Welche wichtige Lektion für unsere tägliche Lebensführung finden wir in der dramatischen Auferweckung der Tabita?
Von Joan Osborn
In Joppe lag Tabita, eine Jüngerin Jesu, im Sterben. Trotz der fürsorglichen Betreuung der anderen Jünger starb sie. Nach ihrem Tod wurde ihr Leichnam in einem Zimmer im Obergeschoß eines Hauses aufbewahrt. Die knappe Beschreibung ihres Todes und der nachfolgenden Ereignisse führt zu dem Schluß, daß alles in verhältnismäßig kurzer Zeit stattgefunden hat (Apostelgeschichte 9,36-42).
Die Jünger in Joppe trauerten um Tabita. Als sie hörten, daß der Apostel Petrus sich in Lydda aufhielt, sandten sie zwei Männer dorthin und ließen diese Petrus bitten, nach Joppe zu kommen. Vielleicht hofften sie, daß er an der Trauerfeier für Tabita teilnehmen würde. Vielleicht hatten sie aber auch von der Heilung gehört, die Gott in Lydda durch Petrus vollbracht hatte, und hofften auf ein ähnliches Wunder. Petrus kam nach Joppe und wurde zu Gottes Werkzeug bei einem großen Wunder: die Auferweckung der Tabita von den Toten.
Dieses Ereignis fand in der frühen Geschichte der Kirche statt, kurz nach der Bekehrung des Saulus auf der Straße nach Damaskus. Das Wunder blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Bevölkerung Joppes: „Und das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele kamen zum Glauben an den Herrn“ (Vers 42).
Für die Verkündigungsarbeit der Gemeinde war die Auferweckung der Tabita ein sehr bedeutendes Ereignis; sie war tot und wurde wieder lebendig. Nach ihrer Auferstehung war sie ein lebendiges Zeugnis der Kraft Gottes und seiner Fähigkeit, die Toten wieder leben zu lassen.
Beispiel für Christen
Der biblische Bericht über Tabita ist auch ein Hinweis auf das Wirken des heiligen Geistes unter den ersten Christen. Tabitas Auferweckung zum Leben stärkte den Glauben der Jünger und führte dazu, daß viele Menschen an Jesus Christus glaubten. Das persönliche Beispiel der Tabita in ihrem täglichen Leben mag jedoch für heutige Christen eine noch größere Bedeutung als das Wunder ihrer Auferstehung haben.
In Apostelgeschichte 9, Vers 36 lernen wir Tabita kennen: „In Joppe war eine Jüngerin mit Namen Tabita, das heißt übersetzt: Reh. Die tat viele gute Werke und gab reichlich Almosen.“ Ihre „guten Werke“ waren so zahlreich und gut bekannt, daß Gott den Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, inspirierte, sie in seinem Bericht zu erwähnen.
Bei seiner Ankunft in Joppe zeigten ihm die Witwen in der dortigen Gemeinde die vielen Kleidungsstücke, die Tabita für sie angefertigt hatte. Dadurch erfahren wir wieder einiges über Tabita: Sie war dafür bekannt, ihren Glauben in die Tat umsetzen. Sie opferte sich für andere. Wieviel Zeit benötigte man im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, um ein Kleidungsstück zu nähen? Es gab keine Nähmaschinen; das Kleidungsstück mußte per Hand gefertigt werden, vorausgesetzt, man konnte den Stoff besorgen.
Die Bibel enthält keine Details darüber, wie Tabita die vielen Kleidungsstücke machte. Hat sie z. B. den Stoff selbst gewoben und das Garn gesponnen? Wie auch immer, sie lebte ihr Leben als lebendiges Opfer für Gott (Römer 12,1) und opferte etwas sehr Wertvolles für andere Menschen: ihre Zeit.
Ein offensichtliches Talent
Nicht jeder Mensch kann nähen. Nur die wenigsten besitzen die Geduld, eine fähige Schneiderin zu sein. Tabitas Talent in dieser Richtung war offensichtlich. Die Witwen, die Petrus die Arbeiten der Tabita zeigten, waren wahrscheinlich sehr stolz auf diese, denn es waren bestimmt ganz schöne Kleider. Tabita war also talentiert und setzte ihr Talent zum Dienst an ihren Mitmenschen ein.
Wir alle haben unsere Talente. Manche können singen oder ein musikalisches Instrument spielen. Einige sind künstlerisch begabt und können zeichnen oder malen. Andere können mit ihren Händen gut arbeiten und so schöpferisch wirken, wie das bei Tabita offensichtlich der Fall war. Aber Tabita hatte ein weiteres Talent, das ein jeder von uns „entwickeln“ kann: die Fähigkeit zum Zuhören. Schauen wir uns das Beispiel von Tabita noch einmal an.
Wer waren die Menschen, die dem Apostel Petrus über Tabita berichteten? Es waren die Witwen in der Gemeinde. Witwen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, und Tabita nahm sich ihrer Bedürfnisse an; sie tat „viele gute Werke und gab reichlich Almosen“ (Apostelgeschichte 9,36). Lukas berichtet nicht, daß Tabita ihre wertvollen Handarbeiten verkaufte; anscheinend gehörten die Kleider, die sie für die Witwen machte, zu den „Almosen“, die sie gab.
Mit ihrer Dienstbereitschaft war Tabita eine Verkörperung der „tüchtigen Frau“, die in den Sprüchen gelobt wird: „Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Bedürftigen“ (Sprüche 31,20). Oft ist es nur ein Anruf, ein Gruß per Brief oder Postkarte oder ein kurzer Besuch, den der Bedürftige als Ermutigung braucht.
Der Verlust einer Freundin
Die Jünger in Joppe ließen Petrus auffordern, nach Joppe zu kommen; als er ankam, weinten die dortigen Witwen über den Verlust einer Freundin. Es ist offensichtlich, daß Tabita in der dortigen Gemeinde beliebt war. Sie hatte den Gemeindemitgliedern durch ihre Güte, Fürsorge und Großzügigkeit Liebe gezeigt.
Ein Bibelkommentar beschrieb die Szene wie folgt: „Die Werke der Tabita wurden durch den Verlust anerkannt, den die christliche Gemeinschaft erlitt, als sie starb. Man erinnerte sich an ihre aufopfernde Dienstbereitschaft, ihr Mitgefühl, ihre Treue, ihre Liebe. Die Gemeindemitglieder wußten, daß sie ihre liebste Freundin verloren hatten. Das Bild dieser Menschen, im Obergemach weinend versammelt, ist keine Beschreibung von Menschen, die um materielle Gegenstände und um einen an ihnen vollzogenen Dienst trauern, sondern die um eine liebe Person trauern, die sie verloren hatten“ (Harold J. Ockenga, Women Who Made Bible History, Zondervan, Grand Rapids, 1962, Seite 224-225).
Gott ließ die Bereitschaft der Tabita, anderen mit ihrem Talent und ihrer Zeit zu dienen, auf ewig in seinem Wort festhalten. Später schrieb der Apostel Jakobus, daß gute Werke ein tätiger Beweis des Glaubens sind und daß Glaube ohne solche Beweise leer und wertlos ist, für keinen Menschen von Nutzen. Tabitas Glauben wurde durch ihre vielen guten Werke im Dienst anderer Menschen bestätigt.
Für viele Menschen in unserer heutigen Welt ist das Leben hektisch, eine einzige Hetze. Das Leben ist so kompliziert geworden. Oft hat man den Eindruck, daß unsere ganze Energie darauf aufgewendet werden muß, es durch den Tag zu „schaffen“. Vor dem Hintergrund dieser Hektik sollten wir an das Beispiel der Tabita denken. Es gibt sehr viele Dinge, die wir für andere Menschen tun können. Diese Dienste brauchen nicht so kompliziert zu sein. Es können ganz einfache Dinge sein, wie z. B. eine Witwe anzurufen oder einem Kranken eine Genesungskarte zu schreiben.
Seit der Gründung der neutestamentlichen Gemeinde haben sich die Zeiten geändert. Das Leben heute ist doch komplizierter geworden. Eines bleibt aber unverändert: Es gibt Menschen, die den Einsatz ihrer Mitmenschen brauchen, ihre Zeit, Talente und Fürsorge. Die Auferweckung der Tabita von den Toten war ein großes Wunder. Übersehen wir jedoch nicht das Wunder ihrer täglichen Lebensführung und ihrer tätigen Liebe für andere Menschen.