Als Christ sagt man oft schnell „Es tut mir leid“, aber denken wir dabei immer daran, dass wir diesem Satz auch Taten folgen lassen sollen?

Von Robert Dick

Vor einigen Jahren war ich in einem Papierwarengeschäft und kaufte Grußkarten für meine Freunde ein. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ab und zu finde ich eine Karte, die ich selbst behalten will. Ich habe eine Schublade voll solcher Karten.

Eine Karte ist die älteste in der Schublade. Auf der Vorderseite der Karte gibt es einen Orang-Utan, der sehr reuevoll aussieht. Dazu heißt es: „Es tut mir leid, ich war im Unrecht . . .“ Freilich drückt das „. . .“ aus, dass sich der Text im Innern der Karte fortsetzt. Beim Öffnen der Karte liest man dann: „. . . aber Du warst noch mehr im Unrecht.“

Diese Karte habe ich schon seit vielen Jahren, weil sie ein Haupthindernis bei dem Aufbau göttlicher Beziehungen darstellt – die Entschuldigung, die gar keine ist. Warum entschuldigen sich Menschen, wenn sie sich in Wirklichkeit nicht entschuldigen wollen? Kann es sein, dass sich Christen manchmal entschuldigen, um der Erwartung anderer gerecht zu werden? Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen dem Wissen um richtiges Verhalten und der Ausführung richtigen Verhaltens, das von Herzen kommt.

Wissen allein genügt nicht

Einige der unhöflichsten und anstößigsten Menschen sind die „korrektesten“. Von Natur aus sorgen wir uns mehr um den Anschein und um die mechanische Ausführung des Richtigen, statt uns um die Rettung einer Beziehung zu kümmern. Es ist wichtig zu verstehen, warum das der Fall ist.

Um eine Beziehung aufzubauen, muss Ihnen das Wohlergehen der anderen Person wirklich am Herzen liegen. Für die meisten von uns ist das kein natürliches Anliegen. Denken wir darüber nach – die meisten von uns haben wenig in andere Menschen investiert. Männer und Frauen können in der Ehe viel Leid erleben; dennoch bleiben sie aus einem Grund zusammen – sie haben viel in die Beziehung investiert.

Eltern können ihre Kinder durch die schwierigen und rebellischen Jahre hindurch lieben. Wenn jene Kinder erwachsen sind, werden ihre Eltern ihnen als ihre größten Förderer aus dem gleichen Grund zur Seite stehen – sie haben viel in ihre Kinder investiert.

Gott denkt auch so über Beziehungen. Er liebte uns, als wir nicht liebenswert waren (Römer 5,10). Gott hat alles, was er hat, in eine Beziehung mit uns investiert (Johannes 3,16). Wir können in das Leben anderer Menschen investieren, indem wir uns die Zeit nehmen, um eine Beziehung zu ihnen aufzubauen – um uns um sie zu kümmern. Aber haben wir in das Leben anderer Menschen investiert? Welche Beziehungen haben wir aufgebaut?

Es gibt Menschen, die nicht wissen, wie man eine Beziehung aufbaut. Meine erste Erinnerung an das Aufbauen einer Beziehung ist aus der Zeit, als ich fünf Jahre alt war. Meine Familie war gerade in ein Viertel der Schiffbauindustrie im Norden von Portland, Oregon, gezogen. Ich war krank und durfte nicht draußen spielen. Ich erinnere mich an Kinder, die ans Fenster kamen und Grimassen schnitten. Ich bat meine Mutter, sie zu verscheuchen, und ihre Antwort habe ich nicht vergessen: „Bobby, die wollen nur Freundschaft mit dir schließen.“

Heute weiß ich, dass Kinder oft recht seltsame Methoden benutzen, um ihr Interesse an anderen kundzutun. Aber mit fünf Jahren meinte ich, dass dies eine seltsame Art war, Freundschaften zu schließen! Nachdem ich wieder gesund war, half mir meine Mutter dabei, und die Nachbarskinder und ich wurden Freunde. Meine Mutter hatte zu einer Beziehung beigetragen.

In den Jahren seit jenem Ereignis bin ich mir der Macht der Vermittlung zutiefst bewusst geworden. Ich glaube, dass manchmal der größte Beitrag zum Aufbau einer Beziehung von einer sanftmütigen und weisen dritten Person geleistet werden kann, der die beiden anderen Menschen am Herzen liegen. Das ganze Buch Philemon beinhaltet diese Botschaft.

Ziehen wir den Kürzeren

Das nächste Prinzip kann ich am besten mittels einer Redewendung beschreiben. Ich glaube, dass wir bereit sein müssen, „den Kürzeren zu ziehen“. Wir müssen bereit sein, benachteiligt zu werden, ohne dass wir Demut vorspielen. Dieses Prinzip ist der Kern von vielem, was Paulus schreibt. Das ganze achte Kapitel von 1. Korinther ist eine Abhandlung der persönlichen Benachteiligung mit der Absicht, unserem Bruder zu helfen, das Reich Gottes zu erlangen.

Beachten wir die Überzeugung von Paulus in dieser Angelegenheit: „Wenn jemand dich, der du die Erkenntnis hast, im Götzentempel zu Tisch sitzen sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da er doch schwach ist, verleitet, das Götzenopfer zu essen? Und so wird durch deine Erkenntnis der Schwache zugrunde gehen, der Bruder, für den doch Christus gestorben ist. Wenn ihr aber so sündigt an den Brüdern und verletzt ihr schwaches Gewissen, so sündigt ihr an Christus. Darum, wenn Speise meinen Bruder zu Fall bringt, will ich nie mehr Fleisch essen, damit ich meinen Bruder nicht zu Fall bringe“ (1. Korinther 8,10-13; Hervorhebungen durch uns).

Bei dieser Eigenschaft hat Paulus keine Monopolstellung. Der erste Petrusbrief handelt in einem Sinne von der Bereitschaft, „den Kürzeren zu ziehen“. Lesen Sie den ganzen Brief. Fleischlich gesinnte Menschen sind bereit, sich vorübergehend übervorteilen zu lassen, weil sie vielleicht eine Chance sehen, eines Tages abzurechnen. Leider hörte ich in meiner Kindheit einige Erwachsene sagen: „Warte nur, bis ich im Reich Gottes bin!“ Mit dieser Haltung verfehlt man das Ziel gänzlich.

Die Botschaft des Petrus ist, dass wir durch andere Menschen viel weniger erlitten haben, als wir selbst Christus zugefügt haben. Doch er vergab uns und löschte unsere Sündenschuld völlig aus. Dabei geht es wieder um etwas Geistliches. Aus einem Grund, den ich nicht ganz verstehen kann, behandeln wir Menschen die Sündenvergebung durch Gott als eine Selbstverständlichkeit – „Nun, so soll es auch sein!“ –, aber die Sünden anderer Menschen gegen uns sind etwas Persönliches. Wenn wir Beziehungen aufbauen wollen, müssen wir willens sein, „den Kürzeren zu ziehen“ in demselben Geist, in dem Jesus es für uns tat.

Diese Gedanken sind nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs, aber für jetzt genügen sie. Das nächste Mal, wenn das Leben Ihnen beim Aufbau einer Beziehung eine Herausforderung schickt, versuchen Sie, mit den Worten anzufangen: „Es tut mir leid.“