Die Anhänger der Allversöhnung glauben, daß die Erlösung ausnahmslos allen Menschen gewährt wird. Gründet sich diese Überzeugung auf die Bibel?

Von Paul Kieffer

Stimmt die Vorstellung einiger, wonach Gott letztendlich alle Menschen und sogar Satan den Teufel und seine Dämonen retten wird? Die Anhänger der Allversöhnung glauben, daß die Berufung und die Erlösung nicht nur einem Teil der Menschheit, sondern ausnahmslos allen Menschen zuteil werden. Sie sind überzeugt, daß kein Mensch jemals verloren sein kann, selbst wenn er mit aller Macht die Lebensweise Gottes ablehnen und die Verdammnis suchen wollte.

Nach dieser Lehre kann man sich in etwa das Gespräch vorstellen, das Gott mit einem Menschen führt, der sich nicht retten lassen will: „Ich werde dich retten und zu einem Angehörigen meiner ewigen Familie machen, und du kannst überhaupt nichts dagegen tun. Wenn nötig, werde ich dich in den feurigen Pfuhl werfen, dich verbrennen und dich dann wieder leben lassen, damit du gerettet wirst! Wenn nötig, wiederhole ich die Prozedur so lange, bis ich dich gerettet habe.“

Womit begründen die Anhänger der Allversöhnung ihre Sichtweise?

Jesus versöhnt uns mit Gott

Eine der wichtigsten Belegstellen, die für die Allversöhnung angeführt wird, finden wir in Kolosser 1, Verse 19-20: „Denn es hat Gott wohlgefallen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz“ (alle Hervorhebungen durch uns).

Hier sollen wir erkennen, so die Meinung der Allversöhner, daß Christus bereits für alle Menschen, die jemals leben werden, die vollständige Versöhnung geschaffen hat. Diese Versöhnung soll nicht nur den Menschen, sondern auch allen Wesen im Himmel gelten. Dazu gehören die Engel.

Wer sich dieser Auslegung anschließt, hat einige Dinge zu klären. Zunächst besagt der Text nur, daß es „Gottes Wohlgefallen“ war, die Menschen durch Jesus mit sich zu versöhnen. Geht es hier um einen Wunsch oder um eine absolute Zielvorstellung, die wir als vollendete Tatsache verstehen sollen? Der weitere Zusammenhang zeigt, daß die Versöhnung aller Menschen mit Gott keine vollendete Tatsache ist. Im Gegenteil: Für Christen ist die bleibende Versöhnung an unsere Treue geknüpft: „Auch euch [Christen, d. h. nur diejenigen, die berufen und bekehrt sind und Gott dienen] ... hat er nun versöhnt ... wenn ihr nur bleibet im Glauben“ (Verse 21-23).

Es ist sicherlich richtig, daß Gott durch Jesus die Möglichkeit geschaffen hat, daß alle Menschen mit ihm versöhnt werden können. Diese Versöhnung geschieht jedoch nicht automatisch, sondern muß in Anspruch genommen werden und setzt unsere Mitwirkung voraus. Alle, die der Vergebung durch Jesus teilhaftig werden wollen, müssen dafür erst eine wichtige Bedingung erfüllen, die Gott stellt. Diese ist: Wir müssen Jesus als unseren Erlöser anerkennen und annehmen. Er ist der einzige Weg zum Vater (Johannes 14,6).

Was bedeutet aber die Formulierung „auf Erden oder im Himmel“ in Kolosser 1, Vers 20? Mit „Himmel“ können die gefallenen Engel bzw. Dämonen nicht gemeint sein, denn sie befinden sich zur Zeit auf der Erde. Mit seiner Wortwahl will der Apostel Paulus unterstreichen, daß kein Mensch, der zu Christus kommen möchte, ganz gleich wer und wo er ist, von der Möglichkeit der Versöhnung ausgeschlossen ist. Da es gar nicht zur Debatte steht, ob Menschen „im Himmel“ sind, veranschaulicht die Formulierung die Tragweite des Opfers Jesu.

Ist „alles“ immer alles?

Bedeutet „alles“ in Kolosser 1, Vers 20 buchstäblich alles? Wie im Deutschen kann auch das griechische Wort für „alles“ (pas, pasa, pan) im absoluten Sinn (das ganze Universum umfassend), begrenzt (alles innerhalb eines bestimmten Bereichs) oder im Sinne eines rhetorischen Stilmittels, um einer Aussage Nachdruck zu verleihen, verwendet werden. Diese Bedeutungsunterschiede sind nicht am Wort selbst zu finden, sondern ergeben sich aus dem textlichen Zusammenhang, in dem das Wort vorkommt.

Im Theologischen Wörterbuch des Neuen Testaments heißt es dazu: „In vielen Versen wird es [alles] einfach im Stil volkstümlicher Erzählung gebraucht, als übertriebene Wendung, wie es auch heute üblich ist. Einige wenige Beispiele mögen genügen. So lesen wir von ,ganz Jerusalem‘ in Matthäus 2,3, von dem ,ganzen jüdischen Land‘ in Matthäus 3,5, von ,ganz Syrienland‘ und ,allen Kranken‘ in Matthäus 4,24. Hier ist pas nicht wörtlich aufzufassen. Es dient lediglich als volkstümliche Umschreibung einer großen Menge“ (Band 5, Seite 896).

Ein weiteres Beispiel finden wir in Apostelgeschichte 19, Vers 10, wo wir lesen, daß „alle, die in der Landschaft Asien wohnten, das Wort des Herrn hörten“. Bedeutet das, daß es unter der gesamten Bevölkerung der dortigen Region absolut keine Ausnahmen gab? Wenn es wirklich keine gab, übertrifft das noch die Leistung von Johannes dem Täufer. Über ihn heißt es in Matthäus 3, Verse 5-6: „Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden.“

In Kolosser 1, Vers 23 lesen wir sogar, das Evangelium sei bereits zu Lebzeiten des Apostels Paulus „allen Geschöpfen unter dem Himmel“ gepredigt. Da Jesus seine Wiederkehr für eine Zeit nach dem weltweiten Predigen des Evangeliums vorausgesagt hat (Matthäus 24,14), stellt sich die Frage, wieso dann das Ende nicht schon lange gekommen ist!

Die Schriftstelle in Philipper 2, Verse 9-11 ist für manche Allversöhner ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Sichtweise. Dort heißt es: „Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“

Implizit in der Sichtweise der Allversöhner ist die Prämisse, daß jemand, der Jesus als Herr anerkennt, die Versöhnung mit Gott akzeptiert haben bzw. akzeptieren muß. Die Bibel zeigt an anderer Stelle, daß diese Prämisse falsch ist. Die Dämonen, die Jesus Christus begegneten, wußten genau, wer er war, und bekannten es auch: „Und sie kamen ans andre Ufer des Sees in die Gegend der Gerasener. Und als er aus dem Boot trat, lief ihm alsbald von den Gräbern her ein Mensch entgegen mit einem unreinen Geist ... Als er aber Jesus sah von ferne, lief er hinzu und fiel vor ihm nieder und schrie laut: Was willst du von mir, Jesus, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich beschwöre dich bei Gott: Quäle mich nicht!“ (Markus 5,1-2. 6-7). Der Apostel Jakobus fügt hinzu: „Du glaubst, daß nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben’s auch und zittern“ (Jakobus 2,19).

Diese Bibelstellen zeigen uns, daß die Dämonen sehr wohl wissen, wer Jesus Christus ist. Erkennen sie ihn an in dem Sinne, daß sie Gott untertan sind und die Versöhnung mit ihm akzeptieren? Überhaupt nicht! Der Dämon jedoch, der Jesus als Sohn Gottes identifizierte, hat mit seinem Lippenbekenntnis die Vorhersage von Paulus in Philipper 2, Vers 11 bereits erfüllt.

Errettung nur durch Jesus

Für alle, die erlöst werden, gibt es die gleiche Bedingung: Nur durch Jesus Christus können wir das ewige Leben erlangen. Es gibt keinen anderen Weg bzw. keine andere Autorität, durch die die Erlösung erlangt werden kann. „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden“, tat der Apostel Petrus vor dem jüdischen Hohen Rat kund (Apostelgeschichte 4,12).

Aus diesem Grund schrieb Paulus an Timotheus, daß Jesus der „Heiland aller Menschen“ ist (1. Timotheus 4,10). Damit stellte er nur fest, daß Jesus der einzige Erlöser ist, den es gibt. Paulus ging es nicht um die Feststellung, daß kein Mensch verlorengehen wird. Statt dessen betonte er, daß allein Jesus der Weg und die Tür ist (Hebräer 5,9; 12,2; Johannes 10,9; 14,6).

In 1. Timotheus 4, Vers 10 fährt Paulus fort und sagt, daß Jesus der „Heiland aller Menschen“ ist, „besonders der Gläubigen“. Diese Unterscheidung ist wichtig. Jesus ist schon der Erlöser all derer, die bereits an ihn glauben, aber nur der potentielle Erlöser derer, die noch nicht glauben.

Das bedeutet, daß Jesus für die Ungläubigen nur unter der Bedingung ihr Erlöser sein kann, daß sie eines Tages doch noch gläubig werden.

Es ist zwar richtig, daß Jesus „für alle den Tod“ geschmeckt hat (Hebräer 2,9), doch damit wird nichts darüber ausgesagt, wie viele Menschen diesen Tod als Sühneopfer für die eigenen Sünden annehmen werden. Mit Jesu Tod „ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen“ (Titus 2,11).

Diese Gnade ist allen Menschen zugänglich – oder wird ihnen in der Zukunft zu einer von Gott bestimmten Zeit zugänglich sein –, ohne Ausnahme und ohne Vorbehalt. Doch nirgends sagt die Bibel, daß alle Menschen, wenn sich die Gelegenheit bietet, von Gottes Angebot der Gnade durch Jesus Christus Gebrauch machen werden.

Durch Jesus sollen alle wieder leben

Eine vermeintliche Belegstelle für die Allversöhnung finden wir in 1. Korinther 15, Vers 22: „Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.“ Die Anhänger der Allversöhnung meinen, daß in der Weise, wie alle Menschen durch Adam einmal sterben müssen, alle Menschen durch Christus das [ewige] Leben erhalten werden.

Doch bevor ein voreiliger Schluß gezogen wird, sollen wir ein paar Fragen stellen. Zunächst einmal: Worum geht es in 1. Korinther 15 überhaupt? Das Thema dieses Kapitels ist bekanntlich die Auferstehung. An wen schreibt Paulus? An Christen – diejenigen, die „in Christus“ sind.

Wenn man Vers 22 im Zusammenhang des ganzen Kapitels liest, stellt man fest, daß es in der Gemeinde zu Korinth anscheinend einige Menschen gab, die an der Auferstehung zweifelten (Vers 12). Paulus sagt ihnen, daß Jesus, wenn Christen (diejenigen, die „in Christus“ sind) nicht auferstehen, auch nicht von den Toten auferstanden sein kann. Damit wäre ihr Glaube vergeblich (Vers 13 und 14). Sie wären dann immer noch in ihren Sünden, und diejenigen, die bereits gestorben sind, wären endgültig verloren (Vers 17 und 18).

Paulus betont daher, daß die Auferstehung der Heiligen (der Christen seiner Zeit als auch der Gläubigen heute) unzertrennlich an die Auferstehung Christi geknüpft ist. Wenn die Auferstehung Jesu keine historische Tatsache ist, wenn er nicht wirklich leibhaftig auferstanden ist, dann verschwenden diejenigen, die sich um die christliche Lebensweise bemühen, nur ihre Zeit. In Vers 20 räumt er aber alle Zweifel mit der zuversichtlichen Feststellung aus: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“ Hier geht es im Zusammenhang allein um die Entschlafenen „in Christus“ (Vers 18).

Dann folgen die Verse, die für manche die Sichtweise der Allversöhnung bestätigen sollen: „Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden“ (Verse 21-22).

Will man diese Verse losgelöst aus ihrem Zusammenhang und getrennt vom Heilsplan Gottes sehen, dann könnte man zu dem Schluß gelangen, daß Paulus hier die Erlösung von Gerechten und Gottlosen predigt. Doch diese Interpretation trifft nicht zu, da sie mit dem Kontext des Kapitels nicht übereinstimmt. In Vers 21 ist nicht die Rede von „allen Toten“, sondern „der Toten“. In Vers 22 kommt zwar das Wort „alle“ vor, das aber durch Vers 18 eingeschränkt wird: Es sind alle „in Christus“ Verstorbenen.

Um welche Toten handelt es sich denn im Zusammenhang? Es geht hier primär um die in Christus Entschlafenen: Christen, die zu Paulus’ Lebzeiten bereits gestorben waren. In Vers 20 ist von Jesus als „Erstling“ die Rede und in Vers 23 von denen, die „Christus angehören“. Im weiteren Verlauf des Kapitels verwendet Paulus das Wort „alle“ in Vers 51 eindeutig in bezug auf Christen, nicht auf alle Menschen schlechthin.

Daraus ziehen wir den Schluß, daß es hier hauptsächlich um Christen und den Zeitpunkt geht, zu dem sie ewiges Leben erhalten werden. Paulus zeigt den Christen in Korinth, daß sie und alle anderen Gläubigen (diejenigen „in Christus“) bei der Wiederkunft Christi genauso auferstehen werden wie Christus selbst auferstanden ist, denn sie sind Teil seines Leibes (siehe dazu auch 1. Korinther 12,27; Epheser 4,12; Kolosser 1,18).

Was ist das „Ende“, das Paulus in Vers 24 erwähnt? Es ist die Zeit, wenn Jesus „das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat“. Der letzte Feind, den Jesus vor der Übergabe des Reichs an seinen Vater vernichten wird, „ist der Tod“ (Vers 24). Paulus meint also in seiner stark komprimierten Schilderung der Zukunft mit dem „Ende“ dieselbe Szene, die auch in Offenbarung 20, Verse 14-15 beschrieben wird: Der Heilsplan ist vollendet, und jeder, der bis dahin nicht gerettet wurde, erleidet ein für allemal den ewigen Tod im Feuersee.

Problematische Bibelstellen

Für die Anhänger der Allversöhnung gibt es manche Bibelstellen, die sich, wenn alle Menschen doch irgendwie gerettet werden sollen, schwer erklären lassen. In der Bibel ist die Möglichkeit klar angesprochen, daß ein Mensch „die Gnade Gottes vergeblich“ empfangen kann (2. Korinther 6,1). Sie warnt uns davor, zu den Menschen zu gehören, die „das Reich Gottes nicht erben“ werden (Galater 5,21).

Darüber hinaus stellt Paulus fest: „Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten“ (Galater 6,8). In diesem Vers geht es um einen ganz klaren Gegensatz in bezug auf die Dinge, die wir „ernten“ werden: auf der einen Seite ewiges Leben, auf der anderen Seite das Gegenteil. „Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten“, hatte Paulus in Vers 7 geschrieben.

Der Autor des Hebräerbriefs stellt warnend die Frage: „Wie wollen wir entrinnen, wenn wir ein so großes Heil nicht achten, das seinen Anfang nahm mit der Predigt des Herrn und bei uns bekräftigt wurde durch die, die es gehört haben?“ (Hebräer 2,3).

In Hebräer 6, Verse 4-6 heißt es: „Denn es ist unmöglich, die, die einmal erleuchtet worden sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und Anteil bekommen haben am heiligen Geist und geschmeckt haben das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt und dann doch abgefallen sind, wieder zu erneuern zur Buße, da sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen.“ Solche Menschen werden mit Dornen und Disteln verglichen, die „keinen Nutzen“ haben und die man „zuletzt abbrennt“ (Vers 8).

Jesus warnte seine Zuhörer in ähnlich eindringlicher Weise: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel“ (Matthäus 7,21). Jesus ermahnt uns, durch die enge Pforte einzugehen, durch die nicht alle gehen werden: „Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, daß nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, daß ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können“ (Lukas 13,23-24). Diesen Menschen wird Jesus sagen: „Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“ (Vers 27).

Denen, die Jesus ablehnen, hören dann die Worte: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige [aionion] Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ (Matthäus 25,41). Mit diesem ewigen Feuer ist nicht lediglich ein Zeitalter von vorbestimmter Dauer gemeint, wie einige behaupten.

Gott will, daß alle Menschen gerettet werden

Die Allversöhnung ist für viele eine attraktive Lehre, die sie glauben läßt, daß niemand das Heil – das ewige Leben als Kind Gottes – verpassen wird. Sie sehen sich in ihrer Sichtweise durch Bibelstellen wie die in 2. Petrus 3, Vers 9 bestätigt: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß jedermann zur Buße finde.“

Sollen wir diesen Vers dahingehend verstehen, daß letztendlich alle Menschen doch gerettet werden? Das griechische Wort boulomai, das in dieser Bibelstelle mit dem deutschen Wort „will“ übersetzt wurde, ist im Sinne von „ersehnen“ zu verstehen. Somit verstehen wir, was sich Gott wünscht: daß alle Menschen die moralische Entscheidungsfreiheit, die er ihnen gewährt, dazu gebrauchen, seine Lebensweise mit seinen Werten von Herzen zu akzeptieren und zu praktizieren.

Unsere Entscheidungsfreiheit in moralisch-ethischen Fragen bedeutet, daß das Ende des Weges für alle Menschen nicht von vornherein feststeht. Eine aufgezwungene Allversöhnung würde diese Entscheidungsfreiheit zunichte machen. Gott zwingt niemanden zur Reue und Annahme des ewigen Lebens.

In welchem Zusammenhang trifft Petrus seine Feststellung? Es geht ihm darum, daß die Gläubigen ihre Errettung nicht aus Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit aufs Spiel setzen, da Gott ganz sicher sein will, daß sie gerettet würden. Die Beispiele, die er in diesem Kontext erwähnt, handeln von Menschen, die Gottes Mahnungen und Warnung nicht wahrhaben wollten.

Warum ermahnt Petrus seine Leser zum Fleiß und zur Achtsamkeit, wenn alle sowieso gerettet werden? Petrus warnt vor einer Feuersbrunst, die als Gericht Gottes alle Werke des Menschen verzehren wird. Dann mahnt er: „Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müßt ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen ... Darum, meine Lieben, während ihr darauf wartet, seid bemüht, daß ihr vor ihm unbefleckt und untadelig im Frieden befunden werdet“ (Vers 11 bzw. 14).

Der Apostel Paulus schreibt auch vom Wollen Gottes: „[Gott] will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2,4). Im griechischen Urtext wird in diesem Vers das Wort thelo verwendet, das „wünschen“ bedeutet. Wenn Gott von Anfang an bestimmt hat, daß alle Menschen doch gerettet werden, warum wird sein Vorhaben als Wunschvorstellung ausgedrückt?

Wenn die Allversöhnung bei Gott von vornherein beschlossene Sache ist, lassen sich auch andere Fragen stellen. Warum hat Gott uns überhaupt so geschaffen, daß wir verschiedene Optionen bei einer Entscheidungsfindung abwägen können? Warum müssen die Menschen leiden? Warum hat er uns nicht gleich als seine Geistkinder geschaffen, wenn das sowieso das unausweichliche Ziel der menschlichen Existenz ist?

Gott hat verfügt, daß der Mensch wählen muß. Er muß entscheiden, ob er das ewige Leben haben will oder nicht. Will er das ewige Leben haben, dann muß er seinen eigenen Weg verlassen und den Weg Gottes einschlagen. Nur diejenigen, die sich für diesen Weg entscheiden und an Jesus Christus glauben (Johannes 3,16), erhalten Gottes Gabe des ewigen Lebens.

Was wird aber aus denen, die es ablehnen, ihre Sünden zu bereuen und lieber auf dem Weg der Sünde bleiben? Die Antwort der Heiligen Schrift ist eindeutig: „Denn der Sünde Sold ist der Tod“ (Römer 6,23).

Die Geschichte der Allversöhnung

Auf wen geht die Allversöhnung zurück? Jesus und seine Apostel haben sie nicht gelehrt, noch breitete sie sich vor dem dritten Jahrhundert n. Chr. im Christentum aus.

Clemens von Alexandria (ca. 220 n. Chr.) und sein Schüler Origenes übernahmen die gnostische Vorstellung, daß alles Materielle vom Geistlichen abgelöst werde und daß auf dem Weg dorthin alle Leiden keine Strafe, sondern ein Heilmittel seien. Damit verbunden sahen sie „das Erlösungswerk nicht als bloßen Weg für den einzelnen, sondern als kosmisches Geschehen“ (Hastings Encyclopedia of Religion and Ethics, Band 12, Seite 530).

Origenes (ca. 254 n. Chr.) erweiterte die Thesen seines Lehrmeisters und faßte es in einem abgerundeten Konzept ab, so daß die Allversöhner späterer Zeiten kaum etwas hinzufügen mußten. Origenes vertrat die Auffassung, daß alle bösen Menschen, die Dämonen und sogar der Teufel selbst letztendlich der göttlichen Erlösung teilhaftig würden, aber erst nachdem sie ein Zeitalter der Bestrafung durch Feuer absolviert hätten.

Origenes drückte seine Überzeugung folgendermaßen aus: „Es gibt eine Auferstehung von den Toten, und es findet eine Bestrafung statt, aber nicht auf ewig. Denn wenn der Leib gestraft wird, dann wird die Seele allmählich geläutert und so zu ihrem ursprünglichen Rang zurückgeführt ... Für alle Bösen und auch für die Dämonen findet die Strafe ein Ende, und beide, die Bösen und die Dämonen, werden in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt“ (Origenes, De principiis). Interessanterweise verwarf selbst die Staatskirche Roms diese These des Origenes, aber das verhinderte nicht, daß sie in regelmäßigen Abständen wieder auftauchte.

Ca. 150 Jahre nach Origenes schrieb Gregor von Nysaa, daß alle Bösen durch Feuer gereinigt würden. Die damit verbundene Läuterung würde alles wieder in den Zustand versetzen, wie es von Anfang an war. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts tauchten die gleichen Ideen als Prophezeiung in den Schriften des John Scotus Erigena auf. Danach solle beim Ende der Welt alles in Gott „eingehen“, so daß Gott „alles in allem“ sei. An die Allversöhnung glaubten außerdem die Katharer (11. bis 14. Jahrhundert n. Chr.), die vom Gedankengut der Gnostiker stark beeinflußt waren.

Im katholischen England verzeichnete man im 16. Jahrhundert Widerstand gegen die Ideen der sogenannten Wiedertäufer, die nach England geflüchtet waren. Unter dem Einfluß des deutschen Mystikers Hans Denck, dem es allerdings nicht gelang, die Akzeptanz der Allversöhnung allgemein durchzusetzen, hatten manche Wiedertäufer die Lehre angenommen.

Der Londoner Prediger James Relly machte sich Mitte des 18. Jahrhunderts für die Allversöhnung stark. Er lehrte, daß die Erlösung aller Menschen in Jesus bereits abgeschlossene Sache sei. Weniger als 50 Jahre später hatte diese Lehre bei den Unitariern Englands fruchtbaren Boden gefunden. Seither ist diese Glaubensgemeinschaft die bekannteste, die die Allversöhnung vertritt.

Der vielleicht stärkste Verfechter der Allversöhnung in unserer Zeit war Karl Barth. Die Allversöhnung zieht sich wie ein roter Faden durch seine Werke, obwohl er sich an keiner Stelle klar zu ihr bekennt und auch nicht definitiv sagen will, daß Gott nicht doch entscheiden kann, einige nicht zu erlösen. Für einen anderen Allversöhner unserer Zeit, Emil Brunner, sind die Aussagen der Bibel über das Höllenfeuer und die Bestrafung nicht wörtlich zu verstehen. Demnach gibt es in der Bibel solche Drohungen nur deshalb, damit wir die Entscheidung akzeptieren, die Gott für uns bereits getroffen hat – daß wir und alle anderen Menschen gerettet werden.

Was bedeutet „ewig“: nie endend oder nur eine Zeitlang?

Wird der Tod für diejenigen, die in den biblischen Feuersee geworfen werden, zeitlich begrenzt sein? Das alles verzehrende Feuer des Feuersees wird freilich nicht immer brennen, sondern es wird „von selbst“ erlöschen, wenn alles brennbare Material verzehrt worden ist. Bedeutet das jedoch, daß die Wirkung des Feuers auf die Bösen – es bringt ihnen ja den Tod – später wieder aufgehoben wird?

Für die Anhänger der Allversöhnung gilt der Grundsatz, daß das Wort „ewig“ im Neuen Testament, im Griechischen aion bzw. aionios, nicht immer bzw. nie endend, sondern „für die Dauer eines Zeitalters“ bedeutet. Damit ist für sie eine Zeitspanne gemeint, die einen Abschluß haben wird.

Tatsächlich trifft es zu, daß aion bzw. aionios im Neuen Testament im Sinne eines begrenzten Zeitabschnitts verwendet werden. In außerbiblischen griechischen Schriften haben sie jedoch auch die Bedeutung eines „nie Endens“, also im Sinne der Ewigkeit. Im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament heißt es dazu: „Plato unterscheidet zwischen aion im Sinne zeitloser, idealer Ewigkeit, in der es keine Tage, Monate und Jahre gibt, und chronos ... Sowohl Plutarch [ein Zeitgenosse der Apostel] ... als auch die neuen Stoiker sind mit dem Terminus aion im Sinne von Ewigkeit oder unendlicher Zeit vertraut. Im Zeitalter des Hellenismus erlangt das Wort religiöse Bedeutsamkeit, weil aion nun der Name des Gottes der Ewigkeit wird, dessen Mysterien in Alexandria, wie man weiß, schon seit 200 v. Chr. gefeiert wurden“ (Gerhard Kittel, Band 1, Seite 197).

Die Frage ist daher, ob wir diese beiden Vokabel im Neuen Testament ausschließlich nur im Sinne einer bestimmten Zeitspanne verstehen sollen. Diverse Nachschlagewerke weisen darauf hin, daß aion bzw. aionios im Neuen Testament drei verschiedene Definitionen haben: 1. ewig (nie endend), 2. ein Zeitalter lang bzw. nur einen bestimmten Zeitabschnitt, 3. die Welt im Sinne des erschaffenen Universums (in diesem Sinne wird das Wort aion nur einmal verwendet, in Hebräer 1, Vers 2).

Biblische Beispiele für die erste der drei Definitionen haben mit Gottes Wesen zu tun. In Offenbarung 4, Vers 9 wird uns gesagt, daß Gott „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ lebt. Nach Römer 16, Vers 27 soll Gott Ehre „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ sein, und in 2. Korinther 9, Vers 9 erfahren wir, daß Gottes Gerechtigkeit „in Ewigkeit“ bleibt. Es ist klar, daß Gottes Leben bzw. seine Gerechtigkeit nicht zeitlich befristet sind. Gott ist ewig.

Wenn mit aionios immer eine Zeitspanne mit bestimmtem Abschluß gemeint ist, müßten die Allversöhner konsequenterweise auch daran glauben, daß „das ewige [aionios] Leben“, das wir durch Jesus Christus haben sollen (Johannes 3,16), nur für eine bestimmte Zeit gewährt wird. Außerdem sind sie in Erklärungsnot in bezug auf die Bibelstelle in 2. Korinther 4, Verse 17-18, in dem aionios verwendet wird, um einen Gegensatz zu zeitlich befristeten Dingen herauszustellen: „Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige [aionion] und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig [aionion].“

In der Beschreibung Satans als „Gott dieser Welt [aion]“ finden wir ein Beispiel für die zweite Definition von aion und aionion (2. Korinther 4,4). Satan wird nicht ewiglich der Gott der Welt sein, sondern diese Funktion hat er nur ein Zeitalter lang, nämlich bis zur Rückkehr Jesu Christi.

Der Zusammenhang im Neuen Testament zeigt uns, welche Definition von aion bzw. aionios die passende ist. Wenn Jesus beispielsweise feststellt, daß derjenige, der den heiligen Geist lästert, „keine Vergebung in Ewigkeit [aion]“ hat, sondern „ewiger [aionios] Sünde schuldig“ ist (Markus 3,29), meint er damit in aller Ewigkeit. In der Parallelerzählung fügt Matthäus hinzu, daß es für diese Person keine Vergebung geben wird, „weder in dieser noch in jener Welt“ (Matthäus 12,32). Zu „jener Welt“ gehört die ganze Zukunft nach der Wiederkehr Jesu Christi.

Lesen Sie auch die Fortsetzung dieses Artikels, Werden alle Menschen doch nocht gerettet?.