Von Becky Sweat
„Stefanie war seit Jahren meine beste Freundin“, sagt die 15jährige Isabel. „Ich kannte sie seit dem Kindergarten. Als wir in die Oberstufe des Gymnasiums kamen, entfremdeten wir uns. Ich hatte viele Kurse belegt, war im Schülerrat und Mitglied des Schwimmvereins. So war ich sehr beschäftigt, während Stefanie immer noch viel Freizeit hatte. Die letzten Male, wo sie etwas mit mir unternehmen wollte, hatte ich keine Zeit, und ich glaube, das hat sie sehr persönlich genommen. Wenn ich sie jetzt in der Schule treffe, reagiert sie sehr kühl. Wir haben uns jedoch nicht gestritten. Wir verbringen einfach keine Zeit mehr zusammen. Aber ich vermisse sie sehr.“
Wenn eine enge Freundschaft auseinanderbricht, ist das immer traurig und belastend. Es bleiben beunruhigende Fragen zurück: Habe ich denn eine schlechte Wahl getroffen? Was verursachte die Entfremdung? Ist es zu spät, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen? Brechen alle Freundschaften früher oder später auseinander?
„Freundschaft ist wie Geld, einfacher gemacht als behalten“, stellte im letzten Jahrhundert der britische Satiriker Samuel Butler fest. Obwohl Freundschaften immer mit der Zeit abkühlen oder unerwartet über ein Mißverständnis zerbrechen können, gibt es praktische Schritte für die Erhaltung einer Freundschaft. Hier folgen einige Vorschläge, wie man eine Freundschaft pflegen kann.
Bleibt ausgeglichen
• Zählt nicht die Punkte.
Manchmal rechnen Freunde nach Punkten, wer was in der Freundschaft getan hat: „Als Heike sich ihren Arm gebrochen hatte, habe ich ihr Blumen und Pralinen mitgebracht, doch als ich krank war, habe ich nur eine Karte bekommen!“
Andere passen genau auf, wer am meisten anruft, wer am meisten zuhört statt zu reden oder wer die gemeinsamen Aktivitäten initiiert.
Gesunde Freundschaften erfordern ein beiderseitiges Geben und Nehmen. Wenn einer anfängt, „die Punkte zu zählen“ – wer mehr gegeben oder genommen hat –, wird die Freundschaft Schaden nehmen. Das Gegenteil gilt ebenfalls: Wenn keiner die Punkte zählt, wird die Freundschaft wachsen.
Verhaltet euch einfach natürlich
• Seid einfach ihr selbst.
Einige Leute enthalten ihren Freunden ihre tiefsten Gefühle vor. Sie scheuen sich davor, ihre Ängste, Frustrationen, Enttäuschungen und negativen Gefühle zu teilen. Aber in jeder engen Freundschaft kommt eine Zeit, wenn man sich öffnen muß.
Vielleicht denkt ihr, daß die anderen euch weniger mögen werden, wenn sie eure Fehler sehen. Sie werden euch aber eher noch mehr mögen. Wenn eine Freundin darüber jammert, etwas Peinliches getan zu haben, erzähle ich immer die Geschichte, wie ich gegen eine Laterne gelaufen bin; ich war so damit beschäftigt, einer Freundin auf der anderen Straßenseite zuzuwinken, daß ich nicht bemerkte, was genau vor mir stand, und lief deshalb geradewegs gegen die Laterne. Die Geschichte bringt andere nicht nur zum Lachen, sondern sie beruhigt sie auch.
Freunde können ihre Unterstützung am besten zeigen, indem sie andere wissen lassen, daß sie ihre Fehler nicht alleine machen. Deshalb ist es wichtig, euer „Ich“ zu zeigen, das nicht immer so perfekt ist.
Seid keine „Kontrolleure“
• Versucht nicht, eure Freunde zu kontrollieren.
Am Anfang schienen Lisa und Jenny sich gut zu verstehen. Sie waren sich so ähnlich: Sie liebten es beide, Witze zu machen, kamen aus ähnlichen Familien und mochten beide Sport. Sie verbrachten den Sommer damit, sich gegenseitig alles anzuvertrauen, zu lachen und Spaß zu haben.
Der Schulanfang wurde jedoch zum Wendepunkt in ihrer Freundschaft. Als Jenny in ihrer Klasse andere Mädchen kennenlernte, weigerte sich Lisa, etwas mit ihnen zu unternehmen, und als dann wiederum Jenny und nicht Lisa auf eine Party eingeladen wurde, meinte Lisa, es würde bestimmt eine „blöde“ Party werden. Obwohl sie es nicht zugeben wollte, hatte Lisa Angst, Jenny als Freundin zu verlieren.
Die Versuchung kann groß sein, eine lustige Person ganz für sich behalten zu wollen und sich deshalb bedroht zu fühlen, wenn diese Person Zeit mit anderen verbringt. Aber wenn ihr versucht, jemanden herumzukommandieren, werdet ihr die Person nur verprellen. Wenn ihr euch davor fürchtet, eure Freunde aus den Augen zu verlieren, habt ihr wahrscheinlich Angst davor, sie zu verlieren. Eine Freundschaft muß flexibel genug sein, um jeder Person Raum zum Atmen zu lassen, um Neues herauszufinden und zu wachsen. Eine gute Freundschaft wird Zeiten der Trennung überleben.
Probiert neue Dinge aus
• Erweitert eure Interessen.
Wenn eure Freundschaft sich auseinanderlebt, weil ihr und eure Freunde nicht mehr so viele Gemeinsamkeiten habt, dann sucht euch neue Interessen, die ihr teilen könnt. „Tina und ich wurden Freunde, als wir im SkiClub unseres Gymnasiums waren“, sagte Laura. „Als die Saison zu Ende war, habe ich mich besonders bemüht, die Freundschaft aufrecht zu erhalten. Ich überzeugte sie davon, mit mir einen Tenniskurs zu belegen. Sie zeigte mir die Kalligraphie, und wir entdeckten beide unsere Leidenschaft für Minigolf – etwas, worüber wir im SkiClub nie gesprochen hatten.“
Keine zwei Personen sind genau gleich
• Unterschiede schätzen lernen.
Jens, ein Gymnasiast der 11. Klasse, sagt, daß er und sein bester Freund, Michael, nur sehr selten einer Meinung sind. „Ich bin ein guter Schüler und spiele gerne im Orchester“, erzählt er. „Ich verbringe sehr viel Zeit mit den Hausaufgaben und dem Üben auf der Trompete. Michael übt nicht viel und meint, daß das Orchester reine Zeitverschwendung sei. Ich mag seine anderen Freunde nicht immer, und er nicht immer meine Freunde. Ich glaube, der Grund, warum wir Freunde geblieben sind, ist, daß wir gelernt haben, unsere Unterschiede zu akzeptieren.“
Zwei Freunde können große Persönlichkeitsunterschiede ertragen und eine gute Freundschaft aufrechterhalten, wenn jeder von ihnen gelernt hat, die Meinung des andern zu akzeptieren. „Echte Freundschaft beinhaltet sehr viel Geben und Nehmen“, sagt Dr. Eugene Kennedy, Autor des Buches On Being Friends [„Freunde sein“]. Er fährt fort: „Man kommt aber mit Meinungsunterschieden gut zurecht, wenn man erkennt, daß die Freundschaft kein Spiel mit Gewinnern und Verlierern ist. Es geht überhaupt nicht ums Gewinnen und Verlieren. Will man dem andern seinen eigenen Standpunkt aufzwingen, geht es nicht mehr um wahre Freundschaft, sondern um die Befriedigung einer Person zu Lasten einer andern. Wahre Freundschaft kann aber nie auf dieser Basis funktionieren.“
Selbst die engsten Freunde sind Individuen, betont Dr. Kennedy. Ihr und eure Freunde könntet zur selben Zeit auf denselben Gegenstand schauen, aber in Wirklichkeit Unterschiedliches sehen, weil jeder von euch eine eigene Perspektive hat.
Seid für einander da
• Steht euren Freunden in schlechten und auch in guten Zeiten bei.
Einige Leute meinen, daß eine Freundschaft danach beurteilt werden sollte, wie gut Freunde in schlechten Zeiten zueinander halten. Aber in Zeiten der Freude kann es noch schwieriger sein, eine Freundschaft zu erhalten – d. h., wenn es um die Freude unseres Freundes geht. Sicherlich sind wir glücklich, wenn unsere Freunde erfolgreich sind und Glück haben. Aber im Innersten unseres Herzens kann auch ein bißchen Neid liegen. Wir spüren vielleicht, daß unsere Freundschaft in Gefahr ist, wenn die Dinge zu einseitig werden. Ein 16jähriger drückte es so aus: „Ich möchte nicht besser Basketball spielen können als Stefan, aber zumindest möchte ich in derselben Liga spielen.“
Wenn man Neid auf den Erfolg des anderen empfindet, ist es ratsam, dieses Gefühl umzuleiten. Anstatt zuzulassen, daß negative Gefühle über den Erfolg eines Freundes die Freundschaft gefährden, sollte dieser Erfolg euch dazu anspornen, eure eigenen Anstrengungen zu verbessern.
Freundschaft kostet Zeit
• Schenkt euren Freunden eure Zeit.
Wir haben nie genug Zeit. Aber mit etwas Kreativität können wir Zeit für unsere Freunde schaffen. Die Hauptsache dabei ist, daß weniger besser ist als gar nichts und daß man zwei Dinge gleichzeitig tun kann.
Wenn ihr und euer Freund beide Bücher in der Bücherei zurückgeben müßt, geht zusammen hin. Meine Nachbarin und ihre beste Freundin gehen abends gemeinsam joggen. Besonders dann, wenn das Leben hektisch ist, ist es wichtig, offen mit euren Freunden zu sein, wieviel euch die Freundschaft bedeutet. Wenn ihr eure Freunde schon lange nicht mehr angerufen habt, laßt sie wissen, daß sie immer noch wichtig für euch sind und daß ihr aber einfach sehr beschäftigt wart.
Ein einfaches „Ich vermisse dich“ durch eine Postkarte, einen Brief oder Telefonanruf wird helfen, die Freundschaft in der Zeit der Trennung zu erhalten.