Welchen Trost bietet die Bibel für die Angehörigen, Freunde und Bekannten eines gläubigen Menschen, dessen Leben durch die Hand eines Mörders beendet wurde?

Von Paul Kieffer

Heute ist ein Tag der Trauer. Wir sind heute zusammengekommen, um uns von Adelheid zu verabschieden, die am 24. September 2012 gestorben ist. Adelheid hat das biblische Alter von siebzig Jahren nicht erreicht, wie es viele Christen erleben. Es ist eine Sache, eine Trauerfeier für jemanden zu erleben, der ein volles Leben geführt hat und dann im hohen Alter stirbt. Es ist eine ganz andere Sache, an der heutigen Trauerfeier für eine Person teilzunehmen, deren Leben vorzeitig beendet wurde.

Bei unserem Abschied heute von Adelheid haben wir Fragen, auf die wir Antworten haben möchten. Fragen wie: Warum musste dies passieren? Warum war ihr nicht mehr Zeit auf dieser Erde gegönnt?

Sie war eine gläubige Frau und hatte ihr Leben dem Dienst für unseren himmlischen Vater und unseren Herrn Jesus Christus geweiht. Wir fragen uns, warum Gott dies zugelassen hat. Warum musste Adelheid durch die Hand eines Mörders sterben?

Mit diesen Fragen reihen wir uns mit anderen Gläubigen aus vergangenen Generationen ein, Generationen sogar vor Hunderten von Jahren, die ähnliche Fragen gestellt hätten. Nehmen wir z. B. die allerersten Christen. Sie trafen sich oft am Tempel in Jerusalem zum Gebet. Der Tempel stand im Mittelpunkt ihrer Gemeinschaft und ihrer Anbetung, aber er wurde nur ca. 40 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung von den Römern zerstört.

Das Neue Testament berichtet uns, dass es in den Jahren nach Jesu Auferstehung viele Christen, sogar Tausende, in Jerusalem gab. Tausende von Juden starben, als die Römer Jerusalem drei Jahre lang belagerten und dann einnahmen. Diejenigen, die Zeitzeugen der Zerstörung des Tempels waren, hätten auch gefragt: Warum muss das sein? Warum ist unser Treffpunkt zerstört worden, warum ließ Gott das zu?

Wir erinnern auch an die Gläubigen, die im 11. Kapitel des Hebräerbriefs erwähnt werden, im Kapitel des Glaubens. Sie haben „Löwen den Rachen gestopft, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind der Schärfe des Schwerts entronnen, aus der Schwachheit zu Kräften gekommen, sind stark geworden im Kampf und haben fremde Heere in die Flucht geschlagen. Frauen haben ihre Toten durch Auferstehung wiederbekommen“ (Verse 33-35).

Wir denken weniger oft an diejenigen in Kapitel 11, die „Spott und Geißelung erlitten [haben], dazu Fesseln und Gefängnis. Sie sind gesteinigt, zersägt, durchs Schwert getötet worden; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen; sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet. Sie, deren die Welt nicht wert war, sind umhergeirrt in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Erdlöchern“ (Verse 36-38).

Diese Helden des Glaubens fragten sich bestimmt auch, warum Gott die schwere Prüfung in ihrem Leben zuließ. Ihre Erfahrung zeigt uns, dass schlechte Dinge manchmal guten Menschen passieren, Menschen wie Adelheid.

Bei unserem Abschied von Adelheid heute sind wir also in guter Gesellschaft. Wir werden die Antworten auf unsere Fragen zu ihrem Tod nicht finden, jedenfalls nicht heute. Gott hat auch nie versprochen, uns die Gründe für sein Handeln oder Nichthandeln zu offenbaren. Er sagt uns noch nicht alles.

Es gibt aber einiges, was er uns doch sagt. Wir sollen uns heute auf die Dinge konzentrieren, die wir wissen, anstatt uns mit Fragen zu beschäftigen, auf die wir heute keine Antwort bekommen werden.

Was wissen wir also?

Gott weiß über uns Bescheid

Wir wissen, dass Gott genau weiß, was uns passiert. Das ist eine einfache Wahrheit. Jesus sagt uns, dass die Haare auf unserem Kopf alle gezählt sind. Und das Beispiel von Lazarus lehrt uns, dass Jesus genau weiß, was uns passiert.

Wir alle kennen die Geschichte von Lazarus in Johannes, Kapitel 11. Lazarus war krank. Seine Schwestern Marta und Maria schickten eine Botschaft an Jesus und informierten ihn über die Erkrankung ihres Bruders. Es ging nicht um eine Erkältung oder andere alltägliche Beschwerden. Er war sehr krank – todkrank.

Doch anstatt seinen schwerkranken Freund Lazarus möglichst schnell aufzusuchen, ließ sich Jesus Zeit. Obwohl er wusste, dass es sich um eine ernsthafte Sache handelte, wartete er zwei ganze Tage, bevor er sich auf den Weg nach Betanien machte.

Jesus wusste, wie es um Lazarus bestellt war. Trotzdem griff er nicht ein. Er ließ seinen Freund sterben. Und als er endlich in Betanien ankam, meinten einige der Juden: „Er hat dem Blinden die Augen aufgetan; konnte er nicht auch machen, dass dieser nicht sterben musste?“ (Johannes 11,37).

Ja, das hätte er tun können. Er tat es aber nicht, und er wusste genau, was vor sich ging. Die Lage seines Freundes war ihm auch nicht gleichgültig, denn er weinte, als Maria und Marta ihm das Grab zeigten.

Gott weiß also, was uns passiert, und er wusste auch in Adelheids Fall genau Bescheid.

Was wissen wir sonst?

Unser Leben dient einem Zweck

Gott hat einen Zweck für unser Leben. Als Jesus nach Betanien kam, sagte ihm Lazarus' Schwester Marta: „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben“ (Vers 21). Diese Feststellung Martas ist sehr aussagekräftig. Man gewinnt den Eindruck, dass Marta Jesus in etwa sagte: „Herr, wo warst du? Warum hast du nichts getan? Ich schickte eine Nachricht an dich, warum bist du nicht früher gekommen?“

Wissen Sie was? Marta mag sogar vom Verhalten Jesu enttäuscht gewesen sein!

Würde Jesus in diesem Augenblick in diesem Raum erscheinen, würden wir ihm einige der gleichen Fragen in Bezug auf Adelheid stellen wollen: „Herr, wo warst du? Warum hast du nichts getan?“

Zurück zu Lazarus: Können Sie sich vorstellen, dass Marta und Maria ihm gesagt haben: „Wir schicken eine Nachricht an Jesus und wir bitten ihn, zu uns zu kommen und dir zu helfen.“ Ich meine, das haben sie wahrscheinlich getan. Wenn ja, wartete Lazarus auf die Ankunft seines Freundes, aber Jesus kam nicht rechtzeitig an.

Jesus griff nicht ein, weil Lazarus’ Situation einem großen Zweck diente. Als Jesus wusste, dass Lazarus gestorben war, sagte er seinen Jüngern: „Ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht da gewesen bin, damit ihr glaubt“ (Johannes 11,15).

Wir alle wissen, was als Nächstes passierte. Diese Geschichte ist in einem Sinn ungewöhnlich, weil der Zweck, dem die Erkrankung des Lazarus diente, kurze Zeit nach seinem Tod offenbart wurde. In den allermeisten Fällen ist das nicht der Fall, wie bei Adelheid. Aber das Beispiel von Lazarus lehrt uns, dass Gott solche Dinge zulässt, weil sie einem Zweck dienen.

Was meinen Sie? Hat die Anteilnahme, die Adelheids Familie in diesen Tagen erfahren hat, Gott gefallen? Die tröstenden Worte, die gesprochen wurden, die Nächstenliebe, die man ihr zeigte? Ich meine ja. Und Adelheids Tod hat das ausgelöst.

Aber weit über das hinaus gibt es eine alles überragende Bestimmung im Leben aller Christen. An die Gemeinde zu Philippi schrieb der Apostel Paulus: „Ich bin ganz sicher: Gott wird das gute Werk, das er bei euch angefangen hat, auch vollenden bis zu dem Tag, an dem Jesus Christus kommt“ (Philipper 1,6; Gute Nachricht Bibel).

Gottes Wille für uns ist, dass sein Werk in uns vollendet wird und wir in das ewige Leben eingehen können. Das geschieht bei der Auferstehung, wenn Jesus Christus zum zweiten Mal auf der Erde erscheint.

Was wissen wir sonst noch?

Es gibt eine Auferstehung

Nachdem Marta Jesus gefragt hatte, warum er nicht sofort gekommen war, erzählte er ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ (Johannes 11,25-26). Dann fragte er sie: „Glaubst du das?“

Heute stellt uns Jesus dieselbe Frage bei unserem Abschied von Adelheid – einem Abschied, der vorübergehend ist. Glauben wir Jesus?

Jesus sagt, dass alle, die gestorben sind, seine Stimme hören und aus ihren Gräbern hervorgehen werden, genauso wie es bei Lazarus der Fall gewesen ist.

In seinem ersten Brief an die Gemeinde zu Thessalonich schreibt Paulus: „Wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen. Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind.

Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit“ (1. Thessalonicher 4,14-17).

Adhelheid wird wieder leben! Sie wird von den Toten auferstehen und immer bei dem Herrn sein!

Was wissen wir sonst noch?

Gott wird alle Tränen wegwischen

Gott sagt uns, dass es in der Zukunft eine herrliche Zeit geben wird, wenn Gottes Vorhaben mit den Menschen abgeschlossen sein wird. Diese Zeit wird im Buch der Offenbarung beschrieben. Wir lesen die Beschreibung des Apostels Johannes:

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offenbarung 21,1-4; Hervorhebung durch uns).

Diese Zeit kommt ganz bestimmt, denn auf Gott ist immer Verlass!

Wie wird Gott Tränen, Leid, Geschrei und Schmerz entfernen? Zum einen wird es in dieser neuen Welt keine Sünde mehr geben, und die Sünde löst solche Dinge aus. Wir wissen auch, dass Gott vollkommen über sein Gedächtnis herrscht und entscheiden kann, sich nicht mehr an Sachen zu erinnern, wie z. B. an unsere Sünden.

Wenn wir von den Toten auferstehen, werden wir auch geistlich nach dem Bilde Gottes gestaltet sein. Werden wir dann unsere Vergangenheit permanent vergessen können? Oder wird Gott uns bereits mit einem gelöschten Gedächtnis in Bezug auf die Sünde auferstehen lassen?

Wissen Sie was? Das sind auch Fragen, auf die wir heute keine Antwort finden werden. Wir wissen nicht, wie Gott es tun wird, sondern nur, dass er es tun wird.

Und wenn diese Zeit kommt, wird es für Adelheid weder Tränen, Leid, Geschrei oder Schmerz geben, und auch nicht für uns.

Heute aber trauern wir, und das sollen wir tun. König Salomo sagt uns, dass es eine Zeit zum Weinen und Klagen gibt. Wenn ein lieber Mensch stirbt, ist es die Zeit zum Weinen.

Heute haben wir keine Antworten auf unsere Fragen zu Adelheids Tod, aber eines Tages werden wir die Antworten bekommen. Denken wir daher heute an die Dinge, die wir wissen können: Gott weiß, was uns passiert. Unser Leben dient einem Zweck. Es gibt eine Auferstehung, und Gott wird alle Tränen wegwischen.

Wir schließen mit einem passenden Wort des Apostels Paulus: „So tröstet euch mit diesen Worten untereinander“ (1. Thessalonicher 4,18).

Hinweis:Diese Trauerrede wurde am 30. September 2012 für eine Christin gehalten, die von einem vorbestraften Sexualverbrecher ermordet wurde. Ihr Name wurde von der Redaktion geändert.