Manche Christen sind der Meinung, Jesus habe das Gesetz Gottes abgeschafft. Einige sind sogar der Ansicht, Jesus habe dieses Gesetz selbst übertreten. Was ist die Wahrheit?
Von Larry Walker
Ja, Sie haben den Titel zu diesem Artikel richtig gelesen: Welche Gebote brach Jesus? Die Feststellung, daß Jesus überhaupt ein Gebot brach, mag schockierend sein. Aber diese Feststellung ist wahr. Es ist daher sehr wichtig zu verstehen, welche Gebote er brach und warum er sie brach.
In Johannes 5, Vers 18 finden wir eine an Jesus gerichtete Beschuldigung, er hätte gegen das Sabbatgebot verstoßen: „Darum trachteten die Juden noch viel mehr danach, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbat brach, sondern auch sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich“ (alle Hervorhebungen durch uns).
Um keine falschen Schlüsse aus dieser Feststellung zu ziehen, müssen wir die Bedeutung dieses Verses näher untersuchen. Brach Jesus das Sabbatgebot, das in den Zehn Geboten enthalten ist (2. Mose 20,8-11 bzw. 5. Mose 5,12-15)? Jesus selbst gibt uns die Antwort auf unsere Frage: „Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe“ (Johannes 15,10).
In diesem Zusammenhang ist auch Jesu Antwort auf die Frage des reichen Jünglings wichtig, der ihn fragte, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erhalten: „Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote“ (Matthäus 19,17). Um seine Antwort zu erläutern, wies Jesus klar auf einige der Zehn Gebote hin, die Gott selbst gegenüber dem Volk Israel in dem Teil der Bibel, den wir das Alte Testament nennen, verkündet hatte.
Als Jesus vom Teufel versucht wurde, sagte er: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“ (Matthäus 4,4). Es ist klar, daß Jesus die Gebote Gottes hielt und sie in der Zeit seiner Predigertätigkeit lehrte. Außerdem wies er seine Jünger an, Neubekehrte den Gehorsam zu lehren: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Matthäus 28,20).
Hob Jesus das Gesetz auf?
In seiner Bergpredigt machte Jesus seinen theologischen Standpunkt gegenüber dem Gesetz Gottes klar: „Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen“ (Matthäus 5,17). Löste Jesus also das Gesetz auf?
Leider sind viele bekennende Christen genau dieser Ansicht. Obwohl sie es vielleicht mit anderen Worten ausdrücken, ist die Bedeutung ihrer Worte die gleiche. Einige sagen, Jesus habe das Gesetz umgewandelt, womit sie meinen, daß uns, wenn wir Jesus als Erlöser akzeptieren, die Gerechtigkeit Christi zuerkannt wird. Sie gehen daher davon aus, daß ein Christ das Gesetz gar nicht zu halten braucht, weil Jesus es angeblich für uns gehalten und dadurch uns von der Verpflichtung befreit hat, nach dem Gesetz Gottes leben zu müssen.
Diese Logik bedeutet aber, daß Jesus das Gesetz in der Tat aufgelöst hat. Das griechische Wort für „auflösen“, das in Matthäus 5, Vers 17 benutzt wird, hat die Bedeutung, daß „etwas Bindendes außer Kraft gesetzt wird“ (Spiros Zodhiates, The Complete Word Study Dictionary, Seite 836). Wenn Jesus das Gesetz irgendwie verwandelt hat, damit wir es nicht mehr halten müssen, dann hat er das Bindende an dem Gesetz doch aufgehoben.
Aber Jesus betont, daß er dies nicht getan hat. Er drückte sich in unmißverständlichen Worten aus: „Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht“ (Matthäus 5,17-18).
Das Wort „geschehen“ hat auch die Bedeutung „vollenden“. Gottes Vorhaben, in dem Gesetz und in den Propheten niedergeschrieben, ist noch nicht vollendet. Himmel und Erde sind freilich auch noch nicht vergangen. Jedes im Gesetz enthaltene Detail bleibt erhalten, „bis es alles geschieht“.
Jesus schloß seine Aussage zum Gesetz mit einer ernsthaften Warnung an diejenigen ab, die sich als Lehrer des Gesetzes ausgeben: „Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich“ (Vers 19).
Manche Theologen nehmen unbedacht an, daß mit den „kleinsten Geboten“ die Lehre Christi gemeint ist, die in den nachfolgenden Versen von Kapitel 5 dargelegt wird. Dies ist aber nicht wahr, denn der Wortlaut des griechischen Urtextes läßt diese Auslegung einfach nicht zu. Dazu führt der Expositor’s Bible Commentary aus: „Was sind diese Gebote? Man kann die Einschränkung dieses Wortes auf die [nachfolgende] Lehre Jesu schwer rechtfertigen ... Das in Matthäus benutzte Hauptwort bezieht sich nie auf Jesu Worte, und der Kontext spricht gegen diese Auslegung. Eine Einschränkung nur auf die Zehn Gebote ... ist ebenfalls der Bedeutung des Kontextes fremd. Ebenso können wir nicht sagen, daß sich diese ,Gebote‘ auf die nachfolgenden Gegenüberstellungen beziehen, denn im Matthäusevangelium deutet houtos (,diese‘) nie auf das Danachfolgende hin. Es scheint daher der Fall zu sein, daß sich dieser Ausdruck auf die im Alten Testament enthaltenen Gebote bezieht.
Das ganze Gesetz und die Propheten werden nicht durch Jesu Erscheinung abgeschafft, sondern erfüllt. Daher müssen die Gebote dieser Schriften – auch die Kleinsten – praktiziert werden ... Das Gesetz war eine Vorausschau auf Jesus und seine Lehre... Daher zeigt er, indem er das Gesetz erfüllte, wie es gehalten werden sollte“ (Band 8, Seite 146; alle Hervorhebungen von uns).
Wir stellen mit Nachdruck fest, daß Jesus keines von Gottes Geboten gebrochen hat – nicht einmal im geringsten Detail!
Welche Gebote brach Jesus?
Welche Gebote hat Jesus wirklich gebrochen? Wir finden die Antwort in den Worten Jesu in Matthäus 15, Vers 9: „Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind.“ Mit diesen Worten zitierte Jesus die Bibelstelle in Jesaja 29, Vers 13 und bezog sie auf „die Satzungen der Ältesten“ (Matthäus 15,2), wie diese von den heuchlerischen, selbstgerechten Schriftgelehrten und Pharisäern gelehrt und praktiziert wurden, die sich zu Richtern über Jesus aufspielten.
Unter den Juden waren diese „Satzungen“ auch als „mündliche Thora“, das mündlich überlieferte Gesetz, bekannt. In seiner Bergpredigt war es Jesu Absicht, das in diesen mündlich überlieferten Traditionen entstellte Bild des Gesetzes Gottes zu korrigieren. Daß Jesus eine Stellungnahme zu der „mündlichen Thora“ beabsichtigte, geht aus seinen jeweils einleitenden Worten „ihr habt gehört“ klar hervor (Matthäus 5,21. 27. 31. 33. 38. 43).
Der Expositor’s Bible Commentary führt dazu aus, Jesus behandelte „eine Reihe oft zitierter rabbinischer Aussagen ... Jesus kritisierte nicht das Alte Testament selbst, sondern das Verständnis des Alten Testamentes, das sich viele seiner Zuhörer zu eigen gemacht hatten. Dies trifft besonders bei Vers 22 bzw. 43 zu, wo ein Teil dessen, was ,gehört‘ worden war, nicht einmal im Alten Testament vorkommt ... In jedem seiner Beispiele stellt Jesus das falsche Verständnis des Gesetzes der wahren Richtung, auf die das Gesetz zielt, gegenüber“ (Band 8, Seite 147-148).
Jesus erklärte die richtige Anwendung des Gesetzes, auf dem die von ihm angeführte Tradition beruhte. Dadurch „erfüllte“ Jesus das Gesetz, indem er seine ursprüngliche Bedeutung und Absicht erläuterte. Unsere Gerechtigkeit muß daher über die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und der Pharisäer (Vers 20) in der Hinsicht hinausgehen, daß wir das Gesetz Gottes nach seiner eigentlichen geistlichen Absicht halten müssen.
Anders ausgedrückt: Wir müssen nicht nur den Buchstaben, sondern auch den Geist des Gesetzes halten. Nur durch das Innewohnen des heiligen Geistes (Römer 8,7-9), den Gott uns nach Reue und der Taufe schenkt, ist dies möglich.
Die Gebote, die Jesus brach, waren also die Traditionen des Menschen. Als die Juden Jesus das Brechen des Sabbatgebotes vorhielten (Johannes 5,18), beschuldigten sie ihn der Übertretung ihrer fehlgeleiteten menschlichen Traditionen bezüglich des Sabbats. Der Vorfall, der zu der Beschuldigung der Pharisäer führte, ist äußerst interessant. Jesus heilte einen Lahmen, der 38 Jahre lang krank gewesen war (Johannes 5,5). Der Lahme war nicht in der Lage, sich ohne fremde Hilfe zu bewegen (Vers 7). Die Heilung fand an einem Sabbat statt (Vers 9). Bei der Heilung forderte Jesus den Kranken auf, aufzustehen, sein Bett zu nehmen und zu gehen (Vers 8), vermutlich nach Hause.
Für die Pharisäer bestand der Sabbatbruch Jesu in seiner Aufforderung an den Kranken, er solle sein Bett „nehmen“ bzw. tragen. In diesem Fall war das Bett keines, wie wir es in unserer heutigen westlichen Kultur kennen: Federrahmen, große Federmatratze, Gerüstlatten usw. Es war die gleiche Art „Bett“, wie man es heute immer noch im Nahen Osten sehen kann: eine „leichte“ Schlafmatte sozusagen, die man schnell zusammenrollen und ohne größere Anstrengung tragen kann.
Da das Bett des Kranken angeblich nicht am Sabbat getragen werden durfte, hätte er nach der Meinung der Pharisäer anscheinend bis zum Sonnenuntergang warten müssen, um nach Hause zu gehen. Außerdem stellt sich die Frage, wann er zum Teich Betesda gekommen war. Wenn sein „Bett“ am Sabbat nicht getragen werden durfte, hätte er eigentlich bereits am Freitag dorthin gebracht werden und dann dort übernachten müssen, was sehr unwahrscheinlich ist.
Den Pharisäern ging es jedoch nicht darum, ob sein Bett auch am Sabbat zum Teich Betesda gebracht worden war. Ihnen ging es ausschließlich um einen Machtkampf mit Jesus.
Die Evangelien enthalten viele andere Konfrontationen dieser Art, bei denen Jesu Verhalten am Sabbat von den legalistisch gesinnten Schriftgelehrten und Pharisäern verurteilt wurde (Markus 2,23-28; 3,1-6).
Von einem Graben in den anderen
Warum war den Juden das Sabbathalten so wichtig? Sie wußten, daß die beiden großen Sünden, die zu der Gefangenschaft Israels und Judas vor einigen Generationen geführt hatten, die Entheiligung des Sabbats und der Götzendienst waren (Hesekiel 20). Die nach Judäa zurückgekehrten Gefangenen waren entschlossen, diesen Fehler nie wieder zu begehen. Aus diesem Grund erließen sie eine Reihe von Vorschriften über den Sabbat, von denen sie meinten, deren Beachtung würde eine Wiederholung der Sabbatschändung unmöglich machen.
Dabei übersahen sie das wirkliche Problem, das mit der Natur des Menschen zu tun hat (Römer 8,7). Statt dieses Problem klar zu erkennen und Gott um seine Hilfe bei dessen Lösung zu bitten, fielen sie von dem einen Graben in den anderen: Um die gedankenlose Mißachtung des Gesetzes Gottes zu vermeiden, wandten sie sich einem fanatischen Legalismus zu, der die wahre Absicht des Gesetzes leugnete und ihnen den beabsichtigten Segen für das Halten des Gesetzes raubte (Matthäus 15,6).
Beim Beispiel mit dem Kranken, den Jesus am Sabbat heilte und dann aufforderte, sein Bett zu tragen, ist es bezeichnend, daß es in den alttestamentlichen Vorschriften bezüglich des Sabbats keine genauen Anweisungen für eine Situation dieser Art gibt.
Mit ihrer engstirnigen Geisteshaltung hielten die Schriftgelehrten und Pharisäer Jesus Christus für einen Sünder, der den Tod verdiente, weil er ihre menschlichen Satzungen nicht einhielt. Sie hielten ihre eigenen Satzungen für verbindlicher als das Gesetz Gottes, das sie mit ihren Zusatzvorschriften zu interpretieren versuchten.
Jesus Christus kam u. a. auch deshalb zur Erde, um Gottes Gesetz „herrlich und groß“ zu machen (Jesaja 42,21). Damit rückte er die ursprüngliche Absicht des Gesetzes und seine geistliche Bedeutung in den Vordergrund. Er gehorchte dem Gesetz Gottes vollkommen und gab uns damit ein Beispiel, dem wir als seine Jünger folgen sollten.
Freilich werden wir nie wie Jesus ohne Sünde leben; wir straucheln immer wieder. Unsere Absicht ist jedoch, Gottes Willen zu tun und ihm zu gehorchen. Jesus hielt das Gesetz Gottes nicht deshalb, um uns von der Notwendigkeit, es selbst zu halten, zu befreien. Er führte ein Leben ohne Sünde und starb als vollkommenes Opfer, um uns vor der Todesstrafe, die wir alle durch unsere Sünden verdient haben, zu retten.
Durch die Kraft des heiligen Geistes lebt Jesus in uns und hilft uns, wobei er aber unser Leben nicht gegen unseren Willen für uns führt. Wir müssen nämlich bereuen und uns zu Dienern der Gerechtigkeit machen lassen wollen. Dabei erkennen wir, daß Gott in uns wirkt: „Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (Philipper 2,13). Die Liebe ist die Grundlage des Gesetzes Gottes. Man kann nicht behaupten, Gott zu lieben, ohne daß man seinen Geboten gehorcht (1. Johannes 5,2-3; 2,4).
Jesus wurde vorgeworfen, das Sabbatgebot gebrochen zu haben, das Gebot, das in einem Sinne die Segnungen des ganzen Gesetzes Gottes und seinen Plan für die ganze Menschheit darstellt. Die überwiegende Mehrheit des bekennenden Christentums schenkt diesem Geschenk Gottes, das für den Menschen geschaffen wurde (Markus 2,27), keine Beachtung. Statt dessen halten die meisten Christen einen anderen Tag, der sich auf menschliche Traditionen und die Autorität einer großen, abtrünnig gewordenen Kirche gründet, oder sie halten gar keinen Ruhetag.
Heute erleben wir wieder den „ersten“ Graben beim Sabbat, indem menschliche Traditionen anstelle des Gesetzes Gottes befolgt werden. Das Christentum praktiziert gedankenlosen Ungehorsam gegenüber dem vierten Gebot, indem es dieses Gebot durch menschliche Satzungen ersetzt. Dies hat zur Folge, daß der Sonntag und nicht der Sabbat und menschliche Feiertage und nicht die jährlichen Festtage Gottes gehalten werden.
Fast 2000 Jahre sind vergangen, seitdem Jesus die Schriftengelehrten und die Pharisäer wegen ihrer Traditionen scharf zurechtwies. Jesu Urteil heute würde sich in keiner Silbe unterscheiden: „Damit habt ihr Gottes Gebot aufgehoben um eurer Satzungen willen“ (Matthäus 15,6).
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