Früher wurde Kindern Respekt vor anderen Menschen und deren Eigentum beigebracht. Elterliche Nachlässigkeit und der Einfluss der Medien tragen dazu bei, dass diese Tugend vielen Kindern fremd ist.
Von Elaine Jacobs
Vor einigen Jahren, bei einem morgendlichen Spaziergang in einem nahegelegenen Park, stieß ich auf ein paar Kinder. Als ich an ihnen vorbeiging, schlug das eine Kind seinem Freund vor, Steine auf „die alte Tante“ zu werfen.
Es war schlimm genug, dass sie mich als alte Frau bezeichneten – ich war damals erst Anfang 40 –, aber es war das absolute Fehlen von jedwedem Respekt gegenüber einer „alten Tante“, was mich bestürzte. Heute fürchten sich viele Erwachsene vor Kindern und Jugendlichen. Nach meinem Erlebnis ist mir das verständlich. Ich war froh, dass die Kinder nicht weit genug werfen konnten, um mich zu treffen. Doch ich muss zugeben, dass ich diesen Park ohne Begleitung nicht noch einmal aufsuchen werde.
Der Duden findet folgende sinnverwandte Wörter für Respekt: „Rücksicht, Achtung, Ehrerbietung“, Begriffe, deren Anwendung im täglichen Leben eine Gesellschaft aufwerten. Geben wir diese für eine gesunde Gesellschaft wichtigen Werte an unsere Kinder weiter?
Kinder lassen sich leicht durch ihr Umfeld beeinflussen. Da wir heute in einer zunehmend respektlosen „Ellenbogengesellschaft“ leben, wird dieses Verhalten unweigerlich „abfärben“. Aber alle Eltern haben die Möglichkeit, durch ihr eigenes Beispiel und richtige Belehrung dem negativen Einfluss dieses Umfelds entgegenzuwirken.
Das erste Vorbild, das unsere Kinder für ihr Verhalten gegenüber anderen bekommen, ist, wie wir sie – unsere Kinder – behandeln. Sie werden aber auch vieles von unserem Verhalten und unserer Einstellung zu anderen Menschen übernehmen, sofern wir sie dazu konsequent anleiten.
Es ist nicht einfach, einem Kind Respekt allein mit Worten zu erklären. Aber im täglichen Leben gibt es viele Gelegenheiten, ihnen Respekt lebensnah beizubringen. Eltern können diese Gelegenheiten nutzen und ihren Kindern zeigen, wie man andere Menschen achtet. Dies fängt oft bei scheinbaren Nebensächlichkeiten an, wie z. B. Höflichkeit.
Einige Beispiele für Höflichkeit
Für eine gesunde Gesellschaft, in der sich jeder wohl fühlt, und für ihr eigenes Wohlergehen ist es wichtig, dass Kinder lernen, Menschen zu respektieren. Das fängt damit an, den Eltern und anderen Erwachsenen gegenüber höflich zu sein.
Respektlose Menschen haben in der Gesellschaft auf Dauer keinen Erfolg, und sie ernten selbst keinen Respekt. Fürsorgliche Eltern möchten, dass ihre Kinder später nicht nur erfolgreich sind, sondern auch geachtet werden. Indem Eltern ihren Kindern Höflichkeit beibringen, helfen sie ihnen auf ihrem Weg.
Wissen unsere Kinder, dass es in unserer Gesellschaft allgemein unhöflich ist, einen Erwachsenen ohne dessen Einwilligung zu duzen und mit seinem Vornamen anzureden? Kennen unsere Kinder das Wort „bitte“? Sagen sie gewohnheitsmäßig „danke“, wenn sie etwas bekommen? Menschen, die gelernt haben, das zu schätzen, was sie bekommen, besitzen schließlich einen Schlüssel zum Glück.
Ist es nicht eine schöne Geste, wenn z. B. in einem Wartezimmer ein Kind freiwillig einem älteren Erwachsenen seinen Platz anbietet? Kinder können auch lernen, dass es unhöflich ist, andere warten zu lassen. Dadurch, dass Eltern selbst zu spät kommen, missachten sie andere, denn sie geben damit zu verstehen, dass die Zeit der anderen weniger wert ist als die eigene. Diese Verhaltensweise überträgt sich dann fast unbewusst auf die eigenen Kinder.
Kinder, die lernen, dass die Straße und das Land nicht ein großer Abfallkorb sind, lernen nicht nur Höflichkeit der Gesellschaft gegenüber, sondern werden auch zu Umweltbewusstsein erzogen.
Achtung vor Eigentum
Haben wir unseren Kindern beigebracht, das Eigentum anderer zu achten? Kinder können lernen, um Erlaubnis zu bitten, bevor sie fremde Sachen benutzen. Behandeln sie geliehene Gegenstände wie ihr Eigentum und geben sie sie so schnell wie möglich wieder zurück? Achten sie, wenn sie zu Besuch sind, den Besitz und die Privatsphäre des Gastgebers?
Die Achtung vor Eigentum schließt mit ein, dass man nichts unbezahlt aus einem Kaufhaus mitnehmen darf. Achtung vor Eigentum schließt mit ein, dass das Bemalen von Türen und Wänden Sachbeschädigung ist. Ohne die Achtung vor dem Eigentum anderer Menschen werden Kinder früher oder später Probleme bekommen, schlimmstenfalls in die Kriminalität abrutschen. Weil diese Achtung heute weitgehend verloren gegangen ist, müssen wir ständig in Angst vor Diebstahl und Einbrüchen leben.
Missgeschicke zugeben
Vor einiger Zeit lud mein Mann, der eine Fußballmannschaft trainiert, seine Jugendmannschaft ein, vor einem großen Spiel bei uns zu übernachten.
Irgendwann während des Abends verschüttete jemand Johannisbeer- oder Traubensaft auf unserem Teppich, ohne es zu sagen. Am nächsten Tag fand ich den Fleck, er war mit einem Tuch abgedeckt. Ich habe ihn nie vollständig entfernen können, da er schon eingetrocknet war. Vielleicht hätte ich den Schaden erfolgreich beheben können, wenn ich sofort davon erfahren hätte.
Eltern können ihren Kindern erklären, dass derartige Missgeschicke jedem passieren können. Anstatt so einen Vorfall zu verstecken, sollten sie es sofort jemandem sagen, damit der Schaden so gering wie möglich gehalten werden kann. Man muss zu seinen Taten stehen lernen, wenn man ein verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft werden will.
Ich kenne einen jungen Mann, der aus Versehen eine wertvolle Teetasse zerbrach. Er sagte es sofort und entschuldigte sich. Ich rechne es ihm hoch an, dass er es sofort zugegeben hat. Seine Aufrichtigkeit war mir mehr wert als jedes wertvolle Geschirr, denn sie zeugt von gutem Charakter. Was ist wertvoller als das?
Richtiges Verhalten lehren
Ein Sprichwort sagt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Die Bibel, die Grundlage christlicher Wertvorstellungen, rät uns das Gleiche mit anderen Worten: „Gewöhne einen Knaben an seinen Weg, so lässt er auch nicht davon, wenn er alt ist“ (Sprüche 22,6). In der Bibel werden Eltern aufgefordert, ihre Kinder ständig zu belehren, ob sie zu Hause oder unterwegs sind (5. Mose 6,7). Die Bibel, Gottes Anleitungsbuch für uns Menschen, lehrt Respekt vor älteren Menschen (3. Mose 19,32), vor Witwen (1. Timotheus 5,3) und vor allen Menschen (1. Petrus 2,17).
Hier sind vier einfache Schritte, mit denen Eltern ihren Kindern helfen können, gutes, respektvolles Benehmen zu lernen:
Zuerst weist man auf das falsche Verhalten hin (und zwar sofort, wenn es auftritt); dann erklärt man, warum das Verhalten falsch ist; als drittes erläutert man, wie man es besser machen sollte (und übt das gegebenenfalls); als viertes achtet man konsequent darauf, dass sich das Kind in Zukunft anders verhält.
Eltern dürfen bei der Erziehung eines nicht vergessen: Auch Kindern gegenüber soll Respekt gezeigt werden. Eltern verlieren schnell an Glaubwürdigkeit, wenn sie ihre Kinder respektlos behandeln, während sie von ihnen erwarten, höflich zu sein. Das persönliche Vorbild der Eltern ist für die Erziehung ihrer Kinder ausschlaggebend.
In unserer Gesellschaft ist Respekt leider eine aussterbende Tugend, und wir alle haben unter diesem Umstand zu leiden. Als Einzelne können wir die Welt nicht ändern, doch in unserem kleinen Umfeld, der Familie, können wir doch einiges erreichen.
Durch unser Bemühen, respektvolle Erwachsene zu sein, können wir einen positiven Einfluss auf die jungen Menschen in unserer Umgebung haben und das Aussterben einer wichtigen Tugend verhindern helfen.