Jesus Christus wies seine Jünger an, immer in seinem Namen zu bitten. Wie sollen wir diese „Gebetsformel“ verstehen?
Von Robin Webber
Der Schweizer Komponist Bernard Reichel dirigierte einst Georg Friedrich Händels 1741 komponiertes Oratorium Der Messias. Reichel unterbrach die letzte Probe vor der Aufführung, nachdem die Sopranistin die Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (zitiert aus Hiob 19, Vers 25) gesungen hatte.
Ihre Technik war tadellos, ihre Atmung perfekt und ihre Stimme kristallklar. Das Orchester schaute auf den Dirigenten und erwartete sein Lob. Stattdessen ging Reichel zur Sopranistin und fragte sie: „Mein Mädchen, du weißt nicht genau, ob dein Erlöser wirklich lebt, nicht wahr?“ „Ich meine schon“, antwortete die Sängerin verlegen. „Dann sing es“, forderte er. „Sing es mir, sodass ich daran erkennen kann, dass du die Freude und Kraft dieser Erkenntnis erlebt hast!“
Mit seinem Dirigentenstab forderte er das Orchester zur Wiederholung der Arie auf. Diesmal sang die Sopranistin mit einem Eifer, der ein Zeugnis ihres persönlichen Glaubens an ihren auferstandenen Herrn war. Mit Tränen in den Augen sagte der alte Meister Reichel: „Du weißt es doch, denn diesmal hast du es mir gezeigt!“
Das richtige Passwort kennen
Woher wissen Sie, dass Ihr Erlöser lebt und Sie mit ihm kommunizieren können?
Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie eine passwortgeschützte Webseite aufrufen wollten und dabei entdeckten, dass Sie Ihr Passwort vergessen hatten? Nach ein paar Fehlversuchen hören Sie auf, damit Ihr Konto nicht aus Sicherheitsgründen gesperrt wird. Das ist natürlich sehr frustrierend!
Viele Leute, die sich bei Gott sozusagen „einloggen“ wollen, verwenden einen gemeinsamen Benutzernamen: Christ. Doch dieser Benutzername allein reicht nicht aus, um uns Zugang zu Gott zu verschaffen. Wir brauchen auch das dazugehörige Passwort, um mit Gott wirklich kommunizieren zu können bzw. um eine Beziehung mit ihm zu haben.
Bei den meisten passwortgeschützten Webseiten kann man einen Erinnerungshinweis anlegen für den Fall, dass man das eigene Passwort vergisst. Lassen Sie mich Ihnen deshalb einen biblischen Hinweis auf das richtige Passwort für den Zugang zu Gott geben. Wir finden ihn in Johannes 14, Verse 12-14, wo Jesus sagte: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater. Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.“
Rätseln Sie noch über das Passwort? Bringen wir es auf den Punkt. Jesus fordert uns auf, in seinem Namen zu beten. Das Passwort ist die Formel: „In Jesu Namen. Amen.“
Was bedeuten diese vier kurzen Wörter – „In Jesu Namen. Amen“ – für diejenigen, die sich Zugang zu unserem himmlischen Vater wünschen? Versuchen wir, den vollen Umfang der Aufforderung Jesu an seine Jünger zu verstehen, damit wir seinen Aufruf „Folgt mir nach!“ beherzigen können.
Kein Zauberspruch, sondern autorisierter Zugang
Überlegen wir zunächst, was Jesus nicht meinte, damit wir seine Aufforderung richtig verstehen, mit der er uns Zugang zu unserem himmlischen Vater und dessen Liebe, Kraft und Weisheit gewährt. „In Jesu Name“ ist kein Zauberspruch, den man, wenn man ihn am Ende eines Gebets dem Gesagten hinzufügt, genau richtig aussprechen muss, um eine quasi schlafende Gottheit wachzurütteln.
Diese Formel zu wiederholen genügt nicht, um unser Gebet vor den himmlischen Thron Gottes zu katapultieren. Noch meinte Jesus, dass wir, solange wir in seinem Namen bitten, automatisch alle vorgetragenen Wünsche von Gott erfüllt bekommen, als würden wir unseren Geheimcode eintippen und Geld von einem geistlichen Geldautomaten abheben.
Unsere Worte sollen etwas bedeuten! Jesus sagte: „Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“ (Matthäus 12,34; Einheitsübersetzung). Ihn interessiert die Motivation für unsere Worte.
In unserer westlichen Kultur ist uns meist die Bedeutung eines Namens nicht so wichtig. Wir fragen nach der Schreibweise eines Namens, der uns nicht bekannt ist, anstatt uns zu überlegen, welche persönlichen Eigenschaften mit dem Namen der Person assoziiert sind (vgl. dazu Sprüche 22,1).
In Johannes 14, Verse 12-14 und Johannes 16, Verse 23-26 präsentiert Jesus eine neue Dimension der Beziehung zwischen Gott und den Menschen, die ihn suchen. Das Passwort für den Zugang ist ein für allemal geändert worden. Wir nähern uns Gott nicht mehr zu festgelegten Zeiten und an bestimmten Orten durch den Dienst eines sterblichen Hohepriesters. Jetzt nähern wir uns ihm im Namen von Jesus dem Messias, den Gott, der Vater, als ewigen himmlischen Hohepriester angenommen hat. Jesus ist ein Mittler zur Rechten des Vaters, der kontinuierlich Fürsprache für uns einlegt (Hebräer 8,1-6).
Jesu Name ist kein Geheimcode, der uns Zugang zu unserem himmlischen Vater verschafft. Wenn wir „in Jesu Namen“ beten, klopfen wir an der Tür zu Gottes Thron, ausgestattet mit einer Autorität, die weit über alles Menschliche hinausgeht. Jesus sagte: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Matthäus 28,18).
„In ihm gefunden werden“
Der Apostel Paulus behandelte die besondere Beziehung, die wir zu Jesus Christus haben. Dabei verwendete er die Präposition „in“, um die Autorität Jesu über unser Leben zu beschreiben, die dadurch zustande kommt, wenn wir uns Jesus bedingungslos ergeben, so wie Paulus es tat.
„Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde . . . Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten“ (Philipper 3,7-11; alle Hervorhebungen durch uns).
Der Apostel Johannes beschrieb auch unsere Beziehung zu Christus auf ähnliche Weise: „Und das ist sein Gebot, dass wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesus Christus und lieben uns untereinander, wie er uns das Gebot gegeben hat. Und wer seine Gebote hält, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist, den er uns gegeben hat“ (1. Johannes 3,23-24).
Das Wort „bleibt“ in Vers 24 ist eine Übersetzung des griechischen Wortes meno, das auch mit „wohnt“, „ausdauert“ und „fortfährt“ übersetzt werden kann. Hier geht es also keineswegs um ein passives Verhältnis!
Ausdrücke wie „in“, „gefunden werden“ und „bleibt“ erinnern uns an Gottes Erwartung, dass wir, wenn wir unser Gebet beendet haben, von unseren Knien aufstehen und ein Leben nach dem Vorbild Jesu Christi führen. Dazu lesen wir in Kolosser 3, Vers 17 folgende Ermahnung: „Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“
Wie bereits erwähnt, ist „in Jesu Namen“ keine Zauberformel für unser Gebet, sondern ein ständiges Bekenntnis gegenüber unserem himmlischen Vater, dass wir Jesu Fußtapfen folgen werden. Wir zeigen ihm damit, dass wir das Reich Gottes als oberste Priorität in unserem Leben haben (Matthäus 6,33). Wir erkennen, dass Gott uns sehr viel gegeben hat – seinen Sohn (Johannes 3,16) – und wir seine Liebe dadurch erwidern, indem wir die Sünde überwinden wollen und Jesus unser Leben beherrschen lassen.
In diesem Sinn schrieb der Apostel Paulus: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galater 2,20).
Mit anderen Worten: Dass wir in Jesu Namen beten dürfen, setzt voraus, dass wir unser Leben uneingeschränkt in den Dienst unseres himmlischen Vaters stellen. Das ist durch den einen Namen möglich, der höher als alle anderen Namen ist (Epheser 1,21). Es ist der einzige Name, durch den die Errettung möglich ist: Jesus Christus (Apostelgeschichte 4,12).
Gottes „Nein“ verstehen
Es ist ein großes Privileg, „in Jesu Namen“ zu beten. Bedeutet das, dass Gott alle unsere Wünsche erfüllen wird, solange wir „in Jesu Namen“ beten? Nein, es wird Zeiten geben, wenn wir ein „Nein“ als Antwort Gottes akzeptieren müssen. Sein „Nein“ bedeutet aber keineswegs, dass er uns abstößt. Stattdessen bedeutet es, dass er etwas Besseres für uns im Sinn hat. Jesu eigene Erfahrung dient zur Veranschaulichung dieses Aspekts unserer Beziehung zu Gott:
„Christi Gebet im Garten Gethsemane (‚Wenn möglich, lass diesen Kelch an mir vorübergehen‘) war seine einzige Bitte, die Gott ihm nicht gewährte. Das lehrt uns, dass es Dinge geben kann, um die wir bitten – so gut sie uns auch erscheinen mögen –, die aus der Sicht Gottes nicht unserem Besten dienen. Jesus wusste, dass sein Leiden für uns dem Willen seines Vaters entsprach. Viele unserer Gebete mögen ähnlich sein. Achten wir aber auf das Beispiel Jesu: Das endgültige Ergebnis war Leben anstelle von Tod“ (Names of Jesus, 2006, Seite 4).
Jesus tat seines Vaters Namen kund
Jesus unterstellte seine menschliche Existenz ganz der Autorität bzw. dem Namen seines himmlischen Vaters. Kurz vor seiner Verhaftung betete er zu seinem Vater: „Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen“ (Johannes 17,25-26).
Eigentlich tat er den Namen des Vaters zuletzt nicht durch seine Worte kund, sondern indem er sich dem Willen seines Vaters beugte und sich in den Stunden nach diesem Gebet auf grausame Weise misshandeln und dann kreuzigen ließ. Das Bessere, das Gott für ihn – und uns – vorgesehen hatte, akzeptierte er bis er seine letzte Bitte an Gott richtete: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46).
Gehören Sie zu den Lesern unserer Zeitschrift Gute Nachrichten, die das Etikett „Christ“ auf sich beziehen und meinen, damit Ihrer Beziehung zu Gott, dem Vater, Genüge getan zu haben? Wenn ja, dann ist es an der Zeit, das wahre geistliche Passwort für den Zugang zu Gott und dessen tiefgründige Bedeutung zu verstehen: „In Jesu Namen. Amen.“ Seien wir uns dabei dessen bewusst, dass:
1. Jesu persönliches Beispiel der Opferbereitschaft und des Gehorsams uns ermöglicht, „in ihm“ zu sein und mit dem Reich Gottes vor Augen zielgerichtet zu beten;
2. unser himmlischer Vater verherrlicht wird, wenn wir sein Wirken durch seinen Sohn anerkennen (Johannes 4,13);
3. die Worte, die Gott den Apostel Johannes zur Niederschrift inspirierte, einem jeden wahrhaft Berufenen gelten: „Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (1. Johannes 5,13).
Zum Schluss eine Frage: Wenn Sie die Feststellung Hiobs in Händels Der Messias wiederholen sollten – „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ –, würden Ihre Zuhörer wissen, dass Sie es wirklich meinen?