Sollten Sie Ihren Beruf wechseln, wenn er Ihnen keine Freude bereitet? Sollten Sie sich lieber eine Arbeit suchen, die eher Ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht? In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Konzentration auf Ihre Talente zum Glück und Erfolg führen kann.
Von Jerold Aust
Jake hatte schon immer den Ehrgeiz gehabt, Basketball auf Hochschulniveau zu spielen. Aber bald stellte er fest, „daß bessere Spieler als er auf der Tribüne Cola und Popcorn verkauften“. Das veranlaßte ihn, seine beruflichen Ziele zu überdenken.
Im Jahr 1956 war Jake 18 Jahre alt. An der Oberschule war er ein sehr guter Basketballspieler und warf durchschnittlich 30 Punkte pro Spiel. Das bemerkten mehrere Hochschulen, die ihn dann auch als Spieler gewinnen wollten. Jake war für einen Basketballer mit nur 1,78 m ungewöhnlich klein. Aber gerade deshalb waren die Zuschauer von seinem Spiel begeistert, weil er durch Schnelligkeit und kluges Spiel größere Gegner überlistete und sehr treffsicher war.
An der Oberschule spielte er prima, aber als Anfänger in einer Hochschulmannschaft war er der Konkurrenz nicht gewachsen. Im Vergleich zu den anderen war er einfach zu klein und in der Ballführung zu ungeschickt. Er besann sich auf eine andere Möglichkeit.
Trotz seiner großen Begeisterung für Basketball blieb ihm die Tür zu einer Karriere als Spieler verschlossen. Was also tun? Er ging vernünftig vor und bereitete sich auf den Beruf als Basketballtrainer vor. Dafür hatte er ausreichend Talent, und der spätere Erfolg gab ihm auch Recht.
Damit ist seine Geschichte aber nicht zu Ende.
Wohlmeinende Ratgeber
Wer immer Sie sind, Sie werden stets Menschen begegnen, die Ihre Entscheidungen durch gutgemeinte, aber ungebetene Ratschläge beeinflussen wollen. Das kann zwar hilfreich sein, meist ist es aber nicht der Fall. Da ist zum Beispiel die Mutter, die nur das Beste für ihre Tochter will. Sie wünscht sich, daß sich für die Tochter die Träume erfüllen, die sie nicht verwirklichen konnte. Oder der erfolgreiche Geschäftsmann, der es gerne sehen würde, daß sein Sohn den Familienbetrieb übernimmt.
Es kommt vor, daß Kinder Glück und Erfolg haben, wenn sie den Weg einschlagen, zu dem ihnen die Eltern geraten haben, aber oft ist eher das Gegenteil der Fall.
Vor allem Freunde und Verwandte meinen, guten Rat geben zu müssen. Das führt nicht selten dazu, daß Menschen, die wohlgemeinten Ratschlägen gefolgt sind, in einem Beruf arbeiten, der ihnen nicht liegt. Erst nach Jahren merken sie, daß sie einen Fehler gemacht haben. Ist das vielleicht bei Ihnen der Fall? Wenn ja, was können Sie tun? Sollen Sie sich grämen, weil Sie vor Jahren die Weichen falsch gestellt haben?
Den Autoren Carole Klein und Richard Gotti zufolge hat es keinen Sinn, vergangene Entscheidungen zu beklagen:
„Das Bedauern vergangener Entscheidungen ist zu einer Volkskrankheit geworden. Ein Hauptgrund dafür ist, daß es heutzutage zu viele Möglichkeiten gibt, unter denen wir eine Auswahl treffen müssen. Wenn wir uns für eine Sache entscheiden, schließen wir viele andere aus. Das heißt: Je mehr Wahlmöglichkeiten, desto mehr Möglichkeiten zu bereuen“ (Carole Klein und Richard Gotti, Overcoming Regret: Lessons From the Roads Not Taken, 1992, Seite 10).
Dazu zitieren Klein und Gotti den französischen Autor und Nobelpreisträger André Gide, der sinngemäß folgendes sagt: „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Das ist ein Lebensgesetz. Ärgern wir uns also nicht so sehr über das, was hätte sein können, daß wir übersehen, welche Möglichkeiten sich uns jetzt bieten“ (ebenda, Seite 9). Es ist einfach nicht wahr, daß der Weg zu allen Gelegenheiten des Lebens durch eine einzige Tür führt.
Wenn Sie eine berufliche Weichenstellung bedauern, überlegen Sie sehr gut, ehe Sie sich in das Abenteuer eines Berufswechsels stürzen. Bedenken Sie Ihr Alter, Ihren Gesundheitszustand, die wirtschaftliche Situation, die finanziellen Folgen, die Auswirkungen auf Ihre Familie und andere Faktoren. Holen Sie sich fachlichen Rat und sprechen Sie mit anderen, die auch schon in einer ähnlichen Situation waren.
Falls Sie aber trotzdem entschlossen sind, in einen neuen Beruf zu wechseln, in dem Sie Ihre natürlichen Begabungen und Talente besser entfalten können, beschreiben wir nachstehend einige bewährte Prinzipien, die Ihnen vielleicht als Denkanstöße dienen können.
Die Begabungen feststellen
In einer von der amerikanischen Demoskopiefirma Gallup veranstalteten Umfrage wurde das Profil von 250 000 beruflich erfolgreichen Menschen untersucht. Ein Ergebnis der Untersuchung war, daß „die besten Leistungen dann erbracht werden, wenn jemand eine Tätigkeit ausübt, die seinen Stärken entspricht“ (Donald O. Clifton und Paula Nelson, Soar With Your Strengths, 1992, Seite 21).
Viele wünschen sich einen Beruf, der ihnen Freude macht. Diesen Wunsch zu verwirklichen ist aber nicht immer leicht.
Wenn die beruflichen Wünsche nicht mit den vorhandenen Talenten in Einklang zu bringen sind, kann man sein ganzes Leben mit dem Haschen nach Wind vertun. Brian Tracy, der Seminare zum Thema „eigene Stärken feststellen“ abhält, gibt folgenden Rat: „Um ein Ziel zu treffen, müssen Sie es erst sehen. Sie können Großartiges nur dann leisten, wenn Sie genau wissen, wie es aussehen soll. Zuerst müssen Sie sich völlig klar werden, was Sie erreichen wollen“ (Brian Tracy, Maximum Achievement, 1993, Seite 21).
Manche Leute wissen genau, was sie wollen, und streben beharrlich ihr Ziel an. Sie stellen fest, für welche Aufgaben sie die besten Voraussetzungen mitbringen. Gerade jungen Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, ist es zu empfehlen, ihre eigenen Talente gut zu erforschen, bevor sie sich für eine lange Zeit auf eine bestimmte Berufssparte festlegen. Sie können schon in der Schule damit anfangen, die vielen Möglichkeiten auszunutzen, die einem heute geboten werden. Schon in der Schulzeit gibt es die Möglichkeit der verschiedenen Praktika und der Ferienjobs. Oft sind auch Eignungstests hilfreich, um zu erkennen, auf welchen Gebieten man seine Stärken besitzt. Entschlossenheit, fremde Hilfe, Ausdauer und das sprichwörtliche Quentchen Glück führen letztendlich zum Ziel, wenn der Weg und die natürlichen Begabungen zusammenpassen. Beispiele dafür werden im amerikanischen Fernsehen oft gezeigt, und es ist ermutigend, den Erfolg mitzuerleben, wenn ein Mensch seine wahre Berufung gefunden hat.
Der amerikanische Luftwaffengeneral und ehemaliger Testpilot Chuck Yeager gibt folgenden Rat: „Wählen Sie einen Beruf, der Ihnen Spaß macht. Wenn er Ihnen Freude bereitet, werden Sie Erfolg haben, weil Sie die Arbeit gerne tun. Machen Sie sich wegen der finanziellen Aspekte nicht so große Sorgen. Es wird Sie nicht so sehr stören, innerhalb Ihrer Verhältnisse zu leben, wenn Sie Ihren beruflichen Alltag genießen“ (zitiert nach Dennis Conner, The Art of Winning, 1989, Seite 178).
Das Beispiel von Jake, der Basketball liebte, aber als Spieler zu klein war, bestätigt den Rat Yeagers. Als Studienanfänger stellte Jake fest, daß der Beruf eines Trainers für ihn eher geeignet war. Wie sich herausstellte, hatte er damit mehr Möglichkeiten, seine Talente einzusetzen.
Tun Sie das, was am meisten Ihren Fähigkeiten entspricht!
Vor 40 Jahren haben amerikanische Farmer – wie mein Vater – viele Reparaturen an Arbeitsgeräten selbst durchgeführt.
Mein Vater hat sein Haus selbst gebaut und eigene Ölförderanlagen angelegt und instand gehalten. Aber die Landwirtschaft allein reichte für den Lebensunterhalt nicht aus. Er war mit Installations-, Schreiner- und Schlosserarbeiten soweit vertraut, um die auf der Farm notwendigen Reparaturen selbst durchzuführen, aber auf keinem dieser Gebiete war er perfekt. Anders sah es aus, wenn es um Schuhreparaturen ging. Hier bewies er eine echte Begabung, und als Schuster hat er auch am meisten verdient.
Auch Jake konzentrierte sich auf das, was er am Besten konnte. Er war kein Supertalent als Basketballspieler, aber er setzte alles daran, entsprechend seinen Begabungen der beste Trainer zu sein. Nach zwanzig Berufsjahren wurde er von seinen Kollegen mit hohen Auszeichnungen bedacht.
TUN = Tag Und Nacht
Es wird eine Geschichte von einem jungen Mann erzählt, der an Musik interessiert war. Er wollte ein Konzert in New York besuchen, hatte sich aber verfahren. Er fragte einen älteren Herrn: „Wie komme ich zur Carnegie Hall?“ Die Antwort: „Üben, üben, üben!“
Dennis Conner war 1987 Navigator der Jacht Stars and Stripes im „America’s Cup“ der Hochseesegler. Die Australier als Titelverteidiger waren eine starke Konkurrenz. Conner aber war entschlossen, den Pokal zu gewinnen. In seinem Buch The Art of Winning [„Die Kunst des Gewinnens“] erwähnt er „die Entschlossenheit, entschlossen zu sein“. „Man muß“, erklärt er, „ein Ziel, das unerreichbar scheint, ins Visier nehmen und dann versuchen es mit aller Entschlossenheit zu erreichen“ (Dennis Conner, The Art of Winning, 1989, Seite ix).
Als er sich auf das Wettrennen vorbereitete, hat Conner dieses Prinzip selbst in die Tat umgesetzt: „Jeden Morgen beim Aufwachen war mir klar, daß ich an diesem betreffenden Tag mehr schaffen mußte, mehr, als ich an jedem bisherigen Tag meines Lebens geschafft hatte. Ich habe geübt und geübt und geübt. Ich versuchte stets, meine Technik zu verbessern, meine bisherige Bestleistung zu übertreffen. Als das Wettrennen begann, wußte ich, daß ich alles, aber auch alles getan hatte, um mich optimal vorzubereiten“ (Conner, Seite xv).
Leider ist es nicht selten der Fall, daß man sich trotz vieler Talente und viel Fleiß oft nur darauf konzentriert, was man nicht kann. Die eigenen Schwächen können mit der Zeit solch eine große Bedeutung im eigenen Selbstbewußtsein einnehmen, daß dann irgendwann auch die vorhandenen Talente verkümmern, weil man meint, zu nichts fähig zu sein. Diese Einschätzung wird dann vielleicht auch noch von der eigenen Umwelt bestätigt.
Erfolgreiche Menschen zeichnen sich oft darin aus, daß sie ihren Blick auf ihre Erfolge richten und Mißerfolge nicht so tragisch nehmen, sondern als Gelegenheit, aus den Fehlern zu lernen, um es in Zukunft besser zu machen. Mißerfolge bringen sie nicht davon ab, fest an ihre eigenen Talente zu glauben und das eigene Ziel zu verfolgen.
Alle Menschen – erfolgreiche sowie weniger erfolgreiche – haben ihre Stärken und Schwächen. Es gilt, sich auf die Stärken zu konzentrieren, um sie auszubauen und im Beruf einzusetzen, während man die eigenen Schwächen im Zaun hält. Eigenschaften und Fähigkeiten, die einem nicht so gut liegen, können nicht selten durch Schulung und Training verbessert werden.
Wenn es aber etwas gibt, das man wirklich nicht in den Griff bekommen kann, muß man nach anderen Lösungen suchen, statt sich von dem ständigen Mißerfolg in diesem einen Punkt niederdrücken zu lassen. Ein Fernsehjournalist hatte berufliche Schwierigkeiten, weil er Legastheniker war. Er hat also Buchstaben und Zahlen immer wieder in falscher Reihenfolge geschrieben. Doch er stellte einfach einen Assistenten ein, der alle seine Fehler korrigierte. Somit hatte seine Behinderung keine nachteiligen Folgen für seinen Beruf.
Der amerikanische Fabrikant Andrew Carnegie hatte dieses Prinzip erkannt. Zu einer Zeit, als Millionäre eine Seltenheit waren, gehörten 43 Millionäre zu seinen Angestellten. Ein Zeitungsreporter fragte Carnegie, warum er 43 Millionäre eingestellt hatte. In seiner Antwort stellte Carnegie klar, daß diese Männer erst als seine Angestellten zu Millionären wurden. Der Journalist fragte daraufhin: „Wie bildeten Sie diese Männer aus, damit sie so wertvoll wurden, daß Sie bereit waren, ihnen soviel Geld zu zahlen?“
Andrew Carnegie erwiderte, daß die Heranbildung eines Angestellten der Gewinnung von Gold in einem Bergwerk ähnlich ist. Wenn Gold gefördert wird, müssen zunächst etliche Tonnen Schmutz entfernt werden, um eine Unze Gold zu gewinnen. Man steigt aber nicht ins Bergwerk hinab, um nach Schmutz und Erde zu suchen; man ist auf der Suche nach Gold. Carnegie hatte gelernt, die positiven Eigenschaften seiner Angestellten zu erkennen und diese zielbewußt zu fördern.
Er wollte lieber kämpfen
Jake, dem wir in diesem Beitrag schon begegnet sind, hat nicht nur mit seinen Stärken gearbeitet, sondern wußte auch, seine Schwächen richtig einzuschätzen. Er war auch ein leidenschaftlicher Golfspieler, der es in seinem Club zu einigem Ruhm gebracht hatte. Leider aber litt er an der Hodgkinschen Krankheit, einer der Leukämie verwandten Erkrankung, und hatte ständig Schmerzen. Im Alter von 20 Jahren legte ihm sein Hausarzt nahe, seine Angelegenheiten zu regeln, da er wahrscheinlich nur noch ein halbes Jahr zu leben hatte.
Jake war jung verheiratet und hatte Zukunftsträume. Er weigerte sich, zu kapitulieren, und beschloß, um sein Leben, seine Ehe und seine zukünftige Familie zu kämpfen. Und er hat gekämpft. Er ertrug tapfer seine Schmerzen 26 Jahre lang und war erfolgreich, bis er schließlich im Alter von 46 Jahren starb. Obwohl er von Schmerzmitteln abhängig war, beherrschte er seine Schwächen so weit, daß er in der Lage war, kostenlose Seminare abzuhalten, um junge Leute vor Drogenmißbrauch zu warnen.
Viermal versuchte er ohne Tabletten zu leben. „Schreckliche Zeiten waren das“, erzählte er später. Aber weil er entschlossen war, sein Leben mit jungen Menschen zu verbringen, ertrug er die Schmerzen. Das hatte zur Folge, daß er oft nur zwei Stunden pro Nacht schlafen konnte.
Einige Jahre vor seinem Tod verabreichte ihm ein Arzt bei einer Chemotherapie versehentlich eine zu hohe Dosis an Medikamenten, und dadurch wurde seine Herzleistung eingeschränkt – als wäre sein Körper nicht schon schwach genug gewesen. Dennoch gab Jake nicht auf.
Eines Abends traf ich ihn in einem Park, als er Golfbälle spielte. Er erzählte mir, daß er jeden Abend etwa 300 Bälle im Rahmen seiner Krankengymnastik schlagen würde. Das verbesserte so nebenbei sein Golfspiel. Es schockierte und inspirierte mich, wie er einen Ball zurecht legte und seine mageren Beine mit den Händen in Stellung brachte, um den Ball über ein imaginäres Spielfeld zu schlagen.
Bei einer Untersuchung entdeckten seine Ärzte einen Tumor im Bereich der Wirbelsäule. Nach der Entfernung des Tumors konnte Jake nicht mehr richtig gehen. Er mußte die Hüften und Beine schwingen, um vorwärts zu kommen. Als ich diesen ehemaligen Sportler so sah, zerriß es mir das Herz. Sein Golfspiel wurde aber immer präziser. Ich bewunderte seine Einstellung und seine Entschlossenheit, den Schmerzen zu trotzen, und seine Absicht, seine Schwächen im Zaum zu halten.
Besonders, weil sein Leben so kurz war, war er ein bemerkenswerter Mensch. Gelegentlich ließ er durchblicken, daß es gerade seine geringe Lebenserwartung war, die ihn zu hohen Leistungen anspornte.
Trotz seiner Krankheit war Jake erfolgreich, weil er sich auf seine Stärken konzentrierte. Jake lernte, jeden Tag voll auszunutzen, weil er wußte, es könnte sein letzter sein. Vielleicht war der wichtigste Schlüssel zu seinem Erfolg die Tatsache, daß er seine Talente erkannte und etwas daraus machte.
Auch Sie können erfolgreich sein, wenn Sie sich auf Ihre Stärken konzentrieren, wie es Jake, mein Bruder, getan hat.