Jesus lehrte seine Jünger viele wichtige Lektionen. Das Beispiel, das er ihnen nur ein paar Stunden vor seinem Tod gab, wird von den meisten Christen vernachlässigt.
Von Scott Ashley
Jesu Jünger waren perplex. Sie hatten viel Ungewöhnliches von ihrem Herrn und Meister gesehen, und in dieser Nacht schien er sich noch ungewöhnlicher als sonst zu verhalten.
Es war die Zeit des Passahs, eines von Israels größten Festen und eine Zeit des fröhlichen Feierns. Und doch war Jesus betrübt, was ganz untypisch für ihn war. Das allein war schon sonderbar, doch jetzt, während ihrer Mahlzeit, stand er auf, nahm einen Krug und eine große Schüssel und begann die Füße der Jünger nacheinander zu waschen!
Was hatte dies zu bedeuten? War dies ein weiteres dieser verwunderlichen Ereignisse, die die Jünger oft gesehen hatten und bei denen sie nicht ganz begreifen konnten, was ihr Meister ihnen beizubringen versuchte? Warum sagte und tat er diese sonderbaren Dinge in dieser nächtlichen Feierstunde? Was hatte all dies zu bedeuten?
Das Ritual der Demut
In der Nacht vor seinem Tod führte Christus einen Brauch ein, der seinen Jüngern eine äußerst wichtige Lektion lehren würde. Uns stellt sich die Frage, ob sie für heutige Christen noch von Bedeutung ist. Die Lektion wurde durch den einfachen Akt der Fußwaschung gelehrt, den demütigen Akt Jesu Christi, als er das Passah mit seinen Jüngern in der letzten Nacht vor seinem Tod hielt. Die Jünger haben seine Anweisungen damals nicht verstanden. Erst später erkannten sie, welche tief gehenden Prinzipien er ihnen an diesem Abend durch seine Handlungen beibringen wollte.
Was sollen wir aus den Ereignissen dieser Nacht lernen? Welche Bedeutung hat Christi Beispiel?
Johannes 13 beschreibt das Ereignis: „Vor dem Passahfest aber, als Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zu dem Vater hinzugehen – da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende. Und bei einem Abendessen, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, es ins Herz gegeben hatte, dass er ihn überliefere, steht Jesus – im Bewusstsein, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe – von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich. Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, die Füße der Jünger zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war“ (Verse 1-5; Elberfelder Bibel).
Diese Verse beschreiben, warum Christus an diesem Abend so handelte: Er wusste, „dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe“. Deshalb gab Jesus seinen Nachfolgern eine Lektion für alle Zeiten. Er wusste, dass er innerhalb der nächsten 24 Stunden sterben würde. Er wusste, dass dies seine letzten Stunden in menschlicher Form in der Gesellschaft seiner Jünger waren.
An welche Lektion sollten sich die Jünger erinnern? Was wollte Jesus ihnen hinterlassen?
Die Fußwaschung: ein niedriger Dienst
Überlegen wir uns die Bedeutung der Handlungen Christi. Was wollte er bewirken? Wir leben heute unter ganz anderen Bedingungen, deshalb ist es schwieriger für uns, einen Bezug zu diesen Ereignissen zu finden. Wenn wir uns jedoch in die Kultur der damaligen Zeit hineinversetzen, verhilft uns dies zu einem besseren Verständnis.
In Judäa trugen die Menschen im ersten Jahrhundert offene Sandalen statt der Schuhe, die wir heute tragen. Sie reisten nicht in Autos oder Bussen. Sie gingen überall zu Fuß hin, normalerweise auf staubigen Wegen und schmutzigen Straßen. Wenn es regnete, liefen sie durch Schlamm. Es gab keine geteerten oder gepflasterten Straßen, wie die meisten Städte sie heute haben. Nur wenige Plätze in den Städten konnten sich Pflastersteine leisten. Die meisten Leute wuschen oder badeten sich nicht jeden Tag; ein tägliches Bad war ein Luxus für die Reichen und Wohlhabenden. Unter diesen Bedingungen wurden die Füße wirklich schmutzig.
Oft denken wir nicht daran, dass Jesus Christus und die Jünger gewöhnlich schmutzige Füße hatten, aber es war so. Wenn Sie oder ich überall hin auf schmutzigen Straßen wandern würden, wären unsere Füße auch schmutzig.
Wurden Gäste in ein Haus eingeladen, wurde dem geringsten Haussklaven oder Knecht die niedrigste Aufgabe gegeben – und das war das Reinigen der Füße der Gäste. Die Fußwaschung war keine beneidenswerte Aufgabe. Es war eine erniedrigende Aufgabe, die dem Knecht mit dem niedrigsten Stand zustand. Die Evangelien beschreiben diesen Brauch in Johannes 1, Vers 27 und Lukas 7, Verse 44-46.
An diesem besonderen Abend waren keine Knechte anwesend, die den niedrigen Dienst übernehmen konnten, die Sandalen zu entfernen und die Füße der Gäste zu waschen, weil Jesus der Gastgeber eines privaten Essens war.
Die Einstellung der Jünger
Obwohl alle vier Evangelien die Ereignisse an diesem Abend beschreiben, wird nicht davon berichtet, dass die Jünger sich freiwillig für diese Aufgabe meldeten. Damit hätten sie den anderen gegenüber eine Unterlegenheit zugegeben. Lukas 22, Vers 24 fügt ein interessantes Detail dieses Abends hinzu: „Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten solle.“
Statt sich darauf zu konzentrieren, wie sie einander am besten dienen und den Abend füreinander am besten gestalten konnten, konzentrierten sich die Jünger so sehr darauf, „wer von ihnen als der Größte gelten solle“, dass sie anfingen sich zu streiten. Hitzige Worte wurden ausgetauscht, während die Männer um eine Postiion in innerhalb ihrer kleinen Gruppe rangen. Es ist nicht bekannt, wann dieser Streit an diesem Abend entbrannte.
Veranlasste ihre Auseinandersetzung Jesus dazu, still aufzustehen, Wasser in die Schüssel zu gießen und, wie ein Sklave, damit anzufangen, die Füße eines jeden Anwesenden nacheinander zu waschen? Das hätte ihren Streit ganz sicherlich beendet! Oder fand diese Auseinandersetzung statt, nachdem Jesus schon ihre Füße gewaschen hatte – zeigten sie dann, wie wenig sie die Lektion begriffen hatten?
Wir wissen es nicht ganz sicher. Jesu leise Zurechtweisung ist jedoch deutlich: „Die Könige herrschen über ihre Völker . . . Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener“ (Verse 25-26; alle Hervorhebungen durch uns).
Petrus, der Hitzige
Einer der Jünger verstand zumindest eine der Lektionen, die Christus ihnen beibringen wollte. Als Jesus niederkniete, um Petrus’ Füße zu waschen, beeilte sich Petrus zu sagen: „Herr, du wäschst meine Füße?“
Jesus antwortete: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.“ Er wusste, dass die Jünger noch viel zu lernen hatten, dass sie zu dieser Zeit nicht das tiefe geistliche Beispiel verstehen konnten, das er ihnen hinterlassen wollte.
Dies stellte Petrus aber nicht zufrieden. „Du sollst nie und nimmer meine Füße waschen“, entgegnete er entschieden (Johannes 13,6-8; Elberfelder Bibel). Petrus erkannte, dass Jesus sich absichtlich durch seine Handlung erniedrigte, indem er die Rolle des geringsten Sklaven annahm. Petrus verstand aber immer noch nicht die größere Lektion, dass diejenigen, die Christus folgen, die Einstellung eines Dieners haben müssen.
Jesus antwortete: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir“ (Vers 8). Wir erfahren hier eine zweite Lektion: Wir müssen von Jesus Christus gewaschen sein, um ewiges Leben mit ihm in Gottes Reich haben zu können. Das Passah versinnbildlicht, dass wir durch das Opfer Christi reingewaschen sind (1. Korinther 5,7; Hebräer 9,12-14). Wenn wir unseren Glauben in dieses Opfer setzen und ihm erlauben, wieder mit uns zu leben (Galater 2,20), wird er ewiges Leben mit uns teilen (1. Johannes 5,11-13).
Petrus verstand aber nichts von dem. Es gab für ihn nur den Aspekt der physischen Waschung, und deshalb bat er Christus noch mehr von ihm zu waschen:
„Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein“ (Johannes 13,9-11).
Jesus vereinfacht die Lektion
Weil er sah, dass sie ihn noch immer nicht verstanden hatten, gab er ihnen eine weitere Lektion. „Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe?“ (Vers 12).
Natürlich verstanden sie ihn nicht. Es verging einige Zeit, bevor sie die Bedeutung von der Lehre Christi und der Aufgabe, die er ihnen geben wollte, verstanden.
„Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Verse 13-15).
Wer sollte unser Beispiel, unser Vorbild sein? Wir könnten niemand größeren als Jesus Christus finden, den Sohn Gottes. Wir sollen ihm nachfolgen (1. Petrus 2,21; 1. Johannes 2,6) und seinem Beispiel in allem nacheifern. Das Beispiel Jesu war, dass er lebte, um anderen zu dienen (Matthäus 20,28).
Jesus beendete seine Lektion: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Apostel nicht größer als der, der ihn gesandt hat“ (Johannes 13,16).
Jesus Christus sagte, wenn er bereit gewesen war, sich selbst zu demütigen, sich in die Position eines Dieners zu begeben und die Aufgaben des geringsten Sklaven zu übernehmen, wer sind wir dann, dass wir uns für zu gut zu halten, um anderen demütig zu dienen? Wir sind Christi Diener. Meinen wir manchmal, dass wir zu gut sind, um uns zu demütigen, wie er es tat? Glauben wir, dass es unter unserer Würde ist, bestimmte Aufgaben zu übernehmen und anderen auf solche Weise zu dienen? Dass wir stattdessen andere diese Aufgaben erledigen lassen sollten?
Wir sind auch Christi Botschafter, indem wir die gute Nachricht der Erlösung verkündigen, mit denen er seine Diener beauftragt hat. Meinen wir manchmal, besser zu sein als derjenige, der uns berufen hat und uns mit dieser Aufgabe beauftragt hat?
Obwohl wir es vielleicht nicht mit Worten sagen, sagen wir es trotzdem durch unsere Handlungen? Finden wir immer eine Ausrede dafür, warum wir anderen nicht helfen können?
Wenn wir immer eine Ausrede finden, warum wir nicht helfen können, obwohl wir wissen, dass wir gebraucht werden, sagen wir nicht auch das Gleiche durch unsere Handlungen? Sagen wir nicht in Wirklichkeit, dass unsere Zeit, Wünsche und Bedürfnisse wichtiger sind?
Verstehen wir die Lektion?
Gott versteht die Botschaft unserer Handlungen sehr wohl. Aber verstehen wir sie? Christus fragte seine Jünger: „Wisst ihr, was ich euch getan habe?“ Wir müssen uns dieselbe Frage stellen. Wir müssen uns fragen, ob wir das Beispiel wirklich verstehen, auf das Jesus Christus seine Nachfolger so eindringlich hinwies, als er die Funktion des geringsten Dieners annahm, um seinen Nachfolgern eine wichtige Lektion der Demut, des Dienens und des Gebens beizubringen.
Jesus gab uns das Beispiel der Fußwaschung und sagte: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ Es gibt noch Christen, die treu seinem Beispiel, seinen Lehren und seinen Anweisungen folgen. Sie erkennen die Bedeutung einer der größten Lektionen, die Christus seinen Nachfolgern vor seinem Tod gegeben hatte. Sie gedenken daran, dass er sich selbst als ein Diener erniedrigte, um uns zu lehren, den Bedürfnissen anderer zu dienen.
Und sie kennen sein Versprechen in Johannes 13, Vers 17: „Das wisst ihr jetzt; Freude ohne Ende ist euch gewiss, wenn ihr auch danach handelt!“ (Gute Nachricht Bibel).