Die bemerkenswerte Geschichte einer Frau, die Heilung suchte, indem sie das Gewand Jesu berührte, ermutigt uns, auch heute inmitten der Turbulenzen des Lebens nach unserem Erlöser zu greifen.

Von Robin Webber

Am Vorabend des 20. Jahrhunderts schrieb der amerikanische Essayist und Dichter Walt Whitman über das stark wachsende Stadtleben, das die Menschen zu verschlingen droht und dessen zerbrechliches Gefüge durch die täglichen persönlichen Herausforderungen bereits überlastet ist. Er fragte sich, ob er und andere einfach aufgeben und in Verzweiflung versinken sollten. Was sollte man tun?

Sein Gedicht „Oh ich! Oh Leben!“ beginnt: „Oh ich! Oh Leben! Auf alle diese wiederkehrenden Fragen, auf diesen unendlichen Zug der Ungläubigen, auf die Städte, die voller Narren sind ...“ Und es endet: „Was soll das alles, oh ich, oh Leben? Antworte: Dass du hier bist, dass es Leben und Identität gibt, dass das mächtige Spiel weitergeht und du einen Vers beisteuern kannst“ (Grashalme, 1892).

Mit diesen weisen Worten im Hinterkopf wollen wir uns einer Person zuwenden, die sich entschied, ihr Leben der Verzweiflung hinter sich zu lassen und ihren Vers als Beitrag zum Leben beizusteuern. Es war eine Person, die durch eine Menschenmenge ging, um etwas sehr Persönliches mit Jesus Christus zu teilen. Obwohl wir ihren Namen nicht kennen, wirkt sie bis in unsere Zeit und berührt mit ihrem Vers diejenigen, die die Aufforderung Christi „Folgt mir nach!“ beherzigen (Matthäus 4,19).

Ihre Geschichte beginnt, als sich in Kapernaum am See Genezareth schnell herumspricht, dass der Wundertäter aus Nazareth gerade an Land gegangen ist (Markus 5,21; Lukas 8,40). Seine früheren Besuche sind ihnen noch gut in Erinnerung. Eine große Menschenmenge sammelt sich. Was würde er jetzt tun?

Jairus, einer der Synagogenvorsteher, eilt zu Jesus, fällt ihm zu Füßen und fleht ihn an: „Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt!“ (Markus 5,23). Eine Prozession bildet sich und die beiden werden von der Menge eingeschlossen.

Eine Frau mit einer Mission

Der dringende Appell des Jairus schafft die Voraussetzung dafür, dass die namenlose Frau die Bühne des Evangeliums betritt und ihren Vers beisteuert. Während alle nach vorne zum Haus des Jairus gehen, bewegt sie sich Schritt für Schritt von hinten auf den Mann aus Nazareth zu.

Die Bibel beschreibt sie als eine Frau, die seit zwölf Jahren an anhaltenden Blutungen außerhalb des normalen Menstruationszyklus litt (Vers 25). Sie hatte viele Ärzte aufgesucht und alles ausgegeben, was sie besaß. Mit ihrer Gesundheit wurde es aber nicht besser, „sondern es war noch schlimmer mit ihr geworden“ (Vers 26).

Was ist die Geschichte hinter dieser Geschichte? Wie William Barclay in seinem Kommentar zur New Daily Study Bible (2017) erklärt: „Die Schande der Frau war, dass sie rituell unrein war (3. Mose 15,19-33). Durch ihren Blutfluss konnte sie nicht am normalen Leben teilnehmen“ (Lukasevangelium, Seite 134). Er „schloss sie von der Anbetung Gottes und von der Gemeinschaft ihrer Freunde aus“ (Markusevangelium, Seite 149). Alles, was sie berührte oder von ihr berührt wurde, galt als befleckt und unrein. Deshalb wurde sie als „Unberührbare“ behandelt.

Ist es da ein Wunder, dass sie nicht so offen war wie Jairus? Sie rief nicht: „Hier bin ich!“ Nein! Die Bibel beschreibt, wie sie sich beharrlich durch die Menge drängt, um hinter Jesus zu kommen (Matthäus 9,20; Markus 5,27; Lukas 8,44). Aufgrund ihres unantastbaren Status versuchte sie, auf diskrete Weise göttliches Eingreifen zu erwirken. Als sie weiterging, „sagte sie sich: Wenn ich wenigstens seine Kleider berühren kann, werde ich bestimmt gesund“ (Markus 5,28; „Hoffnung für alle“-Bibel).

Ihr Ziel war es, den „Saum seines Gewands“ zu berühren (Matthäus 9,20; Lukas 8,44). Am Saum seines Gewands waren Quasten, die die Juden an den Ecken ihres Obergewandes trugen, um sie daran zu erinnern, dass sie von Gott erwählt waren und zu ihm gehörten (3. Mose 15,38; 5. Mose 22,12). Um wie viel mehr galt das diesem von Gott gesandten Mann, der vielleicht der Messias selbst war?

Erstaunlicherweise hörte die Blutung sofort auf, als sie ihn berührte. Allerdings gab es an diesem Tag in Kapernaum noch eine weitere unerwartete Wendung.

Jesus wurde zweimal berührt

Nicht nur die Frau wird durch die Berührung geheilt, auch Jesus wird davon beeinflusst. Er weiß sofort, dass Kraft von ihm ausgegangen ist. Er wendet sich der Menge zu und fragt: „Wer hat meine Kleider berührt?“ Seine Jünger sagten zu ihm: „Du siehst, dass dich die Menge umdrängt, und fragst: Wer hat mich berührt?“ (Markus 5,31).

„Und er sah sich um nach der, die das getan hatte. Die Frau aber fürchtete sich und zitterte, denn sie wusste, was an ihr geschehen war; sie kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit“ (Markus 5,32-33). Lukas 8, Vers 47 fügt hinzu: „Vor allen Leuten erzählte sie, weshalb sie ihn berührt hatte und wie sie sofort gesund geworden war“ („Hoffnung für alle“-Bibel).

In diesem Augenblick ist es, als ob Christus einen Vorhang vor der Menge zieht und mit der namenlosen Frau allein ist. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt ihr. Es ist ein Moment Gottes, ein Moment der göttlichen Anteilnahme. Jesus wird nicht nur von hinten berührt, sondern sein Herz wird berührt von dem Geschenk, das sie ihm macht und das so selten in der menschlichen Natur ist: Sie glaubte! Er antwortet: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage!“ (Markus 5,34).

Jesus hat sein Gespräch mit der Frau gerade beendet, als eine Nachricht aus dem Haus des Jairus kommt. Dem besorgten Vater wird mitgeteilt, dass seine Tochter gestorben sei und Jesus nicht mehr zu kommen brauche (Markus 5,35). Sie wussten es nicht und erkannten es auch nicht – aber sie sollten es bald erkennen –, dass es für Jesus an der Zeit war, den Körper eines toten Menschen zu salben (zu berühren), um Leben zu bringen.

Jesu Nachfolge im Glauben

Lassen Sie mich drei Elemente dieser Glaubensgeschichte mit Ihnen teilen, die wir in unser Leben integrieren können, damit auch wir „einen Vers beisteuern“ können, indem wir der Einladung Jesu „Folgt mir nach!“ nachkommen.

1. In der Menge sind wir nie wirklich von Gott getrennt. Psalm 139, Verse 1-6 ermutigt uns: „Herr, du durchschaust mich, du kennst mich durch und durch. Ob ich sitze oder stehe – du weißt es, aus der Ferne erkennst du, was ich denke. Ob ich gehe oder liege – du siehst mich, mein ganzes Leben ist dir vertraut. Schon bevor ich anfange zu reden, weißt du, was ich sagen will. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine schützende Hand über mir. Dass du mich so genau kennst, übersteigt meinen Verstand; es ist mir zu hoch, ich kann es nicht begreifen!“ („Hoffnung für alle“-Bibel; alle Hervorhebungen durch uns).

Jesus erweitert die Ermutigung dieses Psalms, indem er uns daran erinnert: „Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge“ (Matthäus 10,29-31).

Unser himmlischer Vater kennt die Höhen und Tiefen unseres Lebens. Er weiß, was er für uns bereithält. Aber das zu seiner Zeit und auf seine Weise, die seinem vollkommenen Willen entspricht, jenseits unserer menschlichen Momentaufnahmen.

2. Seien Sie im Zweifelsfall wie die Frau auf einer Mission, die sich Christus im Glauben nähert. Lassen Sie nicht zu, dass die Menge oder Ihre unterdrückten Emotionen Sie von der Quelle alles Guten trennt. Atmen Sie tief durch und konzentrieren Sie sich auf das, was Sie brauchen bzw. Ihnen fehlt und Gott Ihnen schenken kann. Sie können ihn im Glauben darum bitten.

3. Wir beten einen Gott an, der uns berührt und den wir berühren können. Jesus, der Sohn Gottes und der Menschensohn, ist auf die Erde gekommen, damit unser himmlischer Vater durch ihn die Menschheit berühren und von ihr berührt werden kann. Erinnern Sie sich an die kranke Frau, die sich Jesus von hinten näherte und ihn berührte? Denken wir an sie, wenn wir in Hebräer 4, Verse 14-16 aufgefordert werden, vor den auferstandenen Christus zu treten:

„Lasst uns also unerschütterlich an unserem Bekenntnis zu Jesus Christus festhalten, denn in ihm haben wir einen großen Hohepriester, der vor Gott für uns eintritt. Er, der Sohn Gottes, ist durch den Himmel bis zu Gottes Thron gegangen. Doch er gehört nicht zu denen, die unsere Schwächen nicht verstehen und zu keinem Mitleiden fähig sind. Jesus Christus musste mit denselben Versuchungen kämpfen wie wir, doch im Gegensatz zu uns hat er nie gesündigt“ („Hoffnung für alle“-Bibel).

Bitte beachten Sie: Wenn wir uns im Gebet demütig, aber vertrauensvoll an ihn wenden, entstehen ein Berührungspunkt und ein Eindruck. Wir sind eingeladen, vor ihn zu treten, während er uns weiterhin mit seiner Liebe erreicht und berührt. Auch in unserer geistlichen Unvollkommenheit, in den Momenten unseres Menschseins, ruft er uns zu: „Folgt mir nach!“

Denken Sie bis zum nächsten Mal daran: Wir leben und haben eine Identität in Christus! Paulus schrieb dazu: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2,20). Und seien Sie stets bereit, Ihren Vers zum Leben beizusteuern!