Gewerkschaften und anerkannte Konfessionen vereinigen sich in dem Bemühen, den Sonntag als offiziellen arbeitsfreien Tag in der Europäischen Union einzuführen.
Von Paul Kieffer
Vor ca. 30 Jahren hatte meine Frau und ich Nachbarn, deren Sohn etwa gleich alt war wie unser Sohn. Der Vater, ein Ingenieur, arbeitete als ziviler Angestellter des Bundesverteidigungsministeriums. Er hatte mit seiner Familie ein Jahr in den USA gelebt, als er „im Außendienst“ auf einem amerikanischen Militärstützpunkt arbeitete. Unsere Nachbarn machten einen interessanten Kommentar über ihre Erfahrungen in den USA: „Das Leben verlangsamt sich nie richtig in Amerika, denn dort gibt es keinen echten wöchentlichen Ruhetag.“
Ihre Beobachtung beruhte auf den verkaufsoffenen Sonntagen in den USA. Jeden Sonntag sind die großen Einkaufszentren und Geschäfte geöffnet. Unsere Nachbarn kannten das nicht in Deutschland und empfanden es als störend, dass das Geschäftsleben am Sonntag nicht ruhte.
Heute gibt es viele Europäer, die der gleichen Meinung wären wie unsere früheren Nachbarn aus Bonn. Der neue EU-Vertrag von Lissabon bietet den Bürgern der EU die noch nie da gewesene Möglichkeit, ein Anliegen den wichtigsten Entscheidungsträgern der Union direkt vorzulegen. Nach seiner Ratifizierung durch die EU-Mitgliedsstaaten wurde der Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 rechtskräftig. Darin wird Europäern das Recht eingeräumt, eine Petition direkt an die EU-Kommission zu richten.
Artikel 11, Absatz 4 der „Konsolidierten Fassung des Vertrags über die Europäische Union“ besagt: „Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.“
Zurzeit läuft eine Initiative, die vielleicht die erste Petition sein wird, die nach dieser Bestimmung des neuen Vertrags eingereicht wird. Engagierte EU-Bürger sammeln jetzt fleißig Unterschriften für eine Petition zur Ausrufung des Sonntags als den offiziellen arbeitsfreien Wochentag in der Europäischen Union.
Die Bewegung begann kurz vor Weihnachten im letzten Jahr, als sich eine kleine Gruppe traf und sich ihr Vorhaben überlegte, den Sonntag als Ruhetag zu schützen. Mittlerweile unterstützen 72 verschiedene Organisationen die Initiative, darunter 35 Gewerkschaften aus allen EU-Mitgliedsstaaten und „alle relevanten Kirchen“, wie es ein Sprecher formulierte.
Stärkung der Familie und Arbeitnehmerschutz
Im Internet betonen die Befürworter der Initiative (www.free-sunday.eu) vordergründig die sozialen und arbeitsrechtlichen Vorteile eines arbeitsfreien Sonntags: „Der arbeitsfreie Sonntag ist ein tragendes Element des europäischen Sozialmodells und Teil des europäischen Kulturerbes.“
Demnach schafft ein festgelegter Wochentag als Ruhetag Zeit für Familien, soziales Engagement in Vereinen und sogar ehrenamtliche Mitarbeit in diversen Funktionen. Ein weiterer Pluspunkt für den Sonntag ist die Tatsache, dass Schulen und öffentliche Einrichtungen wie Ämter trotz diverser religiöser, kultureller und ethnischer Gruppen in der EU geschlossen sind und es auch in Zukunft bleiben werden.
Das Hervorheben von sozialen und arbeitsrechtlichen Vorteilen eines arbeitsfreien Sonntags ist größtenteils eine Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November 1996 zur EU-Richtlinie 93/104/EC vom 23. November 1993 „über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“. In Artikel 5 der EU-Richtlinie aus dem Jahr 1993 heißt es in Bezug auf einen wöchentlichen arbeitsfreien Tag: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Artikel 3 gewährt wird. Die Mindestruhezeit gemäß Absatz 1 schließt grundsätzlich den Sonntag ein“ (alle Hervorhebungen durch uns).
In seinem Urteil vom November 1996 (C-84/94 bzw. 61994J0084) hob der Europäische Gerichtshof die Bestimmung über den Sonntag als Ruhetag auf. In dem Urteil stellt das Gericht fest, dass „der [EU-]Rat nicht dargetan hat, warum der Sonntag als wöchentlicher Ruhetag in engerem Zusammenhang mit der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer stehen solle als ein anderer Wochentag“. Befürworter der neuen Initiative für den arbeitsfreien Sonntag betonen, dass das Urteil keineswegs den gesetzlichen Schutz des Sonntags ausschließt. Stattdessen war die 1993er Richtlinie in seiner Begründung des Sonntags mangelhaft, was noch verbessert bzw. behoben werden kann.
In diesem neuen Jahrhundert sollen neue Studien den Sonntag als den arbeitsfreien Wochentag mit dem größtmöglichen gesundheitlichen Vorteil für Arbeitnehmer belegen. Bei einer neuen Untersuchung der Arbeitszeitdirektive wird sich die EU-Kommission mit diesen Studien befassen.
Eine Allianz für den arbeitsfreien Sonntag
Am 24. März 2010 fand eine besondere Konferenz am Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel statt, die dem Schmieden einer europaweiten Allianz für die Einführung eines arbeitsfreien Sonntags dienen sollte. Die Organisatoren der Konferenz waren Thomas Mann, Mitglied des Europäischen Parlaments, und die der CDU nahestehende Konrad-Adenauer-Stiftung. 67 verschiedene Arbeitnehmerorganisationen und Kirchen wurden als Mitwirkende genannt.
Der Europaabgeordnete Mann fungierte als Moderator der Konferenz und stellte die Gastredner vor. Darunter waren László Andor, der neue EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, und der österreichische Bischof Dr. Ludwig Schwarz, der von 1985 bis 1999 als Professor an der Päpstlichen Universität der Salesianer in klassischer und religiöser Literatur referierte. Nach einem kurzen Statement der Gastredner folgten Kommentare und Fragen aus den Reihen der 400 anwesenden Konferenzteilnehmer.
In seiner Ansprache betonte EU-Kommissar Andor das Vorhaben der EU-Kommission, die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung zu untersuchen und ggf. zu revidieren. Seiner Meinung nach ist diese Untersuchung das wichtigste Thema auf seiner Tagesordnung als neuer Kommissar für den Bereich Beschäftigung und Soziales. Herr Andor vermied es, in Bezug auf den Sonntag als möglichen EU-Ruhetag irgendein Versprechen abzugeben, doch er begrüßte das Feedback von der Konferenz, besonders hinsichtlich der Forschungsergebnisse über die Vorteile eines gemeinsamen Ruhetags für ganz Europa.
Ein Resultat der 1996er Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist, dass jeder EU-Mitgliedsstaat gegenwärtig selbst entscheidet, ob er einen arbeitsfreien Wochentag festlegt. Sechzehn der 27 EU-Länder haben dem Sonntag als ihrem arbeitsfreien Wochentag bereits gesetzlichen Schutz verliehen.
Ein Konferenzteilnehmer aus Aachen wies jedoch auf die Schwierigkeiten hin, die durch die jetzige Regelung auf nationaler Ebene entstehen können. Aachen befindet sich in einem der vielen „Dreiländerecken“ Europas, wo die Landesgrenzen dreier Länder aufeinandertreffen. In wenigen Minuten erreichen die Bewohner Aachens Belgien bzw. die Niederlande.
Ende 2009 hat das Bundesverfassungsgericht einer Klage der römisch-katholischen und evangelischen Kirchen gegen die Aushöhlung des im Grundgesetz verankerten Schutz des Sonntags als Ruhetag stattgegeben. Den Anlass zur Klage hatte die Ausweitung des verkaufsoffenen Sonntags in Berlin gegeben. Die zwei Konfessionen riefen das Gericht an, weil ihrer Meinung nach die wachsende Anzahl der von der Stadt Berlin erlaubten verkaufsoffenen Sonntage das Grundgesetz verletzten. Deutschlands große Gewerkschaften unterstützten die Klage.
Die Stadt Aachen, in einer mehrheitlich katholischen Region gelegen, hatte für dieses Jahr alle verkaufsoffenen Sonntage untersagt. Doch nur ca. 30 Minuten mit dem Auto von Aachen entfernt hat die niederländische Stadt Maastricht in diesem Jahr sechzehn verkaufsoffene Sonntage vorgesehen. Der Aachener Vertreter betonte daher die Notwendigkeit einer länderübergreifenden Regelung für die EU.
Einige Redner erwähnten die Möglichkeit, dass sich bestimmte Minderheiten einen anderen Ruhetag als den Sonntag wünschen könnten. Als die in der EU lebenden Muslime genannt wurden, meinte der Konferenzmoderator Thomas Mann, dass die sich formierende Allianz für einen arbeitsfreien Sonntag Freunde aus der Türkei hat, die die Initiative uneingeschränkt befürworten. Zwei Fragesteller wollten wissen, wie es sich mit der Wahrung der Glaubensfreiheit derjenigen verhalten soll, deren wöchentlicher Ruhetag ein anderer als der Sonntag ist. Die Fragen wurden vom Moderator und den Konferenzrednern nicht beantwortet.
Das Treffen am 24. März war das erste in einer Reihe von Konferenzen, die am Europäischen Parlament in Brüssel stattfinden sollen. Nur drei Monate nachdem sich eine kleine Gruppe getroffen hatte, um die Möglichkeit einer Initiative für einen gemeinsamen arbeitsfreien Sonntag in der EU zu besprechen, hatte man bis Ende März bereits 100 000 Unterschriften für die Petition gesammelt.
Die „Schöpfungsordnung“ mit Sonntag als Ruhetag
In der Niederschrift seines Kommentars für die Konferenz betonte der österreichische Bischof Schwarz die religiöse Bedeutung des Sonntags:
„Die Kirchen treten damit nicht nur für die Möglichkeit ein, am Sonntag den Gottesdienst zu besuchen, sondern sie verstehen das 3. Gebot der Bibel – ,Du sollst den Tag des Herrn heiligen!‘– als das, was es schon immer war: als die Festlegung einer Ruhezeit, die der Schöpfungsordnung gut tut. Damit ist dieses uralte Gebot das erste Sozialgesetz der jüdisch-christlich geprägten Zivilisation.“ [Hinweis des Herausgebers: Die Konfessionen im deutschsprachigen Raum zählen das Sabbatgebot irrtümlicherweise als 3. Gebot der Zehn Gebote.]
Die Mehrheit der Redner bei der Konferenz zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags waren Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen. Auch einige von ihnen bezogen sich auf den Sonntag als Ruhetag im Sinne der europäischen religiösen Tradition, die vor siebzehn Jahrhunderten mit dem römischen Kaiser Konstantin anfing. In seinem Grußwort zu Beginn der Konferenz hob Thomas Mann den „geistlichen Aspekt“ desLebens als wichtigen Teil eines wöchentlichen Ruhetags hervor. Dazu gehört, so Herr Mann, auch der Gottesdienstbesuch.
Konferenzteilnehmer beschrieben den Sonntag als den „siebten Tag der Woche“ oder gar als den „biblischen siebten Tag der Woche“. Doch zum Schluss der Schöpfungswoche ruhte Gott nicht an dem Wochentag, den die Welt heute Sonntag nennt. Der Sonntag ist daher nicht der „biblische siebte Tag der Woche“. Die Tage der Woche gemäß der wahren Schöpfungsordnung sind die gleichen geblieben. Dabei ist der Samstag der biblische siebte Tag der Woche.
Der siebentägige wöchentliche Zyklus ist seit der Schöpfungswoche erhalten geblieben, obwohl die Menschen den Kalender wiederholt verändert haben. Die Wochentage sind immer in ihrer richtigen Reihenfolge geblieben, mit dem Sonntag als erstem und dem Samstag als dem siebten Tag jeder Woche. Die Bezeichnung des Tages „Mittwoch“ [Mitte der Woche] gibt auch einen sprachlichen Hinweis aus der Antike, welcher Tag der siebte ist, trotz der Entscheidung des deutschen Normenausschusses (DIN 1355), wonach ab Januar 1976 nach menschlichen Maßstäben eine künstliche Festlegung des Wochenbeginns mit Montag beschlossen wurde.
Dass der Samstag der siebte Tag der Woche ist, lässt sich durch das Leben Jesu Christi leicht beweisen. Wenn Jesus den falschen Tag als Ruhetag gehalten hätte, hätte er damit gesündigt und folglich nicht unser Erlöser sein können. Kurz vor seinem Tod stellte er fest: „Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe“ (Johannes 15,10).
Jesus hielt den gleichen Tag der Woche als Sabbat wie seine Landsleute, die Juden. Er hatte zwar Meinungsverschiedenheiten mit den Juden in Bezug auf das richtige Halten des Sabbats, doch er wurde nie beschuldigt, den falschen Wochentag als Sabbat zu halten. Daraus können wir den Schluss ziehen, dass Jesus vor 2000 Jahren den Sabbat am gleichen Wochentag hielt, den Gott in 1. Mose 2 als Ruhetag eingesetzt hatte.
Kein Kalenderexperte behauptet, dass die Reihenfolge der Wochentage in den letzten 2000 Jahren geändert wurde. Das bedeutet, dass die Juden heute den gleichen Wochentag als Sabbat halten, den sie auch vor 2000 Jahren als Sabbat gehalten haben: Samstag. Nur dieser Tag – von Freitagabend bei Sonnenuntergang bis Samstagabend bei Sonnenuntergang – ist der richtige „biblische siebte Tag“. Es ist auch der einzige Tag, der die jüdische Tradition in Bezug auf das Ruhetagsgebot widerspiegelt, trotz der Behauptungen von Bischof Schwarz.
Warum erklären europäische Kirchenvertreter und Gewerkschaftsfunktionäre, dass Sonntag der christliche Ruhetag sei? Eine Verlegung des Ruhetags von Samstag auf Sonntag lässt sich biblisch nicht begründen. Diese Veränderung kam erst lange nachdem das Neue Testament abgefasst wurde. Wann und wie fand die Veränderung statt?
Anfangs sah man das Christentum lediglich als jüdische Sekte. Als Folge der beiden jüdischen Kriege im ersten bzw. zweiten Jahrhundert n. Chr. wurde das Römische Reich von einer Welle des Antisemitismus erfasst. Damals begannen manche Christen, sich von biblischen Praktiken, die allgemein als jüdisch galten, zu verabschieden. Dazu gehörte auch die Einhaltung des biblischen Sabbats und der biblischen Jahresfeste.
Bis zu den Schriften von Barnabas und Justinian (135 bzw. 150 n. Chr.) findet man keine eindeutigen Hinweise auf den Sonntag als einen Tag christlicher Anbetung. Unter der Regierung des Kaisers Hadrian (117-135 n. Chr.) scheint sich der Sonntag als Tag der Anbetung durchgesetzt zu haben. Hadrian ließ die Juden im gesamten römischen Reich verfolgen und verbot ihre Praktiken, ganz besonders das Halten des Sabbats.
Zeitgleich schlichen sich falsche Lehrer in die Gemeinde ein, wie der Apostel Paulus es vorausgesagt hatte (Apostelgeschichte 20,29-30). Sie brachten ihren heidnischen Glauben mit. Mit der Zeit distanzierte sich die Mehrheit bekennender Christen von den ursprünglichen Lehren und Praktiken, an die sich die Apostel Jesu Christi und die ersten Christen gehalten hatten.
So kam es offenbar dazu, dass auch viele Christen den siebten Tag aufgaben und sich dem Sonntag zuwendeten, einem Tag, den die Römer als Tag der Sonnenverehrung hielten. Schon nach wenigen Jahrhunderten gab es praktisch keine Christen im Römischen Reich mehr, die den Sabbat hielten. Sie hielten nun den Sonntag.
Kaiser Konstantins antijüdische Haltung
Der römische Kaiser Konstantin, der die Sonne anbetete, war der erste Kaiser, der sich zum Christentum bekannte. Doch das Christentum, von dem sich Konstantin überzeugen ließ, war anders als das, das Jesus, seine Apostel und die ersten Christen praktiziert hatten. Mit seinem Hass auf die Juden und solche Bräuche, die er für jüdisch hielt, beschleunigte Konstantin den Wandel im Christentum seiner Zeit.
Beispielsweise verbot das Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) das Halten des biblischen Passahs. Konstantin gab dazu Folgendes bekannt: „Zunächst schien es unwürdig zu sein, jenes hochheilige Fest nach dem Gebrauch der Juden zu feiern, die ihre Hände durch ihr gottloses Verbrechen befleckt haben und darum mit Recht als Menschen, auf denen Blutschuld lastet, mit Blindheit des Geistes geschlagen sind . . . Nichts soll uns also gemein sein mit dem verhassten Volke der Juden“ (Eusebius, Das Leben Konstantins, Buch III, Kapitel 18, Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 9, München, 1913).
In dem Bemühen, sein Reich durch eine Vereinheitlichung von religiösen Praktiken zu stärken, erließ er die ersten Gesetze, die den Sonntag zum offiziellen Ruhetag erhoben. Sein im Jahr 321 n. Chr. verkündetes Gesetz lautete: „Alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste, sollen am ehrwürdigen Tag der Sonne ruhen“ (Corpus juris Civills, II Codex Justinianus, III, 12, 2).
365 n. Chr. verkündete das Konzil von Laodizea Folgendes: „Die Christen dürfen nicht nach Judenart am Sabbat müßig sein, sondern sollen an diesem Tage arbeiten. Sie mögen dem Herrentag den Vorzug geben und als Christen ruhen, falls sie es können. Werden sie aber als Judaisierende erfunden, so seien sie von Christus ausgeschlossen“ (Konzil von Laodizea, Kanones, 29).
Innerhalb nur weniger Jahrhunderte wurden diejenigen im Römischen Reich, die den wahren biblischen Sabbat halten wollten, in den Untergrund getrieben. Die allermeisten, die sich zum Christentum bekannten, hielten nunmehr den Sonntag als Ruhetag.
Obwohl die protestantische Reformation einige Veränderungen mit sich brachte, behielt man den Brauch der Sonntagsheiligung bei, die auf die römische Kirche zurückzuführen war. Die römische Kirche behauptete, selbst die Autorität für die Verlegung des Ruhetags von Samstag auf Sonntag zu besitzen. Die meisten protestantischen Kirchen hingegen rechtfertigten ihre Sonntagsheiligung mit dem Argument, die Heiligung des Sabbats sei im Neuen Testament durch den Sonntag, den sie in ihrer Begründung den ersten Tag der Woche nennen, ersetzt worden, um die Auferstehung Jesu am ersten Tag der Woche zu feiern.
Doch die meisten katholischen und einige protestantische Theologen räumen freimütig ein, dass es für die Heiligung des Sonntags keine biblische Grundlage gibt. Ein katholischer Pädagoge, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Erzbischof von Baltimore war, Kardinal James Gibbons, sprach dieses Thema sehr direkt und unverblümt an: „Ist nicht jeder Christ verpflichtet, den Sonntag zu heiligen? Ist nicht die Beobachtung dieses Gesetzes eine der ersten unter unseren heiligen Pflichten? Aber ihr möget die Bibel vom ersten Buch Mose bis zur Offenbarung lesen und Ihr werdet dabei nicht eine einzige Stelle finden, welche die Heiligung des Sonntags autorisiert. Die Schrift gebietet das Halten des Samstags, eines Tages, den wir niemals heiligen“ (The Faith of Our Fathers, John Murphy Company, Baltimore, 1917, Seite 89).
Es kann letztendlich anders sein als ursprünglich gedacht
Alle Redner bei der Konferenz zum Schutz des Sonntags am 24. März 2010 lobten die Bemühungen, europäischen Arbeitnehmern einen gesetzlich geschützten wöchentlichen Ruhetag zu garantieren. Selbst die Konferenzteilnehmer, die Bedenken in Bezug auf Minderheiten äußerten, drückten ihre Anerkennung für die Bemühungen um einen wöchentlichen Ruhetag aus.
Wie bereits erwähnt, richtet sich das Augenmerk bei der neuen Initiative zurzeit hauptsächlich auf soziale und arbeitnehmerische Vorteile bei einem arbeitsfreien Sonntag. Doch die Dinge können sich mit der Zeit ändern, und das, was heute vielleicht weniger wichtig ist, kann in Zukunft doch wichtig sein.
In Offenbarung 13 finden wir eine interessante Prophezeiung, in der zwei Tiere erwähnt werden. Einem der beiden Tiere „wurde Macht gegeben, zu kämpfen mit den Heiligen und sie zu überwinden“ (Vers 7). Das andere Tier „hatte zwei Hörner wie ein Lamm“, aber es „redete wie ein Drache“ (Vers 11). Dieses zweite Tier wirkt Wunder und „übt alle Macht des ersten Tieres aus“ (Vers 12). Das zweite Tier in Offenbarung 13 ist also eine religiöse Macht, denn sie erscheint wie ein Lamm und wirkt Wunder, doch es spricht die Worte Satans!
Das zweite Tier in Offenbarung 13 verfügt über die Macht des ersten Tieres in diesem Kapitel, um die Menschen zur Anbetung des ersten Tieres zu zwingen (Vers 12). Zusätzlich zur erzwungenen Anbetung des ersten Tieres sorgt das zweite Tier dafür, dass alle, die das erste Tier nicht anbeten wollen, ein Zeichen erhalten: „Es [das zweite Tier] macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens“ (Offenbarung 13,16-17).
Die hier verwendete Sprache – „rechte Hand“ [Handlungen bzw. Verhalten] und „Stirn“ [Sinn, Gedanken] – ist die gleiche, die Gott verwendete, um den Gehorsam seines Volkes Israel dem Gesetz gegenüber zu beschreiben (2. Mose 13,9; 5. Mose 6,8). Das Zeichen des Tieres ist daher anscheinend der Ungehorsam gegenüber Gott. Von allen Geboten Gottes in seinem Grundgesetz, den Zehn Geboten, ist das Sabbatgebot dasjenige, das am häufigsten ignoriert oder für nicht länger bindend gültig erklärt wird. Doch Gott hatte seinem Volk den Sabbat als besonderes Zeichen gegeben (2. Mose 31,13). In der Tat kann der Sabbat als Testgebot gesehen werden, wodurch sich die Bereitschaft eines Menschen erkennen lässt, Gott in allen Dingen untertan zu sein.
Viele treue Bibelgelehrte glauben, dass ein erzwungenes Halten des Sonntags ein mögliches Erkennungszeichen des Tieres sein wird. Sonntag ist der Tag, der ursprünglich der Anbetung der Sonne als Gott gewidmet war, im Gegensatz zum göttlichen Sabbat am siebten Tag der Woche. Diese Sicht wird im Buch der Offenbarung durch die Tatsache bestärkt, dass andere Prophezeiungen zeigen, wie ein großer, falscher religiöser Führer und ein großes, verfälschtes religiöses System in entscheidender Weise dazu beitragen werden, die Menschen vom wahren Gott abzubringen. Sie werden zu jener Zeit Satans Handlanger sein.
Fazit: Ohne gesetzlich verankerten Schutz für religiöse Minderheiten in Europa könnte eine erfolgreiche Initiative zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags zu einem späteren Zeitpunkt ernsthafte Konsequenzen für diejenigen haben, die den wahren „biblischen siebten Tag“, Gottes Sabbat, halten wollen.
Wie zählt man die Zehn Gebote?
Manchem Leser dieses Artikels wird die Bezeichnung des Sabbatgebots als viertes der Zehn Gebote ungewohnt vorkommen. Tatsächlich ist die übliche Einteilung der Zehn Gebote unter den großen christlichen Konfessionen anders: Das Sabbatgebot gilt als drittes Gebot, und das Gebot gegen das Begehren erscheint als 9. bzw. 10. Gebot. Wir halten diese Einteilung für falsch bzw. irreführend und lehnen sie daher entschieden ab.
Mit der Hilfe eines einschlägigen Bibellexikons ist es möglich, die Entstehung der heute allgemein üblichen Einteilung der Zehn Gebote zu erklären: „Die einzelnen Gebote sind in der Heiligen Schrift nicht gezählt, aus dem Text ergibt sich aber ungezwungen folgende Einteilung [wie in unseren Publikationen dargelegt] . . . In der Kirchengeschichte gibt es jedoch über die Zählung wie über die Aufteilung der Zehn Gebote auf die zwei Tafeln verschiedene Auffassungen . . . Augustin hat . . . Verse 2-6 [2. Mose 20] zusammengezogen, musste nun aber das letzte Gebot in ein 9. und 10. aufteilen, um die Zehnzahl zu bewahren.
Hierin sind ihm die römisch-katholische und die lutherische Kirche gefolgt. Diese Einteilung hatte jedoch zur Folge, dass der Unterschied zwischen Götzenverehrung und Bilderdienst verwischt wurde. Man nahm das Bilderverbot nicht mehr ernst und ließ es im Katechismus schließlich ganz fort“ (zitiert aus Lexikon zur Bibel, herausgegeben von Fritz Rienecker, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1983, Spalte 439-440).
Die richtige Zählung der Zehn Gebote unterscheidet klar zwischen der Anbetung falscher Götter (1. Gebot) und der Benutzung von Götzenbildern (2. Gebot). Letztere sind, im Gegensatz zu den Vorstellungen vieler bekennender Christen, keine zulässige „Gebetshilfe“ bei der Anbetung des wahren Gottes. Darüber hinaus führt Paulus das Gebot gegen das Begehren nicht als zwei getrennte Gebote, sondern als einzelnes Gebot auf: „Du sollst nicht begehren“ (Römer 13,9). Es gibt also nur ein Gebot – das 10. Gebot – gegen das Begehren. Die von Augustin stammende Einteilung der Zehn Gebote stimmt nicht mit der Bibel überein und soll abgelehnt werden.
Wozu dient der Sabbat?
Jesus Christus sagte, dass er „ein Herr auch über den Sabbat“ ist und dass der Sabbat „um des Menschen willen gemacht [worden ist] und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Markus 2,27-28). Der Sabbat wurde um des Menschen willen gemacht, aber zu welchem Zweck?
Bei der Pflege unserer Beziehung zu Gott gibt es ein kritisches Element, das mit dem richtigen Verständnis und Halten des Sabbats zu tun hat. „Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tag und den Sabbat ,Lust‘ nennst und den heiligen Tag des Herrn ,Geehrt‘; wenn du ihn dadurch ehrst, dass du nicht deine Gänge machst und nicht deine Geschäfte treibst und kein leeres Geschwätz redest, dann wirst du deine Lust haben am Herrn, und ich will dich über die Höhen auf Erden gehen lassen und will dich speisen mit dem Erbe [materielle Segnungen] deines Vaters Jakob; denn des Herrn Mund hat’s geredet“ (Jesaja 58,13-14). Hier erkennen wir die wahre Absicht Gottes für den Sabbat: Er ist Teil einer richtigen, liebevollen Beziehung zu ihm.
Es ist auch eine Ehrung Gottes. Es ist eine Frage der Aufgabe eines unserer wichtigsten Besitztümer – unserer Zeit –, um eine richtige Beziehung zu unserem Schöpfer zu pflegen. Nach Gottes Anweisung in diesen Versen bedeutet das richtige Halten des Sabbats den Verzicht auf unsere „Gänge“, unsere „Geschäfte“ und „leeres Geschwätz“. Gott sagt, dass seine heilige Zeit durch diese Handlungen mit Füßen getreten wird.
Der Sabbat ist jedoch keine Zeit zum Nichtstun. Es ist eine Zeit zur Pflege einer Beziehung zu Gott. Es soll eine Zeit der Freude sein, wenn wir unsere „Lust am Herrn“ haben, so sagt es uns Gott. Statt unsere Zeit damit zu verbringen, unseren eigenen Interessen und Beschäftigungen nachzugehen, ist es eine Zeit, in der wir uns auf die Dinge konzentrieren, die Gott gefällig sind und die unsere Beziehung zu ihm fördern.
Wie bauen wir diese richtige Beziehung zu Gott auf? Durch Gebet schaffen und pflegen wir diese Beziehung zu Gott. Durch sein inspiriertes Wort, die Bibel, spricht er zu uns. Das sind wichtige Schlüssel zu einer richtigen Beziehung zu unserem himmlischen Vater.
Gottes Sabbat ist eine ideale Zeit für zusätzliches Beten und Kontakt mit Gott. Indem wir an diesem Tag unserer normalen Arbeit und sonstigen Beschäftigungen nicht nachgehen, haben wir mehr Zeit für die Pflege unserer Beziehung zu Gott.
Der Sabbat ist auch eine ideale Zeit für Gottes Unterweisung an uns. Er unterweist uns durch sein Wort. „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2. Timotheus 3,16-17).
Das Halten des Sabbats hilft uns nicht nur, Gottes Wege zu erkennen, sondern es hilft uns auch, unsere eigenen Gedanken und Beweggründe besser zu verstehen, indem uns gezeigt wird, welche Änderungen in unserem Leben notwendig sind, damit wir Christus ähnlicher werden können.
Es ist ein in der Tat wunderbarer Gott, der seine Fürsorge für uns durch die Schaffung eines wöchentlichen Ruhetags beweist. Eine regelmäßige Zeit der Anbetung und Ruhe in unserer schnelllebigen Zeit einzuhalten, beweist, wie wichtig uns Gott ist.