Viele Christen glauben an eine ewig brennende Hölle, in der die unverbesserlichen Bösen gequält werden. Als Beweis nennen sie Jesu Gleichnis von Lazarus und dem reichen Mann. Was sagt dieses Gleichnis aber wirklich aus?
Von Randy D'Allessandro
Ist die Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann ein Beweis für die Existenz der Hölle? Nach Jesu Erzählung starben beide: „Als er [der reiche Mann] nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner . . . denn ich leide Pein in diesen Flammen.
Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.
Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.
Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde“ (Lukas 16,23-31).
Allegorische Erzählung
Die Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann sollen wir im Lichte anderer Bibelstellen untersuchen, in denen der Tod und die Auferstehung behandelt werden. Dadurch wird klar, dass diese Geschichte ein Gleichnis ist, das benutzt wurde, um wichtige geistliche Lektionen zu erteilen. Daher ist die Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann keine buchstäbliche Beschreibung der wirklichen Ereignisse, die nach dem Tode oder bei der Auferstehung stattfinden.
Das International Standard Bible Dictionary behandelt den zeitgenössischen Hintergrund dieses Gleichnisses: „Es lehnt sich an eine Geschichte an, die im ägyptischen und jüdischen Gedankengut vertreten war. Dabei werden die Stellen der bösen Reichen und der frommen Armen im Leben nach dem Tode vertauscht. Die Geschichte wird aus der Sicht des reichen Mannes erzählt . . ., der in seinem Ort der Qual mit Abraham spricht . . .
Obwohl dieses Gleichnis nicht als genaue Beschreibung des Verbleibs der Toten beabsichtigt ist, gründet es sich auf und bestätigt somit jüdisches Gedankengut . . . In der jüdischen Vorstellung vom Hades [dem Grab] . . . konnten sich die Guten und Bösen sehen, waren jedoch voneinander durch eine große, unüberbrückbare Kluft getrennt.
Über diese Kluft hinweg rief der reiche Mann dem Abraham zu und flehte ihn an, Lazarus zu sich kommen und ihn trösten zu lassen. Als er von der Unmöglichkeit [seiner Bitte] erfuhr, flehte er darum, dass Lazarus zu seinen Brüdern zurückgeschickt würde, um sie vor ihrem möglichen Schicksal zu warnen. Abraham antwortete, dass sie, wenn sie Mose nicht glauben würden, auch einem Auferstandenen nicht glauben würden.
Das Gleichnis . . . warnt die Reichen, dass ihr Eigentum keine Zukunftsgarantie bedeutet. Das Gleichnis war anscheinend gegen die Selbstzufriedenheit der Sadduzäer mit diesem Leben gerichtet, gegründet auf deren Glauben, dass es kein Leben [nach dem Tode] gäbe. Daher sagte Abraham, dass selbst ein Auferstandener die Lebenden zur Umkehr nicht bewegen könnte“ (Eerdmans, Grand Rapids, 1986, Band 3, Seite 94).
Geistliche Lektion
Jesus benutzte eine gut bekannte Geschichte seiner Zeit, um auf eine geistliche Lektion für diejenigen hinzuweisen, die sich zwar mit dem Gesetz identifizierten, es aber nicht hielten. Die primäre Bedeutung dieses Gleichnisses ist einfach: Die Entscheidungen, die wir treffen, haben ewige Konsequenzen.
Lazarus wird als Mensch mit einer engen Beziehung zu Abraham beschrieben (Vers 22); das heißt, dass auch er durch die an Abraham gemachten Verheißungen Erbe des Reiches Gottes ist.
Sein Erbe wird Lazarus aber erst erhalten, wenn auch Abraham sein Erbe erhält. Andere Bibelstellen zeigen uns, dass Abraham sein verheißenes Erbe noch nicht erhalten hat (Hebräer 11,8-13; Apostelgeschichte 7,25). Aus diesem Grunde hat Lazarus noch kein ewiges Erbe erhalten.
In dem Gleichnis stirbt der reiche Mann. Bei seiner Auferstehung vom Grab (hades) erfährt der reiche Mann, dass sein Schicksal die Vernichtung durch Feuer sein wird. Die „Pein“, die er erlebt (Verse 23-24), ist geistiger Art. Er erkennt, dass er alles verloren hat, indem er Jesus Christus verworfen hat.
Die „große Kluft“ zwischen ihnen (Vers 26) stellt ihre unterschiedliche Zukunft dar. Lazarus wird ewiges Leben erhalten, und der reiche Mann wird in dem feurigen Pfuhl vernichtet werden. Da es kein Bewusstsein im Tod gibt, hatte der reiche Mann keine Ahnung von dem Verstreichen der Zeit nach seinem Tod.
Das Gleichnis zeigt uns, dass eine ausreichende Warnung vor den Konsequenzen der Sünde im Wort Gottes bereits gegeben wird. Wer auf diese Warnung nicht hört, wird auch nicht auf einen Auferstandenen hören.
Nur kurze Zeit nachdem Jesus dieses Gleichnis gesprochen hatte, wurde er gekreuzigt und nach drei Tagen und drei Nächten wieder zum Leben erweckt. Wer auf die Warnung des Mose und der Propheten nicht hörte, weigerte sich auch nach Christi Auferstehung, ihm zu glauben.
Mit diesem Gleichnis warnt uns Jesus, dass die Ablehnung der Unterweisung Gottes katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen wird – die ewige Vernichtung in dem feurigen Pfuhl.