Von der Redaktion
Auf Anhieb mag der eine oder andere Leser unserer Zeitschrift keinen direkten Zusammenhang zwischen Evolution und Ethik erkennen. Wir hingegen schon. Für uns ist der Zusammenhang an eine Kernfrage geknüpft: Gibt es einen Schöpfergott? Sind wir Menschen das Resultat einer intelligenten Schöpfung, oder ist unsere Existenz lediglich einem „blinden“ evolutionären Zufall zuzuschreiben?
Gibt es keinen Gott, so gibt es auch keine absoluten moralischen Maßstäbe und auch keine absolute ethische Wahrheit. Dann würde die Meinung des früheren niederländischen Außenministers Jozias von Aartsens stimmen, der in Bezug auf Sterbehilfe einst meinte, in ethischen Fragen gäbe es kein Richtig und Falsch. Richtig oder falsch wäre nur eine Frage der individuellen Meinung.
Wäre die Ethik aber nur eine Frage der persönlichen Meinung, so hätte jede Meinung ihre Berechtigung. Beispielsweise auch die Aussage eines ministerialen Aufsehers der württembergischen Klinik Grafeneck, der Proteste gegen die Ermordung behinderter Menschen mit dem Kommentar zurückwies: „Das 5. Gebot: Du sollst nicht töten, ist gar kein Gebot Gottes, sondern eine jüdische Erfindung“ (Michael Naumann, „Der Staat und die Heiligkeit des Lebens“, Die Zeit, 26/2001).
In demokratischen Ländern wäre dann die mehrheitlich empfundene „richtige“ Ethik der Maßstab für Gesetzesvorlagen und Interpretationen des Gesetzes. Mehrheiten ändern sich bekanntlich – so wäre die Definition der Ethik von wechselnden Mehrheiten abhängig. Der Maßstab für Ethik in einem Land wäre aber nur die Ethik des betreffenden Landes und nicht für andere Länder maßgebend.
Auf die Religion gemünzt hatte der englische Philosoph John Locke nach dem englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts erkannt, dass eine Ethik, die man für „die richtige“ hält, zwangsläufig gegenüber anderen ethischen Vorstellungen intolerant sein muss und deshalb ein Konfliktpotenzial darstellt. Zur Lösung dieses möglichen Konfliktpotenzials stünde dem Menschen nach der Evolution die natürliche Auslese zur Verfügung.
Die „lebenstüchtigste“ Ethik würde das Überleben der Menschen, die dafür eintreten, begünstigen. In der reellen Welt könnte das aber zur Folge haben, dass gerade die Menschen, deren persönliche Ethik „unethisch“ ist, nach oben schwimmen. „Nette Kerle belegen den letzten Platz“, so lautet eine scherzhaft gemeinte amerikanische Redewendung, die leider ein Fünkchen Wahrheit ausdrückt. Selbst Anhänger dieser Theorie tun sich schwer mit der logischen Konsequenz der Evolution, dass die zukünftige „Weiterentwicklung“ bzw. das Überleben der Menschheit der natürlichen Auslese zu verdanken wäre: Die Starken werden es schaffen, die Schwachen sind zum Aussterben verurteilt.
Diese zwingend logische Konsequenz der Evolution beunruhigt uns nicht. Wir wissen nämlich, dass es einen Schöpfergott gibt. Mit dieser Erkenntnis sieht jegliche Diskussion über Ethik anders aus. Dann gibt es bereits verbindliche ethische Maßstäbe für alle Menschen. Uns obliegt es, diese Maßstäbe kennenzulernen und zu respektieren. Dadurch erkennen wir auch, warum wir Menschen überhaupt zu ethischen Vorstellungen fähig sind – wieder etwas, wofür die Evolution keine Erklärung bietet.