Enthält die Bibel Widersprüche, so ist sie kein verlässlicher Bericht über Gottes Vorhaben mit den Menschen. Wie lassen sich vermeintliche Widersprüche erklären?

Von John Ross Schroeder

„Die Bibel steckt voller Irrtümer und Widersprüche!“ Das war vor Jahren die Meinung eines großen, gutaussehenden Schiffsarztes im Salon eines Passagierdampfers, als er, von einer Reise aus dem Osten zurückkehrend, sich auf ruhiger Fahrt durch das schöne Mittelmeer befand. Sein damaliger Gesprächspartner erzählte, was als Nächstes passierte: „Ich bat ihn, mir ein paar Fehler, die da angeblich in Fülle vorhanden seien, doch einmal zu zeigen. Das Einzige, was er antwortete, war immer wieder, dass sie voller Fehler war.

Da schlug ich auf dem Tisch vor ihm eine Bibel auf und sagte im Beisein eines weiteren Mitreisenden: ,Wenn Sie mir in diesem Buch einen einzigen Irrtum oder Widerspruch nachweisen können, gebe ich mich geschlagen‘ “ (Sidney Collett, All About the Bible, ISBN 1557480826, Seite 115).

Dr. Collett war sich sicher, die Bibel gegen jedweden Kritiker, der Widersprüche in ihr behauptete, verteidigen zu können. Mit ebenso großer Sicherheit behaupten andere – das andere Extrem –, man könne eine Menge „Löcher“ in der Bibel finden, ja sie bestehe aus einer endlosen Kette von Widersprüchen.

Wie steht es: Ist die Bibel in dieser Hinsicht glaubwürdig? Bieten sich für die scheinbaren inneren Unstimmigkeiten im Bibeltext logische, glaubhafte, fundierte, hieb- und stichfeste Erklärungen?

Wir sagen: Ja, sie bieten sich tatsächlich. In diesem Beitrag wollen wir erklären, was es mit den vermeintlichen Widersprüchen in der Bibel auf sich hat. Bitte hören Sie uns an – bis zum Schluss, Punkt für Punkt.

Das Summarische der Bibel

Als grundsätzlich für unsere Fragestellung muss man zunächst einmal berücksichtigen, dass die Bibel ein Buch bzw. eine Sammlung zusammenhängender Bücher darstellt. Sie geben nur einen Abriss der Geschichte des Wirkens Gottes in der Welt, seines Eingreifens in das Handeln des Menschen wieder. Vieles wird nur skizzenhaft dargestellt: Höhepunkte, Meilensteine. So widmet der Schöpfer zum Beispiel den ersten 1650 Jahren der Menschheitsgeschichte – von Adams Schöpfung bis zur Sintflut – nur sechs Kapitel. Ein stark geraffter Überblick also, in dem viele Einzelheiten zwangsläufig fehlen.

Da gibt es die uralte Frage: „Wo hat Kain seine Frau her?“, die so mancher Neuling nach der Lektüre der Anfangskapitel des ersten Buches Mose stellt.

Dieses scheinbare Problem löst sich beispielsweise sehr simpel und schnell durch eine logische Überlegung anhand von Vers 4 im Geschlechtsregister von 1. Mose 5: Kain hat eine seiner Schwestern geheiratet.

Nirgendwo gibt die Bibel vor, eine komplette und lückenlose Aufzeichnung aller Ereignisse eines gegebenen Zeitraums zu sein.

Dies sei verdeutlicht an einem Zitat aus 2. Könige 14, Vers 28: „Was aber mehr von Jerobeam [Jerobeam II., nicht dem Jerobeam aus Salomos Zeit] zu sagen ist und alles, was er getan hat, und seine tapferen Taten, wie er gekämpft hat, und wie er Damaskus und Hamat wieder an Israel gebracht hat, siehe, das steht geschrieben in der Chronik der Könige von Israel [gemeint sind nicht die beiden Chronikbücher der Bibel].“

Die Bibel erhebt hier z. B. ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern verweist den Leser auf ein anderes Werk, das zweifellos längst verschollen oder vielleicht dem König mit ins Grab gegeben worden ist.

Die Bücher Samuel, Könige und Chronik schildern das Leben der Könige von Juda und Israel (von David, Salomo und ein paar anderen herausragenden Persönlichkeiten abgesehen) nur in ganz groben Zügen. Wäre uns jede Einzelheit bekannt – womöglich auch aus einer umfassenden weltlichen Quelle –, so hätten wir zweifellos die perfekte Lösung aller scheinbaren Widersprüchlichkeiten zwischen Samuel, Könige und Chronik in der Hand – besonders, was Anfang und Ende der einzelnen Regierungszeiten betrifft.

Da das aber nicht der Fall ist, sind wir auf Rückschlüsse angewiesen. Es gibt logische, glaubhafte Erklärungen, die die Abweichungen auf unterschiedliche Berechnungsweisen für Regierungszeiten (weltlich und sakral), mögliche Mitregentschaften, Überschneidungen, summarische Angaben in Chronologien der Königshäuser usw. zurückführen.

Auch die vermeintlichen Unstimmigkeiten zwischen den vier Evangelien (oder Lebensbeschreibungen) Jesu Christi muss man unter dem Gesichtspunkt sehen, dass die Bibel eben eher im Überblick als detailgetreu und in aller Vollständigkeit berichtet.

Der Apostel Johannes – einer der Biografen Christi – schreibt: „Dies ist der Jünger [Johannes selbst], der dies alles bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat [die nicht für die Nachwelt aufgezeichnet worden sind]“ (Johannes 21,24-25; alle Hervorhebungen durch uns).

Die vier Evangelien bilden die einzige verlässliche Quelle über das Leben Jesu. Hätten wir darüber hinaus alle Nuancen und Einzelheiten, vielleicht von Jesus selbst, einem Einzelbiografen oder einem Biografenkollektiv, dann lösten sich wahrscheinlich alle scheinbaren Widersprüche zwischen den vier Berichten von selbst. Aber auch anhand dessen, was wir haben, bieten sich für jeden angeblichen Textwiderspruch eine oder mehrere mögliche Lösungen.

Biblische Chronologie

Auch eine Kenntnis der Bibelchronologie und ihrer Eigenheiten ist wichtig zur Klärung vermeintlicher Unstimmigkeiten. Allgemein zieht sich durch die Bibel zwar ein chronologischer Faden, aber in den einzelnen Büchern werden die Dinge nicht immer in der Reihenfolge berichtet, wie sie sich zeitlich zugetragen haben.

So ist 1. Mose 2 (manchmal auch die zweite Schöpfungsgeschichte genannt) im Grunde eine Wiederholung des ersten Kapitels, nur unter einem anderen Blickwinkel. Nicht auf die zeitliche Abfolge der Dinge, sondern auf das „Warum“ der Erschaffung Adams und Evas kommt es dem zweiten Kapitel an. Wer dies nicht berücksichtigt, mag irrtümlich auf chronologische Widersprüche zwischen den beiden „Schöpfungsgeschichten“ schließen.

Auch die Evangelien unterscheiden sich in dieser Hinsicht: Lukas und Markus berichten im Wesentlichen in chronologischer Abfolge („alles von Anfang an“; Lukas 1,3). Matthäus dagegen gruppiert mehr nach Sinnzusammenhängen und nicht unbedingt streng chronologisch. Johannes, der später schrieb, fügt notwendige Einzelheiten ein, um das Bild abzurunden, und gibt damit noch vieles an, worüber die anderen Evangelien nicht berichten.

Wir wollen nun zur Sache kommen und konkret einige Widersprüche behandeln. Über die Einzellösung hinaus sollen dabei grundsätzliche Anmerkungen zu jedem Problem gemacht werden.

Abweichende Zahlenangaben

Beim ersten Problem handelt es sich um scheinbar widersprüchliche Zahlenangaben in der Bibel.

Die Plage in der Wüste: Die alten Israeliten hatten sich dem Baal-Peor-Kult zugewandt und trieben, damit zusammenhängend, grobe Unzucht, worauf Gott sie mit einer Plage schlug. Mose berichtet: „Es waren aber durch die Plage getötet worden vierundzwanzigtausend“ (4. Mose 25,9).

Von derselben Plage schreibt der Apostel Paulus: „Auch lasst uns nicht Hurerei treiben, wie einige von ihnen Hurerei trieben: und an einem einzigen Tag kamen dreiundzwanzigtausend um“ (1. Korinther 10,8).

Erklärung: Mose nennt die Gesamtzahl der Opfer, Paulus hingegen nur die Zahl derer, die an einem Tag starben.

Zu den Zahlenangaben der Bibel allgemein sei aus George W. DeHoffs Buch Alleged Bible Contradictions Explained (ISBN: 978-1-933965-04-8) zitiert: „Angebrochene Jahre werden gewöhnlich – wenn auch nicht immer – als ganzes Jahr gerechnet. Zahlen sind manchmal ab- oder aufgerundet. Zuweilen regierte ein König in Mitregentschaft mit einem anderen (etwa ein Sohn mit einem alternden Vater) und wurde erst später zum Alleinherrscher.“

Abweichende Identitäten

Nicht weniger wichtig als die angeblichen Zahlenwidersprüche sind vermeintliche Unstimmigkeiten dahingehend, „wer was getan“ hat. Ein solches Problem scheinbar abweichender Identitäten taucht im Matthäusevangelium auf, wenn man es mit dem Buch Sacharja vergleicht.

Matthäus 27, Vers 9: „Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: Sie haben die dreißig Silberlinge genommen, den Preis für den Verkauften, der geschätzt wurde bei den Israeliten.“

Sacharja 11, Verse 12-13: „Und ich sprach zu ihnen: Gefällt’s euch, so gebt her meinen Lohn; wenn nicht, so lasst’s bleiben. Und sie wogen mir den Lohn dar, dreißig Silberstücke. Und der Herr sprach zu mir: Wirf’s hin dem Schmelzer! Ei, eine treffliche Summe, deren ich wert geachtet bin von ihnen! Und ich nahm die dreißig Silberstücke und warf sie ins Haus des Herrn, dem Schmelzer hin.“

Nur bei Sacharja findet sich der von Matthäus zitierte Hinweis auf die dreißig Silberlinge, bei Jeremia nicht. Ist das ein Widerspruch?

Erklärung: Die Verse müssen wir sorgfältig lesen. Bei Matthäus ist nur von einer Prophezeiung die Rede, die Jeremia gesprochen, nicht, die er geschrieben hat. Sacharja überliefert hier offenbar etwas, das in früherer Zeit der Prophet Jeremia gesprochen hatte.

Dazu Sacharja 7, Vers 7: „Ist’s nicht das, was der Herr durch die früheren Propheten predigen ließ, als Jerusalem bewohnt war und Frieden hatte?“ Jeremia zählt zu den besagten früheren Propheten, die gegen Jerusalem predigten. Sacharja – ein späterer Prophet – gibt das gesprochene Wort Jeremias wieder, nicht das geschriebene.

Dies gibt uns einen weiteren Schlüssel zur Lösung vermeintlicher Bibelwidersprüche in die Hand: „Die betreffenden Stellen sind nicht mit der Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt im Gebet studiert worden, die das Buch [die Bibel] verlangt. Diese Nachlässigkeit steht hinter nahezu allen vermeintlichen Schwierigkeiten, von denen man hört“ (Collett, a. a. O., Seite 115-116).

Oft sagen zwei Stellen, die einander zu widersprechen scheinen, nicht exakt das Gleiche aus. Es gibt Abweichungen in der Formulierung. Unterschiede bei wichtigen Schlüsselwörtern (hier: sprechen) enthalten oft die Lösung des scheinbaren Widerspruchs.

In anderen Fällen muss man die historische Perspektive, d. h. geschichtliche Begleitumstände und zeitbedingte Sachverhalte in Rechnung stellen.

Die historische Perspektive

Ist es das Reich Gottes oder das Himmelreich? In Matthäus 3, Vers 2 lesen wir: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ In Markus 1, Vers 15 heißt es aber: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt, an das Evangelium!“

Erklärung: Die Formulierung „Himmelreich“ benutzt Matthäus aus einem ganz bestimmten Grund. Viele Juden wähnten sich nämlich, seit Sinai, bereits im Reich Gottes. Man beachte, was Jesus in Matthäus 21, Vers 43 den Pharisäern sagt: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk [der neutestamentlichen Kirche – 1. Petrus 2,9] gegeben werden, das seine Früchte bringt.“

Das Reich Gottes (oder Reich des Messias – Christus) war damals wie heute als geistliches Reich zu verstehen, das über allen weltlichen Reichen und Nationen steht. Die Juden verstanden es eher politisch, knüpften Hoffnung auf politische Befreiung daran. Um ihnen den Unterschied klarzumachen, benutzte Matthäus dieses Wort.

Alle anderen Evangelisten verwenden den Ausdruck „Reich Gottes“. Dass Matthäus – und nur er – „Himmelreich“ sagt, hat zu der irrigen Deutung Anlass gegeben, er meine ein Reich im Himmel. Er meint jedoch ein Reich vom Himmel. Das Reich gehört ja Gott, der vom Himmel aus regiert.

Dies soll uns zu einem weiteren Punkt führen: Eigentümlichkeiten der Autoren. Auch dies gilt es bei scheinbaren Widersprüchen in Parallelberichten zu berücksichtigen.

Besonderheit der Autoren

Jeder Mensch unterscheidet sich in gewissen Eigentümlichkeiten von allen anderen Menschen. Keine zwei Menschen haben die gleichen Fingerabdrücke, die gleiche Stimmcharakteristik.

Biblische Inspiration von Gott darf man sich nicht als wörtliches Diktat vorstellen. Jeder Schreiber hat seinen eigenen Stil und seine persönliche Ausdrucksweise beibehalten. Die Paulusbriefe sind daher charakteristisch „paulinisch“, die Johannesbriefe hingegen unverwechselbar „johanneisch“. Beim Bericht über ein bestimmtes Ereignis traf jeder Autor die Faktenauswahl, die ihm bedeutsam schien. Es können den einzelnen Autoren auch unterschiedliche Quellen vorgelegen haben. Auch mögen die Autoren jeweils verknüpfende Nebensächlichkeiten ausgelassen haben, die, wären sie uns heute bekannt, wohl das Bild abrunden und Widersprüche von selbst lösen würden.

Der Theologe John W. Haley schreibt: „Inspiration hebt das Individuelle der Schreiber nicht auf. Sie erstreckt sich mehr auf Ideen als auf wörtliche Formulierungen. Sie gibt dem einzelnen Autor Ideen ein und überlässt es ihm dann im Allgemeinen, sie in seine eigene Sprache zu kleiden . . . So erklären wir uns die gelegentlichen Abweichungen in der Schilderung ein und desselben Gedankens oder ein und desselben Sachverhaltes“ (Alleged Discrepancies of the Bible, ISBN 0-88368-157-9; Seite 6 und 7).

Der Grundsatz, dass es zum Verständnis der Texte wichtig ist, Blickwinkel und Diktion des Schreibers zu berücksichtigen, gilt ganz besonders für die vier Evangelien.

Dazu sagt Collett: „Wer Irrtümer und Widersprüche in den Schriften der Evangelisten entdeckt zu haben meint, möge sich vergegenwärtigen, wie leicht – ja ganz natürlich – es ist, von ein und demselben Sachverhalt drei oder vier Berichte von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu geben“ (Collett, a. a. O., Seite 140).

Der Zeitfaktor

Nicht weniger ausschlaggebend als die zu akzeptierende Verschiedenheit von Blickwinkeln ist der jeweilige Zeitbezug der Texte.

Als Beispiel für einen unterschiedlichen Zeitbezug haben wir zwei Bibelstellen aus dem ersten Buch der Bibel. In 1. Mose 1, Vers 31 heißt es: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte [den Menschen inbegriffen], und siehe, es war sehr gut.“ Doch nur fünf Kapitel weiter wurde der Mensch wie folgt beschrieben: „Der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen.“

Erklärung: Zwischen der ersten und der zweiten Stelle waren anderthalbtausend Jahre vergangen. Beginnend mit der ersten Sünde, waren Moral und Gesinnung des Menschen immer schlechter und schließlich unerträglich geworden. Der Mensch hätte Gott treu bleiben können, aber er wollte einfach nicht. Durch Satans Einflüsse hatte er sich allmählich immer weiter vom Schöpfer und seinen Wegen abbringen lassen.

Die Berücksichtigung des Zeitfaktors kann auch zur Klärung anderer vermeintlich widersprüchlicher Aussagen beitragen wie z. B. bei der Frage, ob wir antworten oder nicht antworten sollen. Sprüche 26, Vers 4 ermahnt uns: „Antworte dem Toren nicht nach seiner Torheit, dass du ihm nicht gleich werdest.“ Doch im nächsten Vers, unmittelbar danach, heißt es: „Antworte aber dem Toren nach seiner Torheit, dass er sich nicht weise dünke.“

Erklärung: Beide Sprüche „stimmen“, nur eben für unterschiedliche Zeiten und Umstände. Unter Inspiration schrieb Salomo in seiner sprichwörtlichen Weisheit nämlich auch: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde . . . schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit“ (Prediger 3,1. 7).

Zeit und Umstände werden dem Klugen, dem weise Gewordenen sagen, wann er den ersten und wann er den zweiten Spruch anzuwenden hat. Die Evangelien berichten, dass Jesus seinen törichten Widersachern manchmal antwortete, manchmal nicht.

Übersetzungsprobleme

Als Beispiel für scheinbare Widersprüche in der Bibel, die auf Übersetzungsproblemen beruhen, gibt es die Frage, wovon der Prophet Jona verschlungen wurde. In Jona 2, Vers 1 lesen wir: „Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen.“ In der alten Lutherübersetzung heißt es jedoch in Matthäus 12, Vers 40: „Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch . . .“

Erklärung: An dieser Schwierigkeit ist die Lutherübersetzung schuld. Der griechische Text spricht von einem Riesenfisch, einer Art Seeungeheuer, das Luther im 16. Jahrhundert mit Wal übersetzte, nicht wissend, dass dies kein Fisch, sondern ein Säugetier ist. Modernere Übersetzer haben das berichtigt. Unstimmigkeiten, die von Fehlübersetzungen des hebräischen oder griechischen Urtextes herrühren, klären sich oft auf, wenn man mehrere verschiedene Übersetzungen zu Rate zieht.

Übersetzungsfehler können sich auch dadurch eingeschlichen haben, dass der Übersetzer von bestimmten, bereits bestehenden Lehrauffassungen beeinflusst war, die die Übersetzung entsprechend „färbten“. Ein berühmtes Beispiel ist, dass Luther ursprünglich im gesamten Neuen Testament „Passah“ durchgehend mit „Ostern“ wiedergegeben hat, einem heidnischen Fest, das weder von Jesus noch von den Aposteln oder der Urgemeinde jemals gefeiert wurde.

In früheren Ausgaben der Lutherbibel hieß es in Matthäus 26, Vers 2 etwa: „Ihr wisset, dass nach zwei Tagen Ostern wird.“ In der neuesten Lutherbibel von 1984 ist dieser Fehler berichtigt: „Ihr wisst, dass in zwei Tagen Passah ist.“ In solchen Fällen ist es notwendig, die genaue Bedeutung des Ursprungswortes zu kennen bzw. festzustellen.

Die persönliche Einstellung

Wichtiger noch als die rein technischen Lösungshilfen ist aber wohl die innere Einstellung, mit der der Leser an die Heilige Schrift und darin auftauchende Widersprüche herangeht bzw. herangehen sollte. Der Prophet Jesaja hat drastisch beschrieben, welche Grundeinstellung Gott beim Lesen seines Wortes verlangt: „Ich sehe aber auf den Elenden [Demütigen] und auf den, der zerbrochenen Geistes [reumütig] ist und der erzittert vor meinem Wort“ (Jesaja 66,2).

Man wird beim Lesen der Bibel zwangsläufig da und dort auf Dinge stoßen, die einem widersprüchlich scheinen. Hat man aber gebührende „Furcht“ davor, mit dem Wort Gottes falsch umzugehen, befindet man sich schon auf halbem Wege zur Lösung. Viele Schwierigkeiten klären sich dann, bei entsprechend genauer Information, leicht auf. Bei anderen wird man mit der Lösung nicht so schnell zu Rande kommen. Petrus zum Beispiel sagt selbst, in den Paulusbriefen seien „etliche Dinge schwer zu verstehen“ (2. Petrus 3,16).

Gibt es ein besonders hartnäckiges Problem, so lassen Sie sich mit der Lösung einfach Zeit. Legen Sie die Frage eine Weile ad acta. Suchen Sie Rat, beten Sie darum. Eine logische Antwort wird schon kommen, man braucht nur etwas Geduld!

Wir alle haben die geistliche Anleitung der Bibel dringend nötig. Rücken wir die vermeintlichen Widersprüche ins rechte Verhältnis zu dem großen, zentralen Anliegen, um das es in der Bibel eigentlich geht: unsere Bestimmung nach dem großen Vorhaben Gottes!