Menschliche Regierungen versagen kläglich. Was sind die Merkmale göttlicher Führung?
Von Paul Kieffer
Ein wichtiger Aspekt der Zukunft für die Menschen, die Gott heute beruft, ist die Führungsaufgabe in der Welt von morgen. Wir sollen Jesus Christus bei seiner Herrschaft im Reich Gottes zur Seite stehen (Offenbarung 5,10; 20,4). Wie wird diese Führungsaufgabe aussehen? Wir alle sind mit den Regierungen unserer Zeit vertraut. In den demokratischen Ländern des Westens hält man sich für fortschrittlich, und es stimmt schon, daß sich die Regierungen dieser Länder den Bedürfnissen ihrer Bürger in bedeutender Weise „besser“ annehmen, als es die diktatorischen Regierungen vor Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten taten. Nichtsdestoweniger: Es ist kein Geheimnis, daß alle menschlichen Regierungen, ganz gleich welcher Art,unvollkommen sind. Viel zu oft gibt es traurige Beispiele von politischen Führern, die die Nationalbank ihres Landes plündern, politische Gegner einschüchtern oder gar „eliminieren“ und auf sonstige Weise ihre „Macht“ mißbrauchen, um sich zu bereichern und die eigenen politischen Freunde zu fördern.
Der Wunsch, wegen persönlicher Vorteilnahme über andere Menschen zu herrschen, ist leider ein trauriges Kapitel in der Menschheitsgeschichte. Wenn es nur diese Art„Führung“ als Vorausschau auf den Führungsstil in der Welt von morgen gäbe, würde unsere gemeinsame menschliche Zukunft recht traurig aussehen.
Da der Mensch eine verkehrte Sichtweise zum Thema Regierung übernommen hat, stellt sich die Frage: Wäre es besser, wir hätten heute gar keine Führung auf menschlicher Ebene?
Wir leben in Gesellschaften, in denen die allgemeine Haltung gegenüber der staatlichen Obrigkeit in den letzten Jahrzehnten einen starken Wandel erfahren hat. Vor dem Hintergrund des Machtmißbrauchs sind manche ins andere Extrem verfallen und lehnen jegliche Führung ab. In den USA haben sich solche Personen sogar aus der Gesellschaft zurückgezogen, leben wie Einsiedler und wollen nicht, daß irgendeine Regierung ihnen Vorschriften macht. In Extremfällen bekämpfen sie die Staatsgewalt durch Terroranschläge.
Wie sieht Gott die Sache?
Kurz vor dem Ende seines Lebens machte Jesus Christus klar, daß er seine Jünger nicht zu einem Leben des Einsiedlertums gerufen hatte: „Ich bitte dich nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Johannes 17,15-16). Jesus sagte, daß seine Jünger in der gleichen Weise „in“ der Welt sein sollten, wie er es gewesen war: „Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt“ (Johannes 17,18).
Jesus war kein Teil der weltlichen Gesellschaft, aber er lebte in der Welt und war der Obrigkeit seiner Zeit untertan. Niemals stellte er die römische Staatsgewalt in Frage; im Gegenteil: Als er nach der Notwendigkeit des Steuerzahlens gefragt wurde, bejahte Jesus eindeutig den Gehorsam gegenüber Rom in dieser Frage (Matthäus 22,19-21). Jesus wollte kein Teil einer Bewegung sein, die ihn schon zu seinen Lebzeiten zum König und damit zum Feind Roms gemacht hätte (Johannes 6,15). Vor dem römischen Statthalter Pilatus betonte Jesus zwar, sein Reich – das Reich Gottes – sei nicht von dieser Welt (Johannes 18,36), aber er erkannte auch die Autorität des Pilatus in der Herrschaftsordnung seiner Zeit klar an: „Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, daß ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre. Darum: der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde“ (Johannes 19,10-11).
In seinem Brief an die Römer griff der Apostel Paulus diesen Gedanken auf und betonte, daß alle Regierungsgewalt ihren Ursprung bei Gott hat; Gott läßt sie nämlich zu: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn, es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet“ (Römer 13,1).
Gelegentlich haben Christen Probleme mit dieser inspirierten Aussage des Paulus, weil wir so viele Diktaturen und böse Gewaltherrschaften erlebt haben, daß man sich fragen muß, wie solche „Obrigkeiten“ von Gott sein können. Die Frage ist verständlich und berechtigt. Paulus antwortet auf diese Frage, indem er zeigt, zu welchem Zweck Gott menschliche Obrigkeit zuläßt: „Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut“ (Römer 13,4).
Gott läßt also menschliche Regierungen zu, weil sie an seiner Statt Gutes belohnen und Böses bestrafen sollen. Daß menschliche Regierungen dies nicht immer tun, ändert jedoch nichts an dem Prinzip, daß alle Obrigkeit von Gott ist. Deshalb die Ermahnung des Apostels: „Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes; die ihr aber widerstreben, ziehen sich selbst das Urteil zu. Denn vor denen, die Gewalt haben, muß man sich nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes; so wirst du Lob von ihr erhalten ... Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht. So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt“ (Römer 13,2-3. 5-7).
Der Apostel Petrus bekräftigte die Aussage seines Kollegen Paulus und schuf eine Verbindung zwischen der Unterordnung vor der menschlichen Obrigkeit und der persönlichen Beziehung zu Gott: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem König als dem Obersten oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun“ (1. Petrus 2,13-14).
Der „König“ zu der Zeit, als Petrus seinen Brief schrieb, war höchstwahrscheinlich der römische Kaiser Nero, dem der Brand Roms und seine Schuldzuweisung an Christen für diesen Brand zugeschrieben werden. Man könnte argumentieren, daß Christen in jener Zeit ähnlich große Schwierigkeiten beim Verständnis der Aussage „Alle Obrigkeit ist von Gott“ wie ihre heutigen Nachkommen gehabt hätten. Trotzdem ermahnte sie Petrus: „Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König!“ (Vers 17). Es geht um die Obrigkeit schlechthin – um das Amt – und nicht um die Person, die dieses Amt bekleidet und dessen Verhalten möglicherweise verabscheuungswürdig ist.
Gottes Wort zeigt, daß Christen nur dann den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit verweigern dürfen, wenn dieser Gehorsam einen Kompromiß mit den Vorgaben Gottes bedeuten würde: „Und sie brachten sie und stellten sie vor den Hohen Rat. Und der Hohepriester fragte sie und sprach: Haben wir euch nicht streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren? Und seht, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre und, wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen. Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,27-29).
Auf der anderen Seite bedeutet der Gehorsam gegenüber menschlicher Obrigkeit nicht, daß man sich als Christ übervorteilen lassen muß. Mehr als einmal berief sich Paulus auf seine Rechte als freier Bürger Roms, um sich gegen eine unrechtmäßige Behandlung zu wehren. Außerdem rief Jesus seine Nachfolger zur Flucht auf, wenn sie verfolgt werden sollten: „Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt“ (Matthäus 10,23). Sich einfach dahinschlachten zu lassen, wenn es die Möglichkeit eines Entkommens gibt, ist also kein biblisch gebotenes Verhalten im Sinne des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit.
Mit diesen einleitenden Worten sehen wir, daß Gott kein Gegner der menschlichen Obrigkeit ist – alle Obrigkeit hat ihren Ursprung bei ihm.
Führung mißverstanden
Unser Leitfaden für die christliche Lebensführung, die Bibel, behandelt das Thema Regierung sowohl aus menschlicher als auch aus göttlicher Perspektive. Wie unterscheiden sich diese beiden Perspektiven, und was sollten wir als Christen daraus lernen?
Die Jünger Jesu Christi waren weit davon entfernt, vollkommen zu sein. In ihren ersten Jahren als Nachfolger Christi unterschied sich ihre Sichtweise zum Thema Führung nicht viel von der üblichen Vorstellung ihrer Zeitgenossen. Ein Beispiel ihrer Denkweise finden wir in Markus, Kapitel 10, als zwei Jünger Christi ihn um eine Führungsposition baten: „Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, daß du für uns tust, um was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, daß ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, daß wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit“ (Markus 10,35-37).
Christus wußte, was ihm bevorstand – was die Führung wirklich „auf sich“ hatte. Deshalb fragte er: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“ (Vers 38).
Die beiden Jünger meinten, sie könnten das auf sich nehmen. Jesus erwiderte: „Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist“ (Verse 39-40).
Die beiden Jünger, die diese Bitte vortrugen, waren Jakobus und Johannes. Als die anderen Apostel erfuhren, was sich diese beiden wünschten, waren sie entsetzt. Warum? Weil sie selbst nicht eher auf den Gedanken gekommen waren! In diesem Sinne ermahnte sie Jesus Christus: „Ihr wißt, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ (Verse 42-45; alle Hervorhebungen durch uns).
Führung biblisch definiert
Durch seine Lebensführung und seine Bereitschaft, für uns zu sterben, hat Christus die Bedeutung demütiger Dienstbereitschaft vorgelebt (Philipper 2,5-8). Er war das vollkommene Beispiel des Dienens und nützte die bereits erwähnte Gelegenheit, um einen grundsätzlichen Unterschied zwischen menschlicher und göttlicher Führung zu erklären.
Das Wort „Herrscher“ in Markus 10, Vers 42 ist das griechische Zeitwort archo. Es kommt nur zweimal im Neuen Testament vor, und das andere Mal bezieht es sich auf Christus selbst. Auch in Römer 15, Vers 12 finden wir dieses Wort; dort handelt es sich um ein Zitat aus einer messianischen Prophezeiung in Jesaja, Kapitel 11: „Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen [archo] über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“
Im Neuen Testament wird das Wort archo also im negativen wie auch im positiven Sinne benutzt. Der negative Sinn hat mit der Art menschlicher Führung zu tun, die in dieser Welt leider allzu oft anzutreffen ist. Im Gegensatz dazu steht die positive Bedeutung der kommenden Herrschaft Christi.
Wie bei vielen anderen Sprachen sind auch in Griechisch viele Zeitwörter Teil einer Wortfamilie und daher an Substantive geknüpft. Das griechische Hauptwort arche gehört zur selben Wortfamilie wie das Zeitwort archo und wird im Neuen Testament viel häufiger benutzt. Um göttliche Führung besser zu verstehen, untersuchen wir nun einige Abschnitte, in denen das Wort arche enthalten ist.
Ein Beispiel finden wir in 1. Korinther 15, Verse 22-24, wo bestimmte Ereignisse bei Christi Rückkehr und in der Zeit danach beschrieben werden: „Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft [arche] und alle Macht und Gewalt vernichtet hat.“
Wenn Christus seine Herrschaft antritt, wird die Vernichtung aller anderen Herrschaft zu seinen Aufgaben gehören. Ein ähnlicher Abschnitt in Epheser 1, Vers 21 berichtet, daß Jesus „über alle Reiche [arche], Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen“ eingesetzt wird. Damit sagt uns Paulus, daß Jesus über alle Regierungsgewalt in der heutigen Zeit und auch in der Welt von morgen gesetzt ist. Alle Herrschaft wird Jesus unterstellt sein.
In seinem Brief an die Epheser ermahnte Paulus die dortige Gemeinde, „die Waffenrüstung Gottes“ anzuziehen (Epheser 6,11). Warum? „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen [arche, die Art Herrschaft, die in dieser Welt so typisch ist] und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“ (Vers 12).
Die weltliche Art „Führung“ hat schon lange existiert. Im Judasbrief erfahren wir einiges über ihren Ursprung: „Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang [arche] nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis“ (Vers 6). In der Elberfelder Bibel steht an dieser Stelle das Wort „Herrschaftsbereich“ für arche. Judas berichtet uns, daß bestimmte Engel ihren von Gott verordneten Herrschaftsbereich verwarfen. Jetzt steht ihnen das Gericht Gottes bevor.
Wenn wir die Abschnitte in Hesekiel 28, Verse 12-17 und in Jesaja 14, Verse 12-15 lesen, erfahren wir, daß diese Engel ihren Herrschaftsbereich verließen, als sie sich Luzifer, dem lichtbringenden Erzengel, in seiner Rebellion gegen Gottes Herrschaftsordnung anschlossen. Er wurde zu Satan, dem Feind der Menschheit (1. Petrus 5,8), und sie wurden zu Dämonen, treulosen Engeln. Gemeinsam üben sie einen unsichtbaren und allgemein nicht erkannten Einfluß auf die Menschheit aus.Da diese mächtigen Geistwesen durch Rebellion zu dem geworden sind, was sie heute sind, sollte es uns nicht überraschen, daß ein Teil ihres Einflusses auf die Menschheit in der Ablehnung der Autorität besteht.
Am Anfang wirkte Jesus Christus bei der Etablierung aller Herrschaft mit (Kolosser 1,16). Jene Herrschaft wurde jedoch von Satan und seinen Dämonen korrumpiert, und die Welt, über die sie heute herrschen, funktioniert nach deren perverser Definition der Herrschaft (2. Korinther 4,4; 1. Johannes 5,19). Es war genau diese Art Führung, die Jesus scharf verurteilte und seinen Jüngern verbot: „Aber so ist es unter euch nicht“ (Markus 10,43). Christi Jünger sollten nicht den Führungsstil der Welt nachahmen. Warum? Weil wir Menschen, ohne Gottes Hilfe, göttliche Führung gegenüber unseren Mitmenschen nicht zu praktizieren vermögen.
Gott regiert sein Volk
Christen sind zu einer persönlichen Beziehung mit Gottvater und Jesus Christus berufen. Gott vergleicht die Berufung eines Menschen mit dem Erkaufen dieser Person; Gott „erkauft“ uns durch das Blut Christi (Apostelgeschichte 20,28). Wir sind daher sein Eigentum – jeder einzelne Christ für sich: „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe“ (1. Korinther 6,19-20).
Jeder Christ hat eine eigene, persönliche Verantwortung gegenüber dem Vater; wir alle werden einzeln gerichtet: „Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden ... So wird nun jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben“ (Römer 14,10. 12). Dabei wird Gottes Urteil über uns nicht von einem anderen Menschen abhängen: „Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse“ (2. Korinther 5,10).
Der Prophet Hesekiel beschreibt Gottes Reaktion auf den gerechten Sohn eines sündhaften Vaters: „Wenn der [der ungerechte Vater] dann aber einen Sohn zeugt, der alle diese Sünden sieht, die sein Vater tut – wenn er sie sieht und doch nicht so handelt, nicht von den Höhenopfern ißt, seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen des Hauses Israel, nicht seines Nächsten Weib befleckt, niemand bedrückt, kein Pfand fordert, nichts mit Gewalt nimmt, sein Brot mit dem Hungrigen teilt und den Nackten kleidet, seine Hand von Unrecht zurückhält, nicht Zinsen noch Aufschlag nimmt, sondern meine Gebote hält und nach meinen Gesetzen lebt: der soll nicht sterben um der Schuld seines Vaters willen, sondern soll am Leben bleiben“ (Hesekiel 18,14-17). Der ungerechte Vater hingegen wird wegen seines sündhaften Wandels verurteilt (Vers 18).
Durch das hohepriesterliche Amt Jesu Christi hat jeder Christ direkten, persönlichen Zugang zum Thron Gottes (Hebräer 4,14-16). Kein Mensch steht zwischen dem einzelnen Christen und Gottvater; kein Mensch kann den direkten Zugang des einzelnen Christen zu Gott einschränken, kontrollieren oder gar aufheben. Alle Christen haben einen Hohenpriester, Jesus, der ihnen durch seinen Tod den Weg ins Allerheiligste freigemacht hat (Hebräer 9,8. 11-12).
Im Leben eines Christen steht daher die persönliche Unterordnung vor Gott im Mittelpunkt. Gott regiert sein Volk, indem er jedes einzelne Glied am Leib Christi regiert: „Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar“ (Kolosser 3,15). Das in diesem Vers mit „regiere“ übersetzte Wort hat die wörtliche Bedeutung „wie ein Richter [bzw. Schiedsrichter] fungieren“. Mit anderen Worten soll der Friede Christi – oder der Geist Gottes, die Quelle wahren Friedens (Galater 5,22) – in unseren Herzen wie ein Schiedsrichter wirken und unsere Entscheidungen beeinflussen. Dieser Geist soll in unserem inneren Wesen herrschen und uns helfen, gottgefällige Entscheidungen bezüglich unserer Lebensweise zu treffen.
In diesem Sinne beschrieb Paulus in seinem Brief an Timotheus den heiligen Geist folgendermaßen: „Um dieser Ursache willen erinnere ich dich, die Gnadengabe Gottes anzufachen, die in dir durch das Auflegen meiner Hände ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht“ (2. Timotheus 1,6-7; Elberfelder Bibel). In einigen modernen Übersetzungen heißt das Wort Zucht „Selbstbeherrschung“. Mit anderen Worten: Durch den heiligen Geist stellt uns Gott die Kraft zur Verfügung, damit wir uns selbst in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes beherrschen können. So herrschen wir über uns selbst. Die „Kontrolle“ über unser Leben kommt aus dem Inneren heraus, durch den uns innewohnenden heiligen Geist. Mit der Hilfe dieses Geistes können wir gottgefällige Entscheidungen treffen, so daß wir keine „externe Kontrolle“ – wie z. B. das Ritualgesetz – brauchen.
Indem jeder einzelne Christ in seiner persönlichen Beziehung zu Gott die göttliche Denk- und Handlungsweise von tiefstem Herzen praktizieren möchte, drückt er seinen innigsten Wunsch nach Gottes Herrschaft im eigenen Leben aus. Jesus Christus ist der „Herr und Meister“ aller Christen (Johannes 13,10). Täglich sollen wir beten „Dein Reich komme“, womit nicht allein die zukünftige Etablierung des Reiches Gottes auf Erden nach Christi Rückkehr gemeint ist.
Wer als heute Berufener bei der Herrschaft Christi in der Welt von morgen mitwirken möchte, wird die Herrschaft des Reiches Gottes bereits jetzt in seinem Leben bzw. seiner persönlichen Beziehung zu Gott herbeisehnen und sich dementsprechend verhalten.
Christi Herrschaft in der Welt von morgen
In Matthäus 2, Vers 6 wird eine Prophezeiung zitiert, in der Jesu erstes und sein zweites Kommen vorausgesagt werden: „Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.“
Diese Prophezeiung gibt sozusagen den Ton für Jesu Herrschaft in der Welt von morgen an: Er wird Israel mit Nahrung versorgen, d. h., er wird ihm dienen und für sein Wohlergehen sorgen.
In bildlicher Sprache prophezeite Jesaja die Rückkehr Jesu: „Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen“ (Jesaja 40,9-11).
Es ist diese Art Führung, die Jesus bei seiner Rückkehr als König der Könige und Herr der Herren praktizieren wird (Offenbarung 17,14; 19,16). Sein Ziel ist genau das Gegenteil von dem, das sich Tyrannen in unserer Zeit setzen, die sich nicht davor scheuen, den gewaltsamen Tod ihrer Untertanen in Kauf zu nehmen, um ihre Kontrolle über diese zu festigen bzw. zu erhalten.
Jesus kommt, um seinen Untertanen zu dienen und um ein besseres Leben für sie – nicht für sich selbst – zu ermöglichen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen“ (Johannes 10,10).
Freilich zeigt uns die Schrift, daß es bei der Rückkehr Christi Menschen geben wird, die sich seiner Herrschaft widersetzen werden. Statt ihn mit Freude und in Demut als den wiederkehrenden Messias zu empfangen, werden sie ihn sogar bekämpfen (Sacharja 14,1-3; Offenbarung 17,14; 19,19).
Eine Prophezeiung in Psalm 2 zeigt, daß Jesus auf den gewaltsamen Widerstand der Menschen mit gleichen Mitteln antworten wird: „Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten: Lasset uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Stricke! ... Kundtun will ich den Ratschluß des Herrn. Er hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigentum. Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen. So seid nun verständig, ihr Könige, und laßt euch warnen, ihr Richter auf Erden! Dienet dem Herrn mit Furcht und küßt seine Füße mit Zittern, daß er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen. Wohl allen, die auf ihn trauen!“ (Verse 2-3 bzw. 7-12).
Daß es bei der Rückkehr Christi Widerstand gegen seine Herrschaft geben wird, sollte uns nicht überraschen. Im allgemeinen ist es dem Menschen ohne Gottes Hilfe nicht möglich, Gott untertan zu sein (Römer 8,7), und in der Endzeit wird Satan seine Verführungsarbeit verstärken, um die Menschen zum Kampf gegen den wiederkehrenden Messias zu verleiten (Offenbarung 16,13-16). In Psalm 2 geht es um den gewaltsamen Widerstand gegen seine Herrschaft, und diesem wird Jesus schnell, entschieden und ebenfalls mit Gewalt entgegentreten, um den Anfang seiner Herrschaft in Frieden zu ermöglichen (Sacharja 14,12-13).
Die Prophezeiung in Psalm 2 darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, daß Jesus wie die Diktatoren unserer Zeit jeden beliebigen Ungehorsam niederknüppeln wird. Im Gegenteil: Eine andere Prophezeiung für die Zeit nach dem Ende des gewaltsamen Widerstands zeigt uns, daß Jesus passivem Widerstand gegen seine Herrschaft mit passiven Mitteln begegnen wird: „Und alle, die übriggeblieben sind von allen Heiden, die gegen Jerusalem zogen, werden jährlich heraufkommen, um anzubeten den König, den Herrn Zebaoth, und um das Laubhüttenfest zu halten. Aber über das Geschlecht auf Erden, das nicht heraufziehen wird nach Jerusalem, um anzubeten den König, den Herrn Zebaoth, über das wird’s nicht regnen“ (Sacharja 14,16-17).
Der Zweck hinter Christi Vorgehensweise in diesem Beispiel ist klar: Er will allen Menschen die Gelegenheit geben, den Segen einer gehorsamen Lebensweise zu erkennen. Wenn die Menschen die positiven Früchte der Herrschaft Christi sehen, werden auch die anfänglich Ungehorsamen bereit sein, Gottes Lebensweise zu praktizieren und die Herrschaft Christi zu akzeptieren.
Die Prophezeiungen der Bibel offenbaren also unterschiedliche Aspekte der Herrschaft Christi. Auf der einen Seite wird er keine offene Rebellion gegen seine Herrschaft dulden; andererseits wird er als Hirte beschrieben, der sein Volk in Liebe führen und ernähren wird. Dazu sind die Worte des Königs David über den Stab seines Hirten interessant: „Du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“ (Psalm 23,4). Der Stab eines Hirten wird dazu benutzt, ein Schaf vor Gefahren zu schützen, es vor einer gefährlichen Situation zurückzuhalten und nicht, um es zu zerstören!
König der Könige
Eine weitere Prophezeiung über die Rückkehr Christi zeigt, daß Jesus nicht der einzige König in der Welt von morgen sein wird. Bei seiner Rückkehr ist Jesus „der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind, sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen“ (Offenbarung 17,14). Jesus wird der Regierung Gottes in der Welt von morgen vorstehen; andere werden ihm dabei helfen, das Reich Gottes auf dieser Erde zu etablieren.
Zum Beispiel prophezeite Hesekiel, daß das wiedervereinigte Volk Israel in der Welt von morgen von dem auferstandenen König David betreut wird: „Und ich will ihnen einen einzigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich meinen Knecht David. Der wird sie weiden und soll ihr Hirte sein, und ich, der Herr, will ihr Gott sein, aber mein Knecht David soll der Fürst unter ihnen sein; das sage ich, der Herr“ (Hesekiel 34,23-24).
In der bereits zitierten Antwort Jesu an seine beiden Jünger Johannes und Jakobus scheint Jesus zu bestätigen, daß bestimmte Führungspositionen für die Welt von morgen – wie die von David – anscheinend schon zugeteilt waren: „Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist“ (Markus 10,39-40).
Als die Apostel Jesus fragten, was ihre Belohnung für ihre Nachfolge sein wird, wies er auf ihre Verantwortung in der Regierung Gottes hin: „Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet bei der Wiedergeburt, wenn der Menschensohn sitzen wird auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels“ (Matthäus 19,28).
Darüber hinaus deutet die Bibel an, daß alle Menschen, die bei Jesu Rückkehr ewiges Leben erhalten werden, in der zukünftigen Regierung Gottes mitwirken werden: „Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden“ (Offenbarung 5,9-10).
Die zukünftige Belohnung der Gerechten mit einer Aufgabe im Reich Gottes ist das Thema von dem Gleichnis der anvertrauten Pfunde: „Als sie nun zuhörten, sagte er ein weiteres Gleichnis; denn er war nahe bei Jerusalem, und sie meinten, das Reich Gottes werde sogleich offenbar werden. Und er sprach: Ein Fürst zog in ein fernes Land, um ein Königtum zu erlangen und dann zurückzukommen. Der ließ zehn seiner Knechte rufen und gab ihnen zehn Pfund und sprach zu ihnen: Handelt damit, bis ich wiederkomme! Seine Bürger aber waren ihm feind und schickten eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche. Und es begab sich, als er wiederkam, nachdem er das Königtum erlangt hatte, da ließ er die Knechte rufen, denen er das Geld gegeben hatte, um zu erfahren, was ein jeder erhandelt hätte. Da trat der erste herzu und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund eingebracht. Und er sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger Knecht; weil du im Geringsten treu gewesen bist, sollst du Macht haben über zehn Städte. Der zweite kam auch und sprach: Herr, dein Pfund hat fünf Pfund erbracht. Zu dem sprach er auch: Und du sollst über fünf Städte sein“ (Lukas 19,11-19).
In seinem Sendschreiben an die Gemeinde zu Thyatira übertrug Jesus sogar Aspekte der Prophezeiung in Psalm 2, die im Zusammenhang eindeutig mit ihm bzw. seiner Herrschaft zu tun hat, auf Christen, die ihrer Berufung bis zu ihrem Lebensende treu bleiben: „Und wer überwindet und hält meine Werke bis ans Ende, dem will ich Macht geben über die Heiden, und er soll sie weiden mit eisernem Stabe, und wie die Gefäße eines Töpfers soll er sie zerschmeißen, wie auch ich Macht empfangen habe von meinem Vater“ (Offenbarung 2,26-28).
Das Wort „weiden“ in Vers 27 ist das gleiche Wort im griechischen Urtext wie in Matthäus 2, Vers 6. Jesus zeigt damit, daß diejenigen, die ihm in der Regierung Gottes in der Welt von morgen zur Seite stehen werden, die gleiche Auffassung zur Führung nach göttlicher Art haben werden wie er: „Wie auch ich Macht empfangen habe von meinem Vater“ (Offenbarung 2,28). Diejenigen, die zusammen mit Jesus Christus in der zukünftigen Welt regieren werden, müssen als Voraussetzung für diese Aufgabe die gleiche Geisteshaltung der demütigen Dienstbereitschaft verinnerlichen, wie Jesus sie uns vorgelebt hat.