerusalem mit dem Tempelberg als Hauptstadt beanspruchen. Ohne ein Nachgeben zumindest einer der beiden Parteien in der Streitfrage wird es jedoch nie Frieden in Palästina geben! (Der Tempelberg stand bekanntlich im Mittelpunkt der Unruhen im September 2000, die die laufende Intifada der Palästinenser gegen Israel auslösten.)
Mit der anhaltenden Gewalt in dieser Region scheint eine Lösung in weite Ferne gerückt zu sein. Mit anderen Worten: Amerika scheint außerstande zu sein, die wichtigste Bedingung Bin Ladens zu erfüllen
Vor 2500 Jahren schrieb der hebräische Prophet Sacharja, Jerusalem würde zum „Taumelbecher“ und zum „Laststein für alle Völker“ werden. Der Begründer der christlichen Religion, Jesus Christus, beschrieb eine Zeit vor seiner buchstäblichen Rückkehr auf die Erde, in der Jerusalem umkämpft sein wird.
Seit der Zeit Jesu war Jerusalem größtenteils ohne Bedeutung für das Kräfteverhältnis zwischen den Nationen bzw. Machtblöcken. In den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts blieb es dabei; in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts blieb die Region um Jerusalem von den Kampfhandlungen weitgehend verschont und hatte kaum strategische Bedeutung. Wie sich das in den letzten 50 Jahren geändert hat!
Diese Tatsache allein sollte Anlaß geben, die Glaubwürdigkeit der vor so vielen Jahren niedergeschriebenen Worte in der Bibel neu zu überdenken. In der gleichen Prophezeiung, in der Jesus einen Kampf um Jerusalem beschrieb, warnte er auch vor einer kommenden Zeit beispielloser Unruhe und Bedrängnis. Auch der alttestamentliche Prophet Daniel sah eine kommende „Zeit so großer Trübsal ..., wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit“ (Daniel 12,1).
Diese Vorhersage Daniels ist der letzte Teil einer längeren Prophezeiung, die im elften Kapitel des Buches Daniel zu finden ist und die Ereignisse im Nahen Osten schildert. Angefangen mit der Zeit Daniels ca. 500 Jahre vor der Geburt Jesu beschreibt die Prophezeiung das endgültige Schicksal des persischen Reiches, in dem Daniel als hochrangiger Funktionär diente.
Die Prophezeiung befaßt sich u. a. mit dem griechischen Reich unter Alexander dem Großen, der ca. 200 Jahre nach Daniel lebte. Daniel sagte voraus, wie Alexanders Reich unter seinen führenden Feldherrn aufgeteilt werden sollte. Der größte Teil der Prophezeiung ist den Teilreichen zweier dieser Generäle gewidmet, deren Dynastien nördlich bzw. südlich von Jerusalem gelegen waren und die deshalb „König des Nordens“ bzw. „König des Südens“ genannt werden.
In dem letzten Teil der Prophezeiung Daniels geht es um die „Zeit des Endes“ (Daniel 11,40), also die gleiche Zeit, die Jesus beschrieb. Wie Jesus beschreibt auch Daniel einen Kampf um „das herrliche Land“ (Palästina; Vers 41). Nach der Beschreibung Daniels wird der „König des Südens“ die endzeitliche Auseinandersetzung um den „herrlichen, heiligen Berg“ (Jerusalem bzw. der Tempelberg; Vers 45) provozieren. Der vom „König des Nordens“ ausgeführte Gegenschlag auf diese Provokation trifft Länder und Völker, die heute eindeutig mit dem Islam identifiziert werden: Ägypten, Libyen, Moab, Ammon und Edom (Verse 41-43).
Mit anderen Worten: Der endzeitliche „König des Südens“ in der Prophezeiung Daniels wird eine Föderation von Staaten sein, die heute muslimisch sind. Was könnte eine solche Vereinigung auslösen? Der Militärschlag gegen das Taliban-Regime bringt jetzt schon einige der arabischen Staaten unter Druck. Eine Fortsetzung der Luftangriffe in dem islamischen Fastenmonat Ramadan und in den Monaten danach wird ganz bestimmt in den gemäßigten muslimischen Ländern destabilisierend wirken.
Die Terroranschläge vom 11. September und die Reaktion der USA darauf bergen die Gefahr einer nie endenden Spirale der Gewalt. Mit der Unnachgiebigkeit der Streitparteien in der Jerusalem-Frage scheint es menschlich gesehen keine Lösung zu geben.
Es wird jedoch eine Lösung geben, auch wenn sie für die meisten Menschen unrealistisch erscheint. Wir empfehlen Ihnen deshalb unsere kostenlose Broschüre Biblische Prophezeiung: Ein Blick in Ihre Zukunft?, in der die Voraussage Daniels für den Nahen Osten im Detail behandelt und auf die herrliche Zeit hingewiesen wird, die der kommenden, von Jesus vorausgesagten „großen Bedrängnis“ folgen wird. Diese Zukunft, heute weitgehend unbekannt, war für die ersten Christen Mittelpunkt ihrer Hoffnung. Sie bestimmt die redaktionelle Philosophie der Zeitschrift Gute Nachrichten und kann für Sie eine Quelle des Trostes in schwierigen Zeiten sein.
Die wachsende Flutwelle islamischen Zorns
Was nährt den islamischen Fundamentalismus? In ihrer Ausgabe vom 23. Februar 1998 druckte die in arabischer Sprache erscheinende Londoner Zeitung Al-Quds al-Arabi den vollständigen Text einer „Erklärung der Islamischen Front für den Dschihad gegen die Juden und die Kreuzfahrer“ ab, zu deren Unterzeichnern Osama bin Laden und die Führer anderer militanter islamischer Gruppen in Ägypten, Bangladesch und Pakistan gehörten.
Die Erklärung bietet einen Einblick in die Motivation islamischer Terroristen. Darin heißt es: „Seitdem Gott die arabische Halbinsel ausbreitete, ihre Wüste schuf und sie mit ihren Meeren umgab, wurde sie noch nie von einem Unheil befallen wie von diesen Kreuzfahrer-Horden, die sich wie Heuschrecken vermehren und den Boden beengen, seine Früchte verzehren und sein Grün vernichten. Das geschieht zu einer Zeit, wenn die Nationen gegen die Muslime streiten wie Hungrige, die sich vor einer Schüssel Nahrung schubsen.“
In der Erklärung werden drei Gründe für die Verurteilung der USA genannt:
„Erstens: Seit mehr als sieben Jahren besetzen die USA die Länder des Islam in dem heiligsten seiner Gebiete, Arabien, plündern seine Reichtümer, stürzen seine Herrscher, demütigen seine Völker, bedrohen seine Nachbarn und benutzen ihre Stützpunkte auf der Halbinsel als Speerspitze, um gegen die benachbarten islamischen Völker zu kämpfen ...
Zweitens: Trotz der unermeßlichen Vernichtung, die dem irakischen Volk von der Allianz der Kreuzfahrer und Juden zugefügt wurde, und trotz der erschreckenden Anzahl der Toten – mehr als eine Million – sind die Amerikaner immer noch bemüht, dieses schreckliche Gemetzel zu wiederholen ...
Drittens: Obwohl die Zielsetzung der Amerikaner in diesen Kriegen religiöser und wirtschaftlicher Art ist, dienen die Kriege auch dem unbedeutenden Staat der Juden, indem sie von ihrer Besetzung Jerusalems und ihrer Tötung der dortigen Muslime ablenken.“
Die Unterzeichner gelangen zu dem Schluß, daß diese „Verbrechen“ einer „klaren Kriegserklärung der Amerikaner gegen Gott, seinen Propheten und Muslime“ gleichkommen. Der Leser wird daran erinnert, daß die ulema – „die Verantwortlichen für Theologie und das islamische Gesetz oder Scharia“ – in vergangenen Jahrhunderten einstimmig verfügten, dschihad sei die persönliche Verpflichtung eines jeden Muslims bei einem feindlichen Angriff auf muslimische Länder.
In einem Beitrag für die Zeitschrift Foreign Affairs (Ausgabe November-Dezember 1998) kommentierte Bernard Lewis, Professor für den Bereich Naher Osten an der Universität Princeton (USA), die Erklärung folgendermaßen: „[Seit 641 n. Chr.] ... bis heute ist der Zutritt zum heiligen Land der Hijaz für Nicht-Muslime verboten. Es ist ein schwerwiegendes Vergehen für einen Nicht-Muslim, den heiligen Boden zu betreten ...
Wenn es um ihr heiliges Land geht, neigen viele Muslime dazu, den Kampf – und gelegentlich auch den Feind – im religiösen Sinne zu definieren. Dabei sieht man die amerikanischen Truppen, die zur Befreiung Kuwaits und zum Schutz Saudi-Arabiens vor Saddam Hussein entsandt wurden, als ungläubige Invasoren und Besatzer. Diese Sichtweise wird durch Amerikas unangefochtene Vormachtstellung unter den nichtmuslimischen Ländern begünstigt.“
Drei Jahre vor den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon kam Professor Lewis in seinem Artikel zu folgendem Schluß: „Manche Muslime sind bereit, die in der Erklärung enthaltene extreme Auslegung ihrer Religion zu billigen, und einige sind bereit, sie anzuwenden. Der Terrorismus braucht nur wenige Ausführende. Freilich muß sich der Westen durch jegliche wirksame Abwehrmaßnahmen verteidigen. Bei der Ausarbeitung von Strategien zur Bekämpfung der Terroristen wäre es jedoch bestimmt hilfreich, ihre Motivation zu verstehen.“
In ihrem Buch Islam stellt die Historikerin Karen Armstrong folgendes zum islamischen Fundamentalismus fest: „Am Ende des Millenniums hatten einige Muslime zum ersten Mal heilige Gewalt zu einer grundlegenden islamischen Pflicht erhoben. Diese Fundamentalisten bezeichnen westlichen Kolonialismus und postkolonialischen westlichen Imperialismus als al-Salibiyyah: den Kreuzzug“ (Seite 180).
Dieser Begriff ist für Muslime bewußt gewählt, erinnert er doch an die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen dem mittelalterlichen Christentum und dem Islam vor fast 1000 Jahren, als europäische Heere sich anschickten, die „heiligen“ Stätten des Christentums aus der Gewalt des Islam zu befreien. Dabei wurden schreckliche Greueltaten verübt. Armstrong meint allerdings: „Der koloniale Kreuzzug ist zwar weniger gewaltsam gewesen, aber seine Auswirkungen waren verheerender als die mittelalterlichen Kreuzzüge.“
Die kulturellen Werte des Westens haben großen Einfluß auf alle Länder der Welt und werden deshalb von vielen Menschen verachtet. Karen Armstrong fährt fort: „Weltweit stellen wir fest, daß Menschen aus allen wichtigen Religionen unter dem Einfluß westlichen Modernismus taumeln. Dabei entsteht die belagerte und häufig intolerante Religiosität, die wir Fundamentalismus nennen“ (Hervorhebung durch uns). Fazit: Es wäre illusorisch, den islamischen Fundamentalismus als kurzlebige Erscheinung abzutun.