Archäologische Entdeckungen in Mesopotamien und Ägypten bestätigen diverse Details des Berichts im ersten Buch der Bibel über das Leben Abrahams und seiner Nachkommen Jakob und Josef.
Von Mario Seiglie
In der letzten Ausgabe behandelten wir archäologische Funde, die Begebenheiten aus dem ersten Buch Mose, auch Genesis [Griechisch: Schöpfungsgeschichte] genannt, bestätigen. In diesem Beitrag wollen wir sehen, wie auch andere Teile dieses ersten Buches Mose von der Archäologie bestätigt wurden. Wir beginnen mit dem Erzvater Abraham.
Abraham und die Stadt Ur
„Da nahm Terach seinen Sohn Abram und Lot, den Sohn seines Sohnes . . . und führte sie aus Ur in Chaldäa, um ins Land Kanaan zu ziehen“ (1. Mose 11,31).
Vor etwas mehr als hundert Jahren stellte der deutsche Bibelkritiker Theodor Nöldeke die Geschichtlichkeit von Abraham und der Stadt „Ur in Chaldäa“ in Frage. Für ihn, wie auch für andere Forscher, war die Geschichte von Abraham und seinen Nachkommen eine reine Erfindung. In diesem Jahrhundert jedoch wurde sehr viel Beweismaterial für die Echtheit dieser Geschichte gefunden.
Im Jahre 1922 grub der englische Archäologe Sir Charles Leonard Woolley (1880-1960) die Stadt Ur im südlichen Irak gründlich aus und stellte fest, dass sie zur Zeit Abrahams, nämlich um 2000 v. Chr., eine blühende Metropole gewesen war. Aufgrund seiner Entdeckungen konnte Woolley sogar einen Stadtplan von Ur zeichnen, auf dem schön geordnete Prachtstraßen zu sehen waren, und Umrisse von weiträumigen Villen anfertigen, in denen es sogar Bäder gab. In den Unterrichtsräumen ausgegrabener Schulgebäude wurden Schreibtafeln gefunden, die mit Grammatikregeln und Rechenaufgaben beschriftet waren. Auch der Name „Abraham“ kam mehrmals in verschiedenen Varianten vor. Diese wurden auf die beiden Jahrhunderte nach Abrahams Tod datiert.
Die International Standard Bible Encyclopedia verwirft die Behauptung Nöldekes, Abraham sei eine erfundene Gestalt gewesen, und erklärt: „Die archäologischen Funde zeigen, dass Abraham aus einer hohen Kultur stammte und dem Bild eines damaligen Patriziers entsprach. Der Hintergrund seiner Handlungen ist durch außerbiblische Quellen reichlich belegt und lässt ihn, was seinen Namen und seine Wanderzüge betrifft, als typischen Menschen seiner Zeit erscheinen. Er passt in jeder Hinsicht zur mittleren Bronzezeit und ist – entgegen früheren Erklärungen – keine Erfindung eines späteren israelitischen historischen Gedankenguts gewesen“ (Band 1, 1979, Seite 17).
„Es kam aber eine Hungersnot in das Land. Da zog Abram hinab nach Ägypten, dass er sich dort als ein Fremdling aufhielte; denn der Hunger war groß im Lande“ (1. Mose 12,10). „[Sie] nahmen ihr Vieh und ihre Habe, die sie im Lande Kanaan erworben hatten, und kamen so nach Ägypten, Jakob und sein ganzes Geschlecht mit ihm“ (1. Mose 46,6).
Wie sahen die biblischen Erzväter und ihre Angehörigen aus? Die Bibel beschreibt den Reichtum Abrahams mit Angaben über Schafe, Rinder, Esel usw. (1. Mose 12,16). Später lesen wir vom Neid der Brüder Josefs wegen seines „bunten Rocks“ (1. Mose 37,3). Es wird davon berichtet, dass Jakob die Paarungen von Schafen und Ziegen so lenkte, dass die Neugeborenen ihm und nicht seinem Schwiegervater zufielen (1. Mose 30,33-43). Erwähnt werden Musikinstrumente wie die Harfe (1. Mose 31,27) und Schusswaffen in Form von Pfeil und Bogen (1. Mose 27,3). Haben wir es hier mit Märchen zu tun?
Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurden etwa 200 Kilometer südlich von Kairo mehrere königliche Grabstätten geöffnet. Unter anderem wurde darin ein schönes Wandgemälde aus der Zeit um 1900 v. Chr. gefunden, auf dem ein Zug von Semiten dargestellt ist, die nach Ägypten kamen, um ihre Waren zu verkaufen. Abgebildet sind Männer, Frauen und Kinder, zum Teil in bunter Kleidung. Sie tragen Harfen, Pfeil und Bogen, Speere und führen Ziegen als Nahrungsquelle und Esel als Lasttiere mit. Dieses Gemälde zeigt Zeitgenossen von Abraham, Isaak und Jakob, welche die gleiche Kleidung tragen, die gleichen Tiere besitzen und die gleichen Werkzeuge benutzen wie die biblischen Erzväter. Dieser spektakuläre Fund zeigt, dass auch kleinste in der Bibel geschilderte Einzelheiten authentisch sind.
Der Hausgott Labans
Es ist oft darüber gerätselt worden, warum sich Rahel, die Frau Jakobs, in Lebensgefahr begab, um den Hausgott ihres Vaters zu verbergen. Wir lesen in 1. Mose 31, Verse 17-35: „Da machte sich Jakob auf und lud seine Kinder und Frauen auf die Kamele . . . Laban aber war gegangen, seine Herde zu scheren. Und Rahel stahl ihres Vaters Hausgott . . . Am dritten Tage wurde Laban angesagt, dass Jakob geflohen wäre. Und er . . . jagte ihm nach . . . und ereilte ihn auf dem Gebirge Gilead . . .
Da sprach Laban zu Jakob: Was hast du getan, dass du mich getäuscht hast und hast meine Töchter entführt? . . . Warum hast du mir dann aber meinen Gott gestohlen?
Jakob antwortete und sprach zu Laban: Ich fürchtete mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. Bei wem du aber deinen Gott findest, der sterbe! Hier vor unsern Brüdern suche das Deine bei mir und nimm’s hin. Jakob aber wusste nicht, dass Rahel ihn gestohlen hatte . . . Rahel aber hatte den Hausgott genommen und unter den Kamelsattel gelegt und sich darauf gesetzt. Laban aber betastete das ganze Zelt und fand nichts. Da sprach sie zu ihrem Vater: Mein Herr, zürne nicht, denn ich kann nicht aufstehen vor dir, denn es geht mir nach der Frauen Weise.“
Was machte nun diesen Hausgott so wertvoll? Die Antwort liefert uns auch hier die Archäologie. Viele solcher Hausgötter, auch Teraphim genannt, konnten im Mittleren Osten gefunden werden. In den 1920er Jahren wurden über 20 000 Tontafeln – heute Nuzitafeln genannt – im Norden des Irak entdeckt. Sie enthalten Schriftmaterial über Rechtsverhältnisse, Handelsbeziehungen und religiöse Bräuche aus der Welt Abrahams.
Nach den darin enthaltenen Informationen war der Besitz eines Hausgottes von wesentlicher Bedeutung bei Erbzuteilungen. Obwohl in der Frage, inwieweit die Erzväter von diesen Praktiken beeinflusst waren, wenig Einigkeit in der Gelehrtenwelt herrscht, passt dieser Tatbestand gut zur Geschichte von Laban und Rahel. Denn Rahel legte offensichtlich viel Wert darauf, den Hausgott mitzunehmen und zu behalten. Wenn Laban mit seinen Söhnen eine mehrtägige Verfolgungsjagd auf sich nahm, um den Hausgott wieder an sich zu bringen, wird dieser Kultgegenstand wohl einen äußerst hohen Wert gehabt haben. Das Verhalten Rahels und Labans ist verständlich, wenn der Besitz des Hausgottes bei Erbfragen entscheidend war.
Hausgötter wurden auch als Glücksbringer und sogar als Vermittler beim Anrufen anderer Götter angesehen. Nachdem Jakob wieder dem wahren Gott begegnet war und erfahren hatte, dass sich der Hausgott Labans im Besitz von Rahel befand, gab er Befehl, diesen und alle anderen Götzen zu entfernen: „Da sprach Jakob zu seinem Hause und zu allen, die mit ihm waren: Tut von euch die fremden Götter, die unter euch sind“ (1. Mose 35,2).
Hier wiederum passen die biblische Überlieferung und die Ergebnisse der Archäologie sehr gut zueinander.
Josef in Ägypten
„Lasst uns ihn [Josef] den Ismaelitern verkaufen . . . Als aber die midianitischen Kaufleute vorüberkamen, zogen sie ihn heraus aus der Grube und verkauften ihn um zwanzig Silberstücke den Ismaelitern; die brachten ihn nach Ägypten . . . Josef wurde hinab nach Ägypten geführt“ (1. Mose 37,27-38; 39,1).
Die Archäologie hat eine Fülle von Material aus dem alten Ägypten zutage gefördert. Wie steht es damit? Bestätigt oder widerlegt sie biblische Geschichten?
Nach der Bibel wurde ein junger Mann namens Josef in die Sklaverei nach Ägypten verkauft. Wenn diese Geschichte nun eine Legende sein sollte, müsste sie leicht zu widerlegen sein, denn wir wissen ungleich mehr über das alte Ägypten als über jede andere morgenländische Kultur der damaligen Zeit. Die Ägypter haben uns unzählige Denkmäler hinterlassen.
Ihre Grabstätten sind reichlich mit Wandgemälden und Beschreibungen aus ihrem täglichen Leben geschmückt. Die Bilder und Inschriften erzählen von ihrer Geschichte. Sollte die Josefsgeschichte falsch sein, müsste sie sich daher leicht entlarven lassen.
Doch die biblische Erzählung passt zu dem, was wir vom alten Ägypten wissen. In Ägypten wurde Josef zunächst zum Sklaven eines hohen Beamten namens Potifar. Dessen Frau versuchte, Josef zu verführen. Nachdem er vor ihr geflohen war, brachte sie ihn durch falsche Beschuldigungen ins Gefängnis. Wenn man die Geschichten auf den ägyptischen Gedenktafeln kennt, weiß man, dass wir es hier mit einer typischen Begebenheit in jener Gesellschaft zu tun haben. Denn es ist oft von semitischen Sklaven und untreuen ägyptischen Ehefrauen die Rede. Wie es in einem Lexikon heißt: „Nach dem Zeugnis verschiedener ägyptischer Quellen waren andere ägyptische Frauen nicht besser als Potifars Frau, wie in der Literatur als auch im Alltag beschrieben“ (The International Standard Bible Encyclopedia, Band 2, Seite 1128).
Das altägyptische Schrifttum lässt darauf schließen, dass die Deutung von Träumen eine häufige Praxis war. Als Gott Josef befähigte, den Traum des Pharao auszulegen, wurde der junge Mann zu seinem Stellvertreter befördert.
Der ägyptische Herrscher lobte ihn: „Weil dir Gott dies alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du. Du sollst über mein Haus sein, und deinem Wort soll all mein Volk gehorsam sein; allein um den königlichen Thron will ich höher sein als du. Und weiter sprach der Pharao zu Josef: Siehe, ich habe dich über ganz Ägyptenland gesetzt. Und er tat seinen Ring von seiner Hand und gab ihn Josef an seine Hand und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine goldene Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz Ägyptenland“ (1. Mose 41,39-43).
An der Wand einer ägyptischen Königsgruft findet sich ein interessantes Bild von der Amtseinsetzung eines Ministerpräsidenten. Der designierte Amtsinhaber trägt ein Gewand aus weißem Leinen und eine goldene Kette um den Hals. Wie Werner Keller schreibt:
„Josephs Erhebung zum Vizekönig von Ägypten ist in der Bibel sozusagen protokollecht wiedergegeben. Er wird mit den Insignien seines hohen Amtes bekleidet, erhält den Ring, das Siegel des Pharao, ein kostbares Leinengewand und eine goldene Kette . . . Genauso haben ägyptische Künstler auf Wandbildern und Reliefs diese feierliche Amtshandlung dargestellt. Als Vizekönig besteigt Joseph den ,zweiten Wagen‘ des Pharao. Das bedeutet – Hyksos-Zeit.
Erst die ,Herrscher fremder Länder‘ brachten den schnellen Kriegswagen nach Ägypten . . . Vor ihrer Zeit war das am Nil nicht üblich gewesen. Der mit auserlesenen Pferden bespannte Zeremonienwagen war der damalige Rolls Royce der Staatenlenker. Der erste Wagen gebührte dem Herrscher, im ,zweiten Wagen‘ nahm der höchste Beamte des Reiches Platz“ (Und die Bibel hat doch recht, Econ-Verlag, Düsseldorf, 1955, Seite 96).
Diese kurze Übersicht mag uns einen Geschmack davon vermittelt haben, wie die Archäologie die Glaubwürdigkeit der Bibel untermauert. Es wird zwar immer Menschen geben, die an der Wahrhaftigkeit von Gottes Wort zweifeln, denn nach Gottes Weg und seinen Gesetzen zu leben, ist nicht leicht. Andererseits stellen immer weniger den Wahrheitsgehalt der geschichtlichen Überlieferungen der Bibel in Frage.
Weitere archäologische Funde, welche die Berichte der Bibel erhellen und erhärten, werden in künftigen Ausgaben der Zeitschrift Gute Nachrichten behandelt.