Gemessen an der Scheidungsstatistik könnte man heute die Frage stellen, ob die traditionelle Ehe überholt ist. Über Alternativen haben einige schon nachgedacht.

Von Paul Kieffer

Vor ca. 200 Jahren meinte der englische Dichter Percy Shelley: „Man hätte wohl kein System erfinden können, das dem Glück des Menschen bewusst feindseliger entgegenstände als die Ehe.“ Vergleicht man diese Meinung des freizügigen Shelley mit dem verheerenden Urteil amerikanischer Soziologen der 1970er Jahre, so könnte man meinen, Shelley sei ein Prophet gewesen. In der Ehe sahen sie „eine erbärmliche Einrichtung“, die „das Ende aller spontanen Zuneigung“ bedeute. Danach würde die Beziehung zur quälenden Fessel, zermürbend und destruktiv. Von der süßen Liebesaffäre bleibe oft nur noch ein bitterernster Ehevertrag übrig.

Gemessen an der Häufigkeit von Ehescheidungen in Deutschland könnte man auch meinen, dass sich ein erheblicher Teil der deutschen Gesellschaft der Sichtweise Shelleys angeschlossen hat. Hinzu kommen die zahlreichen Ehepaare, die ohne Scheidung auf Dauer getrennt leben, und die Ehen, die nur aufgrund religiöser, finanzieller oder sozialer Gründe zusammengehalten werden.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass andere Formen der Partnerschaft als Ersatz für die traditionelle Ehe anvisiert werden.

Ehe und Familie im Wandel der Zeit

In ihrer „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ stellten die Vereinten Nationen 1948 fest, dass „die Familie die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat“. Damit bestätigte man eine Wahrheit, die für die menschliche Zivilisation schon immer gegolten hatte. In Artikel 16 dieser Erklärung heißt es auch: „Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen.“

Als die UNO die Familie als die „natürliche Grundeinheit der Gesellschaft“ beschrieb, meinte man damit die natürliche Ehe mit Familie: Vater, Mutter und Kinder. In der unmittelbaren Nachkriegszeit galt die Vorstellung immer noch, dass die Ehe eine Beziehung fürs Leben war. Scheidung war verpönt, und ein Politiker, der in Scheidung lebte, schadete seiner politischen Karriere. Diese Vorstellung ist heute überholt. Für die Begriffe Ehe und Familie gibt es heute andere Varianten.

Als Ersatz für die traditionelle Ehe auf Lebenszeit gibt es die sogenannte „konsekutive Monogamie“. Dabei ist man zwar mit einem Partner verheiratet, der jedoch durch mehrfach aufeinanderfolgende Ehen gegen einen neuen Partner ausgetauscht werden kann – Scheidung, Wiederheirat, Scheidung, Wiederheirat usw. Daraus ist der Begriff „Lebensabschnittspartner“ entstanden: Statt einen Partner für das ganze Leben zu haben, hat man ihn jeweils für den entsprechenden Lebensabschnitt, den man gerade erlebt. Die Boulevardpresse informiert uns regelmäßig über die sogenannten Promis, in deren Leben diese Variante praktiziert wird.

Eine andere Variante ist die „Partnerschaft auf Probe“, bei der es auch den Lebensabschnittspartner geben kann, jedoch ohne Trauschein. Erst mal sehen, wie gut man miteinander auskommt, bevor man eine feste Bindung eingeht, scheint hier die Denkweise zu sein. Gestaltet sich die Beziehung problematisch, so trennt man sich einfach, ohne den lästigen Weg einer rechtlichen Scheidung gehen zu müssen.

Die „Partnerschaft auf Probe“ erinnert an den einstigen Vorschlag der Anthropologin Margaret Mead, die zwei Arten von Ehe bzw. Partnerschaft anregte. Für sie sollte eine „Probeehe“ eine auf dem Amtsweg anerkannte Partnerschaft ohne Kinder sein, bei der Empfängnisverhütung vorgeschrieben wäre, damit die Beziehung ohne die Belastung einer Familie jederzeit „kündbar“ wäre. Abgesehen von der amtlichen Anerkennung solcher Partnerschaften ist Meads Vorstellung in der westlichen Welt längst Wirklichkeit geworden.

Als andere Möglichkeit für die Gründung einer Partnerschaft dachte Mead über die „Elternpartnerschaft“ nach, die ausdrücklich auf die Gründung einer Familie ausgerichtet wäre. Mead schlug sogar vor, dass jeder auf Familiengründung zielenden Partnerschaft eine „Partnerschaft auf Probe“ vorausgehen sollte.

Auch wenn ihre Anregungen unpraktikabel erscheinen, setzte sich Margaret Mead wenigstens mit dem Verfall der Institution Familie auseinander und machte sich darüber Gedanken, wie man Kinder vor den Folgen einer zerrütteten Beziehung bewahren könnte. Sie meinte, der Staat sollte bei diesem Schutz mitwirken. In Wirklichkeit verlangt der Staat mehr Kompetenz und Tüchtigkeit von einem angehenden Autofahrer, der seinen Führersein machen will, als von einem Paar, das Kinder in die Welt zu setzen gedenkt.

Um die unangenehmen Folgen einer Scheidung oder Trennung zu meiden, praktizieren manche Paare die „offene“ Ehe bzw. Partnerschaft. Die beiden Partner sind dem Zusammenhalt ihrer Beziehung verpflichtet, jedoch ohne die Einschränkung, dass man nur mit dem Partner eine sexuelle Beziehung haben darf. Sie erlauben sich gegenseitig einen gelegentlichen Partnertausch oder Seitensprung – je nach Vereinbarung mit oder ohne Wissen des Partners –, um die vermeintliche Eintönigkeit einer nur an einer Person orientierten sexuellen Beziehung zu verhindern. In diesem Sinne beteiligen sich einige dieser Paare an Gruppensex oder suchen gemeinsam Sex-Klubs auf.

Was bedeuteten die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ im Jahre 1949 für die Autoren des Gundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland? In Artikel 6 des Grundgesetzes kann man nachlesen: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Beim Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ahnte wohl niemand, dass 53 Jahre später das höchste Gericht Deutschlands die Frage würde klären müssen, ob eine gesetzlich zugelassene gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft im Sinne von Artikel 6 eine „Ehe“ sei.

Diese Entwicklung in der Gesellschaft bringt andere Möglichkeiten für die Familiengestaltung mit sich. Das Familienleben bezieht sich nicht mehr allein auf Vater, Mutter, Geschwister und Verwandte. Heute können gleichgeschlechtliche Paare mit einem Kind – entweder adoptiert oder aus einer früheren heterosexuellen Beziehung hervorgegangen – eine Familie sein.

Um der gegenwärtigen Pluralität gerecht zu werden, informierte beispielsweise die Schuldirektorin einer elitären Privatschule in Manhattan die Eltern ihrer Grundschüler, man würde keine besonderen Aktivitäten zum Mutter- und Vatertag anbieten. Sie schrieb: „Wir sind eine Schule, die viele unterschiedliche Formen der Familie repräsentiert, und wir müssen für die emotionale Gesundheit unserer Kinder an der Schule eintreten . . . Die Anerkennung dieser Tage in einem sozialen Rahmen ist heute nicht unbedingt mehr eine positive Erfahrung für alle Kinder. Familien ändern sich . . . Einige haben vielleicht zwei Väter, zwei Mütter, vielleicht liegt das Sorgerecht auch gar nicht bei der Mutter, sondern bei der Großmutter“ (New York Post, 8. Mai 2001).

Als die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet wurde, hätte man nie im Traum daran gedacht, den Begriff der Familie so zu definieren, dass Kinder vor einer Tradition wie dem Muttertag bewahrt werden müssten.

Liebe Dich selbst

Statt die Ursachen für den Verfall der Ehe und Familie zu behandeln und dabei die Wichtigkeit echter Liebe, die sich am Wohlergehen des Nächsten orientiert, zu betonen, behandelt man lediglich die Auswirkungen, die sich aus der Ablehnung wahrer christlicher Nächstenliebe ergeben. Die diversen Formen moderner Partnerschaft – ob konsekutive Ehe, Partnerschaft auf Probe usw. – gründen sich bei näherer Analyse auf eine starke Betonung der eigenen persönlichen Freiheit und Bequemlichkeit, statt auf die ausströmende Hingabe an den Partner.

Beispielsweise besagt die dem „Lebensabschnittspartner“ zugrundeliegende Haltung in etwa: „Du kannst mein Partner sein, solange Du mir keine Schwierigkeiten machst und es mir gefällt, Dich als Partner zu haben. Ist das nicht mehr der Fall, suche ich mir einen anderen Partner aus.“ Diese Haltung spiegelt den nach innen gerichteten Weg des Nehmens wider, im Gegensatz zum Weg des Gebens, auf dem sich der Mensch als Teil eines größeren sozialen Gefüges sieht.

Die Geschichte bestätigt, dass ein starkes Bewusstsein des zweiten Weges den Aufstieg großer Kulturen begleitet hat. Umgekehrt zeichnete sich der Verfall großer Zivilisationen durch die Zerrüttung des sozialen Gefüges aus, herbeigeführt durch Ichbezogenheit und soziale Verantwortungslosigkeit. Dem Sozialforscher Carle Zimmerman zufolge erfolgt der Aufstieg einer großen Kultur in einer Zeit, in der Familien ein starkes familiäres Bewusstsein haben und Name und Geschlecht ihrer Vorfahren treulich weiterführen. Auf dem Höhepunkt einer kulturellen Entwicklung kristallisiert sich die „Kernfamilie“ heraus: Vater, Mutter, Kinder und Verwandte.

Der nächste Schritt, in dem Zimmerman den anfänglichen Niedergang einer Kultur sieht, besteht darin, dass aus der Kernfamilie die „atomistische“ Familie wird, woraus mit der Zeit eine totale Vereinzelung und Bindungslosigkeit der einzelnen Familienmitglieder untereinander entsteht. In dieser Phase des Zyklus überwiegen Ichbezogenheit und der Weg des Nehmens:

„Die atomistische Familie ist gleichzeitig Ursache und Wirkung des Verfalls im gesellschaftlichen Leben. In den Spätstadien scheint die Heiratszeremonie ihren eigentlichen Sinn zu verlieren; Ehebruch, Billigung sexueller Perversionen, Scheidungserleichterung, Kinderlosigkeit und Kriminalität greifen um sich. Begriffe wie Loyalität und Selbstaufopferung treten in den Hintergrund, und persönlicher Egoismus tritt an ihre Stelle. Unter diesen Umständen kann weder die Familie ihren elementaren Aufgaben nachkommen, noch kann die wachsende Forderung nach individueller Freiheit und persönlicher Befriedigung erfüllt werden. Auch trägt die atomistische Familie nicht den Keim einer Umkehr zum System der Kernfamilie in sich. Die geschichtliche Erfahrung zeigt vielmehr, dass sich der Verfall immer weiter fortsetzt“ (Zimmerman, zitiert von Gerald R. Leslie in The Family in Social Context, Oxford University Press, 1967, Seite 228).

In dieser letzten Phase des gesellschaftlichen Verfalls steht die Befriedigung eigener Wünsche und Gelüste ohne Rücksicht auf die möglichen negativen Folgen für andere an oberster Stelle. Kurzum: Sex ohne Liebe und soziale Verantwortung bedeutet Tod für die Institutionen Ehe und Familie!

„Du sollst nicht ehebrechen“

Verneint der Gott, der dieses Gebot dem Volk Israel am Berge Sinai verkündete, die sexuellen Wünsche des Menschen? Versucht Gott bewusst, den Menschen durch die monogame Ehe auf Lebenszeit ein „feindseliges System“, so der englische Dichter Shelley, aufzubürden, statt ihm den Spaß wechselnder Sexualpartner zu erlauben? Oder enthält das siebte Gebot auch Gutes für den Menschen?

Gott war sich dessen bewusst, dass das, was für die Gesellschaft insgesamt gut ist, auch für die einzelnen Angehörigen dieser Gesellschaft gut ist, und umgekehrt.

Was wäre beispielsweise, wenn alle Menschen das siebte Gebot hielten? Der Buchstabe und der Geist des Gesetzes bedingen, dass mit Ehebruch nicht nur außereheliche Sexualität gemeint ist, sondern auch Unzucht (voreheliche Beziehungen), sexuelle Abartigkeit, ja schon die gedankliche Auseinandersetzung mit Sex in Bezug auf jemanden, mit dem man nicht verheiratet ist: „Wer eine Ehefrau auch nur mit Begehrlichkeit anblickt, hat damit schon in seinem Herzen Ehebruch an ihr begangen“ (Matthäus 5,28; Menge-Übersetzung).

Was wären die Folgen, wenn die ganze Menschheit nur dieses eine Gebot halten würde? Zunächst einmal wären alle Scheidungsanwälte und Pornographen sowie viele Privatdetektive arbeitslos. Die Familiengerichte würden in erheblichem Maße entlastet. Die Ausgaben für die staatliche Förderung minderjähriger Kinder und deren alleinerziehender Mütter würden stark reduziert. Für Kinder auf dem Weg zur und von der Schule wären unsere Straßen endlich frei von lauernden Triebtätern.

Darüber hinaus wären viele große Opern, Filme und Bücher nicht mehr so interessant, denn ihr Inhalt wäre nicht mehr lebensnah. Üppige Spesenkonten von Geschäftsleuten und Vorständen, die sich beim bezahlten Sex vergnügen, gäbe es auch nicht mehr. Das sogenannte älteste Gewerbe der Welt – die Prostitution – würde aussterben.

Geschlechtskrankheiten würden allmählich aussterben, denn zu ihrer Weiterverbreitung muss es einen dritten Beteiligten geben. Die Werbung würde als Leitbilder keine Motive mehr verwenden, die außereheliche Beziehungen bzw. außerehelichen Sex anpreisen. Der Begriff „Dreiecksverhältnis“ würde ausschließlich in der Trigonometrie verwendet, wo er eigentlich hingehört. Auch die Mode und die Textilindustrie für Damenbekleidung müssten umgekrempelt werden. Es würde sich eine völlige Kehrtwendung vollziehen, weg von entwürdigenden Modetrends, die die natürlichen Reize des weiblichen Körpers übermäßig betonen.

Da die Boulevardpresse keine Berichte mehr über Seitensprünge und Verfehlungen prominenter Leute zu veröffentlichen hätte, könnte die Publikation manches Klatschblatts eingestellt werden, was dann beim reduzierten Papierverbrauch auch ein Beitrag zur Schonung der Umwelt wäre.

Das vielleicht wichigste Resultat wäre, dass sich die Gesellschaft in ungeahntem Maße stabilisieren würde. Was hält uns davon ab, eine solche Welt zu schaffen? Unsere Ablehnung von nur vier kurzen Wörtern: „Du sollst nicht ehebrechen.“

Die Familie in der zukünftigen Welt

Der Hauptgrund aber, warum Gott den Ehebruch untersagt, hat mit einem fehlenden Aspekt hinsichtlich der Ehe zu tun, einem Aspekt, der bei allen Soziologen unberücksichtigt bleibt. Er bleibt deshalb unberücksichtigt, weil die moderne Soziologie die Bestimmung des Menschen nicht kennt, wie sie vom Schöpfer festgelegt wurde. Diese Bestimmung lässt sich ganz einfach darlegen: Gott wünscht sich eine Familie! Christen sind bereits Gottes gezeugte Kinder (1. Johannes 3,1-2; Römer 8,14-17). Ihre „Mutter“ (Galater 4,26) ist die Gemeinde. Gott als Familie zu verstehen, soll durch die göttliche Institution der menschlichen Ehe vermittelt werden.

Nach der Wiederkehr Jesu Christi wird die Familie der Zukunft in einer Welt leben, die Ehebruch nicht mehr kennt. Das Gesetz Gottes, das Gottes Denk- und Handlungsweise widerspiegelt, wird die Grundlage für diese Welt von morgen sein. Es wird dann keinen Ehebruch, keine konsekutive Monogamie, keine Probe- oder Elternehe und keinen Gruppensex geben. Ohne die geschlechtlichen Verfehlungen von heute werden die Familien von morgen glücklich sein.

Vor der Rückkehr Jesu wird Gott die Abwärtsentwicklung in Sachen Familie umkehren im Leben derer, die zur Besinnung kommen und seine Moralvorstellungen annehmen. Demnach kann es die wahre, gottgewollte Familie der Zukunft auch heute geben. Für die Zeit kurz vor der Rückkehr Jesu sagte der Prophet Maleachi folgendes voraus: „ Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage“ (Maleachi 3,23-24).

Wer nach den Gesetzen Gottes lebt, schafft die Grundlage für ein gesundes, glückliches Familienleben und braucht den „Bann“, den Maleachi vorhersagte, nicht zu fürchten. Wer hingegen Gottes Vorgaben für Ehe und Familie missachtet, bringt Leiden über sich selbst und seine Mitmenschen.

Interessant an der Prophezeiung Maleachis ist die Betonung der Rolle des Vaters in der Familie. Danach soll die väterliche Beziehung in der Familie verbessert werden, und diese Verbesserung scheint vom Vater auszugehen. Damit wird ein Trend in der heutigen Gesellschaft umgekehrt.

Vaterrolle unter Beschuss

Der Verfall der Vaterrolle ist heute wohl die größte Gefahr für die Stabilität der Familie. Die Demontage des Vaters hat zwei Seiten. Zum einen geht es um abwesende bzw. schlechte Väter, andererseits wird die Rolle des Vaters, teils wegen des schlechten Beispiels mancher Väter, in Frage gestellt bzw. lächerlich gemacht.

Die Anzahl der Kinder, die unter dem Regiment eines wenig häuslichen, stets abwesenden, schlechten, nachlässigen Familienoberhauptes Schaden erlitten haben, ist wohl umermesslich! Heute weiß man, dass eine frühkindliche Vater-Deprivation (Missverhältnis zum Vater) negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hat.

Selbst wenn der Vater relativ häuslich ist und seinen Kindern, wenn auch widerstrebend, „Zeit widmet“, kann die pädagogisch verfehlte Art, wie er das tut, dazu führen, dass die Kinder ein falsches Bild von Familienbeziehungen entwickeln, speziell hinsichtlich der Rolle des Vaters. Man kann es nicht oft genug betonen: Die meisten Menschen, die in sexueller Beziehung auf Abwege geraten, hatten eine schlechte Beziehung – oder gar keine – zu ihrem Vater. „Jack the Ripper“ und der Marquis de Sade waren auch einmal niedliche unschuldige Babys; häusliche Verhältnisse in ihrer Kindheit und Jugend werden dazu beigetragen haben, dass sie zu Ungeheuern wurden.

Fast alle Einflüsse, denen ein Junge in der heutigen Gesellschaft ausgesetzt ist, richten sich gegen die Erfüllung seiner zukünftigen Rolle als Vater. Unterhaltungssendungen im Fernsehen stellen den Vater (Prototyp „unbeholfener Taugenichts“) oft als Witzfigur dar. Darüber hinaus zeigen viele Beiträge im Fernsehen unvollständige Familien – Familien mit nur einem Elternteil, statt einer harmonischen Vater-Mutter-Beziehung in der Familie. Das mag die Realität unserer Gesellschaft sein, damit trägt man jedoch nicht zur Stärkung der Institution Familie bei. Die Aushöhlung der Vaterrolle wird noch dadurch verstärkt, dass die Frau als sexuelles Spielzeug und außerehelicher Sex als Gipfelpunkt des Lustgewinns dargestellt werden.

Damit vermittelt unsere Gesellschaft heranwachsenden Kindern keine richtigen Leitbilder auf dem Gebiet der Sexualität. In der Schule beschränkt sich der Sexualkundeunterricht weitgehend auf die Vermittlung von Sachwissen ohne moralische Grundwerte.

Die Verantwortung von Eltern

Richtige Sexualerziehung wird lange vor der Geburt des Kindes vorbereitet. Die Eltern sollen bereits ein glückliches Zuhause eingerichtet haben, bevor das Kind gezeugt und in die Welt gesetzt wird. Dann, wenn das Kind da ist, dürfen die Eltern nicht versäumen, die so entscheidenden Vorschuljahre richtig zu nutzen; andernfalls werden auch noch so viele schulische Aufklärungsfilme und -vorträge das Kind nicht davor bewahren können, Fehler zu begehen.

Das heißt nun nicht, dass Sie regelrechte Aufklärungskurse für Kleinkinder abhalten müssen. Vielmehr ist Ihr Vorbild während der ersten Lebensjahre die ausschlaggebende Methode angemessener Sexualerziehung. Wenn Fragen auftauchen, soll man sie natürlich beantworten. Bevor es aber dazu kommt – bevor das Kind überhaupt Fragen formulieren kann –, soll es schon ein gewisses Maß an Vertrauen, Respekt und familiärer Zuneigung seinen Eltern gegenüber verinnerlicht haben. Damit hat das Kind eine charakterliche Grundlage, auf der dann alle weiteren Informationen aufbauen können.

Dabei ist das persönliche Gewissen, das sich in frühem Alter entwickelt, eine vorrationale und daher überaus machtvolle Kontrollinstanz für das spätere Handeln des Menschen. Eltern tragen die wichtige Verantwortung, das Gewissen ihrer Kinder mit richtigen Inhalten zu füllen.

Eines der Hauptargumente in der Aufklärungsdebatte, das von manchen Pädagogen angeführt wird, ist, dass viele Eltern nicht über die notwendige Sachkenntnis verfügen, um häuslichen Sexualunterricht zu erteilen. Dieses pessimistische Urteil muss Sie aber nicht unbedingt einschließen! Sie können Ihren Kindern ein kompetenter Sexualerzieher sein. Vergessen wir nicht: Eltern können – und sollen – ihrem Kind moralische Charakterfestigkeit anerziehen. Im ersten Schuljahr ist es bereits zu spät, damit anzufangen oder eine dauerhafte neue charakterliche Grundlage zu legen. Die Verantwortung der Eltern beginnt viel früher als die des Lehrers!

Dr. Edward Tyler, früher Professor für Psychiatrie an der Universität von Indiana, fasste das gesamte Sexualerziehungsproblem in einem Satz zusammen: „Sexualerziehung wäre überhaupt nicht nötig, wenn jedes Kind Eltern hätte, die ein Vorbild an liebevoller Zuneigung bieten, die Wissbegierde und Interesse an allem und jedem wecken, was menschlich ist, und die alle Fragen ihres Kindes unbefangen beantworten.“

Zu guter Letzt: Die moralischen Werte der Bibel – nicht, was der Mensch über die Bibel denkt – bieten die besten Voraussetzungen zur Sexualerziehung, die es gibt. Bevor Sie Ihre Kinder über das richtige Sexualverhalten unterweisen können, müssen Sie selbst damit anfangen, die Bibel zu lesen und ihre Lehren täglich in die Tat umzusetzen.

Hinweise für Eltern in Bezug auf Sexualaufklärung

Da der Sexualkundeunterricht in der Schule auf dem Lehrplan steht, meinen manche Eltern fälschlicherweise, sie seien von der Verantwortung entbunden, ihre Kinder über Sexualität aufzuklären. Wer diese Sichtweise akzeptiert, versäumt leider eine unschätzbare Gelegenheit, die Einstellung der eigenen Kinder zur Sexualität positiv zu beeinflussen. Nachfolgend weisen wir auf einige Grundregeln hin, anhand derer Sie Ihren Kindern in jungen Jahren eine gesunde Einstellung zur Sexualität vermitteln können.

Früh anfangen. Die frühe Kindheit ist die Zeit, in der der Mensch am leichtesten zu erziehen ist und in der Eltern die Umwelt ihrer Kinder noch fast völlig unter Kontrolle haben. In dieser Zeit wird dem Kind eine geschlechtliche Identität durch das Beispiel seiner Eltern vermittelt. Der Junge ahmt die Lebensweise seines Vaters nach, auch dessen Verhalten gegenüber der Mutter des Kindes und gegenüber anderen Menschen. Diese frühesten Eindrücke sind ein überaus wichtiger Einfluss für das spätere Leben der Kinder.

Der Aufklärung anderer zuvorkommen. Schlagen Sie alle anderen Konkurrenten aus dem Felde. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass man keine Wahl hat, ob man seinem Kind eine Sexualerziehung mitgeben will oder nicht, es wird sie so oder so bekommen. Die Frage ist nur, wie, was und von wem das Kind lernen soll. Einen Teil seiner Informationen erhält es in der gegenwärtigen Gesellschaft nicht nur durch formelle Aufklärung im Sexualkundeunterricht, sondern auch durch private Kontakte und Erfahrungen. Sexualerziehung kann in der Pause auf dem Schulhof, im Umkleideraum, durch Liebesromane, durch Film und Fernsehen stattfinden – oder durch das richtige Vorbild und die Erziehung seitens der Eltern. Man muss hier die Konkurrenz aus dem Felde schlagen und „der erste am Drücker“ sein.

Die Verständigung nie abreißen lassen. Kommunikation ist schließlich keine Einbahnstraße von den Eltern zum Kind, sondern ein wechselseitiger Prozess. Man sollte bei der Erziehung darauf achten, dass Geben und Nehmen, dass Frage und Antwort nicht zu kurz kommen. Wenn man die Fragen seines Kindes nicht selbst beantwortet, wird es wahrscheinlich ein anderer tun – und dessen Auskünfte könnten falsch oder unvollständig sein. Hat man von frühester Kindheit an eine gute Verständigung aufrechterhalten, reißt sie auch in den Entwicklungsjahren nicht ab; man braucht sich dann keine übermäßigen Sorgen zu machen, wenn das Kind zum Teenager heranwächst.

Probleme vorhersehen. Fangen Sie mit der Sexualerziehung nicht erst an, wenn eine Krise eingetreten ist. Warnen Sie Ihr Kind vor sexuellen Fehlern, bevor sie begangen werden können. Erst im Pubertätsalter eine peinliche „Aufklärungsstunde“ abzuhalten, wäre verfehlt. Bereiten Sie das Kind auf die körperlichen Veränderungen vor, die mit der Pubertät eintreten werden. Besonders für neue Eltern ist es wichtig zu verstehen, dass Kinder oft schon in frühester Jugend Interesse an den Geschlechtsorganen zeigen. Klären Sie sie über die Intimität dieser Körperregionen auf, ohne jedoch im mindesten ein Schamgefühl zu wecken oder den Eindruck zu vermitteln, Geschlechtliches sei „unanständig“.

Ausgleichssport fördern. Bei Eintritt der Pubertät sind Körpergewebe, Knochen und Muskeln starken Veränderungen unterworfen. Intensive sportliche Betätigung fördert diese körperliche Entwicklung und trägt auch dazu bei, Spannungen abzubauen, die während der Geschlechtsreife durch chemische Veränderungen im Körper auftreten. Außerdem ist Ausgleichssport dazu angetan, Jugendlichen zu einem klareren maskulinen bzw. femininen Selbstverständnis zu verhelfen.