Leider tun manche Leute Dinge, die anstößig oder sogar gemein sind. Wir können ihnen ihr Verhalten nicht diktieren, aber wir bestimmen, wie wir darauf reagieren.

Von Paul Kieffer

Als einige Frauen aus der Gemeinde meine Frau fragten, ob sie ihnen helfen könnte, besondere Soßen mit Kräutern aus unserem Garten zuzubereiten, war meine Frau sofort einverstanden. Man einigte sich auf einen Termin an einem freien Tag unter der Woche, und alle sagten ihre Teilnahme zu. Dann war es so weit. Meine Frau hatte den ganzen Vormittag die Küche und das Wohnzimmer geputzt und die benötigten Töpfe, Weckgläser und Zutaten bereitgestellt.

Diese Vorbereitung hatte zwar etwas Arbeit bedeutet, aber sie freute sich auf die Aktivität und die Gelegenheit zur Pflege der Gemeinschaft. Doch es kam ganz anders als erwartet! Etwa eine Stunde vor dem Eintreffen der Gäste klingelte das Telefon. Eine Teilnehmerin sagte ab, weil sie unbedingt an diesem Nachmittag neue Schuhe kaufen wollte. Wenige Minuten später klingelte das Telefon nochmals – eine weitere Absage. Noch ein Telefonat und das Treffen war so gut wie geplatzt.

Wie hätten Sie darauf reagiert? Meine Frau nahm es relativ gelassen hin. Sie meinte, niemand wusste, was sie am Vormittag getan hatte, und es hatte nicht geschadet, aufgeräumt und geputzt zu haben. Schließlich würde sie die Frauen beim Gottesdienst am Sabbat wiedersehen und das nächste Zusammentreffen sollte für alle unbelastet sein.

Ich hatte die Geschäftigkeit meiner Frau an dem Vormittag gesehen und war versucht, die absagenden Teilnehmerinnen anzurufen und ihnen meine Meinung zu sagen! Dann erinnerte ich mich an die Einladung, die ich selbst vor 30 Jahren vergessen hatte. Ich hatte eine Familie zu Kaffee und Kuchen bei uns zu Hause eingeladen und dann vergessen, die Verabredung in meinen Terminkalender einzutragen. So war niemand zu Hause, als die Familie an unserer Wohnungstür klingelte!

(Ich habe mich bei der Familie in aller Form entschuldigt und die Einladung wurde ein paar Wochen später nachgeholt.)

Wahrscheinlich können Sie sich mit dem Erlebnis meiner Frau identifizieren. Wer hat nicht die Gelegenheit gehabt, an den Worten oder Taten bekannter Menschen Anstoß zu nehmen? Sie werden nicht zu einer Party eingeladen, zu der fast alle Ihre Freunde eingeladen werden. Ihr Chef lobt Ihren Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft, lässt aber Ihren Beitrag zum Erfolg des gemeinsamen Projekts unerwähnt.

Der Empfänger Ihres Geschenks dankt Ihnen nicht dafür. Ihr Sohn drückt die Reservebank während des ganzen Fußballspiels, obwohl er ein genauso guter Spieler ist wie der Sohn des Trainers, der zur ersten Elf der Mannschaft gehört und im Gegensatz zu anderen so gut wie nie ausgewechselt wird.

Man kann es schwer finden, manche Anstöße zu ignorieren bzw. zu übersehen. Doch die Bibel ermahnt uns, nicht überempfindlich zu sein: „Nimm auch nicht zu Herzen alles, was man sagt, dass du nicht hören müssest, wie dein Knecht dir flucht; denn dein Herz weiß, dass du andern auch oftmals geflucht hast“ (Prediger 7,21-22).

Wir wissen, dass Liebe ein wesentlicher Teil der Frucht des heiligen Geistes ist (Galater 5,21-22). In 1. Korinther 13, Vers 5 lesen wir, dass ein wichtiger Aspekt dieser Liebe die Fähigkeit ist, sich nicht zum Zorn reizen zu lassen.

Wer seine Lebensführung an Gottes Moralgesetz orientiert und sein Wort als Leitfaden für das eigene Leben sieht, wird nicht zulassen, dass geringe Anstöße einen Keil zwischen ihn und seine Mitmenschen treiben. Er versteht, wie schnell man selbst unbewusst Anstoß geben kann. Sprüche 11, Vers 12 ermahnt uns: „Wer seinen Nächsten schmäht, ist ein Tor; aber ein verständiger Mann schweigt stille.“

Andererseits bedeuten die zitierten Bibelverse nicht, dass wir niemals Anlass hätten, einen Mitmenschen wegen eines ernsthaften zwischenmenschlichen Problems zu konfrontieren. Es gibt Situationen, die bedingen, dass wir mit unserem Bruder reden, wie Christus es uns in Matthäus 18, Verse 15-17 gebietet. Konfrontationen mit anderen sollten aber kein Merkmal unserer Persönlichkeit sein. Wir wollen nicht als derjenige bekannt sein, der nur darauf wartet, beleidigt zu werden, um dann der beleidigenden Person die Leviten lesen zu können! Wer hält sich gern in der Gesellschaft solcher Menschen auf?

Es gibt auch Menschen, die zwar nicht auf Konfrontationskurs gehen, aber dennoch schnell beleidigt sind. Sie grübeln über die Worte oder Taten anderer und erleben dabei allerlei negative Emotionen. Das ist auch nicht gut. Halten solche Emotionen länger an, können sie eine Verbitterung oder gar Rachegefühle zur Folge haben. Vielleicht kennen Sie jemanden, der sich wegen einer Kleinigkeit jahrelang von einem Freund zurückgezogen hat.

Wissen Sie was? Anstöße gehören zum Leben! Sie können auch manchmal verletzend sein, aber müssen wir uns dann beleidigt fühlen? In Kolosser 3, Vers 13 werden wir ermahnt: „Ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ Wir sollen uns nicht nur vergeben, sondern einander ertragen! Wie schaffen wir das? Nachfolgend sind einige Vorschläge dazu, die mir geholfen haben.

Steht das eigene Ich im Mittelpunkt?

Schnell beleidigt zu sein lässt sich oft auf das eigene Ich zurückführen, das in unserem Bewusstsein zu stark im Mittelpunkt steht. Wie drückt sich das aus? Durch Reaktionen wie „Keiner mochte meine Ideen“, „Sie hatte keine Zeit für mich“, „Niemand fragte mich nach meiner Meinung“, „Sie haben kaum mit mir geredet“, „Ich hätte diese Position bekommen sollen“ usw.

Eine Bekannte berichtete vor einigen Jahren, wie beleidigt sie sich fühlte, als sie und ihr Ehemann einige befreundete Ehepaare zum Abendessen bei sich eingeladen hatten. Ein Gast erzählte beim Essen, was für eine wunderbare Gastgeberin eine Frau war, die an diesem Abend nicht eingeladen war:

„Ihr solltet mal sehen, wie Bärbel den Tisch deckt und was sie an Gerichten zubereitet. Wer ihr Gast ist, würde meinen, in einem First-Class-Hotel zu speisen. Dabei sind ihre Nachspeisen die absolute Krönung!“

Der Gast kommentierte mit keinem Wort das Abendessen der Gastgeberin, die sich viel Mühe gegeben und auch einen schönen Tisch gedeckt hatte. Verständlicherweise war sie beleidigt, aber als sie später darüber nachdachte, erkannte sie, dass sie sich nur deshalb so fühlte, weil jemand anders und nicht sie anerkannt wurde.

War das Verhalten des Gastes, der sich nicht einmal für die Einladung bedankte, geschmacklos? Ja, zweifelsohne! War die Gastgeberin deshalb berechtigt, Anstoß zu nehmen und sich beleidigt zu fühlen? Das Verhalten des Gastes konnte sie nicht bestimmen, wohl aber ihre eigene Reaktion, auch wenn die Hoffnung auf ein positives Feedback verständlich ist.

Wie würden Sie in dieser Situation reagieren? Würde es Sie irritieren, dass jemand anders gelobt wird und Ihre Bemühungen nicht anerkannt werden? Wenn ja, dann versuchen Sie an die positiven Eigenschaften der gelobten Person zu denken. Überlegen Sie dabei, warum sie gelobt wird, und bitten Sie Gott um seine Hilfe, damit Sie sich über die Anerkennung anderer Menschen freuen können.

Wer sich oft an der Anerkennung stört, die anderen zuteil wird, hat möglicherweise ein Problem mit mangelnder Demut. Zu einer gesunden Selbsteinschätzung gehört auch die Erkenntnis, dass wir nicht auf allen Gebieten der begabteste oder talentierteste Mensch auf Erden sind!

Wer das weiß und in Jesu Fußstapfen nachfolgt, indem er andere höher schätzt als sich selbst, wird nicht so schnell beleidigt sein, wenn man mal übersehen wird. Die Nächstenliebe zu praktizieren ist ein bewährtes Mittel gegen die vermeintlichen Anstöße unserer Mitmenschen.

Eine Bestandsaufnahme unserer Emotionen

Oft sind die Menschen, die schnell beleidigt sind, auf vielerlei Weise überempfindlich. Aufgrund ihrer Erfahrung haben sie vielleicht eine wunde Psyche und neigen dazu, neutrale Kommentare negativ auszulegen. Sie nehmen leicht Anstoß, aber nicht deshalb, weil das Gesagte und Getane an sich verletzend war, sondern weil sie es falsch interpretieren.

Eine Frau berichtete vor ein paar Jahren über eine Auslandsreise, die sie mit einer Gruppe unternommen hatte. Ein Mitreisender stellte sich ihr vor und fragte, wie alt sie sei. Die Frau war derart überrascht von der Frage, dass ihr die Sprache zunächst wegblieb. Bevor sie antworten konnte, hakte der Fragesteller nach: „Sind Sie 52 Jahre alt? Ihrem Erscheinungsbild nach könnten Sie so alt sein.“

Die Frau war aber erst 42 Jahre alt und fragte deshalb: „Sehe ich wirklich so alt aus?“ Darauf stellte der Fragesteller fest: „Nun, Sie sind vielleicht erst 48.“ Die Frau brach die Unterhaltung ab und erzählte ihren Bekannten, wie dreist sie die Frage einer Person fand, die sie gerade erst kennengelernt hatte.

Der Umgang des Fragestellers in diesem Fall zeugte freilich nicht besonders von ausgereiftem Taktgefühl. Später dachte die Frau darüber nach und erkannte, dass ihre Reaktion nicht so sehr auf die falsche Einschätzung ihres Alters, sondern auf die eigene Unzufriedenheit mit ihrem Aussehen zurückzuführen war. Sie wusste, dass sie älter aussah als ihr wirkliches Alter, und das störte sie.

Wenn Sie schnell dabei sind, Anstoß zu nehmen, können Sie sich fragen, ob Sie mit Ihrem eigenen Leben zufrieden sind. Neigen Sie dazu, die Schuld bei anderen für vermeintliche Beleidigungen zu suchen, obwohl Sie sich in Wirklichkeit deshalb ärgern, weil Sie eigene Probleme haben? Bitten Sie Gott um Hilfe bei der Überwindung früherer emotionaler Wunden, damit sie nicht ständig einen Keil zwischen Sie und Ihre Mitmenschen treiben.

Den Hintergrund des anderen berücksichtigen

Warum sind wir so, wie wir sind? Unsere Beweggründe werden sehr unterschiedlich sein und hängen zu einem wesentlichen Anteil von unserem persönlichen Hintergrund ab. Das familiäre Umfeld, in dem wir aufgewachsen sind, unsere Erziehung und die Kultur der Gesellschaft üben einen großen Einfluss auf uns aus. Manchmal spiegelt das, was für uns befremdlich wäre, lediglich eine andere Persönlichkeit oder einen anderen persönlichen Hintergrund wider.

Solche Unterschiede merkt man besonders dann, wenn man sich im Ausland aufhält oder Ausländer im eigenen Land leben. Die zwischenmenschliche Kultur Asiens ist viel weniger direkt als die westliche Kultur. Der Gast aus dem Westen in Asien wird manchmal meinen, ausweichende Antworten auf seine Fragen zu erhalten, während diese Fragen für die Kultur Asiens sehr direkt sein könnten. Filipinos antworten oft mit „vielleicht“, wenn sie die Frage eigentlich verneinen wollen, weil sie den Gesprächspartner nicht enttäuschen möchten.

Bevor man das nächste Mal Anstoß an etwas nimmt, kann man versuchen, sich in die Lage der anderen Person zu versetzen. Ihre Perspektive und daraus resultierende Motivation können eine ganz andere sein als die, die Sie sich vorstellen. Auf diese Weise mag etwas, das sonst als Beleidigung aufgefasst werden könnte, gar keine sein.

Unrealistische Erwartungen ablegen

Manchmal nehmen wir Anstoß, weil die Fehler und Verfehlungen unserer Mitmenschen uns enttäuschen. Nach dem Gottesdienst bilden sich immer dieselben Grüppchen, die elitär wirken. Die Lehrerin Ihres Kindes hat kaum Zeit für eine Elternkonferenz und wimmelt Sie immer mit fadenscheinigen Ausreden ab. Der Möchtegernaufsteiger im Büro versucht, sich einzuschleimen und prahlt vor den Kollegen mit seiner angeblich guten Beziehung zum Chef. Solche Dinge kommen nun mal im Leben vor. Seien Sie deshalb nicht davon überrascht!

Wenn die Person, deren Verhalten anstößig ist, die christliche Berufung angenommen hat, wird es mit der Zeit positive Früchte in ihrer Lebensführung geben. Daran können wir denken, ebenso an die Tatsache, dass wir alle Menschen sind und deshalb nicht perfekt sind. Wir werden alle von Zeit zu Zeit Fehler machen.

Der Apostel Paulus fasste unsere menschliche Unzulänglichkeit wie folgt zusammen: „Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht“ (Römer 7,18). Diese Erkenntnis kann die Grundlage einer verständnisvollen Toleranz gegenüber unseren Mitmenschen sein und uns helfen, keinen Anstoß zu nehmen, wenn Dinge getan und gesagt werden, die anstößig sein könnten.

Gute Motive voraussetzen

Schließlich ist es wichtig, davon auszugehen, dass die Person, die Sie beleidigt haben soll, entweder Ihr Wohl im Sinn hatte oder Sie nicht absichtlich verletzen wollte. Mir ist das Beispiel einer Werbetexterin bekannt, die Blätterteig für die Kollegen der Werbeagentur zubereitet hatte. Als ihr Chef die kulinarische Kreation probierte, rief er spontan aus: „Sie haben sich anscheinend für den falschen Beruf entscheiden! Sie sollten eine Bäckerei eröffnen, denn einen besseren Blätterteig habe ich noch nie gegessen!“

Die Mitarbeiterin dankte ihm für das Kompliment, aber innerlich war sie wütend. Sie hatte schon mehrere Auszeichnungen für ihre Arbeit erhalten und ärgerte sich zunächst, dass ihr Chef meinte, sie hätte Konditorin werden sollen.

Dann fiel ihr wieder ein, dass er ihr nur eine Woche zuvor ein Kompliment für eine erfolgreiche Direct Mailing-Werbekampagne gemacht hatte. So sah sie ein, dass sein Kompliment für den Blätterteig lediglich seine momentane Begeisterung widerspiegelte und keine Wertung ihrer Leistung als Werbetexterin war. An diesem Beispiel erkennen wir, dass wir uns davor hüten sollen, eine Äußerung anders zu interpretieren, als sie eigentlich gemeint war.

Andererseits können wir die Person sein, deren Worte falsch ausgelegt werden. Es kann vorkommen, dass wir mit etwas Unüberlegtem herausplatzen, das missverstanden oder als mangelndes Taktgefühl aufgefasst werden kann. Ich muss zugeben, dass mir das mehrmals im Leben passiert ist, und ich war in solchen Situationen für Freunde dankbar, die mir keine schlechten Motive unterstellten. Im Sinne der Nächstenliebe soll ich bereit sein, anderen das Verständnis entgegenzubringen, das mir entgegengebracht wurde.

Wenn Sie das nächste Mal versucht werden, Anstoß zu nehmen, können Sie kurz innehalten und an die Hinweise denken, die Sie in diesem Artikel gelesen haben. Vielleicht erkennen Sie dabei, dass es eigentlich gar keinen Anlass zum Beleidigtsein gibt.

Und wenn das Verhalten des anderen wirklich anstößig ist, können wir Gott bitten, seine Liebe in uns wirken zu lassen: Seine Liebe „lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach . . . Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage vertraut und hofft sie für andere; alles erträgt sie mit großer Geduld“ (1. Korinther 13,5. 7; Gute Nachricht Bibel).

Wie verhalten wir uns, wenn wir Anstoß gegeben haben?

Wenn wir mit unserem Verhalten oder unseren Worten andere verletzt haben, ist es wichtig, dass wir unser Bedauern für das verkehrte Verhalten ausdrücken. Es ist jedoch möglich, einen Fehler zuzugeben, ohne Reue zu empfinden bzw. zu zeigen. Deshalb sind „Früchte der Reue“ wichtig. Als viele Pharisäer und Sadduzäer zu Johannes dem Täufer kamen, um sich von ihm taufen zu lassen, forderte er sie auf: „Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!“ (Matthäus 3,8).

In unserem Fall bedeutet dies, dass wir den durch unser falsches Verhalten verletzten Personen zeigen, dass wir eine wichtige Lektion gelernt haben und uns in Zukunft anders verhalten werden, indem wir einen konkreten „Aktionsplan“ haben. In 1. Timotheus 6, Verse 9-11 wies uns Paulus auf bestimmte Versuchungen und Fallen hin, die der gewissenhafte Christ meiden muss.

Es gilt daher, die Beständigkeit notwendigen Veränderung zu demonstrieren, mit der zukünftige Fehler gemieden werden sollen. Diejenigen, die wir mit unserem falschen Verhalten verletzt haben, brauchen die Vergewisserung, dass wir sie nicht wieder verletzen werden. Das schaffen wir nur, wenn wir über längere Zeit gute Früchte bringen und damit zeigen, dass wir unsere Lektion gelernt haben und dass eine nachhaltige Veränderung in unserer Lebensführung eingetreten ist.

In Matthäus 7, Vers 16 lesen wir: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Die Wichtigkeit dieser Feststellung erkennt man daran, dass sie in Vers 20 wiederholt wird. Wir können nur dann wissen, ob ein bestimmter Apfelbaum ein „guter“ Baum ist, indem wir uns seine Frucht ansehen. Dafür ist Zeit erforderlich. Im Spätsommer kann man ernten; sind die Äpfel zahlreich, wohlschmeckend und schön zum Ansehen, dann haben wir die Gewissheit, dass es sich um einen guten Baum handelt. Freilich dauert es ein paar Jahre bei einem Obstbaum, bis er Früchte trägt und man dann beurteilen kann, ob die Früchte gut sind.

In Johannes 15, Vers 16 lesen wir eine wunderbare Feststellung Jesu Christi, die mit unserer Berufung zu tun hat: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt.“ Als Christen haben wir die Aufgabe, sichtbare Frucht der christlichen Lebensweise hervorzubringen. Es gibt einige, in deren Leben solche Früchte eine Zeit lang zu sehen sind, die dann abnehmen und zum Schluss gar nicht mehr zu sehen sind. Die Frucht, die Christus meinte, bleibt während unseres ganzen Lebens sichtbar.

Jesus sagt uns, dass er uns „wegnehmen“ wird, wenn wir keine Frucht bringen. Wenn wir Frucht bringen, züchtigt er uns, damit wir mehr Frucht bringen können: „Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe“ (Johannes 15,2). Zu der Frucht, die wir als Christen bringen sollen, gehört auch eine veränderte Lebensweise gegenüber unseren Mitmenschen. Das kann ein Umdenken bezüglich des Vergebens und Vergebenwerdens mit einschließen.

Wenn wir andere Menschen verletzt haben, wird es Zeit brauchen, bevor sie uns wieder vertrauen können. Das dürfen wir nicht vergessen. Wahrscheinlich wollen sie uns vertrauen, aber Zeit ist für das Heilen der Wunde notwendig, damit die Versöhnung ihren Lauf nehmen kann. Versöhnung ist ein Prozess, den man nicht im Schnellverfahren oder durch Drücken einer schnellen Vorlauftaste beschleunigen kann.