Das Christentum und der Islam sind beides zerstrittene Religionen, die auf ihre eigene Art versagt haben.
Von der Redaktion
Kürzlich fand ein Treffen der Religionen in Assisi statt, bei dem die versammelten Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen auf Einladung von Papst Johannes Paul II. für den Frieden beteten. Stellen wir jedoch eine schwierige Frage: Wird unsere Welt aufgrund solcher Bemühungen friedlicher werden? Was hat die Religion für die Menschen überhaupt getan?
Seit dem vergangenen Herbst ist das Thema Religion wieder aktuell geworden. In der Zeit seit dem 11. September ist die Welt für einige Beobachter zwischen dem Christentum und dem Islam gespalten. Zur Zeit des Kalten Krieges verlief die Spaltung hingegen zwischen der freien, angeblich christlichen Welt des Westens und dem atheistischen, kommunistischen Welt des Ostens.
Das Abendland bezeichnet man als christlich, obwohl dieses Attribut eher politisch als religiös zu werten ist. Nur eine Minderheit der Menschen in westlichen Ländern praktiziert das Christentum unserer Zeit, das in Hunderte von diversen Glaubensrichtungen aufgeteilt ist, die nur wenig mit dem Christentum des Neuen Testamentes zu tun haben.
Auch der Islam ist zerteilt
Zu den Ländern, die islamisch sind, gehören die meisten arabischen Länder, Iran und Indonesien.
Die Bezeichnung „islamisch“ gilt ebenfalls als politische Zuteilung, da der Islam genauso zerstritten ist wie das Christentum. In ihrem Buch God Has Ninety-Nine Names [„Gott hat neunundneunzig Namen“] analysiert die erfahrene Nahostkorrespondentin Judith Miller militante islamische Bewegungen in zehn Ländern des Nahen Ostens. Den Namen ihres Buches leitet sie vom Koran ab, in dem es 99 Namen für Gott gibt. Sie betont, daß es keinen „einheitlichen“ Islam gibt.
Islamische Geistliche und Politiker wenden die Aussagen von Mohammed als Grundlage für ihre religiösen Entscheidungen und ihre Regierungspolitik. Dabei legen sie den Koran zu ihren Gunsten aus. Die Auslegung des Koran wird unterschiedlich interpretiert, je nach dem, wer an der Macht ist bzw. wer religiös das Sagen hat.
So kommt es vor, daß ein in dem islamischen Sudan todeswürdiges Vergehen in dem islamischen Iran gar nicht geahndet wird. Islamische Regierungen, die ihre Gesetzgebung als mit dem islamischen Gesetz völlig vereinbar sehen, gelten als zu wenig islamisch für die militanten Islamisten im eigenen Land.
Oft sind die Worte, die man dem Propheten Mohammed zuschreibt, in Wirklichkeit Fälschungen.
Die erste Biographie Mohammeds wurde erst 125 Jahre nach seinem Tod geschrieben. „Muslimische Historiker und Juristen räumten ein, daß viele der Geschichten über Mohammed – die sogenannten hadith, wörtlich die ,Erzählungen‘ bzw. die niedergeschriebenen Taten und Worte des Propheten – erfunden wurden, um eine bestimmte politische Richtung oder Meinung zu unterstützen. Weniger als 200 Jahre nach Mohammeds Tod soll ein angesehener muslimischer Gelehrter 596 725 damals im Umlauf befindlichen hadith widerlegt haben“ (Miller, 1996, Seite 88).
Es gibt offensichtliche Parallelen zu den sehr unterschiedlichen christlichen Konfessionen unserer Zeit, die miteinander beim Anwerben neuer Mitglieder konkurrieren. Andererseits stehen muslimische Länder, in denen das sharia (das muslimische Gesetz) durchgesetzt wird, im starken Kontrast zu Ländern, die als christlich gelten und in denen es die freie Wahl der Religion gibt. Trotz des Kontrastes kann man fragen: Hat Zwang oder Entscheidungsfreiheit die Menschen Gott nähergebracht?
Die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod in den Händen von Menschen, die für Gott zu sprechen behaupten – ob in christlichen oder muslimischen Ländern –, hat zum Mißbrauch und dem gewaltsamen Tod von Millionen geführt. Aber auch das „normale“ Christentum, zu dem sich heute Hunderte von Millionen Menschen bekennen, hat der Menschheit in Wirklichkeit mehr geschadet als geholfen.
Wie hat das Christentum versagt?
Wie schadet das in westlichen Ländern weitverbreitete Christentum unserer Zeit den Menschen? Statt die Beziehung zwischen Gott und den Menschen nach dem biblischen Beispiel zu beschreiben – wie die eines Vaters zu seinen Kindern –, betont man im Westen das Konzept Partnerschaft. Gott und die Menschen sind Partner, wobei die Menschen sozusagen die „Mehrheitsbeteiligung“ darstellen und Gott dabei „überstimmt“ werden kann.
Danach ist es den Menschen erlaubt, Gottes Meinung zu „überstimmen“. Wenn die klaren Aussagen der Bibel bezüglich der von Gott erwarteten Verhaltensweise dem Menschen nicht passen, so darf er seine eigene Auslegung vorziehen oder die Aussagen ganz und gar ignorieren.
Ohne Angst vor einer staatlich gelenkten Religion, die ihm ihre Meinung aufdrängt, entscheidet der Mensch in westlichen Ländern für sich selbst, was richtig und falsch ist. Dabei hat er eine schlechte Wahl getroffen. Wohlhabende westliche Länder sind wie große Familien, die keine Autoritätspersonen als Eltern haben. Zum größten Teil widmen sich die Bürger dieser Länder der Befriedigung ihrer selbstzerstörerischen Gelüste, statt sich in Selbstbeherrschung zu üben. Geistlich gesehen sind sie wie verzogene Kinder.
Seit den Terroranschlägen von September 2001 hört man immer wieder, daß es in allen Glaubensrichtungen Gutes gibt. Das ist eine andere Variante der Denkweise „viele Wege führen nach Rom“. Der amerikanische Präsident Bush hat diesen Tenor wiederholt durchklingen lassen in seinem Bemühen, Harmonie unter den diversen Religionen der USA zu fördern.
In ihrer 50. Weihnachtsansprache legte die britische Königin Elisabeth den Anhängern aller Glaubensrichtungen nahe, die Differenzen zu überwinden, die weltweit zu Gewalt geführt haben. Sie betonte, daß die Menschen voneinander lernen können, „ganz gleich, welchen Glaubens wir sind – Christen oder Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus oder Sikhs“ („Faith Can Conquer Evil Says Queen“, Caroline Davies und Victoria Combe, The Telegraph, 26. Dezember 2001). Der Papst redete ähnlich, als er zu Weihnachten sagte: „Möge das gütige Gesicht des Kindes von Bethlehem alle daran erinnern, daß wir einen Vater haben“ (ebenda).
Christen sind verwirrt
Diese Sichtweise führt dazu, daß man im Westen allen Religionen gegenüber aufgeschlossen ist, statt das Christentum des Neuen Testamentes zu praktizieren und zu bewahren. Die heutige Situation ähnelt der Kultur des alten Israels. Israel übernahm die Bräuche vieler anderer Religionen. Das Resultat war in religiöser Hinsicht eine multikulturelle Gesellschaft, die auf der Oberfläche positiv zu sein schien, aber langsam zum moralischen Zusammenbruch der Nation führte. Überraschenderweise gehörten zu den übernommenen Bräuchen von einst Traditionen, die heute als christlich gelten.
Als die Nation Israel gegründet wurde, gebot Gott seinem Volk, sich an sein einzigartiges religiöses System zu halten. Er warnte die Israeliten ausdrücklich davor, die religiösen Praktiken anderer Völker zu übernehmen. Sinngemäß sagte er: „Schaut nicht die Religionen anderer Völker an, um zu sehen, was interessant ist und was ihr nachahmen könnt. Ihr betet mich an. Betet mich so an, wie ich es euch sage. Die Konsequenzen der multikulturellen Religion sind weitreichender, als ihr es euch vorstellen könnt“ (vgl. dazu 5. Mose 12,29-32 und 13,1).
Im Laufe der Zeit taten die Israeliten genau das, was Gott ihnen verboten hatte. Sie schlossen Frieden mit ihren Nachbarn, indem sie deren Religionen mit den Vorschriften Gottes vermischten. Der Prophet Hesekiel stellte dazu fest, die Israeliten hätten Gottes Weg mehr korrumpiert als jedes andere Volk (Hesekiel 5,7. 9).
Die Erfahrungen der Israeliten sind ein wichtiges Beispiel für die Kirche des Neuen Testamentes. Stephanus hielt den jüdischen Führern die Geschichte Israels als Warnung vor (Apostelgeschichte 7,42-43). In seinem ersten Brief an die Korinther wies der Apostel Paulus auf die Erlebnisse der Israeliten als mahnendes Beispiel für Christen hin (1. Korinther 10,6). Es ist klar, daß das Beispiel Israels für Christen wichtig ist. Wer geistlich gesinnt ist, wird dieses Beispiel beachten und die Fehler der Israeliten meiden wollen.
Heute sind Christen verwirrt, ob es sich um die Frage wahrer Werte oder wahrer Anbetung handelt. Nach den Anschlägen muslimischer Fundamentalisten haben politische, wirtschaftliche und religiöse Führer in den USA die Amerikaner dazu aufgerufen, „zu der Lebensweise zurückzukehren, die Amerika zu einer großen Nation gemacht hat“. Dazu waren Tätigkeiten wie Reisen, Einkaufen und das großzügige Schenken zu Weihnachten mit eingeschlossen. Wahre Werte wurden durch Kommerzialisierung und einen religiösen Feiertag in den Schatten gestellt, welcher nichts mit dem Christentum der Bibel – dem Alten Testament oder dem Neuen Testament – zu tun haben.
Im Westen sprachen viele religiöse Menschen über die terroristischen Anschläge als den „Weckruf von Gott“. Wenn er das gewesen ist, ist man mittlerweile wieder zurück in den Schlaf gefallen. Es gab viel religiöses Gerede, als jedermann, von den Staatsoberhäuptern bis zum Mann auf der Straße, Gottes Namen im Angesicht des Todes und der Furcht als Trost benutzte.
Die Möglichkeit, sich religiös zu informieren, steigerte sich schlagartig nach dem 11. September 2001. Unzählige Artikel über den Islam erschienen nämlich in der westlichen Presse, um Licht hinter den Glauben zu bringen, in dessen Namen die Faust des Terrors Amerika geschlagen hatte. Religiöse Handlungen aber blieben bis auf die Beerdigungen und Gedenkfeiern auf ein Minimum reduziert. George Barna berichtet, daß die Besucherzahlen der Kirchen in den USA nach dem 11. September zwar angestiegen sind, aber inzwischen wieder auf den Stand vor den Attentaten zurückgehen (The Barna Update, 26. November 2001).
Rückkehr zur korrupten Religion
Nicht, daß es unbedingt besser gewesen wäre, wenn die Menschen wieder in die Kirchen geströmt wären. Ich habe schon erwähnt, daß nur wenige in den sogenannten „christlichen“ Ländern auch wirklich das Christentum praktizieren. Noch weniger Menschen praktizieren das Christentum der frühen neutestamentlichen Kirche Gottes. Statt dessen geben sie sich unwissentlich einem abgewandelten Christentum hin. Die Bibel berichtet von dem Beginn dieses verfälschten Glaubens, der mit der Zeit als der wahre Glauben angenommen wurde.
Infolgedessen verteidigen viele ernsthafte „Verfechter des [christlichen] Glaubens“ einen Betrug. Während man sich damit zufrieden gibt, andere die eigene Religion interpretieren zu lassen, haben sich nur wenig Christen die Zeit genommen, ihre Kirche mit der Kirche Gottes, wie sie in der Bibel beschrieben wird, zu vergleichen.
Terroristische Gewalthandlungen, die im Namen der Religion begangen werden, sollten uns dazu bringen, den Beitrag von Religion in unserer gegenwärtigen Welt neu zu bewerten. Hat Religion einzelnen Menschen und ethnischen Gruppen heute geholfen, sich Gott zu nähern? Was bedeutet es, Gott nahe zu sein?
Die Bibel offenbart, daß Gott tatsächlich unser Vater ist und daß er möchte, daß wir eine Beziehung zu ihm suchen. Es ist sein Wille, daß der Mensch seine Denk- und Lebensweise seiner eigenen Natur und dem göttlichen Lebensweg anpaßt. Es ist sein Wille, daß Nationen lernen, in Frieden miteinander zu leben.
Hat die Religion den Menschen geholfen, ein bißchen mehr wie Gott zu leben? Ist es ihr gelungen, die Gemeinschaft der Nationen auf göttliche Weise zusammenleben zu lassen? Viele würden argumentieren, daß ihre Religion ihnen als Einzelnen geholfen hat oder daß sie geholfen hat, ein politisches Ziel durchzusetzen. Die Geschichte zeigt allerdings, daß Religion kläglich an dem gescheitert ist, was sie hätte erreichen sollen. Religion ist der Schlüssel zum Krieg gewesen, nicht der Weg zum Frieden.
Religion wird Krieg statt Frieden hervorbringen
Eine wahre Weltreligion wird tatsächlich einen andauernden Frieden unter einzelnen Menschen und ethnischen Gruppen schaffen, wenn Gottes Reich bei der Rückkehr Christi errichtet wird. Allerdings ist ein großes menschliches Leiden vorausgesagt, bevor der echte Frieden gegründet wird. Und Religion wird eine große Rolle bei diesem Leiden spielen. Die sogenannten christlichen Nationen dieser gegenwärtigen Welt werden wieder unter Regierungen leben, die Religion fördern und mit ihr zusammenarbeiten werden. Sie werden religiösen Führern volle Justiz- und Militärgewalt geben.
Diese Worte klingen heute absurd, denn sie werden nur von Regierungen erfüllt, die sich unter der Kontrolle religiöser Extremisten befinden. Natürlich wurde vor einigen Jahrhunderten die christliche Religion von dem Heiligen Römischen Reich aufgezwungen und durchgesetzt. Es bestand eine Ehe zwischen Kirche und Staat.
Die Ereignisse der letzten Zeit haben gezeigt, wie gewaltbereit muslimische Extremisten sein können. Daran kann man vielleicht den Auslöser erkennen, der zur Neuordnung der Nationen nach religiösen Maßstäben führen wird. Um diese Möglichkeit zu untersuchen, kann man zunächst von den radikaleren muslimischen Staaten wie Libyen, Sudan oder Algerien absehen und die Entwicklungen in stabileren Ländern wie Saudi Arabien oder Ägypten berücksichtigen. Judith Miller zitiert einen Freund bezüglich der Frage, ob die Saudis dem islamischen Fundamentalismus zugeneigt sind:
„Wenn sich dem durchschnittlichen Saudi die Wahl zwischen Revolution und einer Gehaltszulage stellt, entscheidet er sich für die Gehaltszulage“ (Miller, Seite 126). Man muß älter als 40 Jahre sein, um sich an irgend etwas anderes als Reichtum im Königtum der Saudis zu erinnern. 1992 waren 68 Prozent der Saudis jünger als 25 Jahre alt (ebenda, Seite 106). Das bedeutet, daß diese Menschen nur eine reiche königliche Familie kennen, die mit allen Saudis großzügig teilt.
Die 1990er Jahre waren Zeuge einer dramatischen wirtschaftlichen Verlagerung. „Jahre der massiven Ausgaben für die nationale Infrastruktur und großangelegte industrielle Projekte sowie weitverbreitete Korruption hatten die Saudis endlich eingeholt, als deren Bevölkerung von schätzungsweise sechs Millionen in den 1970er Jahren auf zwölf Millionen gestiegen war.
Nach einem Jahrzehnt stabiler Ölpreise und einer Verdoppelung der Einwohnerzahl hatte sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen gegenüber den 1970er Jahren um die Hälfte reduziert“ (ebenda, Seite 86). Es gibt keine Gehaltszulagen mehr, und die Saudis entscheiden sich jetzt für Revolution. Von den neunzehn Selbstmordattentätern des Angriffs vom 11. September auf die USA waren fünfzehn Saudis. Sie waren gebildete Männer, die Söhne ebenfalls gebildeter Männer – im Gegensatz zum stereotypen Terroristen von früher.
Bis vor wenigen Jahren konnten junge ägyptische Männer davon ausgehen, eine Arbeitsstelle in den saudiarabischen Ölfeldern zu finden. Das Geld, das sie so nach Hause überweisen konnten, half nicht nur ihren Eltern und Geschwistern, für sie bedeutete es oft den Unterschied zwischen dem Ledigbleiben und dem Heiratenkönnen. Zwischenzeitlich gibt es diese Arbeitsstellen kaum noch. 1994 lebten 54 Prozent der Ägypter unterhalb der Armutsgrenze (ebenda, Seite 68). In der Geschichte wandten sich die Menschen an den Fundamentalismus, wenn die Demokratie und der Kapitalismus versagt haben. Der militante islamische Fundamentalismus hat einen geeigneten Nährboden in diesen beiden wichtigen Nahostländern.
Nichts weist auf eine Umkehr dieses ominösen Trends in der absehbaren Zukunft hin. Wird es weltweit zu einem sprunghaften Anwachsen des gewaltbereiten islamischen Fundamentalismus kommen? Wird ein weltweiter religiöser Terrorismus die Menschen im Westen dazu bewegen, ihre religiösen Freiheiten preiszugeben und den „Schutz“ einer Staatsreligion zu suchen?
Ganz gleich, wie die Details in den kommenden Jahren aussehen werden, gibt es keinen Zweifel daran, daß die Religion die Bündnisse der Zukunft beeinflussen wird. Bis Gott in das Geschehen eingreift, wird die Religion jedoch nicht zum Frieden, sondern zu Krieg führen.