Von der Redaktion
„Kein Staat in der modernen Geschichte war je so unangefochten die Nummer eins auf der Welt . . . Kein Konkurrent reicht an die amerikanische Wirtschaftsmacht heran. Unter Präsident Clinton sind die USA in einer beeindruckenden Boom-Phase; das riesige Etatdefizit schrumpft, Steuern werden abgebaut, die Arbeitslosigkeit sank auf ein Rekordtief.“ So beschrieb das Nachrichtenmagazin Der Spiegel die Vereinigten Staaten von Amerika in seiner Ausgabe vom 1. September 1997 (36/1997) mit dem Titel „USA: Die Herren der Welt“.
Der Leitartikel „Baden wir in unserem Ruhm“ berichtete auch über das Gebaren der USA beim G-7-Gipfel, der im Juni 1997 in Colorado stattgefunden hatte: „Wie ein Lehrmeister seinen Schülern hielten die Gastgeber den Vertretern der anderen großen Wirtschaftsnationen Schautafeln vor: ,Die Wirtschaft der USA ist so gesund wie seit sehr Langem nicht und die stärkste der Welt‘, erläuterte Clinton und zeigte auf die Kurven, die das robuste amerikanische Wachstum und die geringe Arbeitslosigkeit mit den schlechten Zahlen der anderen verglichen. Immer wieder verwies die US-Delegation auf das ,amerikanische Modell‘ und pries es triumphierend zur Nachahmung an.“
Nur vierzehn Jahre später urteilte Der Spiegel anders über das einstige „amerikanische Modell“: „Seit Jahren lebt das Land über seine Verhältnisse. Die Kriege in Afghanistan und anderswo, das teuerste Gesundheitssystem der Welt, kostspielige Konjunkturprogramme – die USA bezahlten stets mit neuen Krediten. Das ging halbwegs gut, solange wenigstens die Wirtschaft wuchs und damit mehr Geld in die Staatskasse brachte. Doch nun sind die Kassen leer“ (32/2011).
Anfang August erschreckte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Finanzwelt mit der Herabstufung der Bonität der USA – eine Entscheidung, die manche Analysten in Europa für längst überfällig hielten. Es hört sich vielleicht vermessen an, aber wir waren mit unserer Berichterstattung den Ereignissen voraus. Bereits vor der Finanzkrise im Jahr 2008 haben wir über die Schwäche des US-Dollars berichtet, und in den letzten drei Jahren – seit Beginn der Finanzkrise – haben wir mehrmals die Problematik der US-Schuldenlast behandelt.
Doch die „Vorausmeldungen“ in den Publikationen unserer Organisation reichen viel weiter zurück als das Jahr 2008. In der Tat haben unsere Vorgänger zwei große Trends, die heute Wirklichkeit geworden sind, vor mehr als 65 Jahren vorausgesagt: der Wiederaufstieg Europas, angeführt von dem Wirtschaftsmotor Deutschland, nach dem Desaster des Zweiten Weltkriegs und der langsame aber stete Niedergang der Finanz-, Wirtschafts- und Militärmacht USA.
Wie der Spiegel-Bericht vor vierzehn Jahren zeigt, schien die Position der USA als Supermacht nach dem Sieg im sogenannten „kalten Krieg“ schier unanfechtbar zu sein. Doch die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise kratzt tief am Lack der Supermacht USA, und eine Schwächung der militärischen Macht Amerikas wird bald die unausweichliche Folge sein.
Wird Amerikas Zukunft anders sein als bei allen anderen Großmächten und Weltreichen der Vergangenheit? In unserem Leitartikel auf Seite 4 befassen wir uns mit diesem Thema.