Eine treue Jüngerin Jesu Christi verpasste nicht die Gelegenheit, ihre Liebe und Hingabe zu Jesus Christus zu zeigen. Sie hinterließ damit ein inspirierendes Beispiel für uns alle.
Von Robin Webber
„Hätte, hätte, Fahrradkette“ ist das neueste selbstverliebte Lamento bei einer verpassten Gelegenheit. Man hatte die Absicht, etwas zu tun – der Wunsch war echt! Aber unsere guten Absichten wurden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, der nie kam.
In einer klugen Geschichte geht es um vier Menschen namens Jedermann, Jemand, Irgendjemand und Niemand:
„Es gab eine wichtige Aufgabe zu erledigen, und Jedermann war sich sicher, dass Jemand sie erledigen würde. Irgendjemand hätte es auch tun können. Aber Niemand tat es. Jemand wurde darüber wütend, denn es war die Aufgabe von Jedermann. Jedermann dachte, Irgendjemand könnte es tun, aber Niemand sah ein, dass Jedermann es nicht tun würde. Letztendlich gab Jedermann Jemand die Schuld, da Niemand tat, was Jedermann hätte tun können!“
So darf unsere Nachfolge Jesu nicht aussehen. Wir sind nicht dazu berufen, Jedermann, Jemand, Irgendjemand oder Niemand zu sein. Stattdessen sollen wir ein Kind unseres himmlischen Vaters sein, das seinen Namen trägt (Jesaja 43,7; Epheser 3,14-15) und die Aufforderung Jesu „Folgt mir nach!“ beherzigt, ganz gleich was auf uns zukommt. Das kann bedeuten, dass wir nicht auf die Meinung anderer achten, wenn es darum geht, Gott die Ehre geben zu können.
Bei Jesu Aufruf „Folgt mir nach!“ geht es um mehr, als nur hinter Jesus herzugehen. Es geht auch darum, auf ihn zuzugehen, wenn andere untätig sind und nicht wissen, wie wenig Zeit noch bleibt.
Eine solche Geschichte finden wir in der Heiligen Schrift über Maria von Bethanien, eine Schwester des Lazarus. Ihre Begegnung mit Christus hinterlässt eine der deutlichsten Lektionen darüber, wie man das „Hätte, hätte, Fahrradkette“ im Leben auslöschen kann. Marias Geschichte wird in den Evangelien von Matthäus (26,6-13), Markus (14,3-9) und Johannes (12,2-8) aufgezeichnet. In diesem Beitrag werden wir verschiedene Aspekte ihrer Begegnung mit Jesus aus jedem dieser Bücher behandeln, um ein abgerundetes Bild zu bekommen.
Eine Geschichte für die Ewigkeit
Der Bericht des Johannes beginnt damit, dass Jesus mit dem auferstandenen Lazarus zu Abend isst (Johannes 12,1). Lazarus sitzt mit Jesus und anderen Freunden zu Tisch, während die andere Schwester, Martha, sie bedient (Vers 2).
Die Bibel bietet uns in diesem Bericht eine Momentaufnahme von Lazarus, der wieder lebt und gesund ist. Stellen Sie sich die Atmosphäre der Freude bei dieser Mahlzeit vor! Man schaut immer wieder auf den vormals Toten, der jetzt mit ihnen feiert. Die Gruppe befindet sich auf der anderen Seite des Ölbergs außerhalb Jerusalems, in wenigen Tagen ist das Passahfest. Wird dies nun der Zeitpunkt sein, wenn Jesus der Messias das große Jubeljahr und die Befreiung von den Römern verkündet?
Sie ahnten nicht, was in den nächsten Tagen geschehen würde. Das endgültige Passahopfer stand kurz bevor, doch Jesu Jünger begriffen nicht, dass er sterben würde, obwohl er sie gewarnt hatte. Was hätten sie wohl getan, wenn sie gewusst hätten, dass Jesu verbleibende Zeit mit ihnen nur noch sehr kurz war?
Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit auf Lazarus’ Schwester Maria gelenkt. Sie hielt ein kunstvoll verziertes Alabastergefäß mit einem teuren, wohlriechenden Öl in ihren Händen (Johannes 12,3). Sie ging zu Jesus, öffnete das Gefäß und goss den kostbaren Inhalt auf sein Haupt und seine Füße. Der Duft konnte in jedem Winkel des Raums wahrgenommen werden. Einige der Anwesenden waren von der Kühnheit dieser Frau sehr bewegt und waren noch mehr erstaunt, als sie Jesus zuletzt die Füße mit ihren Haaren abtrocknete.
Die „Hätte, hätte, Fahrradkette“-Gruppe warf Maria vor, unüberlegt und verschwenderisch zu handeln. Sie meinte, das Öl hätte verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können. Ihr eigener Gerechtigkeitssinn löste Bestürzung aus, weil „diese Frau“ niederkniete und die Füße des Rabbi mit ihren Haaren trocknete. In ihrem „heiligen Anfall“ erkannten sie nicht die Ungeheuerlichkeit dessen, was Jesus unmittelbar bevorstand. Doch Maria nutzte den Augenblick zur Verehrung Gottes, da die Zeit wirklich kurz war.
„Lasst sie in Ruhe“, sagte Jesus. „Warum macht ihr der Frau Schwierigkeiten? Sie hat etwas Gutes für mich getan. Arme, die eure Hilfe nötig haben, wird es immer geben. Ihnen könnt ihr helfen, sooft ihr wollt. Ich dagegen bin nicht mehr lange bei euch.
Diese Frau hat getan, was sie konnte: Mit diesem Salböl hat sie meinen Körper für mein Begräbnis vorbereitet. Ich versichere euch: Überall in der Welt, wo Gottes rettende Botschaft verkündet wird, wird man auch von dieser Frau sprechen und von dem, was sie getan hat“ (Markus 14,6-9; „Hoffnung für alle“-Bibel, Hervorhebung durch uns).
Das Wesen der Gottesverehrung
Wie war Maria in der Lage, den Spießrutenlauf der Kritik auf ihrem Weg zu Christus zu ertragen und das Selbstmitleid des „Hätte, hätte, Fahrradkette“ zu vermeiden? Wie können wir heute in Marias Fußstapfen treten? Denn Jesus sagt nicht nur „Folgt mir nach!“, sondern auch „Kommt zu mir!“.
Erstens: Maria erkannte das Essen in Gemeinschaft mit Jesus und ihrem Bruder Lazarus als opportun, als Gelegenheit, um ihre Liebe und ihr Mitgefühl gegenüber demjenigen zum Ausdruck zu bringen, der ihr am nächsten stand. Interessanterweise leitet sich das Wort „opportun“ vom Lateinischen mit der Bedeutung „dem Hafen entgegen“ ab – ein Zwischenstopp oder -ziel auf einer Reise.
Es bedeutet, dass die richtigen Bedingungen wie Wind und Gezeiten gegeben sind, um einen sicheren Hafen anzulaufen. Da diese nur zu bestimmten Zeiten gegeben waren, mussten die Seeleute wachsam sein und sich auf das vor ihnen liegende Ziel konzentrieren.
Für Maria war Jesus sozusagen der Hafen, den sie als sicheres Ziel erkannte. Und nichts würde sie daran hindern, den Augenblick zu ergreifen und den Messias zu verherrlichen, indem sie ihr Möglichstes tat, ihm zu dienen und ihn zu trösten.
Als sie das Alabastergefäß vor allen Leuten öffnete, gab es kein Zurück mehr. Ihr Erlöser, den sie liebte, saß vor ihr. Unabhängig davon, ob sie sich über seinen bevorstehenden Tod im Klaren war oder ob sie einfach der Intuition einer Frau folgte, sie wollte ihm so nahe wie möglich sein und ihre Anerkennung und Liebe ausdrücken. Sie verstand, dass etwas bevorstand. Sie ahnte, dass „die Zeit kurz war“.
Zweitens war Marias Wertschätzung keine selbst auferlegte Bürde, der Grund war ihre Liebe und ihre Hingabe insgesamt. Sie ehrte Christus mit einer kostbaren Gabe, die einem Jahreslohn entsprach, ohne sich wegen dieser Kosten oder der Meinung anderer Gedanken zu machen. Im Klartext: Die Liebe tut, was nötig ist, ganz gleich was es kostet! Eine solche göttliche Liebe, die aus sich selbst herausfließt, orientiert sich nicht am eigenen Ich, sondern am Nächsten, so wie unser himmlischer Vater uns das unbezahlbare Geschenk seines eigenen Sohnes gab.
Drittens muss der Geber das Geschenk selbst überreichen, damit es wirklich von Herzen kommt und persönlich ist. Die Geschichte Marias macht uns bewusst, dass sich Gott von uns keine materiellen Gaben wünscht, sondern eine innige Beziehung, die wir erwidern. Marias Erwiderung kommt zum Vorschein, als sie mit ihren Haaren Jesu Füße trocknet, nachdem sie sie mit Öl gesalbt hat.
Das war in der Kultur jener Zeit unschicklich, aber Maria sah darüber hinweg. So oft wird das Zeugnis unserer Nachfolge von der Meinung anderer behindert. Maria liebte Jesus so sehr, dass es ihr wichtiger war als das, was die anderen dachten. Ihr wunderbarer Ausdruck der Liebe zu ihrem Erlöser bestätigte ihre innige geistliche Verbindung zu ihm.
Maria salbte Jesus von Kopf bis Fuß. Ihr Handeln und die Tatsache, dass Jesus diese sonst verschwenderische persönliche Zuwendung annahm, erinnern an Worte aus Psalm 23: „Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein“ (Vers 5), der Gegensatz ist der Weg „im finstern Tal“ (Vers 4), den Jesus selbst bald erleben würde.
Maria nutzte den Augenblick, um Gott zu verherrlichen, indem sie seinen Sohn in der Stunde seiner menschlichen Not ehrte. Und was sie tat, benutzt er, um anderen zu zeigen, was geschehen würde – sie bereitete ihn für die Bestattung vor (Markus 14,8).
Anstatt mit der Ausrede „Hätte, hätte, Fahrradkette“ leben zu müssen, handelte Maria entschlossen. Sie verpasste ihre Gelegenheit nicht, sondern trat vor Jesus und bewegte sich liebevoll auf ihn zu. Nun ist sie für alle Zeiten dafür bekannt, dass sie, mit Jesu eigenen Worten, „getan hat, was sie konnte“. Wir können von dieser hingebungsvollen Jüngerin Jesu viel lernen.