Sehen Sie die Lebenspraxis mit Orientierung und einem rechten Maß in allen Bereichen wie Ernährung, Gesundheit, Finanzen usw. als Zeichen des Christseins?
Von Paul Kieffer
Millionen und Abermillionen Menschen sehen sich als Christen. Das heißt, formell bekennen sie sich zum christlichen Glauben im Unterschied zum Islam, Buddhismus, orthodoxen Judentum oder einer anderen Religion.
Das Etikett „Christ“ garantiert aber nicht, dass es unter Christen die gleichen Gemeinsamkeiten gibt. Der Sammelname „Christentum“ offenbart eine breit gefächerte Ansammlung teils unterschiedlicher, ja auch widersprüchlicher Überzeugungen. Was der eine im Namen Christi glaubt, gilt dem anderen, ebenfalls im Namen Christi, als ketzerischer Irrtum!
Das Christentum hat seit dem ersten nachchristlichen Jahrhundert bis zum Konfessionsdschungel unserer modernen Zeit einen beträchtlichen Wandel durchgemacht und lässt sich immer schwerer definieren. Hunderte von Organisationen erheben auf die Bezeichnung „christlich“ Anspruch und vertreten nicht nur teils widersprüchliche Lehransichten, sondern unterscheiden sich auch in der Praxis.
Die Variationen in der christlichen Überzeugung führen zu auffälligen Gegensätzen. Auf der einen Seite gibt es quasi militante christliche Richtungen, die ihre Vorstellung von Gerechtigkeit mit massivem Druck durchsetzen wollen – wie etwa bei christlich orientierten Gruppen in den USA, die gegen die Abtreibung sind. Andererseits gibt es Anhänger eines strengen Pazifismus oder solche, die sich ganz von der Welt zurückziehen wollen und in kleinen, abgeschiedenen Gruppen leben.
Auf der Suche nach Christen
Nehmen wir an, wir würden ein Experiment durchführen: Wir wären auf der Suche nach wahren Christen. Wie würden wir das anstellen? Nehmen wir auch an, wir würden bei unserer Suche die klaren, einfachen Stellen in der Heiligen Schrift, die uns zeigen, was man von einem Nachfolger Jesu Christi erwarten kann, nicht zu Rate ziehen. Wo würden wir mit der Suche beginnen?
Nach welchen Gesichtspunkten würden wir das Land auswählen, in dem wir beginnen würden? Unter welchen Rassen und Nationalitäten, religiösen und politischen Weltanschauungen würden wir forschen? Würden wir als Erstes in einer der großen, staatlich anerkannten Konfessionen suchen? Oder lieber unter den kleinen unabhängigen Freikirchen? Oder bei den Menschen, die sich zu Jesus bekennen, aber ganz ohne Kirche auszukommen meinen?
Im Mittelalter hätte unsere Suche nach einem wahren Christen keine großen Schwierigkeiten bereitet. Wir hätten nur Ausschau halten müssen nach dem Kreuzbanner, nach dem blutgetränkten Schwert, mit dem man noch den letzten Ungläubigen zerstückelte. Unsere mittelalterliche Suche hätte uns in die Folterkammern geführt. Dort hätten wir gesehen, wie „Christen“ ihre hilflosen Opfer zur Annahme der Wahrheit gepeinigt hätten. Wir hätten sie in jenen Tagen auch auf dem Dorfplatz finden können, mit Genugtuung einer Hexenverbrennung zuschauend!
Religion nach dem Lineal
Würden wir bei unserer Suche pharisäische Maßstäbe anlegen, hätten wir es einfacher. Jedes Maßband oder Zentimetermaß hätte genügt. Wir hätten nur die Breite der Gebetsriemen vergleichen und die darauf eingetragenen religiösen Texte prüfen müssen. Wir hätten nur feststellen müssen, ob der Kandidat tatsächlich „zweimal in der Woche“ fastete, getreulich Minze, Dill und Kümmel verzehntete (Lukas 18,12; Matthäus 23,23) und – ganz wichtig – auf andere Menschen, deren Gerechtigkeit als minderwertig galt, mit Verachtung herabblickte.
In der Geschichte war es immer dasselbe. Echte Gläubige? Wahre Christen? Wo findet man sie?
Ganz einfach: Man braucht dazu Zollstock, Maßband und ein Handbuch der Kleiderordnung oder Essgewohnheiten. Einen wahren Christen finden? Einfach. Sieh, wie er sich ernährt. Wie er sich kleidet. Achte besonders auf seine Haarlänge, inklusive Koteletten und Bart. Durchsuche Küche, Kühlschrank und Vorratskammer. Schau, ob du nicht Gräuel wie Bier, Wein, weißen Zucker oder dergleichen entdeckst.
Vielleicht ist ein echter Christ wie der Mann, dem ich einmal während einer Bahnreise begegnet bin. Er fand einen freien Sitzplatz und nahm bald eine Bibel aus seiner Tasche. Er fing an, eifrig zu lesen und seine Kommentare zu dem Gelesenen zu machen. Anscheinend hatte er keine Zeit, die Bibel zu Hause, beim Gottesdienst oder, wenn er reist, in der Stille seines Hotelzimmers zu lesen.
Würde man gotteslästerliches Schrifttum wie etwa einen modernen Roman bei ihm finden? Vielleicht nicht, denn das würde den Rahmen seines religiösen Lineals sprengen. Um ein rechtes Licht in der Welt zu sein, vermitteln solche Menschen eher den Eindruck eines religiösen Fanatikers.
Manche Gläubigen drücken ihre Überzeugung durch rasiertes Haupthaar und lange Gewänder aus, andere durch gewaltige Bärte, breite Hüte und eine allgemeine Verachtung gegenüber allem, was den Geruch der Moderne hat. Mit ihren Regeln schaffen sie ein „Schmalspur-Christentum“, das sich durch die Beachtung kleinlicher Vorschriften auszeichnet.
Ausgewogenes Leben
Im Gegensatz dazu zeichnet sich wahres Christentum durch eine ausgewogene Lebensführung aus. Gerade eine ausgewogene Lebensweise ist der Bibel zufolge ein Merkmal der Nachfolger Jesu Christi. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“, ermahnt uns Jesus in Matthäus 7, Vers 16.
Die pharisäische Selbstgerechtigkeit der scheinheiligen Gruppe geißelnd, die seinen Tod wollte, griff Jesus nicht nur die falsche Lehre (Theorie), sondern vor allem die Frucht (Praxis) der Lebensweise der Pharisäer an. Sie stellten zu Jesu Zeiten den Inbegriff äußerer Gerechtigkeit dar. Jesus hingegen wurde von den Pharisäern als „Fresser und Weinsäufer“ bezeichnet, nur weil er ab und zu an festlichen Mahlzeiten teilnahm und Wein trank. Jesus nannte die Pharisäer Schlangen und Otterngezücht, weil sie von anderen Gerechtigkeit verlangten, sich auch selbst damit brüsteten, in der Praxis aber keineswegs danach handelten.
Im Gegensatz zur Engstirnigkeit der Pharisäer sollen Jesu wahre Nachfolger seinem Beispiel folgen: eine ausgewogene Persönlichkeit, vernünftig, ausgeglichen und gereift an Gefühl und Verstand, an Psyche und Geist. Die Kraft dazu verleiht uns der heilige Geist: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7; alle Hervorhebungen durch uns).
Diejenigen, denen die Kraft des heiligen Geistes fehlt, sind schon in der Lage, die Wichtigkeit der Ausgewogenheit zu erkennen, doch ihnen gelingt die Umsetzung ihrer Vorsätze nicht immer. Als Funkamateur ist mir z. B. ein Verhaltenskodex für Funkamateur bekannt. Darin heißt es: „Der Funkamateur ist ausgeglichen. Der Amateurfunk ist sein Hobby. Der Funkamateur lässt nie zu, dass der Amateurfunk ihn an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber seiner Familie, seinem Beruf oder seiner Gemeinde hindert.“ Doch in meinem Bekanntenkreis gab es mehrere Funkamateur, deren Hobby sie ihre Familien auf empfindliche Weise vernachlässigen ließ.
Das Gleiche gilt für viele andere Freizeitbeschäftigungen. In unserer chaotischen Welt widerstreitender Ideale und allgemein aufgeweichter Normen ist es für einen Menschen, der aufrichtig ein wahrhaft christliches Leben führen will, schwieriger denn je geworden, die richtige Ausgewogenheit zu finden. Der ausgewogene Mittelweg ist für viele langweilig geworden. Stattdessen sucht man den Kick durchs Extrem, ob in der Unterhaltung oder durch Extremsportarten – eine Bezeichnung, die von vornherein Ausgeglichenheit ausschließt!
Als Kontrast dazu geht aus zahlreichen Bibelstellen klar hervor, dass der Christ nicht materiellem Überfluss, physischem Luxus und Exzess verfallen soll. Er soll aber jenes volle, abgerundete, erfüllte und glückliche Leben führen, wie es das Neue Testament lehrt.
Demnach werden Jesu wahre Nachfolger wissen – und praktizieren! –, was die Bibel an vernünftigen Prinzipien lehrt über korrekte Ernährung, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen körperlicher Betätigung und Entspannung, eine gerechte, liebende Haltung gegenüber jenen in der Welt, die sündigen, und zwar unter Wahrung des Grundsatzes, dass man den Sünder liebt, ohne deshalb seine Sünde gutzuheißen.
Jesu Nachfolger werden die rechte Einstellung zur Ehe haben, werden verstehen, wie man alles in allem ein glückliches, erfülltes, reiches und dennoch geistlich orientiertes Leben führt. Jesus sagte, er sei gekommen, dass wir das Leben und „volle Genüge“ haben sollen (Johannes 10,10).
Als Christ ist man, wenn man es so ausdrücken soll, vollzeitbeschäftigt. Man lebt das Christentum bewusst, man glaubt es nicht nur. Es ist, was man tut – und zwar stets und nicht nur dann, wenn man ab und zu die Lust dazu verspürt oder wenn die eigenen Probleme so unerträglich werden, dass man sich wieder einmal genötigt sieht, zum Gottesdienst oder zur Beichte zu gehen, wo einem, bildlich gesprochen, die alte, verblasste Farbe übertüncht wird.
Praxis, nicht nur Theorie
Es ist merkwürdig, aber Millionen bekennender Christen belassen es bei ihrem Bekenntnis. Sie verstehen offenbar nicht, dass Christentum Praxis ist! Von den wahren Nachfolgern Jesu Christi wird man erwarten können, dass sie jene Lebensweise kennen, die Jesus Christus brachte: eine Art zu denken, zu sprechen, zu handeln, sich zu kleiden, zu arbeiten, zu spielen, zu lieben – eine bestimmte Lebenspraxis.
Jesu Christi Lehren über Feindesliebe, über das „Hinhalten der anderen Wange“, die goldene Regel: Jeder kennt sie, gleichwohl sind sie der modernen Christenheit zum Lippenbekenntnis geworden, zur bedeutungslosen Formel, ohne Bezug zu dem, was man in der Praxis tut.
Da hören Millionen Konfessionschristen in ihren Sonntagspredigten über die berühmten Seligpreisungen aus Matthäus, Kapitel 5. Man lauscht den wohlgesetzten frommen Worten über die Armen im Geiste, die Barmherzigen, die, die reinen Herzens sind.
Jesus wusste schon ganz genau, dass man seine Lehren nicht ernst nehmen würde. Er warnte sogar davor: Menschen würden sich seinen Namen anmaßen – sich „Christen“ nennen –, aber gleichzeitig seine Lehren vollkommen in den Wind schlagen. „Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?“, fragte Jesus damals schon (Lukas 6,46). Und: „Ihr Heuchler, wie fein hat Jesaja von euch geweissagt und gesprochen: Dies Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir“ (Matthäus 15,7-8).
Er wusste im Voraus, dass man „an“ ihn glauben bzw. seine Person verehren, seine Botschaft aber verfälschen, ja ignorieren würde. „Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen“ (Matthäus 24,4-5).
Immer wieder zeigt Gottes Wort die tiefe Kluft zwischen Namenschristen und Lebenschristen: denen, die sich nur zur Bezeichnung „Christ“ bekennen, und denen, die wirklich gewillt sind, in ihrer Lebensführung dem Beispiel Jesu Christi zu folgen.
Jesu Lehre im 5., 6. und 7. Kapitel des Matthäusevangeliums legt den Grundstein für eine ausgeglichene christliche Lebensführung. Seine Worte lösten aber bei seinen Zeitgenossen Bestürzung aus. Was er da sagte und forderte, schien das genaue Gegenteil aller bisherigen Lehre zu sein. Mit seiner Lehre verstieß Jesus besonders gegen den ganzen hinzugefügten Katalog von Regeln und Vorschriften, die das jüdische Leben zur Zeit Jesu bestimmten und damit ein „Schmalspur-Judentum“ schufen.
Seine Botschaft der Barmherzigkeit, Liebe, Vergebung, die andere Wange hinzuhalten, zwei Meilen statt einer zu gehen, zu wissen, dass schon der Hass auf einen Mitmenschen in Gottes Augen als Mord gilt – all das stieß bei den Pharisäern und den Führern anderer Richtungen auf totales Unverständnis, ja, wurde als Bedrohung aufgefasst.
Wie revolutionär und aufrüttelnd Jesu Worte gewirkt haben müssen, erkennt man an der Reaktion der Zuhörer zum Schluss der Bergpredigt: „Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten“ (Matthäus 7,28-29). Wer Jesu Nachfolger sein will, wird nach der Lehre der Bergpredigt leben. An ihm wird man erkennen, dass er anders als andere Menschen ist.
Die Bezeichnung Christ für die Anhänger Jesu tauchte zuerst in Antiochien auf (Apostelgeschichte 11,26). Damals verbanden sich mit dem Namen Jesus ganz andere Inhalte als heute. Wenn Sie wüssten, wie radikal und total anders, Sie wären verblüfft.
Die damaligen Christen hielten Bräuche, die manchen heutigen Konfessionschristen geradezu ein Gräuel sind. Sie hatten einen völlig anderen „Lebensstil“. So hielten sie den biblischen Ruhetag am siebten Tag der Woche, wie in der Apostelgeschichte, den paulinischen Schriften und auch der weltlichen Geschichtsschreibung zur Genüge belegt. Sie hielten auch die wahren Feste der Bibel, die jährlichen Sabbate. Sie widmeten ihr Leben dem Werk der Verkündigung des Evangeliums vom Reich Gottes, der sterbenden Kultur ihrer Zeit zum Zeugnis.
Die Kirchengeschichte beweist, dass das Attribut christlich nach dem Beispiel der Christen in Antiochien bis etwa zum dritten Jahrhundert n. Chr. einen einschneidenden Bedeutungswandel erfahren hat. Einiges davon ließ sich nur unter Blutvergießen ändern. Man musste die Gläubigen mit Gewalt zwingen, von den Bräuchen Abstand zu nehmen, die Christus gelehrt hat und die frühen Apostel gehalten und andere zu halten gelehrt haben.
Als Beispiel nenne ich den „Quartodezimaner“-Streit. Sie werden feststellen, dass am Ende staatlicher Zwang nötig war, um das Passahfest am 14. Nisan im Christentum „abzuschaffen“. Dabei ist das Passah ein christliches Fest, das Christus selbst begangen und Paulus den Heidenchristen zu begehen geboten hatte.
Gegen Ende des ersten christlichen Jahrhunderts musste Judas schreiben: „Ich sehe, es ist dringlicher, dass ich euch ermahne und euch aufrufe: Tretet entschieden für den überlieferten Glauben ein, der dem heiligen Volk Gottes ein für alle Mal anvertraut worden ist. Denn gewisse Leute haben sich bei euch eingeschlichen, Menschen, die Gott nicht ernst nehmen.
Sie deuten die Botschaft von der Gnade unseres Gottes als Freibrief für ein zügelloses Leben und verraten damit Jesus Christus, der allein unser Herr und Herrscher ist“ (Judas 1,3-4; Gute Nachricht Bibel). Es dürfte auf der Hand liegen, dass „zügelloses Leben“ mit Ausgeglichenheit nichts zu tun hat.
Gnade als Freibrief?
Nach der Bibel lässt sich die Gnade beschreiben als Vergebung, unverdienter Pardon, Gnadenerweis nach Reue. Gottes Gnade setzt voraus, dass wir umkehren bzw. den Weg der Sünde verlassen wollen. Aus der Gnade machen jedoch manche einen Freibrief zur Zügellosigkeit. Sie erteilen sich die Freiheit zum Sündigen. Wie der Judasbrief zeigt, wurde die Gnade bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. auf diese Weise missbraucht, und sie wird auch noch heute auf diese Weise missbraucht.
Unerkannterweise scheinen Millionen von Konfessionschristen heute das Gesetz Gottes zu hassen. Ihre Geistlichen fordern sie dazu auf, Christi Geboten ungehorsam zu sein. Sie behaupten beispielsweise, dass man überhaupt nichts tun müsse, um gerettet zu werden. Ihrer Sichtweise nach würde man sonst das Heil „verdienen“. Doch damit stempeln sie Christus zum Lügner ab, der unseren Gehorsam forderte: „Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote“ (Matthäus 19,17).
Gottes Wort macht klar: Christ sein hat zur Voraussetzung, dass man bereut, Gottes Gesetz gebrochen zu haben. Da ist keiner ausgenommen, denn alle haben gesündigt (Römer 3,23), und der Sünde Lohn ist der Tod (Römer 6,23).
Christus bezahlte mit seinem Lebensblut an unserer Statt die Strafe für unsere Sünden. Die Annahme seines Opfers zur Vergebung unserer Sünden bedeutet jedoch keinen Freibrief, jetzt schrankenlos sündigen zu dürfen! „Gott hat Jesus zu euch geschickt und ihn beauftragt, euch zu segnen. Er wird euch helfen, umzukehren und euer Leben zu ändern“ (Apostelgeschichte 3,26; „Hoffnung für Alle“-Übersetzung).
Die Sünde ist die Übertretung von Gottes Gesetz: „Wer sündigt, lehnt sich gegen Gott und seine Gebote auf, denn sündigen heißt: Gottes Gebote missachten“ (1. Johannes 3,4; ebenda). Es war ja gerade dieses Gesetz in einigen seiner einzelnen Punkte, die Christus in der Bergpredigt bekräftigte bzw. verbindlicher machte!
Wer dagegen verstößt, muss umkehren und die Sündenvergebung suchen. „Kehrt euch ab von euren Sünden und wendet euch Gott zu. Lasst euch alle taufen im Namen von Jesus Christus zur Vergebung eurer Sünden. Dann werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen“ (Apostelgeschichte 2,38; ebenda).
Durch den Empfang des heiligen Geistes wird man zum echten Christen. „Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt“ (1. Korinther 12,13). Diesem Leib hinzugefügt zu werden, macht uns zum Glied der wahren Kirche Gottes (1. Korinther 12,18. 27).
Der wahre Nachfolger Jesu verfällt also nicht in die unausgeglichene Haltung der Gesetzlosigkeit durch ein falsches Verständnis der Gnade, sondern nimmt sich vor, den Weg der Sünde zu verlassen.
Überwindung und Glauben
Hat er seine Missachtung des Gesetzes Gottes bereut, wird der wahre Christ täglich, mit der Hilfe des heiligen Geistes Gottes, nach charakterlicher Vervollkommnung streben. „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matthäus 5,48). Das heißt Überwindung: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron“ (Offenbarung 3,21)
Um ein wahrhaft christliches Leben zu führen, sagt Christus, muss man etwas tun. Zwar kann man sich durch keine wie auch immer gearteten Werke – physische, materielle, geistige, geistliche (selbst nicht durch perfektes Halten der Zehn Gebote) – das Heil „verdienen“. Dennoch muss man seine menschliche Natur zu überwinden suchen. Das heißt, „Früchte tragen“ im Alltagsleben. Es bedeutet etwas tun, statt Jesus nur Lippenbekenntnisse zu widmen!
Jakobus schreibt zum Beispiel: „Redet so und handelt so wie Leute, die durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen. Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat; Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jakobus 2,12-13). „Barmherzigkeit tun“ ist keine leere Emotion, sondern Handeln im Leben: denen materiell geben, die in Not sind; Unfallopfern, Alten, Schwachen und Kranken helfen, gleich vergeben, wenn einem Unrecht getan wird.
Weiter zeigt Jakobus: „Was hilft’s, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber“ (Verse 14-17).
Die wahren Nachfolger Jesu verstehen die notwendige Ausgeglichenheit zwischen Glauben und Werken. Jakobus schien die Kontroverse vorauszuahnen, bei der manche bekennende Christen eine unausgeglichene Haltung einnehmen. Es gibt diejenigen, die allein den Glauben als heilsnotwendig sehen, aber auch diejenigen, die derselben Meinung in Bezug auf Werke sind!
„Aber es könnte jemand sagen: Du hast Glauben und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken“ (Vers 18). Die Bibel sagt, „dass der Glaube ohne Werke tot ist“ (Vers 20).
Wird der wahre Christ sich daran halten und im Alltagsleben die notwendigen Werke tun? Entweder er tut es – er bemüht sich und reift, wächst, überwindet, gibt, teilt, studiert, betet, hilft anderen –, oder er ist eben kein echter Christ!
Ein ausgewogenes, gesundes, glückliches, tätiges Christenleben sollte ein unverwechselbares Merkmal der wahren Jünger Jesu sein. Der Apostel Johannes schrieb: „Daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn [sein Christentum auf Lippenbekenntnisse beschränkt], und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben [eine bestimmte Lebenspraxis], wie er [Christus] gelebt hat“ (1. Johannes 2,3-6).
Auch Petrus betont die Wichtigkeit guter Werke: „Liebe Brüder, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger: Enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, und führt ein rechtschaffenes Leben unter den Heiden, damit die, die euch verleumden als Übeltäter, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung“ (1. Petrus 2,11-12).
Würdig wandeln
Christ sein ist eine Berufung zu einer Lebensaufgabe. Jesu wahre Diener sollen aktiv danach leben, was die Heilige Schrift lehrt. „So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn“, schreibt der Apostel Paulus, „dass ihr der Berufung [= Lebensaufgabe] würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen“ (Epheser 4,1-6).
Dieser Lebenswandel, wie Jesus ihn exemplarisch vorgeführt und seine Jünger gelehrt hat, ist jedem wahren Christen vorgeschrieben. Kann man gegen den eigenen Erlöser argumentieren und nicht tun, was das Wort Gottes fordert bzw. gegen Gott die eigene Meinung durchsetzen wollen und sich dennoch Christ nennen? Kann man sich zum Glauben an Christus bekennen und gleichzeitig seine klaren Gebote vollkommen ignorieren?
Ist das nicht ein krasser Widerspruch, wenn man einerseits die Bezeichnung „Christ“ für sich in Anspruch nehmen will, andererseits die Lebenspraxis, die Christus lebte, lehrte und von seinen wahren Jüngern fordert, mit Füßen tritt?
Bezeichnend ist auch, dass die religiösen Gegner Jesu, von rechts außen (Pharisäer) bis links außen (Sadduzäer), ihre Anhänger vor allem davon zu überzeugen suchten, dass die Lebensweise, die die Jünger Jesu lehrten, falsch sei. Der unterschiedliche Lebensstil (vgl. Apostelgeschichte 19,9) war es, der ihnen solche Verfolgung einbrachte.
Nehmen wir an, man achtete auf Ausgewogenheit und Gesundheit in seiner Ernährung, ohne deshalb in Reformhaus-Fanatismus zu verfallen. Unter Garantie würde man dann bei einigen sofort als seltsam gelten. Oder man bemüht sich, ein ausgewogenes Leben in Erholung, Tätigkeit, Schlaf und Seelenfrieden zu führen – und könnte es sogar noch detailliert biblisch begründen: mit Sicherheit würde man damit den Ruf eines Asketen ernten.
Erzählte jemand gemeine, unglaubliche Lügen über Sie, und Sie antworteten darauf, dem Beispiel Jesu folgend, kein Wort – Sie hielten es nicht für nötig, sich auf solche Niedertracht zu rechtfertigen –, würde das nicht die ganze Welt sofort als Schuldgeständnis auffassen?
Doch genau das tat unser Herr und Meister Jesus Christus, „der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet“ (1. Petrus 2,23; vgl. dazu Matthäus 5,25).
Kurz: Sucht man sein Leben – Arbeit, Finanzplanung, Kindererziehung, Ehe, Umgang mit Gegnern usw. – in ausgeglichener Weise an biblischen Prinzipien auszurichten, handelt man sich nur Spott und gar Verfolgung ein. Das darf einen aber nicht wundern, denn Jesus sagte: „Weh euch, wenn euch jedermann wohlredet“ (Lukas 6,26).
Jesus sagt uns, dass wir uns darüber freuen sollen, wenn die Menschen uns schmähen. „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind“ (Mathäus 5,11-12).
Jesu wahre Nachfolger werden stets danach trachten, zu reifen, zu wachsen, sich weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen. Eben diesem Zweck, heißt es in der Bibel, dienen die verschiedenen Ämter in der Gemeinde. „Er hat die einen als Apostel, die anderen als Propheten, wieder andere als Prediger und schließlich einige als Hirten und Lehrer eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, die Gläubigen für ihren Dienst vorzubereiten [zu vervollkommnen] und die Gemeinde – den Leib Christi – zu stärken. Auf diese Weise sollen wir alle im Glauben eins werden und den Sohn Gottes immer besser kennenlernen, sodass unser Glaube zur vollen Reife gelangt und wir ganz von Christus erfüllt sind.
Dann werden wir nicht länger wie Kinder sein und uns ständig von jeder fremden Meinung beeinflussen oder verunsichern lassen, nur weil geschickte Betrüger uns eine Lüge als Wahrheit hinstellen. Stattdessen lasst uns in Liebe an der Wahrheit festhalten und in jeder Hinsicht Christus ähnlicher werden, der das Haupt seines Leibes – der Gemeinde – ist“ (Epheser 4,11-15; „Neues Leben“-Übersetzung).
„Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus“, schreibt der Apostel Petrus (2. Petrus 3,18). Wie jedes einzelne Mitglied wachsen, sich entwickeln, überwinden, sich ändern und reifen soll, so muss auch die Kirche insgesamt wachsen, sich entwickeln, überwinden, sich ändern und reifen.
Die wahren Gläubigen Gottes werden aber die Lektion lernen, dass man sich nicht „selbst misst“ durch peinlich genaue Vergleiche mit dem Leben anderer Menschen. Man geht nicht ins Reich Gottes ein, indem man strikte Abstinenz übt, nur Apfelsaft oder Hagebuttentee trinkt, jeden Bissen zwanzigmal kaut und lähmende Gewissensbisse empfindet, hat man nicht jeden Tag mindestens eine Stunde meditiert.
Als Christen sollen wir dem Beispiel der ausgeglichenen Lebensführung Jesu folgen. Dadurch werden wir, wie der Apostel Paulus, in die Lage versetzt, in allen Lebenslagen zurechtkommen. „Ich habe gelernt, in jeder Lage zurechtzukommen und nicht von äußeren Umständen abhängig zu sein: Ich kann Not leiden, ich kann im Wohlstand leben; mit jeder Lage bin ich vertraut. Ich kenne Sattsein und Hungern, ich kenne Mangel und Überfluss. Allem bin ich gewachsen durch den [Jesus], der mich stark macht“ (Philipper 4,11-13; Gute Nachricht Bibel).