Unsere himmlische Berufung bedingt, daß wir in diesem Leben vergeben lernen. Wie schaffen wir das in einer hartherzigen Welt, in der Anstöße zur Tagesordnung gehören?
Von der Redaktion
Einer der größten Segen, den Gott uns als Mitgliedern der Kirche Gottes erteilte, ist die Sündenvergebung. Die Todesstrafe, die alle Menschen durch ihre Sünden auf sich geladen haben, wurde durch das Sühneopfer Jesu Christi bezahlt.
Zwei Bibelstellen fassen diesen Prozeß für jede Person zusammen. Die erste finden wir in Johannes 6, Vers 44: „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“ Die andere lesen wir bei Apostelgeschichte 2, Vers 38: „Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.“
Bevor Gott einen Menschen beruft und ihn zum Glied des Leibes Christi macht, ist die Person Gottes Feind: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren ... Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wieviel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind“ (Römer 5,8-10; alle Hervorhebungen durch uns).
Die Bereitschaft zu vergeben ist ein wichtiger Bestandteil von Gottes Charakter. Gott ist barmherzig und gnädig. Gott schafft uns geistlich nach seinem Bilde. Deshalb erwartet er von uns dieselbe Geisteshaltung der Barmherzigkeit und Gnade, die zu seinen Wesensattributen gehören. Gott sagt uns sogar, daß er uns unsere Sünden nicht vergeben wird, wenn wir anderen nicht vergeben wollen.
Abgesehen von denen, in deren Leben Gott eingreift, sind nur die wenigsten Menschen bereit, ihren Mitmenschen zu vergeben – besonders denen, die sie für ihre Feinde halten. Im Gegenteil: Oft plant man entweder ein aktives oder passives Racheüben gegenüber den wirklichen oder vermeintlichen Feinden. Man zieht es vor, diejenigen, die für das eigene Wohlergehen oder vielleicht berufliche Vorankommen eine Bedrohung sind, zu neutralisieren. Das geschieht nach dem Motto: Tritt man dir vors Schienbein, dann tritt eben zurück. Oder: Kritisierst du mein Kind, dann ist deines für mich Freiwild.
Man vergleiche dieses für uns Menschen typische Verhalten mit Gottes Geisteshaltung: Man vergibt dem anderen von Herzen und trägt ihm seine Fehler nicht nach. Diese Art Vergebung trifft man in der Gesellschaft nur selten an, weil sie Ausdruck des göttlichen Charakters ist, der uns Menschen von Natur aus nicht eigen ist.
Für den Christen ist die echte Vergebung derjenigen, die uns verletzt oder geschadet haben, absolut notwendig, wenn wir selbst Gottes Vergebung erlangen möchten. Diese Vergebung brauchen wir während unseres ganzen Lebens als Christen in unserem Kampf gegen die Sünde. In dem in der Bergpredigt enthaltenen Mustergebet betonte Jesus die Wichtigkeit der Vergebung: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern ... Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben ... Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Matthäus 6,12. 14-15).
Gott hat uns eine himmlische Berufung erteilt – eine Berufung, der wir aus menschlicher Kraft allein nie gerecht werden können. Die Angehörigen der göttlichen Familie werden Vergebende sein, voller Barmherzigkeit und Güte anderen gegenüber. Sie werden die Liebe sein, wie Gott es ist (1. Johannes 4,8).
Die himmlische Berufung Gottes setzt voraus, daß wir in diesem Leben vergeben lernen. Das schaffen wir durch Glauben an die Kraft Gottes, die uns durch seinen heiligen Geist zuteil wird. Wir dürfen nicht verhärtet bleiben oder es wieder werden – mitleidslos und hartherzig anderen Menschen gegenüber, besonders denen, die uns nach unserer Meinung falsch behandelt haben.
Hinzu kommt die sündhafte Gesellschaft, in der wir leben und die uns beeinflussen kann, ihre gewöhnliche Haltung des Nachtragens nachzuahmen.
Der Apostel Paulus warnte vor der Gesellschaft der Endzeit und ihrer selbstbezogenen Geisteshaltung, die das Vergeben erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht: „Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild, dem Guten feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. Sie lieben die Wollust mehr als Gott“ (2. Timotheus 3,1-4). Wir müssen uns von der Lebensweise der Endzeitgesellschaft abkehren, aber unseren Mitmenschen dürfen wir nicht den Rücken zukehren. Als Beispiel dafür sagte Jesus am Kreuz: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34).
Den Schlußstrich ziehen
Wann dürfen wir den Schlußstrich ziehen, wenn es um Vergebung geht? Welches Vergehen an uns, unserer Familie oder unseren Freunden stört uns derart, daß wir nicht vergeben können? Welche der schmerzhaften Ereignisse in der Kirche vor einigen Jahren beschäftigen uns immer noch und erinnern uns an die Vergebung, die wir nicht erteilt haben?
Wenn wir erfahren, daß andere gesündigt haben – auch Älteste und Diakone –, welche dieser Sünden legen wir in die Schublade mit dem Etikett „Noch nicht vergeben“? Gibt es Fehler, die jemand gemacht hat, die wir als quasi „Trumpfkarte“ in der Hand für zukünftigen Gebrauch bereit halten, ohne zu wissen, daß der andere seinen Fehler längst bereut hat?
Jesus Christus gab uns ein nachahmenswertes Beispiel für den Umgang mit einer Person, die gesündigt hat. „Jesus aber ging zum Ölberg. Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau zu ihm, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nun fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber das hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr“ (Johannes 8,1-11).
Könnte Jesus etwas Ähnliches über Sie oder mich sagen? Ganz bestimmt! Wir müssen viel wachsen, um unserem Hohenpriester ähnlich zu werden.
Wie oft?
Sehen wir uns ein weiteres Beispiel der Geisteshaltung der Vergebung an, die Christus von uns erwartet: „Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal“ (Matthäus 18,21-22). Mit seiner Antwort zeigte Christus, daß unserer Bereitschaft zu vergeben grundsätzlich keine Grenzen gesetzt werden dürfen.
Dann gab Christus ein Gleichnis, das die Konsequenzen des Nichtvergebens veranschaulicht. Wir kennen das Gleichnis, in dem ein Knecht, dem eine große Schuld erlassen worden war, nicht bereit war, einem seiner Mitknechte eine vergleichsweise unbedeutende Summe zu vergeben. „Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s bezahlen. Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war“ (Matthäus 18,29-30).
Christus machte klar, daß die Haltung des unbarmherzigen Knechtes unannehmbar war: „Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder“ (Verse 32-35).
Wie viele Menschen haben wir am Kragen packen wollen, statt ihnen zu vergeben? Wie vielen haben wir ihre Fehler vorgehalten oder sind wir aus dem Weg gegangen, statt ihnen bei der Überwindung eines Problems zu helfen?
Wir können nicht Gedanken lesen oder Herzen erkennen. Christus warnt uns vor dem unbarmherzigen Richten: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet ... Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst“ (Matthäus 7,1. 5).
Damit soll nicht gesagt werden, daß wir nicht feststellen dürfen, ein bestimmtes Verhalten sei sündhaft. Christi Ermahnung hat damit zu tun, einen Menschen für seine Fehler offen oder in unserem Herzen zu verurteilen, denn es könnte sein, daß er seinen Fehler morgen bereut. Das trifft besonders auf Christen zu. Ist das nicht der Fall mit den Sünden, die wir heute begehen?
Deshalb sind wir gut beraten, barmherzig zu sein: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben“ (Lukas 6,36-37).
Wie können wir vergeben, wie Gott es von uns erwartet? Nachfolgend ein paar Anregungen:
• Auf unseren Knien vor Gott bekennen, daß wir nicht immer vergeben und wir seine Kraft brauchen, um richtig vergeben zu können.
• Gott täglich bitten, uns die Sünden zu vergeben, so wie wir anderen vergeben. Dabei sollen wir bedenken, daß Gott auch uns nicht vergeben wird, wenn wir anderen nicht vergeben. Bleiben wir in dieser geistigen Verfassung, so werden wir nicht in das Reich Gottes eingehen!
• Erkennen, daß Gott uns die Kraft zum Vergeben schenken wird, wenn wir ihn im Gebet inbrünstig darum bitten. Er kann uns helfen, nicht länger an vergangene Schmerzen zu denken.
Gott lehrt uns in der Bergpredigt, wie wir vergeben sollen. Dort heißt es beispielsweise: „Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“ (Matthäus 5,39).
Freilich meint Jesus damit nicht, man solle einen Raufbold, der einen einmal geschlagen hat, einladen, damit er seine Tat wiederholen kann. Statt dessen weist Jesus auf die Geisteshaltung eines Christen hin. Zum Versöhnungsprozeß gehört, für diejenigen zu beten, die uns verletzen und absichtlich mißbrauchen. Dazu gehört auch der Verzicht auf Rache. Wir sollen der Person nichts nachtragen, so, als hätte es die Verletzung nie gegeben.
In der Welt von morgen wird Jesus als König der Könige und Herr aller Herren das höchste Regierungsamt auf Erden bekleiden. Für ihn ist dieses Amt eine Gelegenheit zum Dienen. In der Tat wird Jesus dieses Amt innehaben, weil er mit seinem Opfertod allen Menschen gedient hat.
Es ist bedeutsam, daß Jesu Bereitschaft, uns zu vergeben und mit seinem Tode die Sühne für unsere Schuld zu ermöglichen, ihn als geeignet für die Spitzenposition in der Regierung des Reiches Gottes auszeichnet.
Wenn wir Jesus Christus nachahmen und lernen zu vergeben, werden wir als Gemeinde ein wirksameres Werkzeug Gottes sein. Gott wird uns täglich unsere Sünden vergeben, und wir werden im Reich Gottes Jesus Christus ewig dienen können.
Wenn irgendwelche Umstände oder Verletzungen das Vergeben unmöglich erscheinen lassen, sollen wir Jesu Worte beherzigen: „Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34).