Die religiöse Obrigkeit zur Zeit Jesu fühlte sich von Jesus bedroht und verfolgte ihn. Jesu Erfahrung ist beispielhaft für alle, die in seinen Fußstapfen nachfolgen.
Von Paul Kieffer
Die Pharisäer und die Sadduzäer, zwei rivalisierende religiöse Gruppen zur Zeit Jesu, waren normalerweise tief zerstritten. Doch der Neid auf Jesus vereinte sie vorübergehend. Jesus erfreute sich großer Beliebtheit beim einfachen Volk. Wie die meisten geistlichen Führer zu allen Zeiten weckten auch die Pharisäer und Sadduzäer in ihren Anhängern mehr Furcht als aufrichtiges Vertrauen. Der Gegensatz zwischen Jesus, dessen Wirken Wellen schlug, und den Pharisäern und Sadduzäern wurde immer deutlicher. Für sie war Jesus ein ernst zu nehmender Konkurrent.
Die Situation unter den Juden des ersten Jahrhunderts n. Chr. war nicht viel anders, als sie heute unter Christen in der westlichen Welt allgemein üblich ist. Die meisten Menschen gehörten damals zu keiner der religiösen Gruppierungen. Insofern glich der durchschnittliche Jude dem durchschnittlichen Deutschen, Franzosen, Engländer oder Amerikaner von heute. Er besuchte wohl an Festtagen die Synagoge und gab vielleicht in guten Jahren den Zehnten. Aber der Durchschnittsjude von damals war ebenso wenig ein Pharisäer, Sadduzäer oder Essener wie heute der Durchschnittsisraeli im Staat Israel zu den Ultra-Orthodoxen gehört.
Der durchschnittliche Jude damals war das, was von der späteren rabbinischen Literatur herabwürdigend als am ha’arets („Person des Landes“) bezeichnet wurde. Man billigte ihm ein Mindestmaß an Frömmigkeit und religiösem Empfinden zu, erwartete aber im Übrigen von ihm kein besonderes Engagement für Religion. In gewissen religiösen Teilbereichen mag er mit ihren Ansichten einverstanden gewesen sein, doch nur insoweit, als seine Lebensführung davon nicht berührt wurde.
Schließlich war es nicht leicht, den Lebensunterhalt zu sichern, und zu allen Zeiten und überall ist manchmal ein falsches Gewicht oder ein bisschen Wasser im Wein leicht übersehen worden. Natürlich gab es auch viele absolut ehrliche, gewissenhafte Menschen, die jedoch keiner der religiösen Gruppierungen angehörten.
Eine Minderheitssekte
Die spätrabbinische Literatur vermittelt zum Teil die Vorstellung, dass die Pharisäer zur Zeit Jesu eine homogene Gruppe waren, die das religiöse Leben in Palästina uneingeschränkt dominierte. Untersuchungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – vor allem die des Gelehrten Jacob Neusner – liefern jedoch ein differenzierteres Bild. Danach ist der rabbinische Judaismus aus der Zeit nach der Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr. entstanden.
In dieser Zeit entwickelte sich der rabbinische Judaismus zum dominierenden Einfluss im jüdischen Volk. Im Mittelpunkt des spätrabbinischen Judaismus stand die Thora. Die Hauptbeschäftigung der Rabbiner und ihrer Schüler war das Studium der Gesetze und das Debattieren darüber. Der Durchschnittsjude war allerdings nach wie vor der am ha'arets, der die von den Rabbinern erlassenen peniblen Vorschriften im Allgemeinen ignorierte.
Da der rabbinische Judaismus sich direkt aus dem Pharisäertum entwickelt hatte, neigte er verständlicherweise dazu, die historische Bedeutung der Pharisäer überzubetonen. Der Judaismus vor 70 n. Chr. war eigentlich viel pluralistischer, als man früher angenommen hat. Es gab verschiedene Parteien und Sekten, von denen die meisten während des ersten Aufstandes der Juden gegen die Römer verschwanden.
Der Ursprung des Pharisäertums war in mancher Hinsicht anders als die Entstehung des späteren rabbinischen Judentums. Die Pharisäer waren nämlich keine Gruppe, die sich hauptsächlich zum Zweck eines Thorastudiums zusammengeschlossen hatte, sondern eine „Laienorganisation“, die gemeinschaftlich gewisse Reinheitsgesetze beachten wollte.
Damit wollten sie sich vom gewöhnlichen Volk absondern und die diensttuende Priesterschaft am Tempel nachahmen. Sie beschäftigten sich zwar auch mit Fragen wie z. B. der Sabbatheiligung, aber ihr Hauptanliegen waren die Speise- und Reinheitsgesetze.
Daher wuschen sie ihre Töpfe und Pfannen und kritisierten die Jünger Jesu, weil sie aßen, ohne sich vorher die Hände auf kultische Weise gewaschen zu haben (Markus 7,1-3). Die Jünger hielten sich nicht an diese pharisäischen Reinheitsvorschriften, die nirgends im Alten Testament für jemand anders als die diensttuenden Priester am Tempel galten. Die Pharisäer nahmen es mit der Abgabe des Zehnten sehr genau, aber nicht etwa deshalb, weil ihnen das Wohlergehen der levitischen Priester vordergründig war, sondern weil sie nichts essen wollten, wovon der Zehnte nicht ordnungsgemäß entrichtet war.
Die selbst auferlegten Vorschriften der Pharisäer schufen Abstand zum gewöhnlichen Volk, das sich wohl fragte, was es nützte, die Tempelpriester nachzuahmen. Nicht einmal die Priester selbst hielten sich in ihren eigenen Wohnungen, außerhalb des Tempels, an diese Reinheitsvorschriften. Es ist daher nicht allzu schwer zu verstehen, warum die geschätzte Anzahl der Pharisäer zur Zeit Jesu etwa 6000 war.
Die Hauptkonkurrenten der Pharisäer waren die Sadduzäer. Sie waren eine in erster Linie der Priesterschaft nahestehende Sekte (Apostelgeschichte 4,1). Mit der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. hörte die levitische Priesterschaft auf zu funktionieren. Die Folge war, dass auch der Einfluss der Sadduzäer auf das Judentum schwand.
Von den Sadduzäern fühlte sich vor allem die jüdische Oberschicht angezogen. Viele Schriftgelehrte waren Sadduzäer. Diese Schriftgelehrten waren ein quasi Berufsstand, den man in etwa mit heutigen Beamten vergleichen könnte. Sie hatten jüdische Literatur und biblisches Recht studiert. (Die Bezeichnung „Schriftgelehrter“ bedeutet etwa „Jurist“.)
Sie hatten diverse administrative und lehramtliche Stellungen inne und waren ebenso angesehen wie heute die Angehörigen der juristischen und medizinischen Berufe. Als Jesus von ihnen sagte: „Auf des Mose Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer“, wies er damit auf ihr Ansehen als Gelehrte beim Volk hin. Allerdings verurteilte Jesus in seinen weiteren Ausführungen viele ihrer Handlungen als schlechtes Beispiel bzw. Heuchelei (Matthäus 23).
Eine dritte jüdische Sekte des ersten Jahrhunderts wird im Neuen Testament nicht erwähnt – die Essener. Die meisten Gelehrten sind der Auffassung, die Gemeinde von Qumran, der die Schriftrollen des Alten Testaments vom Toten Meer zu Berühmtheit verholfen haben, sei der Mittelpunkt der Essenersekte gewesen. Andere Autoren meinen, die Essener hätten auch in anderen Dörfern und Städten Palästinas gelebt. Sie waren auf jeden Fall eine sehr kleine Gruppe, die sich allem Anschein nach vom Judentum ihrer Zeit distanzierte.
In den letzten Jahrzehnten gab es wiederholt Spekulationen darüber, ob Jesus ein Essener oder Mitglied der Qumrangemeinde gewesen sei. Solche Vorstellungen lassen sich aber nicht durch die Heilige Schrift bestätigen. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass Jesus irgendetwas mit den Essenern oder mit Qumran zu tun gehabt hat. Wäre er Essener gewesen, dann hätte er wohl keinen alltäglichen Kontakt mit seinen Landsleuten gehabt.
Von vorne anfangen
Es ist eine Besonderheit der menschlichen Psyche, dass mit zunehmendem Bewusstsein der eigenen vermeintlichen moralischen Überlegenheit – besonders, wenn sie sich in Werken ausdrücken lässt – die Toleranz anderen Menschen gegenüber abnimmt. Das ist ein Merkmal der Selbstgerechtigkeit.
Selbstgerechtigkeit ist das Gegenteil von göttlicher Gerechtigkeit. Sie ist eine der problematischsten aller Sünden, weil sie am schwersten zu erkennen ist. Für eine Prostituierte ist es nicht sonderlich schwer zu erkennen, was sie ist, und auch ein Mörder, Trinker oder Dieb ist sich normalerweise bewusst, dass er die moralischen Vorgaben Gottes verfehlt.
Vielleicht fällt es einem chronischen Lügner oder einem habsüchtigen Menschen mit der Zeit schwerer, sich seiner Sünden bewusst zu werden. Aber der selbstgerechte Mensch – jemand, der meint, dass er gerecht ist und von seiner Meinung felsenfest überzeugt ist – setzt sich der Gefahr aus, sich selbst zu täuschen.
Was immer er tun soll, der Selbstgerechte glaubt, es zu tun. Was immer ihm verboten sein mag, er meint, es zu unterlassen. Doch Gott sagt: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“ (Römer 3,23). Der erste notwendige Schritt im Prozess der Umkehr ist die ganz persönliche Erkenntnis der eigenen Sünden bzw. Sündhaftigkeit.
Das mag der Prostituierten oder dem Mörder leichtfallen, aber für einen selbstgerechten Menschen kann es zum unüberwindbaren Hindernis werden. Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass Jesus Christus die selbstgerechten geistlichen Führer seines Volkes am heftigsten angriff, benahmen sie sich doch so, wie sich die Führer aller religiösen Richtungen zu allen Zeiten benommen haben. Religiöse Leute nehmen sich selbst oft zu wichtig.
Der Sauerteig der Gegner Jesu
Der Konflikt zwischen diesen geistlichen Führern und Jesus war leicht voraussehbar. Er schalt sie mit großer Schärfe als Heuchler, die ihn mit den Lippen ehrten, ihre Herzen jedoch verschlossen hielten. Jesus sagte: „Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts sind als Menschengebote“ (Markus 7,7). Mit aller Schärfe kritisierte er ihre selbst erlassenen Vorschriften, mit denen sie – wie er erklärte – das Wort Gottes aufgehoben hatten.
Es ist eine weitverbreitete Annahme, der pharisäische Glaube sei ein Glaube des Alten Testaments bzw. der authentische Glaube des Mose gewesen. Doch diese Annahme stimmt nicht. Zwar hat Jesus gesagt, sie „sitzen auf des Mose Stuhl“, womit er der Tatsache Rechnung trug, dass das Amt des Mose (als Verwalter der Gesetze) auf die Pharisäer und Schriftgelehrten übergegangen war, aber er warnte vor den Lehren der Pharisäer und Sadduzäer, die er als „Sauerteig“ bezeichnete.
„Jesus aber sprach zu ihnen [seinen Jüngern]: Seht zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! . . . Hütet euch vielmehr vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! Da verstanden sie, dass er nicht gesagt hatte, sie sollten sich hüten vor dem Sauerteig des Brotes, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer“ (Matthäus 16,6. 11-12; alle Hervorhebungen durch uns). Leider ist in viel zu vielen Menschen auch heute noch der „Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer“ wirksam.
Jesus attackierte die Heuchelei und die einengenden Vorschriften dieser Männer. Mit ihren Reinheitsritualen meinten sie, wahre Religion zu praktizieren, doch durch ihre Lehre war das Wort Gottes und damit die von Gott vorgegebene Lebensweise „aufgehoben“ worden.
Aber ist es nicht auch heute noch so, dass manche einen Glauben nicht für tauglich halten, der begreifbar ist und im alltäglichen Leben Anwendung findet? Für viele „Gläubige“ muss der Glaube eher mystisch, unergründlich und etwas rätselhaft sein. Für sie ist es sehr eindrucksvoll, in andächtiger Ergriffenheit zuzusehen, wie eine Person in kirchlichem Gewand mit sorgfältiger Genauigkeit die traditionellen Rituale der Konfession zelebriert. Mit deren Hilfe wird die Vorstellung vermittelt, dies alles geschehe zu Ehren Gottes, anstelle Gott damit zu verehren, dass man seine in seinem Wort offenbarte Lebensweise im täglichen Leben konsequent praktiziert.
Die Pharisäer entschieden, dass es heilig sei, zweimal in der Woche zu fasten. Jesus gab mit dem Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner zu erkennen, dass er ihre Heuchelei durchschaute. Er erzählte: „Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.
Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“ (Lukas 18,10-14).
Hier wurde die Geisteshaltung der Pharisäer aufgezeigt: Heuchelei und religiöser Hochmut! Der von den ungebildeten Massen des Volkes stets als Betrüger verdächtigte Zöllner wusste genau, was für ein Mensch er war. Er gestand vor Gott und bereute. Den Pharisäer aber interessierte nur die Sündhaftigkeit des Zöllners, an seiner eigenen „Rechtschaffenheit“ zweifelte er hingegen nicht im Geringsten. Er dachte gar nicht daran, sich einzugestehen, selbst irgendwie sündhaft zu sein, und brüstete sich mit seiner absoluten Rechtschaffenheit.
Der Richtgeist der Gegner Jesu
Am Verhalten des Pharisäers in Jesu Gleichnis erkennen wir eine weitere Eigenschaft seiner Gegner. Weil sie sich aufgrund ihres Festhaltens an ihren selbst auferlegten Vorschriften gerecht wähnten, verurteilten sie andere, die ihren Maßstab der Gerechtigkeit verfehlten. Mit anderen Worten: Sie waren dem Richtgeist verfallen.
Ein Beispiel dafür ist der Bericht des Markus über die Heilung des Mannes mit dem gelähmten Arm: „Und er ging abermals in die Synagoge. Und es war dort ein Mensch, der hatte eine verdorrte Hand. Und sie lauerten darauf, ob er auch am Sabbat ihn heilen würde, damit sie ihn verklagen könnten“ (Markus 3,1-2).
Diese geistlichen Führer zweifelten nicht im Geringsten daran, dass Jesus tatsächlich in der Lage war zu heilen – sie wussten, dass er die Macht dazu hatte! Warum also freuten sie sich nicht?
Warum waren sie als die geistlichen Führer des Volkes, deren Aufgabe es doch war, die „Herde zu weiden“ und liebevolle Hirten der ihnen anvertrauten „kleinen Leute“ zu sein, nicht zutiefst dankbar für die wunderbare Kraft, die von Jesus ausging? Schließlich befreite diese Kraft die Menschen auf segensvolle Weise von körperlichen Gebrechen und Schmerzen, von Epilepsie, Blindheit, Taubheit, Stummheit und all den anderen Krankheiten, unter denen diese Generation litt!
Jesus befand sich in der Synagoge, und diese geistlichen Führer beobachteten, ob er es wohl wagen würde, am Sabbat zu heilen, damit sie ihn anklagen konnten. Sie wollten Jesus auf frischer Tat ertappen. Sie erwarteten, ja möglicherweise hofften und beteten sie, dass Jesus am Sabbat tatsächlich heilen und ihnen damit den greifbaren Beweis liefern werde, dass er gegen ihre Auslegung des Gesetzes verstieß.
Nur ein paar Verse vorher wird berichtet, wie die Pharisäer versucht hatten, gegen Jesus vorzugehen, weil seine Jünger an einem Sabbat Ähren gesammelt und gegessen hatten. Christus musste sie erst daran erinnern, wie David einmal Schaubrote verzehrt hatte, als er keine Nahrung bei sich hatte. Dann sagte er ihnen: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Markus 2,27). Damit machte er ihnen klar, dass der Sabbat keine Last sein soll.
Jesus schaute um sich und sah den Mann mit dem gelähmten Arm. Er sagte ihm: „Komm her!“ Dann fragte er die Pharisäer: „Darf man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun? Darf man ein Leben retten oder soll man es töten?“ Bei dieser klaren Gegenüberstellung vermochten sie nur zu schweigen.
Hätten sie gesagt, „Ja, es ist erlaubt, Gutes zu tun“, so hätten sie Jesus damit ihre volle Zustimmung für die Heilung am Sabbat erteilt. Wenn sie gesagt hätten, es entspreche dem Gesetz, jemandem am Sabbat Leid zuzufügen, so wäre dass eine grobe Verletzung der biblischen Prinzipien gewesen, die sie zu vertreten vorgaben.
In der Fortsetzung des Berichts heißt es: „Und er sah sie ringsum an mit Zorn und war betrübt über ihr verstocktes Herz und sprach zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und seine Hand wurde gesund“ (Markus 3,3-5).
So wurden die Pharisäer Zeugen eines der eindrucksvollsten Wunder Jesu. Sie sahen, wie ein unbeweglicher, verkrümmter Arm sich ausstreckte, wie allmählich jeder einzelne Finger der Hand seine eigentliche Form annahm, die Haut ihr normales, gesundes Aussehen bekam und die Hand, wieder voll beweglich und funktionsfähig, mit ganzer Kraft zugreifen konnte. Wie reagierten die Pharisäer darauf?
Statt dem geheilten Mann zu gratulieren und sich Jesus zuzuwenden bzw. ihm dafür zu danken, dass er ein Mitglied ihrer Gemeinde von Schmerzen befreit und geheilt hatte, verließen die Pharisäer die Synagoge „und hielten alsbald Rat über ihn mit den Anhängern des Herodes, wie sie ihn umbrächten“ (Vers 6).
Neid führt zum Mordkomplott
Als Jesus nur wenige Tage vor seinem Tod die Pharisäer und Schriftgelehrten scharf zurechtwies, sprach er über das Martyrium von Männern Gottes in vergangenen Zeiten. Er machte dann den Pharisäern und Schriftgelehrten Vorwürfe, weil sie sich als die Nachkommen derjenigen, die solche Dinge getan hatten, zu erkennen gegeben hatten.
Was Christus sagen wollte, ist klar: Hätten die Pharisäer und Schriftgelehrten in jener vergangenen Zeit gelebt, sie würden dieselben Verbrechen begangen haben! Aber nicht nur das, Jesus unterstellte auch, dass sie seine eigene Ermordung planten und sagte voraus, einige von ihnen würden lange genug leben, um an der Ermordung späterer Christenführer beteiligt zu sein.
Für die religiöse Obrigkeit seiner Zeit war Jesus eine Bedrohung. Im Gegensatz zur engstirnigen Gesetzesauslegung seiner Kontrahenten kam seine Lehre beim Volk an. Hinzu kamen die Wunderheilungen, die sich nicht leugnen ließen. Für die jüdischen Führer lieferte die Auferweckung des Lazarus von den Toten (Johannes 11) die endgültige Motivation für die Eliminierung Jesu. Der Apostel Johannes hielt das Geschehen fest:
„Einige aber von ihnen gingen hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte. Da versammelten die Hohepriester [denen die Sadduzäer nahestanden] und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hohepriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe . . . Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten“ (Johannes 11,46-53).
In Jesu Fußstapfen nachfolgen
Nur wenige Stunden vor seinem Tod wies Jesus seine Jünger auf die Gegnerschaft des religiösen Establishments hin, die ihnen in ihrem Dienst für ihn bevorstand: „Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat“ (Johannes 15,20-21).
Am Abend vor seinem Tod schärfte Jesus seinen Jüngern die mögliche Tragweite der Verfolgung ein, die ihnen bevorstand: „Das habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht abfallt. Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit“ (Johannes 16,1-2).
Diese Ermahnung hörten die Jünger nicht zum ersten Mal. Jesus hatte sie bei ihrer erstmaligen Aussendung zum Predigen vor der Verfolgung gewarnt, die ihnen bevorstand: „Ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen . . . Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere“ (Matthäus 10,22-23).
Jesu gab uns ein Beispiel mittels seiner Erfahrung mit der religiösen Obrigkeit seiner Zeit. Wer in Jesu Fußstapfen nachfolgen will, wird mit dem religiösen Establishment, für das der Schutz der eigenen Position immer im Vordergrund steht, früher oder später in Konflikt geraten. So bekommen Jesu Knechte eine Gelegenheit, Zeugnis für ihn abzulegen:
„Man wird euch vor Statthalter und Könige führen um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeugnis. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet“ (Matthäus 10,18-19).
Die Bibel sagt eine Zeit intensiver Verfolgung wahrer Christen in der Zeit unmittelbar vor der Wiederkehr Jesu voraus (Offenbarung 12,17; 17,6). Wie zur Zeit Jesu werden die religiöse Führer der Endzeit das tun, „weil sie weder meinen Vater noch mich [Jesus] erkennen“ (Johannes 16,1-3).