Unsere moderne Welt unterscheidet sich in vielen Dingen von der Welt, in der Jesus vor fast 2000 Jahren lebte. Versteht Jesus auch heute noch die Sorgen und Nöte seiner Nachfolger?
Von Martin Fekete
Der Apostel Johannes offenbart uns in seinem Evangelium, daß am Anfang Gott und das Wort allein existierten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist“ (Johannes 1,1-3). Das Wort kam in der Person Jesus Christus auf diese Erde und lebte als Mensch unter uns: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Johannes 1,14).
Gott offenbart uns in seinem Wort, daß Jesus uns versteht und mit uns mitfühlen kann. Im Hebräerbrief lesen wir: „Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden“ (Hebräer 4,15). Jesus hat in seinem irdischen Leben viele Schmähungen und Leiden erduldet, damit wir Zugang zu Gott, dem Vater, haben und ewiges Leben erhalten können. Aber kann uns Jesus wirklich in allen unseren Sorgen und Nöten verstehen?
Unsere Welt ist heute viel komplizierter und schnellebiger als zur Zeit Jesu im ersten Jahrhundert. Wir wissen, daß Jesus nicht behindert war und nicht im Rollstuhl gesessen hat. Wir wissen, daß er nicht als alter Mann gestorben ist. Er ist nicht pensioniert worden, noch hat er seine Arbeit unverschuldet verloren. Er war nicht verheiratet und hatte daher keine eigene Familie zu versorgen.
Jesus hatte nicht in einem Krieg gekämpft und ist nicht als Invalide heimgekehrt, dem durch einen Granatsplitter die Hand abgerissen wurde. Wie kann dann Jesus unsre Schwierigkeiten und Probleme verstehen, denen wir heute gegenüberstehen?
Kann ein 33jähriger alleinstehender Mann die Bedürfnisse einer Frau verstehen? Kann ein Mann überhaupt die Demütigung einer Frau nachempfinden, die vergewaltigt worden ist, oder wie es für eine Frau ist, ein ungeborenes Kind zu verlieren?
Jesus lebte nicht in einer Gesellschaft wie der unseren, mit Satelliten, Handys, Fernsehen, Videospielen, Autos und Flugzeugen. Wie können wir dann sicher sein, daß Jesus uns versteht und mitfühlen kann mit unseren Schmerzen und Leiden und wir „hinzutreten [können] mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebräer 4,16)? Noch dazu ist Jesus der Sohn Gottes, wir aber sind schwache menschliche Wesen.
Der Apostel Petrus schrieb in einem seiner Briefe, daß „auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, daß ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen“ (1. Petrus 2,21). Diese Aussage deutet darauf hin, daß viele Christen durch schwierige Lebenssituationen hindurchgehen – viele davon, weil wir Christus nachfolgen (2. Timotheus 3,12). Wenn Gott uns in seinem Wort offenbart, daß er uns in jeder Situation verstehen kann, dann können wir dessen sicher sein und darauf vertrauen – aber wie?
Müdigkeit und physische Beschränkung
Kann Jesus, der vor seiner Menschwerdung als Geistwesen gelebt hat, die Beschränkung eines physischen Körpers verstehen? Paulus schrieb an die Philipper: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ Sein menschliches Erscheinen war anscheinend nicht durch eine außergewöhnlich attraktive Gestalt gekennzeichnet. Als Judas die Gruppe anführte, die von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes gesandt wurden, um ihn festzunehmen, vereinbarte er mit ihnen ein Zeichen, damit sie ihn von den anderen unterscheiden konnten: „Der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den ergreift“ (Matthäus 26,48). Er sah offensichtlich aus wie ein normaler Mensch zu seiner Zeit und hatte keine physischen Vorteile als Gott im Fleisch. Er wurde auch müde und durstig wie jeder andere Mensch und machte Rast bei einem Brunnen: „Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder“ (Johannes 4,6).
Wie jeder andere Mensch brauchte er Zeit, um sich von seiner verantwortungsvollen Aufgabe zu erholen, die er von seinem himmlischen Vater erhalten hatte, und die zweifellos Streß für ihn und seine Jünger mit sich brachte. „Und er [Jesus] sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen“ (Markus 6,31). Auch Jesus selbst zog sich gelegentlich zurück. um allein zu sein und im Gebet mit Gott, dem Vater, geistig aufzutanken.
Unsere ungerechte Gesellschaft
Kann er unser Leben heute verstehen – die Belastung einer Regierung, die Gesetze nach menschlichen Werten und Gesichtspunkten beschließt, die gegen die Lebensweise Gottes gerichtet sind, wie z. B. gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? Gewalt und Ungerechtigkeit sind in unserer Gesellschaft an der Tagesordnung und werden von vielen Menschen schon als normal angesehen.
Zur Zeit Jesu war die römische Besatzungsmacht an der Regierung. Er erlebte Gewalt und Ungerechtigkeit hautnah „Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Obersten und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, deretwegen ihr ihn anklagt; Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient. Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben ... Da schrien sie alle miteinander: Hinweg mit diesem“ (Lukas 23,13-18).
Jesus erwähnte öfters die heuchlerische religiöse Führerschaft seiner Zeit. In klaren Worten deckte er den wahren Lebenswandel der Schriftgelehrten und Pharisäer auf und warnte nicht nur seine Jünger davor, sondern auch das Volk, das ihm zuhörte. Im ganzen dreiundzwanzigsten Kapitel des Matthäusevangeliums wird dies besonders deutlich beschrieben: „Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern und sprach: Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen’s zwar, tun’s aber nicht“ (Matthäus 23,1-3).
Jesus kann sehr gut verstehen, was es heißt, unter einer unvollkommenen, menschlichen Regierung zu leben. Auch kann er uns verstehen, wenn wir von anderen Menschen beleidigt oder zu unrecht beschuldigt werden. Bei einem Zusammentreffen mit den Juden wurde ihm vorgeworfen, daß er unehelich geboren wurde – was damals eine große Unehre war – und daß er einen bösen Geist hatte (Johannes 8,41. 48).
Familienkonflikte und Enttäuschung von Freunden
Viele Probleme heute betreffen unsre Beziehungen zu unseren eigenen Familienangehörigen und engsten Freunden. Wir müssen uns täglich bemühen, mit unseren Mitmenschen in unserer nächsten Umgebung auszukommen – Kollegen in der Arbeit, Angestellte, Nachbarn, usw. –, auch wenn sie manchmal gegen uns sind und uns sogar schikanieren.
Jesus hat ähnliche Schwierigkeiten durchgemacht. Seine eigenen Brüder glaubten nicht an ihn (Johannes 7,5). Seine Jünger, die er um sich versammelt hatte, waren nicht immer die ruhigsten und gingen auch nicht immer sanftmütig miteinander um: „Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten sollte“ (Lukas 22,24). Die etablierte religiöse Gesellschaft kritisierte ihn, weil er keine formelle Ausbildung in der Schrift hatte (Johannes 7,15).
Noch dazu kam er aus Nazareth, in Galiläa, das anscheinend keine angesehene Gegend zu dieser Zeit war: „Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen!“ (Johannes 1,45-46; 7,41).
In den Stunden seiner schwersten Bedrängnis ließen ihn seine engsten Freunde im Stich. Im Garten Gethsemane, als eine große Schar herankam, die von den Hohenpriestern und Ältesten gesandt waren, um Jesus festzunehmen, „verließen ihn alle Jünger und flohen“ (Matthäus 26,56). Am nächsten Tag waren viele seiner Nachfolger immer noch ängstlich genug, um sich nicht öffentlich sehen zu lassen. Statt dessen zogen sie es vor, das ganze Geschehen von einer sicheren Entfernung zu verfolgen. „Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles“ (Lukas 23,49).
Krankheit und Leiden
Kann Jesus physische und psychische Schmerzen von behinderten Menschen verstehen – Menschen, die gequält und mißbraucht wurden? Kann er alte gebrechliche Menschen verstehen, die von Rheuma und Gicht geplagt werden? Kann Jesus das schmerzvolle und oft langsame Sterben eines krebskranken Menschen verstehen, der einsam und ohne Angehörige auf seinen Tod wartet? Viele Menschen leiden über Jahre hinweg an den Folgen von schweren Unfällen oder Erdbeben.
Vor einigen Monaten wurde meine Frau zum dritten Male operiert. Meine Frau und ich waren tief betroffen, als uns der Arzt sagte, daß eine Operation unvermeidlich sein würde. Wir dachten an die Situationen und Erlebnisse, die wir bei den anderen Operationen durchmachten, die jetzt wieder auf uns zukamen. Wir stellten uns die Frage: Kann Jesus uns in diesem Moment verstehen? Kann er unsre Angst vor einer Operation und vor allem den Nachwirkungen verstehen, die so ein Eingriff mit sich bringt?
Jesus Christus versteht, was Angst und Leiden bedeuten. Die Evangelien berichten uns, daß er in den letzten Stunden seines menschlichen Lebens Angst verspürte, bevor er einen qualvollen Tod starb: „Und er sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen“ (Lukas 22,42-44).
Nach seiner Gefangennahme wurde er beschuldigt und verspottet, verleumdet, angespuckt und ins Gesicht geschlagen. Er durchlebte eine brutale Geißelung, die an sich schon extrem schmerzhaft war, bevor er gekreuzigt wurde – ein demütigendes, qualvolles Sterben am Kreuz.
Jesaja schreibt über das Leiden des Messias „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg ... er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen“ (Jesaja 53,3-4). Jesus Christus weiß, was es heißt, Schmerzen durchzustehen und für andere zu leiden. Als „Gott unter uns“ (Matthäus 1,23) erwählte er kein leichtes Leben, sondern durchlebte die schwersten Phasen eines menschlichen Lebens.
Jesus Christus versteht auch Sie
Wie ist es aber mit anderen menschlichen Lebenssituationen? Einige mögen sagen: „Ja, aber Jesus hatte niemals die Probleme durchzustehen, die ich in meinem Leben durchgemacht habe!“ Jesus war nicht verheiratet, wie kann er Eheprobleme verstehen? Die seelische Erschütterung einer Scheidung und die Sorge für die Erziehung der Kinder, während man Monat für Monat von der Sozialhilfe lebt? Kann Jesus verstehen, was es heißt, einen Ehepartner zu haben, der in Glaubensfragen einer anderen Überzeugung ist, so daß man bei der religiösen Erziehung der Kinder oft nicht einer Meinung ist?
Die Antwort ist: Ja, er kann! Er weiß, was es heißt zu leiden. Im Hebräerbrief erfahren wir die klare Antwort: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebräer 4,15-16).
Haben wir denn nicht Hilfe nötig in jeder Minute unseres Lebens? Fühlen wir uns nicht manchmal von unseren Sorgen und Nöten wie erdrückt, mühselig und beladen? Darum sollten wir nicht versäumen, uns an den zu wenden, der uns trösten und ermutigen kann.
Aber der größte Beweis für einen wahren Christen, daß uns Jesus Christus als unser Herr und Erlöser verstehen kann, wurde von Gott durch den Apostel Paulus im Brief an die Galater geschrieben: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galater 2,20; alle Hervorhebungen durch uns). Für wahre Christen ist dies der sicherste und überzeugendste Beweis von allen.
Weil Jesus Christus in seinen Nachfolgern lebt, kann er ihre tiefsten Sorgen und Nöte verstehen. Er kann buchstäblich mitleiden mit jedem einzelnen von ihnen. Er weiß um die Tränen, die wir weinen, wenn wir allein sind. Ja, er kann alte und gebrechliche Menschen verstehen, wenn er durch seinen heiligen Geist in ihnen lebt. Auf diese Weise kann Jesus auch die Bedürfnisse von Frauen verstehen, in denen er lebt, und er ermutigt sie, an Gottes Lebensweg festzuhalten, in einer Welt, in der die Gewalt an Frauen mehr und mehr zunimmt.
Ja, ich weiß, daß Jesus unsre Angst und die Sorgen vor der Operation meiner Frau verstanden hat. Ja, er kann Sie und mich verstehen, weil er unsre Sorgen und Nöte täglich mit uns durchlebt. So können wir jede Minute unseres Lebens zuversichtlich sein und auf die Aussage unseres Herrn vertrauen: „Denn der Herr hat gesagt: Ich will dich nicht verlassen und nicht von dir weichen“ (Hebräer 13,5).
Aber nicht nur Jesus Christus lebt durch den heiligen Geist in uns und versteht unser Menschsein, sondern auch Gott, der Vater, wohnt in Menschen, die ihn lieben und seine Gebote halten. Am Abend seines letzten Beisammenseins mit seinen Jüngern sprach Jesus nach der Fußwaschung zu ihnen: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ (Johannes 14,23).
Weil aber viele Menschen Gottes Gebote nicht beachten und nicht glauben, daß Gott in seinen wahren Nachfolgern lebt, haben sie auch nie erfahren, was es bedeutet, Gottes Trost, Frieden und Freude durch seinen heiligen Geist zu spüren (Johannes 14,26-27; 16,22).
Wir können Gott, dem Vater, und Jesus Christus mit Zuversicht und mit vollstem Vertrauen unsre Sorgen und Leiden anvertrauen und die Gewißheit haben, daß wir auch in unseren kleinen Dingen des Lebens verstanden werden. Jesus Christus ist unser Hoherpriester, er lebt mit uns unser Leben und er weiß, wie wir fühlen. Jesus Christus meinte, was er sagte, weil er uns liebt und uns helfen möchte: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11,28-29).
Menschen, die Gott gehorchen und trotzdem in Schwierigkeiten geraten, können sicher sein, daß Gott sein Volk nicht vergißt. Wenn sie im Glauben vor Gott beten und ihre Sorgen und Nöte vortragen, können sie zuversichtlich sein, daß Gott mit ihnen mitfühlt und sie versteht.