Es gehört zum Erwachsenwerden dazu, den Schwierigkeiten, Rückschlägen und Enttäuschungen des Lebens ins Auge zu sehen. Wie können Sie Ihrem Kind durch solche Zeiten hindurch helfen?
Ich kann mich noch gut an meinen Leichtathletikwettkampf in der dritten Klasse erinnern. Während des 50-Meter-Laufs stolperte ich, fiel der Länge nach hin und zog den Spott meiner Klassenkameraden auf mich, während ich als Letzte durch das Ziel lief. Als ich von der Schule nach Hause kam, wartete meine Mutter auf mich, und in dem Moment, als ich sie sah, brach ich in Tränen aus. Sie konnte das Geschehene nicht rückgängig machen, doch durch ihr ruhiges Zuhören fühlte ich mich nicht so allein in meiner Enttäuschung.
Erwachsen zu werden bedeutet Schwierigkeiten zu überwinden, wie zum Beispiel: den Verlust eines Haustieres zu erleiden, schlechte Schulnoten mit nach Hause zu bringen, den Tod eines nahen Verwandten zu erleben. Als Eltern können wir unseren Kindern Schutz bieten, wie ein sicherer Hafen den Schiffen während eines Sturms.
Es ist aber nicht immer so einfach eine Zuflucht zu sein. Oft weiß man nicht, was man einem weinenden Kind sagen soll. Sollte man versuchen, das Kind aufzuheitern, oder sollte man versuchen, mit dem Kind über die Situation zu sprechen? Sollte man das Geschehene herunterspielen, oder sollte man versuchen, das Problem für das Kind zu lösen?
Freilich gibt es für solche Situationen keine festen Regeln. Es gilt jedoch immer, die Situationen richtig zu erfassen und rücksichtsvoll, ernsthaft und angemessen darauf zu reagieren. Hier sind einige Empfehlungen, wie Sie ein verletztes Kind trösten können.
Lassen Sie Ihr Kind sprechen
Wenn Ihr Kind Ihnen erzählt, daß es über etwas traurig sei, nehmen Sie Anteil daran. Lassen Sie Ihr Kind über das Problem sprechen. Dies wird ihm erlauben, mit dem Heilungsprozeß zu beginnen.
Wenn Sie versuchen, das Thema zu wechseln, einen Witz zu machen oder Gründe vorzubringen, warum das Problem kein Problem sei, geben Sie ihm das Empfinden, daß Sie seine Probleme nicht anhören wollen und daß es nicht richtig ist, Traurigkeit auszudrücken. Antworten wie: „Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen“, „Du verhältst dich wie ein kleines Kind“, „Es kann ja nicht wirklich nicht so schlimm sein“ und „Mach’ dir keine Sorgen“ spielen das Problem herunter und legen eine ganze Wagenladung Schuld auf das leidende Kind.
Wenn Eltern nicht wissen, was sie tun oder sagen sollen, können sie so sehr in Panik geraten, daß sie das leidende Kind ausschließen, um sich selbst wohler zu fühlen. Dabei haben sie überhaupt keine schlechten Absichten. Vielen ist nicht einmal bewußt, daß sie es tun. Doch anstatt zu sagen: „Weine nicht, alles wird gut“, sollten Sie Ihrem Kind versichern, daß es weinen darf.
Akzeptieren Sie die Situation Ihres Kindes so, wie sie ist, und geben Sie nicht vor, daß die Dinge besser seien, als sie es sind. Antworten wie „Es tut mir leid, die schlechten Nachrichten zu hören“, „Du hast viel durchgemacht“ und „Das hört sich nach einer schwierigen Situation an“ vermitteln Ihrem Kind Anteilnahme und Akzeptanz.
Hören Sie Ihrem Kind sorgfältig zu. Ermutigen Sie es, darüber zu sprechen, was es beunruhigt, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Zeigen Sie Ihrem Kind, daß Sie an dem, was es sagt, interessiert sind, indem Sie Augenkontakt beibehalten, ab und zu nicken und es mit mitfühlenden Ausdrücken wie „ich weiß, was du meinst“ oder „ich verstehe dich“ ermutigen.
Versuchen Sie, die Dinge aus der Perspektive eines Kindes zu sehen und drücken Sie Verständnis aus. Sie können zum Beispiel sagen: „Ich weiß, daß Du enttäuscht bist, weil Du so fleißig warst und es trotzdem nicht geschafft hast.“
Versuchen Sie nicht, die Sätze für das Kind zu beenden, weil Sie meinen, Sie wüßten, was es sagen möchte. Sie könnten sich irren! Lassen Sie das Kind reden. Es könnte sein, daß Sie von dem, was Ihr Kind wirklich bewegt, überrascht sein werden.
Für die Kinder da sein
Vielleicht fehlen Ihnen die Worte, weil Sie noch nie in einer solchen Situation gewesen sind, wie Ihr Kind sie durchmacht. In solchen Fällen ist das Schweigen völlig in Ordnung. Es ist am wichtigsten, daß Sie für das Kind da sind. Seien Sie ehrlich mit ihm. Sagen Sie ihm, daß Sie nicht wissen, was Sie sagen sollen, aber trotzdem für Ihr Kind da sein wollen. Manchmal genügt schon die bloße Anwesenheit eines Elternteils, um die Ängste in Kindern zu vertreiben. Die Körperwärme allein ist schon sehr tröstend für ein trauriges Kind. Zögern Sie nicht, es mit Ihren Händen zu streicheln, das Kind zu umarmen oder es auf Ihren Schoß zu setzen. Wiegen Sie das Kind in Ihren Armen, so wie Sie es mit einem Baby tun.
Seien Sie vorsichtig, die Unabhängigkeit und Eigenverantwortung zu sehr zu betonen. Ihr Kind sollte sich nicht schuldig fühlen, wenn es sich danach sehnt, ein bißchen abhängig zu sein, und Geborgenheit sucht. Erlauben Sie Ihrem Kind, so lange emotional von Ihnen abhängig zu sein, bis es seine eigene Kraft und Haltung wiedererlangt hat.
Bieten Sie Ihren Rat an
Meistens will sich ein weinendes Kind nicht ein Dutzend Lösungen für sein Problem anhören. Durch unerwünschten Rat kann die Kommunikation schnell zu Ende sein. Wenn Ihr Kind aber erkennt, daß Sie seine Gefühle akzeptieren, ist es vielleicht bereit, nach einer Lösung zu suchen, und fragt Sie, was es tun sollte. Seien Sie darauf vorbereitet, mögliche Lösungen mit ihm zu besprechen. Bieten Sie Ihren Rat jedoch nicht eher an, bevor Sie sicher sind, daß es bereit ist, ihn zu hören.
Vielleicht meint Ihr Kind, daß kein anderes Kind je ein Tor bei einem Fußballspiel verschossen habe oder genauso frustriert über eine schlechte Note gewesen sei. Lassen Sie es wissen, daß andere Leute die gleichen Probleme haben. Erzählen Sie von Ihren eigenen Erfahrungen und von denen Ihrer Familie. Erinnern Sie Ihr Kind daran, daß es menschlich ist, Fehler zu machen, daß Gott uns jedoch die Kraft geben wird, weiter zu machen. Sie können Gottes Liebe und Treue betonen, besonders in schwierigen Zeiten.
Geben Sie Ihrem Kind Zeit
Wenn einige Tage vergangen sind und Ihr Kind noch immer traurig über seine Situation ist, muß Sie das nicht unbedingt beunruhigen. Es kann Wochen oder sogar Monate dauern, um über etwas hinwegzukommen, je nachdem, wie schwerwiegend die Situation ist.
Ein Trauerprozeß braucht Zeit. Versuchen Sie zu verstehen, was Ihr Kind durchmacht. Vielleicht wünschen Sie sich, daß Ihr Kind so fröhlich wie immer ist, aber Sie sollten nicht erwarten, daß es seine Traurigkeit überspielt, nur damit Sie sich wohler fühlen. Geben Sie Ihrem Kind so viel Zeit, wie es braucht.
Natürlich sind Grenzen verständlich und notwendig. Wenn die Probleme Ihres Kindes schlimmer werden oder seine schulischen Leistungen beeinflussen, oder wenn es nicht mehr durch Ihr geduldiges Zuhören und Ihre ermutigenden Worte getröstet wird, wird es Zeit, Hilfe zu suchen.
Vielleicht machen Sie auf Ihrem Weg ein paar Fehler. Keiner kann von Ihnen erwarten, in jeder Situation das Richtige zu sagen oder zu tun. Es ist besser, überhaupt etwas zu sagen, als Ihr Kind auszuschließen, weil Sie nicht wissen, was Sie sagen sollen. Es kommt am allermeisten darauf an, daß Ihr Kind weiß, daß es die schwierigen Zeiten nicht alleine durchmachen muß.