Archäologische Funde erklären und bestätigen die Richtigkeit der historischen Einzelheiten, die für uns in den Evangelien festgehalten wurden.
Von Mario Seiglie
In der Ausgabe September-Oktober 2002 der Guten Nachrichten haben wir über archäologische Funde berichtet, die Erkenntnisse über das Gebiet Judäa am Anfang des ersten Jahrhunderts brachten, einer Epoche, in der Jesus Christus zu einem Mann heranwuchs und dann zu predigen begann. In diesem Artikel widmen wir uns weiteren Funden, die die Genauigkeit der historischen Details in den Evangelien bestätigen.
Jesus konzentrierte sich in den ersten Monaten seines Wirkens vorwiegend auf Galiläa. Trotz seiner vielen Wunder und Predigten lehnten ihn die meisten Bürger in Galiläa ab. Später hielt er sich mehr in Jerusalem auf, um dort zu predigen.
„Da fing er an, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Taten geschehen waren; denn sie hatten nicht Buße getan: Wehe dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wären solche Taten in Tyrus und Sidon geschehen, wie sie bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan. Doch ich sage euch: Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als euch. Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis in die Hölle hinuntergestoßen werden. Denn wenn in Sodom die Taten geschehen wären, die in dir geschehen sind, es stünde noch heutigen Tages“ (Matthäus 11,20-23).
Ein ungewöhnlicher Teich
Die Evangelien berichten oft davon, daß Jesus und seine Jünger nach Jerusalem reisten, um die biblischen Feste, die Gott im dritten Buch Mose gebot, zu halten (Lukas 2,41-42; 22,7-20; Johannes 2,13; 7,1-2. 8. 10. 14. 37-38). Im Johannesevangelium, Kapitel 5 wird ein Ereignis beschrieben, das während eines dieser Feste stattfand, obwohl nicht genau zu erkennen ist, um welches Fest es sich hierbei handelt. (Um mehr über die biblischen Feste zu erfahren, fordern Sie bitte unsere kostenlose Broschüre Gottes Festtage – der Plan Gottes für die Menschen an.)
„Danach war ein Fest der Juden, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der auf hebräisch Betesda genannt wird, der fünf Säulenhallen hat. In diesen lag eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer, die auf die Bewegung des Wassers warteten ...
Es war aber ein Mensch dort, der achtunddreißig Jahre mit seiner Krankheit behaftet war. Als Jesus diesen daliegen sah und wußte, daß es schon lange Zeit so mit ihm steht, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, daß er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich werfe; während ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher! Und sofort wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett auf und ging umher“ (Johannes 5,1-9; Elberfelder Bibel).
Viele Jahre lang bezweifelten Kritiker, daß der Teich nach der Beschreibung von Johannes „fünf Säulenhallen“ hatte, weil so ein architektonisches Design äußerst ungewöhnlich gewesen wäre. Diese Meinung änderte sich aber, nachdem Archäologen vor einem Jahrhundert anfingen, in dieser Gegend zu graben.
„Als Betesda von dem Jahrhunderte alten Schutt befreit worden war und ans Tageslicht gebracht wurde, entdeckten Archäologen einen großen doppelten Teich, etwa 4,5 ha groß nördlich der Tempelanlage. Man fand tatsächlich fünf Säulenhallen. Vier von ihnen umsäumten den Teich zu jeder Seite. Die fünfte Säulenhalle, in der die Kranken auf ihre Heilung warteten, stand auf einem Felsen, der den Teich in zwei Hälften teilte“ (Werner Keller, The Bible as History, 1982, Seite 423).
Die fünfte „Säulenhalle“, die einige Zweifel und sogar die Ablehnung des Berichtes von Johannes hervorgerufen hatte, war die Säulenhalle, die die zwei Teiche teilte. Die Beschreibung von Johannes erwies sich somit als richtig.
John McRay, Archäologe und Professor für neutestamentliche Lehre an der Wheaton College Graduate School in Illinois, fügt hinzu, daß bei den Ausgrabungen „viele Säulen- und Sockelteile gefunden wurden, die wahrscheinlich zu den fünf Säulenhallen des Teiches gehörten, den Johannes erwähnte“ (Archaeology & the New Testament, 1991, Seite 187).
Der Siloah-Teich
Im Zusammenhang mit einer anderen Wunderheilung Jesu Christi erwähnt der Apostel Johannes einen weiteren Teich. „Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war ... Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden. Und er sprach zu ihm: Geh zum Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder“ (Johannes 9,1. 6-7).
Auch dieser Teich wurde entdeckt. Viele Tausende Besucher pilgern jedes Jahr dorthin. Professor McRay erklärt: „Den Teich legte König Hiskia im achten Jahrhundert v. Chr. am südlichen Ende eines langen Tunnels an. Um Wasser von der Gihonquelle zum Teich innerhalb der Stadtmauern zu bringen, ließ er diesen Tunnel durch den Felsboden hauen (2. Könige 20,20) ...
Das Aussehen dieses Teiches hat sich über die Jahrhunderte hinweg verändert; der Teich ist viel kleiner, als er ursprünglich gewesen ist (170 m lang und 50 m breit). 1897 gruben F. J. Bliss und A. C. Dickie einen Innenhof von ungefähr 260 m² aus, in dessen Mitte sich der Teich befand. Wahrscheinlich war er von einem Säulengang umrandet ... Nach den Ausgrabungen von 1897 errichteten die Einwohner des Dorfes Silwan (der arabische Name für Siloah) eine Moschee mit einem Minarett über der nordwestlichen Ecke des Teiches, die dort noch immer steht“ (ebenda, Seite 188).
Professor McRay betont, daß die „Entdeckungen des Brunnens Jakobs (Johannes 4,12), des Teichs von Bethesda (5,2) und des Siloah-Teichs (9,7) ... dem Johannes-Text geschichtliche Glaubwürdigkeit verliehen haben ... Dies sind nur ein paar Beispiele, die die neutestamentlichen Berichte mit der Geschichte und Geographie in Einklang bringen“ (Seite 18-19).
Konflikte mit pharisäischen Bräuchen
Von all den Feinden Jesu verursachten die Pharisäer die meisten Probleme. Sie hatten der jüdischen Bevölkerung kleinliche religiöse Regeln auferlegt. Jesus beschrieb ihre Auswirkungen so: „Sie binden schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; aber sie selbst wollen keinen Finger dafür krümmen. Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden“ (Matthäus 23,4-5).
Christus prangerte die Heuchelei der Pharisäer an. Sie führten religiöse Vorschriften ein, die den Sinn der Gesetze, die Gott den Israeliten offenbart hatte, verdrehten oder ihm sogar widersprachen. Jesus verglich die Pharisäer mit „übertünchten Gräber[n], die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! So auch ihr: von außen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber innen seid ihr voller Heuchelei und Unrecht“ (Verse 27-28).
Übertünchte Gräber findet man häufig in Israel. Dieser Brauch wurde von den Pharisäern eingeführt.
Archäologen fanden viele alte Gräber und andere Grabstätten in Israel. Es waren einfache Erdlöcher von einem Stein bedeckt bis hin zu extravaganten Grabkammern für die Reichen. Die International Standard Bible Encyclopedia sagt: „Bei Verstorbenen ohne festen Wohnsitz mußte die Bestattung am Straßenrand stattfinden ... Unter griechisch-römischem Einfluß richteten sich die äußeren Formen und Ornamente nach der klassischen Architektur ... Alles, was zu sehen war, wurde übertüncht, damit Unreinheit durch einen zufälligen Kontakt in der Nacht vermieden wurde (Matthäus 23,27)“ (1979; Band 1; Seite 557, 559; Stichwort „Burial“).
William Barclay gibt weitere Informationen zum besseren Verständnis der damaligen Bräuche: „Hier ist wieder ein Bild, daß jeder Jude verstehen würde. Gräber wurden sehr häufig am Wegesrand gefunden. Wir haben schon gesehen, daß jeder, der mit einem toten Körper in Berührung kam, unrein wurde (4. Mose 19,16). Deshalb wurde auch jeder, der ein Grab berührte, automatisch unrein. Gerade zur Zeit des Passahfestes reisten viele Pilger auf der Straße nach Palästina. Es wäre für jeden Mann eine Katastrophe gewesen, auf dem Weg zur Passahfeier unrein zu werden, weil er dann von der Zeremonie ausgeschlossen wurde. Deshalb war es im Monat Adar jüdischer Brauch, die Gräber entlang des Weges weiß zu tünchen, damit keine Pilger aus Versehen mit einem von ihnen in Kontakt kam und dadurch unrein wurde.
Wenn sich ein Mann also im Frühling auf dem Weg nach Palästina befand, strahlten die Gräber weiß, fast hübsch, im Sonnenlicht; doch im Inneren waren sie voller Knochen und Leichen, die bei Berührung unrein machten. Jesus sagte, daß dies ein exaktes Bild der Pharisäer sei. Ihre äußeren Handlungen waren die von sehr religiösen Männern; ihre Herz aber war faulig und von Sünde durchdrungen“ (Daily Bible Study Commentary, Bibelsoftware).
Christus benutzte dieses weitverbreitete israelitische Bild, um eine geistliche Lehre zu vermitteln.
Der Korban-Schwur
Die Gesetze und Regeln der Pharisäer vernachlässigten teilweise auch die Zehn Gebote. Ein Beispiel war der Korban-Schwur.
In einer scharfen Zurechtweisung sagte Jesus den Pharisäern: „Trefflich hebt ihr das Gebot Gottes auf, damit ihr eure Überlieferung haltet. Denn Mose hat gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter! und: Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben. Ihr aber sagt: Wenn ein Mensch zum Vater oder zur Mutter spricht: Korban – das ist eine Opfergabe – sei das, was dir von mir zugute gekommen wäre, laßt ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun, indem ihr das Wort Gottes ungültig macht durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt; und ähnliches dergleichen tut ihr viel“ (Markus 7,9-13; Elberfelder Bibel).
Im 20. Jahrhundert konnten Archäologen auch Hinweise auf diese Art Schwur finden. In den 1950er Jahren entdeckten sie in einem jüdischen Grab im Kidron-Tal südöstlich von Jerusalem einen steinernen Sarg. Auf dem Sargdeckel fanden sie eine Inschrift, die den Sarginhalt als „Korban“ bezeichnete. Die Inschrift lautete: „Alles, was ein Mann als Gewinn in dieser Knochenurne findet, ist eine Opfergabe (Korban) für Gott von dem, der darin ist“ (McRay, Seite 194).
Diese Inschrift sollte Diebe davon abhalten, wertvolle Gegenstände, wie z. B. Schmuck, mitzunehmen, indem man erklärte, daß alles Gott gewidmet sei und daß die Räuber ein Sakrileg begingen, wenn sie etwas entwenden und zu einem anderen Zweck gebrauchen würden.
Warum aber würde Jesus solch einen Schwur verdammen? Der Abschnitt im Markusevangelium weist auf die möglichen Probleme hin. Jesus verurteilte einen von Menschen ausgesprochenen Schwur, der die Gebote Gottes brach. In seinem Beispiel erklärten einige einen Teil oder ihren ganzen Besitz als „Korban“ oder als Opfergabe an Gott. Unter diesen Umständen konnte ein bedürftiger Vater oder eine arme Mutter den Besitz eines verstorbenen Sohnes nicht erben, weil dieser Gott gewidmet war.
Dieser Brauch basierte auf dem nicht biblischen Glauben, daß eine Person für solch einen Schwur ein besonderes Wohlwollen Gottes gewinnen könnte. Mit der Zeit wurde dieser Schwur auch dazu benutzt, bedürftigen Eltern nicht helfen zu müssen. Jesus wies darauf hin, daß solch ein Brauch das fünfte Gebot brach, nämlich die eigenen Eltern zu ehren.
Das Buch Bible Knowledge Commentary erklärt: „Jesus zeigte, wie diese religiösen Führer dieses Gebot außer Kraft setzten. Sie brauchten nur zu bestätigen, daß ein bestimmter Gegenstand ein Gott geweihtes Geschenk war. Dann konnte dieser Gegenstand nicht mehr von einer Person benutzt, sondern mußte getrennt aufbewahrt werden. Dies war ein durchtriebener Trick, diese Dinge nicht an die Eltern übergehen zu lassen. Sie wurden natürlich weiterhin im eigenen Haus aufbewahrt, wo sie angeblich Gott geweiht waren.
Jesus verurteilte diese Praktik als heuchlerisch, denn trotz des geistlichen Anscheins diente sie dazu, nur den eigenen Besitz für sich selbst zu behalten. Den Eltern vorsätzlich nicht zu helfen, brach das fünfte Gebot ... Solche Machenschaften wurden schon Jahrhunderte zuvor von Jesaja beschrieben (Jesaja 29,13). Die Religion der Pharisäer war zu einer Religion von Bräuchen und von Menschen aufgestellten Regeln geworden. Ihr Herz war weit von Gott entfernt und deshalb war ihre Anbetung umsonst“ (Logos Software).
In der nächsten Folge dieser Artikelreihe behandeln wir Jesu Festnahme, Verurteilung zum Tode und Kreuzigung vor dem Hintergrund archäologischer Entdeckungen aus dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.