Von der Redaktion
Mancher wird auf Anhieb gar nicht gewusst haben, wo sich der Konferenzort Annapolis befand, als US-Präsident George Bush Ende November zu Gesprächen über die Beilegung des Nahostkonflikts einlud. Hatte der amerikanische Präsident etwa einen neutralen Treffpunkt im Ausland gewählt? Nein, Annapolis ist die Landeshauptstadt des Bundesstaats Maryland und liegt nur ca. 50 km von Washington, D. C. entfernt.
Mit der Einladung zur Konferenz verfolgte Bush das Ziel, Bewegung in den festgefahrenen Nahostfriedensprozess zu bringen. Mit der Hisbollah-Krise vor achtzehn Monaten und der Hamas-Erstarkung in Gaza war der „Fahrplan für den Frieden“ zum Stillstand gekommen. Neben Israel waren ca. 50 Staaten und die PLO in Annapolis vertreten. Die Teilnehmerliste war beeindruckend, zumal Saudi-Arabien durch seinen Außenminister und Syrien durch seinen Vize-Außenminister vertreten waren.
In Annapolis rang George W. Bush Israelis und Palästinensern die Zusage ab, bis Ende 2008 einen Friedensvertrag auszuhandeln und damit die Gründung eines palästinensischen Staats zu ermöglichen. Nach Meinung vieler Beobachter drängt die Zeit. Wenn die verhandlungsbereiten Vertreter Palästinas nicht bald einen Erfolg vorweisen, könnten auch im Westjordanland radikale Kräfte das Heft in die Hand nehmen. Frieden nach der Art der Hamas würde jedoch bedeuten, dass der andere Gesprächspartner – der Staat Israel – von der Bildfläche verschwindet.
Auch wenn die in Annapolis gegebene Zusage zu neuen Verhandlungen lobenswert ist, wurde dort sonst nichts erreicht. Frieden im Nahen Osten ohne eine für beide Seiten akzeptable Lösung über den zukünftigen Status von Jerusalem ist aussichtslos. Vor elf Jahren schrieben wir dazu: „Wird der israelische Staat die Kontrolle über Ost-Jerusalem behalten können, oder wird er die Hoheit über diesen Teil der Stadt an die neuen Autonomiegebiete abtreten müssen? Oder wird – wie seit Jahren von einigen Beobachtern vorgeschlagen – die Stadt Jerusalem zu einer internationalen Stadt erklärt, vielleicht unter der Aufsicht der UNO?“
Bei den anderen strittigen Punkten – Siedlungsbau, Abstimmung des Grenzverlaufs, Einschränkung der Hoheitsrechte des Palästinenserstaats usw. – kann man sich eine Einigung durch Kompromisse auf beiden Seiten vorstellen. Anders sieht es bei Jerusalem aus. Schon bei der ersten Runde der Gespräche nach Annapolis wurden die unvereinbaren Standpunkte zu Jerusalem deutlich. Für Palästinenser ist Ost-Jerusalem die Hauptstadt ihres neuen Staates. Israel hingegen betrachtet den Osten der Stadt als unveräußerlichen Teil ihres Hoheitsgebiets.
„Bühne frei für die Bibel“ ist die zuverlässigste Aussicht über die Zukunft Jerusalems. Der Prophet Sacharja sagte voraus, dass Jerusalem „zum Taumelbecher“ für alle Völker werden soll. Einflussreiche israelische und palästinensische Persönlichkeiten haben sich wiederholt für eine Beteiligung der UNO an einer Friedenslösung für die Region ausgesprochen. Ist eine „offene Stadt“ Jerusalem unter Verwaltung der UNO vorstellbar? Das halten wir für einen möglichen Schritt in die Richtung, die Sacharja prophezeite. Zum Schluss wird jedoch eine ungebetene Macht im Nahen Osten eingreifen und Jerusalem besetzen. Aus aktuellem Anlass behandeln wir in dieser Ausgabe wieder eine Region, die unsere aller Zukunft maßgeblich beeinflussen wird.