Menschen, die mit Depressionen ringen, leben nicht in einem Vakuum.

Von Paul Kieffer

Die Freunde und Familien von Menschen, die mit Depressionen ringen, erleben ihre Schwermut mehr oder weniger mit. Leider haben viele, die bei ihrer Familie oder im Freundeskreis Hilfe gesucht haben, keine positiven Erfahrungen gemacht. Früher galten Depressive als verrückt oder von Dämonen besessen. Oder man hat sie einfach ignoriert, was vielleicht noch schlimmer war.

Familie und Freunde können jedoch eine entscheidende Quelle der Hilfe und Unterstützung sein. Was können Angehörige und Bekannte tun, um einem depressiv veranlagten Menschen zu helfen, sich besser zu fühlen?

Die Beziehung so normal wie möglich halten. Das Empfinden der Einsamkeit ist eine häufige Begleiterscheinung von Depressionen. Der depressive Mensch braucht in dieser Situation die Bestätigung seiner Angehörigen und Freunde, indem sie sich bemühen, sich möglichst wie gewohnt zu verhalten.

Auf negative Gedanken in sachlicher Weise hinweisen, ohne dabei kritisch oder ablehnend zu wirken. Ein unter Depressionen leidender Mensch ringt oft mit einem geringen Selbstwertgefühl. Berechtigte Kritikpunkte sollten daher immer sachlich und nicht als gegen die Person gerichtet vorgetragen werden.

Anerkennen, dass der Betroffene wirklich leidet. Zum Empfinden des Alleinseins kann auch die Überzeugung beitragen, man würde mit seinem Leiden nicht richtig ernst genommen. Ein depressiver Mensch leidet wirklich! Depressionen lösen andauernde Gefühle der Traurigkeit, Angst oder Leere aus, und der depressive Mensch hat unter diesen Umständen oft keine Energie, die einfachsten Tätigkeiten zu bewältigen. Wer die Geduld verliert und dem Betroffenen sagt, er solle seine Depressionen „abschütteln“ und sein Leben in die Reihe bringen, fügt ihm noch Spott zum Schaden hinzu. Das gilt auch, wenn man der depressiven Person die Schuld für ihren Zustand gibt: Sie leidet in der Regel ohnehin unter – oft unbegründeten – Schuldgefühlen.

Zeigen, dass man für ihn Fürsorge, Achtung und Wertschätzung empfindet. Dem Empfinden der Wertlosigkeit bzw. Hilflosigkeit wirkt man entgegen, wenn man dem depressiven Menschen durch Wort und Tat vermittelt, dass er trotz seiner Erkrankung einen unantastbaren Wert als Mensch hat.

Die depressive Person nach Möglichkeit zu guten Essgewohnheiten und sportlicher Betätigung ermutigen. Unregelmäßige und unausgewogene Essgewohnheiten sowie mangelnde Bewegung können eine depressive Haltung begünstigen. Heute weiß man, dass unsere Ernährung unser psychisches Wohlbefinden beeinflussen kann. Beispielsweise haben Forscher eine Verbindung zwischen denaturierten Lebensmitteln mit hohem Zuckergehalt und depressiven Tendenzen festgestellt.

Freilich kann es schwierig sein, einen Menschen, dem die Motivation für manche Dinge im Leben ganz zu fehlen scheint, zu besseren Gewohnheiten zu animieren. Ein Vorschlag wäre, dass man mit dem depressiven Menschen gemeinsam isst, so oft es geht, oder Sport treibt. So verbindet man eine positive Anregung auch mit Gesellschaft, die dem Depressiven oft fehlt oder von ihm als fehlend empfunden wird.

Der depressiven Person in ihrer Trauer beistehen. Dr. Manfred Wolfersdorfer, ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, weist auf den unbestreitbaren Zusammenhang zwischen Trauer und Depression hin: „Über 60 Prozent aller Depressionen entstehen aus unverarbeiteter Trauer“ (Psychologie Heute, Januar 2004, Seite 68). Wer einen Trauerfall erlebt, wird in der Regel bestimmte Trauerphasen durchmachen, die man durch Analyse vieler Trauerfallbeispiele beobachtet hat. (Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer kostenlosen Broschüre Nach dem Tode – was dann?.)

Auf Äußerungen über Selbstmord achten. Die frühere Vorstellung, wonach derjenige, der Selbstmordabsichten kundtut, diese nur als Drohung ausspricht, hat sich längst als falsch erwiesen. Selbstmordgedanken sind immer ernst zu nehmen.

In dem Bemühen, einem depressiven Menschen zu helfen, sollte man aber eines nicht versuchen: eine Psychoanalyse durchzuführen. Eine solche Behandlung sollte allein einem geschulten Fachmann vorbehalten bleiben. Manche wohlmeinende Freunde und Angehörige haben mit ihren Ideen und Lösungen mehr Schaden angerichtet als Hilfe geleistet. Also: Verständnis zeigen – ja, psychoanalytisch tätig werden – nein!

Praktische Tipps für den Sieg über schlechte Laune

Manchmal sind wir traurig. Wenn wir „nicht so gut drauf sind“, sagen wir vielleicht, dass wir deprimiert sind. Aber wahre Depression – klinische Depression – ist mehr als nur Traurigkeit oder schlechte Laune. Sie zeichnet sich durch schwerwiegende Symptome und biochemische Veränderungen aus.

Im Leben kommt es vor, dass Hoffnungen zerschlagen werden. Dann sind wir enttäuscht. Diesen Zusammenhang erkannte man bereits vor ca. 3000 Jahren: „Hoffnung, die sich verzögert, ängstet das Herz“ (Sprüche 13,12). In dieser Situation hilft es allemal, einen klaren Kopf zu behalten, die Situation zu durchdenken und die Ursache für unsere Gefühlslage zu isolieren. So kann es uns gelingen, unsere Lage in ein positiveres Licht zu rücken.

Leider lassen einige Menschen ihre häufigen Enttäuschungen zu einer Lebensausrichtung werden. Solche Leute haben es schwer, optimistisch zu sein. Der klinische Therapeut Peter Breggin beschreibt die Gefühlslage eines depressiven Menschen wie folgt: „Viele Menschen leben ständig in einer sogenannten ,leichten‘ Depression. Sie wirken apathisch, und für sie ist das Leben monoton, ohne etwas, worauf sie sich freuen können. Es gibt keine Hochs mehr, nichts, was die Sinne, das Herz oder den Verstand erfreut. Ihr Leben mag nicht total dunkel sein, aber grau ist es schon. Ohne Energie und unfähig, eine Lichtquelle zu entdecken, wird ihr Leben zu einer Tretmühle der Langeweile und Trostlosigkeit“ (Talking Back to Prozac, St. Martin Press, New York, 1994, Seite 201).

Nachfolgend einige Tipps, wie man mit schlechter Laune fertig werden kann:

Ändern Sie Ihre Routine. Probieren Sie ein neues Hobby oder eine neue Freizeitbeschäftigung aus. Neue Aktivitäten können die Lebensfreude erneuern und die Mutlosigkeit vertreiben. „Die Depression reagiert positiv auf eine Veränderung der Lebensumstände . . . Sie wird vertrieben, wenn man sich verliebt, eine neue Freundschaft schließt, sich ein Haustier zulegt, eine neue Fertigkeit erlernt, eine Reise unternimmt oder sich im sozialen Bereich in der Nachbarschaft oder der Kommune betätigt“ (ebenda, Seite 204).

Sich sozial zu betätigen scheint besonderen therapeutischen Wert zu haben. In den USA berichteten 95 Prozent von 3000 Personen, die eine Testgruppe bildeten, über die positiven Impulse, die sie bei einem freiwilligen sozialen Engagement empfanden.

Sport zu treiben kann auch helfen. Regelmäßige körperliche Bewegung hat bekanntermaßen positive physiologische und psychologische Auswirkungen wie z. B. die Anregung zur Produktion von Endorphinen. Sie steigern das Empfinden des Wohlergehens, tragen zu einem größeren Selbstbewusstsein bei und helfen, die Neigung zur Depression zu mindern (Dr. Edmund J. Bourne, The Anxiety & Phobia Workbook, New Harbinger Publications, Oakland, 1995, Seite 91-92).

Es gilt, unsere Erfolge hervorzuheben, statt unsere Misserfolge zu betonen. Ein Misserfolg bedeutet nicht, dass wir ein Versager sind. Wir sollen sie als quasi Lehrgeld sehen, das uns in Zukunft zugute kommen wird. Für manche Menschen hingegen öffnet ein Misserfolg die Tür zu Depressionen, weil sie sich für ihre Fehler selbst strafen. Stattdessen können wir von unseren Fehlern lernen und so ein potenzielles Hindernis in ein Sprungbrett nach vorne umwandeln.

Probleme der Vergangenheit zu vergessen ist ein wichtiger Schlüssel. Die Therapeutin Kathleen Powers meint dazu: „Ein Optimist hat die Fähigkeit, die Vergangenheit loszulassen, während ein Pessimist an allem festklammert. Es ist, als würde man beim Autofahren ständig in den Rückspiegel blicken. Die Straße nach hinten mag der Straße nach vorne ähnlich sein, aber in Wirklichkeit ist sie das bereits Erlebte“ (Knight-Ridder Nachrichtenagentur, 23. Februar 1996).

Die Anwendung dieser praktischen Tipps kann uns eine große Hilfe sein, wenn wir durch die normalen Rückschläge im Leben enttäuscht werden.