Wie sollen wir nach unserer ersten Begegnung mit Gott leben? Die Antwort auf diese Frage finden wir in der Geschichte der Heilung von zehn Aussätzigen durch Jesus.
Von Robin Webber
In seiner Predigt zu Pfingsten bezeugte der Apostel Petrus vor seinen Landsleuten „Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst“ (Apostelgeschichte 2,22).
Mit seinen „Taten und Wundern und Zeichen“ verdeutlichte Jesus seine Bereitschaft, in das Leben solcher Menschen einzugreifen, die am Rande der Gesellschaft zurechtkommen mussten und daher oft keine Hoffnung hatten.
Eines der Wunder Jesu beinhaltet eine wichtige Lektion für uns heute bei unserem Bemühen, seiner Aufforderung „Folgt mir nach!“ nachzukommen. Es ist seine Heilung von zehn Aussätzigen, die wir in Lukas 17, Verse 11-19 finden. Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Kontrast zwischen dem Vergehen der Undankbarkeit und dem Beispiel der fortgesetzten Dankbarkeit für Gottes Eingreifen in unser Leben nach unserer ersten Erfahrung mit ihm.
Keine zufällige Begegnung
Lukas beginnt seinen Bericht in Vers 11 mit dem Ausdruck „Und es begab sich“, womit er das Geschehen einleitet, das bei Jesu Reise von Galiläa nach Jerusalem passierte, als er durch Samarien ging. Die Samariter waren ein nicht jüdisches Mischvolk, das sich in seiner Anbetung Gottes von den Juden unterschied. Die Juden hielten sich aber für das einzig wahre Volk Gottes und hatten daher keinen Kontakt mit den Samaritern.
Als Nächstes lesen wir in Vers 12: „Und als er in ein Dorf kam . . .“ Dort „begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne“. Was taten sie? Sie „erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“ (Vers 13).
Ich bin überzeugt, dass dies keine rein zufällige Begegnung gewesen ist. Jesus wollte gerade zu diesem Zeitpunkt durch eine Wunderheilung einen Hinweis auf die notwendige dauerhafte Veränderung im Leben der Menschen geben, die Gottes Eingreifen erleben dürfen.
Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten, Hintergründe, familiärer Herkunft usw. gab es ein gemeinsames Merkmal, das alle zehn Männer verband: Sie waren Leprakranke. Die Lepra war eine chronische, bakterielle Infektionskrankheit mit vorwiegendem Befall der Haut oder des peripheren Nervensystems, die zu Verunstaltungen des Körpers und Atrophie der Glieder führte.
Die stets sichtbaren Wunden an der Haut waren der Beweis für eine ansteckende Infektion im Innern. Nicht umsonst hatte Gott deshalb angeordnet: „Gebiete den Israeliten, dass sie aus dem Lager schicken alle Aussätzigen und alle, die Eiterfluss haben . . . Männer wie Frauen sollt ihr hinausschicken vor das Lager“ (4. Mose 5,2-3).
In der Daily Study Bible kommentiert William Barclay Jesu Begegnung mit den zehn Aussätzigen wie folgt: „Das Gesetz schrieb keinen genauen Abstand vor, in dem die Aussätzigen abseits zu stehen hatten. Aber nach einer Überlieferung sollte der Aussätzige mindestens 50 m Abstand halten, wenn er sich in Windrichtung einer gesunden Person befand. Damit wird die Isolation, in der Aussätzige leben mussten, treffend illustriert.“
Vor diesem Hintergrund kann man die Bitte der Aussätzigen um Gnade besser einordnen. Sie flehten Jesus um die Befreiung von ihrer Verbannung aus der Gesellschaft an!
Eine Aufgabe und eine Gesinnung
Viele Juden meinten, dass körperliche Gebrechen allein auf persönliche Sünden zurückzuführen waren (vgl. dazu Johannes 9,1-2). Christus hat sie aber nicht abgewiesen noch verurteilt, wie manche es in der religiösen Kultur jener Zeit getan hätten. Stattdessen sagte er ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ (Vers 14). Das war die vorgeschriebene Prozedur zur Feststellung, ob ein Aussätziger von „außerhalb des Lagers“ in die Gesellschaft wieder eingegliedert werden durfte.
Fällt Ihnen etwas bei Jesu Reaktion auf die Bitte der Männer auf? Er gab ihnen eine Aufgabe! „Folgt mir nach!“ bedeutet nicht, dass wir nur halb verzückt zum Himmel hinaufschauen und an Jesus glauben, sondern dass wir hier auf dieser Erde etwas tun! In diesem Fall mag die Aufforderung sogar etwas gewesen sein, was zunächst bei den Aussätzigen frustrierend wirkte: „Geht hin zu den Priestern!“
Doch dann passierte es! „Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein“ (ebenda). Wie reagierte einer der Aussätzigen auf die Befreiung von dieser Krankheit? „Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter“ (Verse 15-16; alle Hervorhebungen durch uns).
Jesus kommentierte die Reaktion des Samariters auf typisch rabbinische Weise, indem er Belehrung durch das Stellen einer Frage erteilte: „Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen“ (Lukas 17,17-19).
Nur einer der zehn Aussätzigen dankte für seine Heilung! Der eine kam aber wieder zu Jesus, und seine Dankbarkeit wurde für alle Generationen in der Heiligen Schrift festgehalten, denn er „pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm“.
Und er war Samariter, einer von denen, die von den Juden, die die biblisch begründete Anbetung Gottes zu praktizieren glaubten, strikt gemieden und verspottet wurden. Aber er war einer der vielen Helden im Lukasevangelium, eine Art neutestamentlicher Naaman, der Jesu zuvor in Nazareth gesprochene Worte versinnbildlichte (vgl. dazu Lukas 4,24-27; 2. Könige 5). Den geheilten Samariter sollen wir nicht als Einzelfall verstehen. Seine Erfahrung dient mehr als nur der Veranschaulichung der Heilkraft Jesu. Sie soll uns eine innere Haltung vermitteln, die wir für die tägliche Pflege unserer Beziehung zu Gott brauchen.
Wie sie waren, so waren auch wir
Wir sind wie der geheilte Aussätzige und auch wie alle zehn vor ihrer Heilung. Bevor Gott mit uns zu arbeiten begann und uns seinem Sohn zuführte (Johannes 6,44), waren wir in Isolation, mit mehr als 50 m Abstand zu Gott. Wir waren Teil einer Welt, die den wahren Gott der Bibel noch nicht kennt. Nicht nur das: Unser eigenes Verhalten hatte uns von Gott getrennt, wie wir in Jesaja 59, Verse 1-2 nachlesen können: „Was zwischen euch und eurem Gott steht, das sind eure Vergehen; eure Sünden verdecken sein Gesicht, sodass er euch nicht hört“ (Einheitsübersetzung).
Manchmal vergessen wir den Zustand, in dem wir uns befanden, als Gott uns berief. Christen sind nicht immun gegen geistliche Amnesie. Römer 3, Vers 23 erinnert uns an unseren früheren Zustand: „Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (ebenda). Und der Lohn der Sünde ist der Tod (Römer 6,23). Wie die Aussätzigen von einst waren auch wir sozusagen „wandelnde Tote“, nur wussten wir es nicht.
Die wundervolle Heilung der zehn Aussätzigen ist ein Weckruf für alle Christen. Wir haben Gottes Anweisung über den Umgang mit Aussätzigen bereits gelesen. Sie sollten sich außerhalb des Lagers der Israeliten aufhalten (4. Mose 5,1-2). Vor diesem Hintergrund können wir die Analogie in Hebräer 13, Verse 12-13 besser verstehen: „Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen.“ Jesus starb isoliert von seinen Landsleuten. In 2. Korinther 5, Vers 21 erklärt Paulus den Grund für diese Isolation: „Denn er [Gott, der Vater] hat den [Jesus], der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“
Die geistliche Lepra, die die Menschheit seit dem Garten Eden belastet und auch uns infiziert hatte, bis wir Gottes Gabe der Sündenvergebung durch Christus annahmen, wurde auf Christus übertragen – „außerhalb des Lagers“. „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg“ (Jesaja 53,3). Jesus konnte sich nicht nur mit den Ausgestoßenen seiner Zeit identifizieren, sondern mit allen Menschen in allen Zeiten.
Unsere Annahme des Sühneopfers Jesu Christi reinigt uns vollständig. Jede Wunde der Unreinheit, die wir uns durch unsere Sünden zugefügt haben, seien sie in Taten oder Gedanken erfolgt, wurde dadurch entfernt.
Der Apostel Johannes bestätigt die tiefgründige Reinigung, die möglich ist, wenn wir unsere sündhafte Vergangenheit bekennen: „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit“ (1. Johannes 1,9). Dann sind wir nicht länger „geistliche Aussätzige“, sondern gelten als Angehörige der Familie Gottes „in einem neuen Leben“ (Römer 6,4). Das Wunder dieser Verwandlung ist genauso echt wie die Heilung der zehn Aussätzigen vor 2000 Jahren!
Wie laut ist unsere Stimme?
Wie drücken wir unsere Dankbarkeit gegenüber Gott für das aus, was er in unserem Leben getan hat, im Vergleich zu dem dankbaren Aussätzigen von einst, der Gott nach seiner Heilung „mit lauter Stimme“ lobte? Was tun wir, nachdem wir, wie wir in Hebräer 13 gelesen haben, ein für allemal zu Christus aus dem Lager hinausgegangen sind? Die nachfolgenden Verse ermahnen uns wie folgt: „So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Hebräer 13,15).
Wir sind in der Lage, Gott kontinuierlich zu loben, indem wir erkennen:
• Gott arbeitet nicht per Zufall mit uns, sondern nach Plan. Er ist unser physischer und geistlicher Schöpfer. Wir verehren nicht einen Erlöser, der sich zufällig für uns opferte. Als Schöpfer schuf er Raum und Zeit, und er beherrscht das Timing perfekt. Diesen Beitrag zu lesen ist auch keine zufällige Begegnung mit ihm. Gott vollbringt seinen Plan nicht durchs Würfeln, sondern gemäß der großen Bestimmung, die er für uns Menschen vorgesehen hat (1. Petrus 1,2; 2. Petrus 1,10).
• Gott hat uns nicht dazu berufen, andere zu verachten oder zu verurteilen, sondern für sie zu beten, damit auch sie ihre Gelegenheit bekommen, Angehörige der Familie Gottes zu werden. Es ist Gottes Vorrecht, den Zeitpunkt der Berufung zu bestimmen. Wir sollen die Menschen, die Gott beruft, herzlich empfangen. Wir dürfen nie vergessen, dass wir einst zu „den anderen“ gehörten. Wir können uns über die Gnade Gottes freuen, durch die wir jetzt, dank dem Opfer Jesu Christi, seine Kinder sind (1. Korinther 3,23).
• Wenn Gott uns beruft und sein Werk in uns beginnt (Epheser 2,10), gibt er uns eine Aufgabe, wie er sie einst den Aussätzigen gegeben hat. Das, was wir nicht schaffen – beispielsweise die Reinigung unseres Herzens von der Schuld der Sünde –, vollbringt er für uns. Dann erwartet er von uns, dass wir das im Glauben tun, wozu wir selbst fähig sind, wie er damals die Aussätzigen aufforderte, sich den Priestern zu zeigen.
• Gottes Arbeit mit uns ist unbefristet. Deshalb darf unsere Reaktion auf unsere Berufung kein kurzes „Dankeschön“ sein. Gott zu erfahren ist kein einmaliges Erlebnis, sondern eine Beziehung, um die wir uns für den Rest unseres Lebens kümmern müssen. Unsere Dankbarkeit für das, was Gott in unserem Leben vollbringt, soll eine nachhaltige Wirkung auf unsere Gedanken und Taten haben, sodass diese zum Zeugnis für unsere Mitmenschen werden.
Fragen wir uns, wenn wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ beherzigen, ob wir Gott „mit lauter Stimme“ loben. In allem, was wir tun, sollen wir Gott ehren. Den Anfang erleben wir, wenn wir, wie der aussätzige Samariter von einst, Gott für die Verwandlung danken, die er in unserem Leben vollbracht hat.