Die Spielsucht wirkt sich auf das Leben vieler Menschen genauso verheerend aus wie Rauschgift- und Alkoholkonsum. Sie ist ein weiteres Zeichen einer moralischen Krise des Westens.
Von John Ross Schroeder
Das alltägliche Leben beinhaltet ein bestimmtes Maß an Risiko. Wir kennen alle das Sprichwort: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Und manchmal geht es um sehr viel. Im 19. Jahrhundert wanderten Millionen von Europäern in die USA aus. Sie riskierten viel, um ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen.
Aber diese mutigen Pioniere waren bereit, hart zu arbeiten und geduldig auf die Verwirklichung ihrer materiellen Ziele zu warten. Sie haben viel Zeit und Mühe investiert. Sie erwarteten nicht, dass sie mit Hilfe irgendwelcher Tricks und ohne eigenen Einsatz zu plötzlichem Reichtum gelangen würden.
Heute ist das Streben nach sofortigem Erfolg zu einem umfassenden Teil unserer westlichen Kultur geworden. Es mangelt an der früheren Geduld und der Erwartung, dass sich harte Arbeit auf befriedigende Weise lohnen wird. Das wachsende Übel des Glückspiels ist da nur ein Zeichen unserer Zeit. Wir müssen uns nur all die Lotterien, Pferde- und Hunderennen, Sportwetten und so weiter ansehen.
Aber das heutige Glücksspiel – wo plötzliche Gewinne zur Behebung hartnäckiger finanzieller Probleme erwartet werden – ist sowohl töricht als auch gefährlich. Von wenigen Ausnahmen abgesehen bleibt die Erwartung sofortiger finanzieller Befriedigung eine reine Illusion. Natürlich kommt das auch einmal vor, aber solch plötzlicher Reichtum tritt nur äußerst selten ein. Viele beteiligen sich aber weiterhin am Glücksspiel, weil sie die vergebliche Hoffnung haben, auch einmal auf magische Weise zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die wirklich zu Reichtum gelangen.
Das große Geschäft mit der Spielsucht
Das Glücksspiel-Gewerbe in Deutschland ist längst zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden, von dem auch der Staat profitiert. 2003 betrug der Gesamtumsatz der Branche 27,5 Milliarden Euro, wobei die mehr als tausend privaten Wettannahmestellen und ihr geschätzter Umsatz von ca. 700 Millionen Euro nicht mitgezählt wurden. Die Summe für den Staat an Steuereinnahmen durch die Spielbankabgaben der Casinos, die Rennwettsteuer und die Lotteriesteuer betrug satte 4,4 Milliarden Euro.
Das Glücksspiel-Gewerbe mag einerseits eine einträchtige Steuerquelle sein, andererseits ist es für eine beträchtliche Anzahl von Bundesbürgern eine eindeutige Gefahrenzone. Nach Angaben des Fachverbandes Glücksspiel gibt es in Deutschland mehr als 120 000 spielsüchtige Menschen. Sabine Grüsser, Leiterin der Interdisziplinären Suchtforschungsgruppe der Berliner Charité, spricht von einem „hohen Suchtpotenzial“. Selbst das wöchentliche Lottospiel kann Probleme bereiten. Der Bremer Suchtforscher Gerhard Meyer geht davon aus, dass sechs Prozent der spielsüchtigen Menschen lottosüchtig sind.
Das Problem der Spielsucht ist noch größer in Großbritannien, der europäischen Hauptbastion des Wettens, mit einer Zunahme der Glücksspieleinsätze innerhalb von wenigen Jahren von 7,6 Milliarden Pfund auf fast 50 Milliarden Pfund [ca. 73 Milliarden Euro]. Diese explosionsartige Zunahme brachte Großbritannien weltweit einen berühmt-berüchtigten dritten Platz ein, direkt hinter den USA und Japan.
Nach einem Beitrag der Londoner The Independent vom 25. Mai 2006 mit dem passenden Titel „Gambling Nation“ [„Glücksspiel-Nation“] wandten die Briten im Jahr 2005 50 Milliarden Pfund für Glücksspiele auf. Es wird auch darauf hingewiesen, dass es in Großbritannien mittlerweile 370 000 Problemspieler gibt. Ein Anstieg dieser Zahl auf 700 000 innerhalb von fünf Jahren wird erwartet. Anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland schlossen die Briten Wetten im Wert von 1,3 Milliarden Pfund ab. Der Artikel beurteilt die derzeitige Situation wie folgt: „Großbritannien erlebt einen nie da gewesenen Wettboom.“
Guter Rat aus Australien
Die Australier haben die Briten dazu gedrängt, es sich lieber zweimal zu überlegen, bevor sie ihre Glücksspielgesetze lockern. Sie haben schließlich eindeutige Erfahrungen mit dieser Frage gemacht.
Im Jahre 1997 hat Australien seine Glücksspielbestimmungen liberalisiert – mit dem Ergebnis, dass sich mittlerweile 82 Prozent aller Erwachsenen am Glücksspiel beteiligen, über 40 Prozent davon mindestens einmal die Woche. Australien hat laut eines Berichts von Anna Gizowska in The Sunday Telegraph 300 000 Problemspieler. Das ergibt die weltweit höchste Zahl pro Einwohner.
Ein spielsüchtiger Geschäftsmann aus Sydney räumte ein, mehr als einen Selbstmordversuch unternommen zu haben. Er sagte: „Das Glücksspiel in Australien entwickelt sich zu einer Epidemie. Es hat fast mein Leben zerstört. Meine Spielsucht hat dazu geführt, dass ich alles verloren habe: meine Familie, meine Kinder, mein Haus, mein Geschäft, meine Kapitalanlagen. Alles ist weg. Ich habe alles verloren“ (ebenda, 17. Oktober 2004).
Die Statistiken sprechen hier Bände: „In Australien gibt es mehr als 170 000 Glücksspielautomaten für eine Bevölkerung von 19 Millionen – dreimal so viele Automaten wie in Europa mit einer Bevölkerung von 520 Millionen“ (ebenda).
Die steigenden menschlichen Kosten
Der Religionsjournalist Paul Richards berichtete: „Studien zeigen, dass Glücksspieler auf Nahrung und Kleidung verzichten, zu Diebstahl und anderen illegalen Methoden greifen, um sich Geld [für ihre Spielsucht] zu beschaffen, und eine hohe Rate an zerstörten Familienverhältnissen aufweisen“ (The Church of England-Zeitung, 29. Oktober 2004).
Die Journalistin Susan Gluss schrieb im San Francisco Chronicle: „Der Ökonom Earl Grinols, Autor des Buches Gambling in America: Costs and Benefits, hat die Kriminalitätsraten, die Konkurse, die verlorenen Arbeitstage, die Fälle von familiärer Gewalt, die Krankheitsfälle, die Ehescheidungen und weiteres in Landkreisen mit und ohne Spielkasinos untersucht. Er hat dabei festgestellt, dass die sozialen Kosten des Glücksspiels selbst bei vorsichtiger Schätzung die Vorteile um den Faktor 3 zu 1 übersteigen . . . Ein einziger pathologischer Spieler kostet die Gesellschaft laut Grinols etwa 11 000 Dollar. Er schätzt die jährlichen Kosten des Glücksspiels für die amerikanische Wirtschaft auf 40 bis 50 Milliarden Dollar, fast die Hälfte der Kosten des Drogenmissbrauchs. Im Endeffekt gilt: Glücksspiele nehmen ihren Teilnehmern weit mehr ab als sie hergeben.
Ganze Gemeinwesen können darunter leiden. Obwohl Spielkasinos anfangs eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze schaffen, werden diese Zugewinne typischerweise durch Entlassungen und schlechte Verkaufsumsätze in den Geschäften der Umgebung wieder wettgemacht. Restaurants verlieren Kunden an die Bars und Cafés der Spielkasinos. Geld, das Stadtbewohner etwa für Kühlschränke, Autos oder Kleidung ausgeben, verschwinden in einem Spielautomatenvakuum.“
Ein Beispiel dafür ist der US-Bundesstaat Missouri. Die Steuereinnahmen durch das Glücksspiel betrugen im Jahre 2002 242 Millionen Dollar. Aber „Casino Watch“, eine Verbraucherschutzorganisation, die dem Glücksspiel ablehnend gegenübersteht, argumentiert: „Der Bundesstaat hat mehr als das Doppelte dieser Summe – ungeheuerliche 572 Millionen Dollar – durch auf das Glücksspiel zurückzuführende Geschäftspleiten, Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Kosten für Sozialdienste usw. verloren.“
Auf der anderen Seite haben sich in South Carolina, als dort die Spielautomaten im Jahre 2000 verboten wurden, innerhalb von sechs Monaten zwei Drittel aller Selbsthilfegruppen für Problemspieler aufgelöst, weil die Zahl der Mitglieder, die solche Hilfe benötigten, drastisch abgenommen hatte.
Gluss fasst das Problem folgendermaßen zusammen: Wenn es ums Glücksspiel geht, dann „zahlen wir alle für die sozialen und finanziellen Konsequenzen ein hohes Lehrgeld“ (24. Oktober 2004).
Biblische Prinzipien anwenden
Obwohl die Bibel den Begriff Glücksspiel nicht namentlich erwähnt, sind ihre christlichen Prinzipien klar und eindeutig. Ein zwanghaftes Spielen mit der Absicht, deutliche Gewinne zu erzielen, verletzt das zehnte Gebot, das die Begierde verbietet. (Damit ist nicht ein privates Pokerspiel unter Freunden, mit Streichhölzern als Einsatz, gemeint.)
Dieses Gebot verbietet Habgier und falsche Begierde (2. Mose 20,17; 5. Mose 5,21). Der Apostel Paulus hat die Begierde sogar als eine Form des Götzendienstes bezeichnet – wo man etwas anderes an die Stelle des wahren Gottes setzt.
Entgegen dem Rat eines bekannten Schauspielers in der Rolle eines Wall Street-Magnaten, die er vor einigen Jahren in einem bekannten Film spielte, ist Gier nicht gut. Sie hat einen viel zu hohen Preis. Einfach gesagt sollen wir bereit sein, für unser Einkommen zu arbeiten und unseren Wohlstand nicht auf Kosten anderer zu mehren suchen.
Das biblische Buch der Sprüche, das hauptsächlich von König Salomo verfasst bzw. zusammengestellt wurde, ist voller Ermahnungen, die dem Streben nach Reichtum und Wohlstand eine richtige, gottgefällige Perspektive vermitteln. Zusammengenommen befürworten sie Geduld, Fleiß, harte Arbeit und ein Vertrauen in Gott als Schritte auf dem Weg zum Erfolg.
Nachfolgend sind zehn dieser Sprüche aufgelistet:
• „Durch Unrecht reich werden bringt keinen Nutzen“ (Sprüche 10,2; Gute Nachricht Bibel).
• „Untätige Hände bringen Armut, fleißige Hände Reichtum“ (Sprüche 10,4; Gute Nachricht Bibel).
• „Dem Gerechten gereicht sein Erwerb zum Leben“ (Sprüche 10,16).
• „Wer seinen Acker bebaut, wird Brot die Fülle haben; wer aber nichtigen Dingen nachgeht, ist ein Tor“ (Sprüche 12,11; cf. 28,19 unten).
• „Schnell erschwindelter Reichtum verliert sich, langsam erarbeiteter vermehrt sich“ (Sprüche 13,11; Gute Nachricht Bibel).
• „Besser wenig mit der Furcht des Herrn als ein großer Schatz, bei dem Unruhe ist“ (Sprüche 15,16).
• „Gute Planung und harte Arbeit führen zu Wohlstand, wer aber überstürzt handelt, steht am Ende mit leeren Händen da“ (Sprüche 21,5; „Neues Leben“-Übersetzung).
• „Wer borgt ist des Gläubigers Knecht“ (Sprüche 22,7).
• „Du richtest deine Augen auf Reichtum, und er ist nicht mehr da; denn er macht sich Flügel wie ein Adler und fliegt gen Himmel“ (Sprüche 23,5).
• „Wer seinen Acker bebaut, wird Brot genug haben; wer aber nichtigen Dingen nachgeht, wird Armut genug haben“ (Sprüche 28,19; cf. 12,11 oben).
Diese in den Sprüchen enthaltenen biblischen Prinzipien zeigen uns, dass wir unsere materiellen Segnungen so handhaben sollten, dass dies zu einem besseren Leben führt, sowohl materiell als auch geistlich.
Glücksspiel ist nicht die Antwort auf unsere materiellen Nöte. Gott ist es! Er lehrt uns eine Lebensweise, die Planung, harte Arbeit und echte Freude mit einschließt.