Wie reagieren Sie, wenn etwas anders läuft, als Sie es sich vorstellten? Ist für Sie der Tag erst einmal gelaufen? Können Sie Ihre Reserven mobilisieren?

Von Paul Kieffer

Wie zufrieden sind wir? Geht es uns gut? Wenn alles in unserem Leben nach Plan verläuft und unsere Wünsche erfüllt werden, fällt es uns nicht schwer, zufrieden zu sein. Wie sieht es aber aus, wenn die Dinge anders als erwartet laufen und wir uns auf Probleme oder Mißlichkeiten einstellen müssen? Sind wir auch dann zufrieden?

Vor Jahren wies mich ein Freund auf ein Prinzip für die tägliche Lebensführung hin, das ich, wenn es um Zufriedenheit geht, sehr hilfreich gefunden habe. Er meinte: „Bis du in der Lage bist, in jeder Situation glücklich zu sein, wirst du in keiner Situation wirklich glücklich sein können.“ Ich habe die zwei Schlüsselwörter in seinem Rat hervorgehoben: jede und keine. Prägen wir uns diese Sichtweise ein, denn im Leben eines Christen wird es nicht lange dauern, bis ihre Weisheit offenbar wird.

Ganz gleich welche Stellung wir im Leben haben – ob jung oder alt, verheiratet oder alleinstehend usw. –, erleben wir alle Höhen und Tiefen: emotional, finanziell, körperlich usw. Wer heute „oben“ ist, hat keine Garantie, daß er später nicht „unten“ sein wird.

Es kann damit anfangen, daß ein guter Freund uns ignoriert und nicht mehr so wichtig zu nehmen scheint. Wir verpatzen eine wichtige Klausur und bekommen eine Fünf im Zeugnis in einem Fach, in dem wir für unser Weiterkommen mindestens eine Drei brauchen. Ein lieber Mensch stirbt oder wird krank. Jemand, der für uns eine Vorbildfunktion hatte, stolpert in seinem persönlichen Leben und stürzt von seinem Sockel.

Vor einiger Zeit ging ein anonymer Brief beim Hauptsitz der Kirche in den USA ein. Meistens kann man mit anonymen Briefen nichts anfangen, da der Absender unbekannt ist und man ihm, selbst wenn man es wollte, nicht helfen kann. Eine alleinstehende Frau hatte diesen Brief geschrieben, worin sie uns die Vernachlässigung von Menschen vorhielt: „Ich schreibe Ihnen in der Hoffnung, daß Sie ein Problem aufgreifen, das in der Kirche sonst ignoriert wird. Die Kirche scheint sich hauptsächlich um Familien und junge Singles zu kümmern. Im Gegensatz dazu scheint die Altersgruppe der 40- bis 60jährigen völlig unwichtig zu sein.“

Im Philipperbrief finden wir Ermahnungen und Informationen, die nicht nur den Menschen, die sich vernachlässigt fühlen, sondern uns allen helfen können, zufrieden zu sein. In diesem Brief nennt der Apostel Paulus vier wichtige Aspekte, die ihm in seinem persönlichen Wachstum geholfen haben. Da die Heilige Schrift „zur Zurechtweisung“ und „zur Besserung“ dient (2. Timotheus 3,16), kann die Erfahrung des Heidenapostels uns allen dienen.

• Zunächst gilt es, unsere momentane Situation zu akzeptieren. In Philipper 4, Vers 11 schreibt Paulus: „Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie’s mir auch geht“ (alle Hervorhebungen durch uns).

Paulus, der bereits auf eine 20jährige Erfahrung als Christ zurückblicken konnte, behauptet nicht, daß er bei seiner Taufe sofort volle Zufriedenheit erlangte. Nein, im Laufe der Jahre war er in Gnade und Erkenntnis gewachsen und hatte gelernt, immer zufrieden zu sein, ganz gleich in welcher Situation er sich gerade befand.

Dieses bemerkenswerte Geständnis des Paulus muß vor dem Hintergrund seiner Erlebnisse als Diener Jesu Christi gesehen werden. Er hatte wahrlich schwere Zeiten durchgemacht, die er gegenüber den Korinthern bei der Verteidigung seines Apostelamts beschrieb: „Sie sind Diener Christi – ich rede töricht: ich bin’s weit mehr! Ich habe mehr gearbeitet, ich bin öfter gefangen gewesen, ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin oft in Todesnöten gewesen. Von den Juden habe ich fünfmal erhalten vierzig Geißelhiebe weniger einen; ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer.

Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, in Gefahr unter Räubern, in Gefahr unter Juden, in Gefahr unter Heiden, in Gefahr in Städten, in Gefahr in Wüsten, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern; in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße“ (2. Korinther 11,23-27).

Paulus hatte gelernt, Selbstdisziplin zu üben und sich trotz seiner mißlichen Lage zu freuen. Er konzentrierte sich auf positive Gedanken, obwohl seine Lage manchmal alles andere als positiv war. Von ihm haben wir diese Ermahnung: „Alles, was wahr, alles, was ehrbar, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was liebenswert, alles, was wohllautend ist, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, das erwägt!“ (Philipper 4,8; Elberfelder Bibel).

• Wir sollen Gott unsere Situation anvertrauen. Was tat Paulus, nachdem man ihn in Philippi geschlagen und ins Gefängnis gesteckt hatte? „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott“ (Apostelgeschichte 16,25).

In einer schweren Prüfung erlangen wir innere Ruhe, wenn wir unsere Lage Gott anvertrauen und ihn die Last tragen lassen. Deshalb schrieb Paulus: „Seid um nichts besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus“ (Philipper 4,6-7).

Die innere Ruhe zu bewahren, wenn wir geprüft werden, wird durch das Bewußtsein erleichtert, daß Gott unsere Situation genau kennt: „Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge“ (Matthäus 10,29-31).

Es wird Tage geben, wenn wir Gott fragen werden: „Warum gerade ich, Herr?“ Wenn wir „durch Gebet und Flehen mit Danksagung“ unser Anliegen vor Gott bringen, kommen wir vielleicht auf den Gedanken, daß Gottes Antwort sein könnte: „Warum nicht Du? Ich bin bei Dir und kann Dir die Kraft geben, die Du brauchst.“

• Wir sollen sozusagen dort wachsen, wo wir uns gerade befinden. Der Same kann nur dort wachsen, wo er gesät worden ist. Man kann sich vielleicht vorstellen, daß er auch auf einem anderen Feld wachsen könnte, aber dort wurde er nicht gesät!

Wir fangen an, unsere Situation zu meistern, wenn wir sie akzeptieren – wenn wir uns sagen: „Die Lage ist nun mal so, was kann ich daraus machen?“ Wie war dem Apostel Paulus zumute, als er zwei Jahre in Untersuchungshaft blieb, bis sein Fall in Rom zur Verhandlung kam? Bestimmt hätte er sich eine andere „Beschäftigung“ vorstellen können! Wie hätten Sie reagiert, wenn Sie in den Schuhen des Paulus gesteckt hätten? Hätten Sie resigniert und – völlig untätig – einfach auf das Eingreifen Gottes gewartet?

Paulus tat nichts dergleichen. Statt dessen „wuchs er, wo er gerade war“ – er nutzte seinen Hausarrest als Gelegenheit, das Evangelium vom Reich Gottes zu predigen: „Paulus aber blieb zwei volle Jahre in seiner eigenen Wohnung und nahm alle auf, die zu ihm kamen, predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert“ (Apostelgeschichte 28,30-31).

Sein Wirken in diesen zwei Jahren blieb nicht ohne Früchte, wie er in Philipper 1, Verse 12-14 berichtet: „Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. Denn daß ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden, und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind um so kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu.“ Durch Paulus’ Aufenthalt in Rom scheinen sogar Bedienstete im Haushalt des Kaisers bekehrt worden zu sein: „Es grüßen euch alle Heiligen, besonders aber die aus dem Haus des Kaisers“ (Philipper 4,22).

Manche Christen stagnieren in ihrer christlichen Entwicklung, weil sie meinen, ihre gegenwärtige Lage sei für persönliches Wachstum ungünstig. Sie sind deshalb der Ansicht, daß Gott den Stillstand in ihrem Leben tolerieren wird.

Einige Christen wollen die Gemeinde oder andere Gläubige für ihr fehlendes Wachstum verantwortlich machen. In ihrer vermeintlich schlechten Lage gibt es niemanden, der sie motiviert bzw. anspornt. Deshalb warten sie darauf, daß jemand sich ihrer annimmt.

Für andere ist ihr Alter ein Hinderungsgrund. „Ich kann nichts mehr beitragen“, meinen sie, „weil ich zu alt bin.“ Interessanterweise scheint Gott sich nicht besonders vom Alter seiner Diener abschrecken zu lassen. Er berief Mose, um das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten zu führen, als dieser bereits 80 Jahre alt war. Solche Beispiele gibt es nicht nur in der Bibel. Konrad Adenauer wurde im Alter von 73 Jahren zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und blieb vierzehn Jahre im Amt. Er leistete den bedeutendsten Beitrag seines Lebens in einem Alter, in dem viele andere Menschen sich zu Herausforderungen und Leistung – ja, auch Wachstum! – unfähig fühlen.

Die Wahrheit ist, daß niemand anders als wir selber für unser christliches Wachstum verantwortlich ist. Es spielt keine Rolle, „wo wir uns befinden“ – in welcher Lage wir stecken –, denn wachsen können wir immer.

• Bauen wir auf die Kraft Gottes, wenn es darum geht, eine scheinbar unmögliche Lage zu meistern.

Wenn wir eine mißliche Lage erleben und meinen, nicht die notwendige Kraft zu haben, um mit ihr fertig zu werden, sind wir ganz bestimmt unzufrieden. Wir dürfen jedoch eine wichtige Verheißung Gottes nie aus den Augen verlieren: Gott prüft uns nie über unser Vermögen. In 1. Korinther 10, Vers 13 lesen wir dazu: „Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen läßt über eure Kraft, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende nimmt, daß ihr’s ertragen könnt.“

Gott hält immer sein Wort! Ihm stehen alle Möglichkeiten zur Verfügung, um seine Verheißungen wahr zu machen. Paulus wußte, daß er sich in seinen vielen Trübsalen auf Gott verlassen konnte: „Sowohl erniedrigt zu sein, weiß ich, als auch Überfluß zu haben, weiß ich; in jedes und in alles bin ich eingeweiht, sowohl satt zu sein als auch zu hungern, sowohl Überfluß zu haben als auch Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Philipper 4,12-13; Elberfelder Bibel).

Die Vorstellung ist falsch, daß Gott uns in einer Prüfung nur durch Wegnahme der Prüfung helfen kann. Er kann uns genauso gut helfen, indem er uns kräftigt, damit wir die Last ertragen können. Diese Gewißheit zu haben läßt uns zufrieden sein.

Wir sollen aber nicht meinen, daß Gott uns alles abnimmt. Sein Kräftigen setzt unsere ernsthafte Suche nach seinem Willen voraus. Beides ist notwendig: Unsere Bemühungen und seine Kraft in uns, wie Paulus in Philipper 2, Verse 12-13 feststellte: „Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur wie in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern! Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen“ (Elberfelder Bibel).

Paulus hatte gelernt, sich auf das wirklich Wichtige im Leben zu konzentrieren: das Reich Gottes. Er beherzigte die Ermahnung Jesu in seiner Bergpredigt: „Darum sollt ihr nicht sorgen [= unzufrieden sein] und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Matthäus 6,31-33).

Die Beherzigung dieser Anregungen aus dem Philipperbrief kann uns helfen, positive Lichter der Zufriedenheit in einer Welt zu sein, in der sehr viele Menschen unzufrieden sind. „Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, damit ihr ohne Tadel und lauter seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt“ (Philipper 2,14-15).