Sind Sie in der Lage, diesen „Sauerteig“ zu erkennen? Jesus ermahnte seine Jünger – und damit auch uns heute –, sich davor zu hüten.
Von Robert Dick
„Sauerteig der Pharisäer“ – für die meisten Menschen ist das ein seltsamer Begriff. Warum ermahnte Christus seine Jünger, diesen „Sauerteig“ zu vermeiden? Sind Sie in der Lage, diesen „Sauerteig“ zu erkennen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht nur zur Zeit des Frühlingsfestes, sondern während des ganzen Jahres wichtig.
Was ist der „Sauerteig der Pharisäer“? Im Lukasevangelium Kapitel 12, Vers 1 finden wir eine klare Antwort: „Unterdessen kamen einige tausend Menschen zusammen, so daß sie sich untereinander traten. Da fing er an und sagte zuerst zu seinen Jüngern: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das ist die Heuchelei.“
Heuchelei wird hier als der Sauerteig der Pharisäer beschrieben. Doch wie wir später sehen werden, ist dies nur die Spitze des Eisbergs.
Definition von Heuchelei
Das Wort „Heuchler“ stammt vom griechischen Wort hupokrites ab und bezieht sich auf jemanden, der schauspielert oder vorgibt, etwas zu sein, was er in Wirklichkeit gar nicht ist. Griechische und römische Bühnenschauspieler sprachen gewöhnlich hinter großen Masken mit einer mechanischen Vorrichtung, die die Kraft der Stimme verstärkte. Diese Schauspieler, die so ihre Gesichter verbargen und ihre wirkliche Stimme verstellten, wurden hupokrites oder Heuchler genannt.
Jesus verglich das Verhalten der Pharisäer mit Schauspielern – Männern, die etwas vorgaben und eine Rolle spielten. Zur Zeit Christi waren die Pharisäer eine mächtige Gruppe, die behaupteten, eifriger und gerechter als der Rest der jüdischen Gesellschaft zu sein. Sie stellten sich als Musterbeispiele für das, was richtig und göttlich war, dar.
In Christi Augen war ihr Beispiel allerdings vernichtend. Nach der Einschätzung Christi hatte das Verhalten dieser Männer eine korrumpierende Auswirkung auf diejenigen, die ihrem Beispiel folgten – einen säuernden Effekt, wenn Sie so wollen.
Jesus und die Bergpredigt: Was ist Heuchelei?
Es ist interessant, daß Christus schon früh das Thema der Heuchelei ansprach. In seiner Bergpredigt setzte er sich mit einigen Beispielen der Heuchelei auseinander. Heuchler geben Opfer, damit sie gesehen und bewundert werden: „Habt acht auf eure Frömmigkeit, daß ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt“ (Matthäus 6,1-2; alle Hervorhebungen durch uns).
Darüber hinaus beten Heuchler, um Menschen mit ihrer Stimme und ihren Worten zu beeindrucken: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt“ (Vers 5).
Außerdem setzen Heuchler alles dran, um beim Fasten elendig auszusehen, damit sie für ihr Opfer bewundert und für ihr Unwohlsein bemitleidet werden: „Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt“ (Matthäus 6,16).
Die Botschaft Christi an seine Jünger war sehr einfach: Wenn ihr euch so verhaltet, wird die Bewunderung der Menschen euer ganzer Lohn sein, denn ich werde nicht zuschauen noch zuhören.
Die meisten, die sich zum Christentum bekennen, verstehen, was damit gemeint ist. Es ist ganz einfach. Wie oft sehen Sie jemanden, der sein Opfer mit einer Posaune ankündigt, oder der so ungepflegt, unrasiert und ungekämmt daher kommt, daß man ihn fragen muß: „Fastest du heute?“ Die Auswirkungen des Sauerteigs der Heuchelei reichen aber viel weiter.
Heuchelei und böswillige Absicht
Viele von uns kennen die Situation, die in Matthäus 22, Verse 15-18 beschrieben wird. Die Pharisäer brachten eine Münze mit dem Abbild Cäsars zu Christus und fragten ihn, ob es richtig wäre, Steuern zu zahlen. Zur Zeit Christi haßten die Juden die römische Besatzung. Zu sagen „Ja, das ist in Ordnung“ hätte die Juden geschwächt. „Nein“ zu sagen hätte Verrat bedeutet und die Verfolgung durch die römische Regierung nach sich gezogen. Jesus antwortete in Vers 18: „Als nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich?“ Die Heuchelei bestand in diesem Fall in dem Versuch, ihre wahre böswillige Absicht durch das Stellen einer Frage zu verschleiern.
Verse 15 und 18 machen deutlich, daß die wahre Zielsetzung des Herzens und die äußere Erscheinung sehr unterschiedlich waren. „Da gingen die Pharisäer hin und hielten Rat, wie sie ihn in seinen Worten fangen könnten ... Als nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich?“ Hier geht es um ein eindeutiges Beispiel einer böswilligen Absicht. Mit freundlicher Miene und schmeichelnden Worten versuchten sie, Christus in eine Falle zu locken.
Paulus, der vor seiner Bekehrung Pharisäer gewesen ist, konnte den Zusammenhang zwischen Sauerteig und einer böswilligen Absicht sehr leicht erkennen. Zur Zeit des Passahs schrieb Paulus einen Brief an die Korinther und ermahnte sie: „Darum laßt uns das Fest feiern, nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern im ungesäuerten Teig der Lauterkeit und Wahrheit“ (1. Korinther 5,8). Die Geschichte über den Sauerteig der Pharisäer geht aber noch weiter.
Eine weitere Form des Sauerteigs
In Matthäus Kapitel 16 erfahren wir, daß der Sauerteig der Pharisäer über Heuchelei hinausgeht. Nach dem Wunder mit den Fischen und Broten konfrontierten die Pharisäer Jesus, weil sie sich ein Zeichen von ihm wünschten.
Er gab ihnen kein anderes Zeichen als das Zeichen von Jona. Später warnte er die Jünger: „Seht zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer!“ (Matthäus 16,6). Zuerst wußten die Jünger nicht, was er damit meinte.
In der Parallelerzählung bei Lukas erfahren wir, daß Jesus die Pharisäer Heuchler nannte: „Ihr Heuchler! Über das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr urteilen; warum aber könnt ihr über diese Zeit nicht urteilen?“ (Lukas 12,56). Jesu Jünger stellten jedoch nicht sofort eine Verbindung zwischen Heuchelei und Sauerteig her.
Es kann sein, daß die Jünger zunächst durch ein schlechtes Gewissen geblendet waren. Sie meinten, daß sie eine versteckte Schelte von Jesus erhalten hatten, weil niemand daran gedacht hatte, Essen für die Gruppe zu besorgen (Matthäus 16,7). Christus erklärte, daß es nicht davon abhängig war, ob sie sich daran erinnerten, einzukaufen, denn schließlich hatte er gerade eine große Menschenmenge mit nur sieben Broten und ein paar Fischen satt bekommen.
Nachdem ihr schlechtes Gewissen gewichen war, erkannten die Jünger die wahre Bedeutung von Christi Worten: „Da verstanden sie, daß er nicht gesagt hatte, sie sollten sich hüten vor dem Sauerteig des Brotes, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer“ (Vers 12).
Der Sauerteig der Pharisäer beinhaltet mehr als ein heuchlerisches Verhalten, er bedeutet auch ihre Lehre. Wie und warum wird die Lehre der Pharisäer dem Sauerteig gleichgesetzt? Es gibt eine enge Verbindung zwischen Heuchelei und der Lehre der Pharisäer.
Lehre und Heuchelei
Die deutlichste Verbindung zwischen der Heuchelei der Pharisäer und ihrer Lehre wird im Markusevangelium Kapitel 7, Verse 1-9 beschrieben, wo die Pharisäer sich darüber beschwerten, daß die Jünger Jesu mit ungewaschenen Händen aßen. Dabei gilt es zu verstehen, daß die Traditionen der Ältesten der Pharisäer, die über Generationen hinweg Beachtung fanden, quasi Gesetzeskraft erlangt hatten. Für einen Pharisäer waren die Anweisungen ihrer Ältesten genauso wichtig wie die in der Heiligen Schrift enthaltenen Gebote.
Christus deutet daraufhin, daß sie für die Pharisäer sogar Vorrang vor dem Gesetz Gottes hatten, falls es einen Konflikt gab. Christus nannte das Heuchelei. Wie kann eine Gruppe von Männern, die von sich behauptet, das Gesetz Gottes am genauesten zu halten, Traditionen aufstellen, die das Gesetz Gottes außer Kraft setzen, und dabei immer noch als gerecht gelten? Das hatte keinen Sinn. In diesem Fall waren ihre Lehren für Christus reine Heuchelei.
Ein Beispiel für einen dieser Konflikte finden wir in Markus 7. Die Pharisäer kamen zu Christus und forderten ihn heraus: „Da fragten ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten: Warum leben deine Jünger nicht nach den Satzungen der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen?“ (Markus 7,5). Christus antwortete: „Er aber sprach zu ihnen: Wie fein hat von euch Heuchlern Jesaja geweissagt, wie geschrieben steht: Dies Volk ehrt mich mit den Lippen; aber ihr Herz ist fern von mir. Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts sind als Menschengebote“ (Markus 7,6-7).
Christus setzte seine Zurechtweisung in Markus 7, Verse 9-13 fort, indem er Beispiele von Traditionen anführte, die ganz eindeutig gegen das Gesetz verstießen: „Wie fein hebt ihr Gottes Gebot auf, damit ihr eure Satzungen aufrichtet! Denn Mose hat gesagt: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, und: Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Ihr aber lehrt: Wenn einer zu Vater oder Mutter sagt: Korban – das heißt: Opfergabe soll sein, was dir von mir zusteht –, so laßt ihr ihn nichts mehr tun für seinen Vater oder seine Mutter und hebt so Gottes Wort auf durch eure Satzungen, die ihr überliefert habt; und dergleichen tut ihr viel.“
Jesus Christus kam zu dem Schluß, daß die Pharisäer in vielen Bereichen bezüglich Ratschläge, Regeln und Gesetze das Gesetz Gottes außer acht gelassen hatten und statt dessen ihre eigenen Traditionen vorzogen. Für eine Gruppe, die für sich selbst die absolute Gerechtigkeit in Anspruch nahm, war das Christi Meinung nach heuchlerisch, weil das Gesetz Gottes die Gerechtigkeit verkörpert (Psalm 119,172).
Moderne Beispiele
Den Konflikt zwischen den Traditionen der Ältesten und dem Gesetz Gottes gab es nicht nur in den Tagen Christi. Die Pharisäer waren die Vorreiter eines rabbinischen Systems, das nach der Zerstörung des Tempels an die Macht kam. Nach der Verbannung der Juden aus der Gegend von Jerusalem zogen die Rabbinerschulen nordwärts ans Ufer des Galiläischen Meeres. Dort legten sie den Grundstein für den heutigen Judaismus. Das System der auf Traditionen gestützten Lehre gibt es seit jener Zeit.
Vor drei Jahren erschien ein interessanter Artikel in der US-amerikanischen Zeitung The Oregonian, der sich damit auseinandersetzte, welche Auswirkungen die Traditionen der Ältesten auf die Bestimmung dessen haben, was gesäuert ist. Der Autor Jeffrey Weiss interviewte dafür einen amtierenden Rabbiner bei der Firma Manischevitz, der größten Matzenfabrik der Welt. In seiner Einleitung schrieb Weiss: „Seit Tausenden von Jahren denken sich Rabbiner lange Erklärungen aus, wie ein scheinbar einfaches Gebot gehalten werden sollte.“
Damit meinte Weiss das Gebot in 2. Mose: „Am vierzehnten Tage des ersten Monats am Abend sollt ihr ungesäuertes Brot essen bis zum Abend des einundzwanzigsten Tages des Monats, so daß man sieben Tage lang keinen Sauerteig finde in euren Häusern. Denn wer gesäuertes Brot ißt, der soll ausgerottet werden aus der Gemeinde Israel, auch ein Fremdling oder ein Einheimischer des Landes. Keinerlei gesäuertes Brot sollt ihr essen, sondern nur ungesäuertes Brot, wo immer ihr wohnt“ (2. Mose 12,18-19).
In dem Artikel wird beschrieben, wie die Manischevitz-Fabrik einen Monat vor dem Passahfest schließt, um eine komplette Reinigung ihrer Produktionsstätte durchzuführen, bevor die Herstellung des Matzenbrots für das Passah beginnt. Bei der Reinigung werden die Geräte auseinandergeschraubt, gründlich gereinigt und dann erst wieder zusammengesetzt. Jeffrey Weiß erläutert auch die aufwendige Herstellungsweise der Matzenbrote, bei der sichergestellt wird, daß kein Sauerteig bewußt oder unbewußt den Matzenteig verseucht.
In seinem Artikel zeigt der Reporter, wie die Menschen, die das Passah und die Tage der ungesäuerten Brote halten, versuchen, die strenge Einhaltung des Gesetzes, nach dem sich in der Zeit des Festes kein Sauerteig in den Häusern befinden darf, zu umgehen. Weiss befragte den Chefrabbiner bei Manischevitz zu einem scheinbaren Konflikt des biblischen Gebotes, keinen Sauerteig während dieser Zeit in den Häusern zu haben. „Was ist mit den vielen ,koscher-für-Passah-Backmischungen‘ für Kuchen, Kekse und andere Backwaren, die Manischevitz herstellt? Diese Backmischungen enthalten Backpulver. Ist das nicht auch ein Triebmittel?“
„Es sieht vielleicht so aus“, lautete die Antwort von Rabbiner Horowitz. „Aber das Aussehen kann täuschen. Die Rabbiner haben entschieden, daß Matzen, die einmal als koscher für das Passah erklärt wurden, nie wieder als ,nichtkoscher‘ erklärt werden können. Bei allen Backmischungen wird das Mehl der Passahmatzen verwendet, das per rabbinische Definition, rituell betrachtet, nicht durch Backpulver verunreinigt werden kann. Die meisten Menschen verstehen das nicht.“
„Es geht nicht darum, wie etwas aussieht“, fügte Horowitz hinzu. „Statt dessen geht es um die Frage, wie der Rabbiner es bezeichnet“ (3. April 2001). Diese Haltung erinnert an die Worte im Markusevangelium: „Ihr verlaßt Gottes Gebot und haltet der Menschen Satzungen“ (Markus 7,8).
Das Passah und die Tage der ungesäuerten Brote stehen wieder vor der Tür. Nehmen wir uns die Worte Christi zu Herzen: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer! In dieser Zeit der Selbstuntersuchung und Besinnung sollten wir uns erneut dafür entscheiden, Gott mit einem aufrichtigen und ehrlichen Herz ernsthaft zu dienen, verknüpft mit einem Respekt vor dem Buchstaben und auch dem Geist seines Wortes.