Gebietet die Bibel das Zölibat bzw. die Ehelosigkeit für kirchliche Würdenträger und Geistliche? Worauf ist das Zölibat in der christlichen Religion zurückzuführen?

Von Paul Kieffer

Seit Hunderten von Jahren haben verschiedene Religionen das Zölibat bzw. die Ehelosigkeit als eine besonders gehobene Form des Gottesdienstes gesehen. Dem Bund fürs Leben zugunsten transzendentaler Meditation oder des Gebets zu entsagen galt und gilt immer noch manchen Menschen als das größte Opfer, das ein Mensch seinem Gott bringen kann.

Das vermeintliche Ideal des Zölibats hat auch in der christlichen Religion seine Befürworter. Manche christliche Anhänger der Ehelosigkeit glauben in der Person von Jesus Christus bzw. seiner Mutter Maria Vorbilder zu erkennen. Ohne Zweifel waren Jesus und seine Mutter Vorbilder, allerdings nicht für das Zölibat. (Lesen Sie zu Marias vermeintlicher „ewiger Jungfräulichkeit“ den Beitrag „Ist die Mutter Jesu eine Jungfrau geblieben?“ zum Schluß dieses Artikels.)

Daß Jesus in den ca. 33 Jahren seines irdischen Lebens nicht heiratete, war bestimmt nicht als Werbung für die Ehelosigkeit gedacht. Man muß nur kurz überlegen, was für ein gemeinsames Leben Jesus einer Frau hätte bieten können. Mit etwa 30 Jahren (Lukas 3,23) fing er an zu predigen, und von diesem Zeitpunkt an war er viel unterwegs, um das Evangelium vom Reich Gottes zu verkünden (Markus 1,14-15). Wäre er verheiratet gewesen, hätte seine Frau in dieser Zeit kein festes Zuhause gehabt.

Jesus wußte, daß ihm ein früher, gewaltsamer Tod bevorstand: „Jesus [wußte] alles, was ihm begegnen sollte“ (Johannes 18,4). Seinen Jüngern hatte er vorausgesagt: „Des Menschen Sohn muß viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen“ (Lukas 9,22).

Es gab jedoch einen anderen Grund, warum Jesus während seines kurzen Erdenlebens nicht heiratete. Symbolisch gesehen war er bereits verheiratet, und zwar solange der Alte Bund galt, mit dem Volk Israel. Der Alte Bund wird in einigen Bibelstellen als ein Ehebund zwischen Gott – dem Wort, der später als Jesus Christus geboren wurde (Johannes 1,1-3) – und dem Volk Israel bezeichnet. Der Neue Bund dagegen gipfelt in einem Ehebund zwischen Jesus und der Gemeinde, die in Offenbarung 21, Vers 9 als „Braut“ bezeichnet wird. Um diese Symbolik zu unterstreichen, ist Jesus während seines irdischen Lebens keine Ehe eingegangen.

Gottes Gesetz schreibt vor, daß eine Ehe durch den Tod eines der beiden Ehepartner aufgelöst wird (Matthäus 19,1-12). Das galt auch für die Ehe Gottes mit Israel. Jesus Christus kam in Menschengestalt auf die Erde, um für die ganze Menschheit zu sterben. Durch seinen Tod endete die Ehe mit dem Volk Israel. Somit kann Jesus bei seiner Wiederkehr die neutestamentliche Gemeinde – die „Braut Christi“ – heiraten (Offenbarung 21,2). Die Bibel berichtet von einem „Hochzeitsmahl“, das bei seiner Rückkehr zur Erde stattfinden wird (Matthäus 22,3-11; Offenbarung 19,7-9).

Jesus blieb also nicht deshalb ledig, weil die Sexualität an sich sündig wäre, wie manche meinen.

Ursprung des Zölibats im Christentum

Weder Jesus noch seine Mutter können als Vorbilder für die Ehelosigkeit dienen. Wie entstand die „christliche“ Tradition des Zölibats? Wie kam es dazu, daß die Sexualität und die Ehe als das kleinere von zwei Übeln betrachtet wurden?

In der Bibel finden wir keinen Hinweis darauf, daß die menschliche Sexualität an sich schlecht ist. Der Mißbrauch der Sexualität wird zwar verurteilt, nicht aber die Sexualität selbst. Die jüdisch-christliche Ethik der Bibel erlaubt durchaus die sexuelle Entfaltung in der Ehe. Im Gegensatz dazu steht der heidnische Dualismus, wonach eine vollkommene, unsterbliche Seele in einem „verderblichen“ Körper wohne. Nach dieser Sichtweise sollen die „Werke“ des Körpers (auch sexuelle) minderwertig sein.

Die Gnostiker der griechischen Welt der Antike übernahmen diese Vorstellungen von den Ägyptern. Die Gnostiker hatten verschiedene Auffassungen über die Ehe. Alle waren negativ, und manche waren widersprüchlich. Unter den Anhängern der gnostischen Denkweise gab es solche, die sich außerehelichen Ausschweifungen hingaben und damit meinten, so würde sich die Ehe erübrigen. Andere enthielten sich überhaupt jeder sexuellen Erfahrung.

Über die jüdische Sekte der Essener von Qumran ist bekannt, daß sie eine strenge Geschlechtertrennung praktizierte und keinerlei körperlichen Kontakt erlaubte. In dieser Sekte sehen einige Forscher einen Vorläufer des heutigen Christentums, was aber nicht der Fall ist. Laut Philon von Alexandria („De vita contemplativa“) gab es eine andere weltanschauliche Gemeinschaft des ersten Jahrhunderts n. Chr., bei der Männer und Frauen in Kommunen lebten, sich aber allem Körperlichen entsagten, um sich ungestört der Philosophie zu widmen.

Unter den sogegannten Kirchenvätern finden wir einige, die ein merkwürdiges Verhältnis zur Sexualität hatten. In der quasi Selbstkasteiung dieser Männer, als persönliche Antwort auf mangelnde Selbstbeherrschung, sehen einige den wahren Ursprung der „christlichen“ Zölibatslehre.

Beispielsweise kastrierte sich Origenes (um 220 n. Chr.), wohl aufgrund schwerer Komplexe und sexueller Schuldgefühle. Mit der Kastrierung hat er der Versuchung anscheinend vorbeugen wollen. Hieronymus (um 400 n. Chr.) führte einerseits ein asketisches Leben, suchte aber dennoch die Nähe von Frauen, die er anscheinend nie berührte. Hieronymus soll ausschweifende erotische Träume gehabt haben, deren Einzelheiten er den Frauen erzählte. Da er nur geträumt hatte, sah er sich vor einer Versuchung bewahrt.

Am bekanntesten ist wohl Augustinus (ebenfalls um 400 n. Chr.), der in jungen Jahren mit einer Geliebten zusammenlebte. Später litt er unter schweren Schuldkomplexen. Gerade seine Vorstellungen sollten großen Einfluß auf das Zölibatsdenken der Staatskirche haben. Spätere Dogmatiker, insbesondere Thomas von Aquin, wiederholten im Prinzip, was die frühen Kirchenväter in sexualethischer Hinsicht gelehrt hatten.

Den protestantischen Reformatoren gelang es nicht, sich und ihre Anhänger vollständig von der dualistischen Einstellung zu Sexualität und Ehe zu befreien. Protestantische Geistliche durften zwar heiraten, aber der Geschlechtsverkehr galt, selbst in der Ehe, zumindest teilweise immer noch als „notwendiges Übel“.

Jesus und seine Apostel haben das Zölibat nie gelehrt bzw. dazu aufgerufen oder die Sexualität in der Ehe als minderwertig eingestuft.

Petrus war verheiratet

Wer die heutige Zölibatslehre verteidigen will, wird sich nicht auf den Mann berufen können, den einige irrtümlicherweise für den ersten Bischof von Rom halten: Petrus. Vor seiner Berufung zum Apostel war Petrus Fischer, ein Beruf, der auf dem windgepeitschten Galiläischen Meer harte Anforderungen stellte.

Petrus konnte ein recht ungestümer Mensch sein. Oft war er der erste, der mit Jesus ein Streitgespräch begann, aber auch der erste, der sich zur Verteidigung seines Meisters erbot. Um Jesus zu verteidigen, hieb er einmal sogar einem Diener des Hohenrpriesters ein Ohr ab: „Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab ... Spricht einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?“ (Matthäus 26,51; Johannes 18,26; alle Hervorhebungen durch uns).

Das Erstaunliche an diesem Petrus, der der erste Papst gewesen sein soll, ist, daß er zu Lebzeiten Jesu Christi verheiratet war! Die Bibel berichtet uns, daß Jesus die Schwiegermutter des Petrus heilte: „Und Jesus kam in das Haus des Petrus und sah, daß dessen Schwiegermutter zu Bett lag und hatte das Fieber. Da ergriff er ihre Hand, und das Fieber verließ sie. Und sie stand auf und diente ihm“ (Matthäus 8,14).

Ca. 25 Jahre später war Petrus immer noch verheiratet, denn Paulus erwähnt ihn als einen der verheirateten Apostel: „Haben wir [Paulus und Barnabas] nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas [Petrus]?“ (1. Korinther 9,5).

Ob die anderen Apostel im einzelnen verheiratet oder ledig waren, ist nicht direkt überliefert. Die Feststellung von Paulus – „die andern Apostel“ – deutet aber an, daß die meisten der zwölf Apostel, wenn nicht alle, verheiratet waren! Folglich war die Zölibatslehre keine Sichtweise der Apostel Jesu, die eine Grundlage der neutestamentlichen Kirche darstellen (Epheser 2,20).

Paulus und die Ehe

Wie sieht es aber bei Paulus aus? Seine Frage in 1. Korinther 9, Vers 5 zeigt, daß er nicht verheiratet war. Sein Familienstand war jedoch nicht Ausdruck einer inneren Überzeugung, wonach das Zölibat besser sei, denn Paulus sagte, daß diejenigen, die die Ehe verbieten, unter dem Einfluß böser Geister stehen:

„Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden und verführerischen Geistern und teuflischen Lehren anhängen, verleitet durch Heuchelei der Lügenredner, die ein Brandmal in ihrem Gewissen haben. Sie gebieten, nicht zu heiraten“ (1. Timotheus 4,1-3).

Warum war Paulus nicht verheiratet? Daß Paulus zur Zeit seiner Aposteltätigkeit nicht verheiratet war, schließt nicht aus, daß er in jungen Jahren verheiratet gewesen ist. Es kann sein, daß er Witwer war. In seinen Briefen behandelt er das Thema Ehe mehrmals, und zwar aus einer Perspektive, die den Eindruck der eigenen Erfahrung vermittelt.

Eine Voraussetzung für ein öffentliches Amt war damals – ob im jüdischen Hohen Rat oder als römischer Konsul –, daß der Anwärter verheiratet sein mußte. Möglicherweise war Paulus vor seiner Bekehrung Mitglied des Hohen Rates, denn er sagte, daß er für die Hinrichtung von Heiligen gestimmt hatte (Apostelgeschichte 26,10). In dem Fall wäre Paulus vor seiner Bekehrung verheiratet gewesen.

Nach seiner Bekehrung wäre er dann ledig geblieben, und zwar zum Teil aus denselben triftigen Gründen, die es im Leben Jesu gab. Von seinem schwierigen, dornenreichen Lebensweg berichtete Paulus in 2. Korinther 11 und 12.

Die Sexuallehren des Paulus sind sehr klar, wie beispielsweise die beiden nachfolgenden Feststellungen:

„Um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann ... Entziehe sich nicht eins dem andern [in sexueller Hinsicht], es sei denn eine Zeitlang, wenn beide es wollen, damit ihr zum Beten Ruhe habt; und dann kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht versucht, weil ihr euch nicht enthalten könnt“ (1. Korinther 7,2. 5). „Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau“ (1. Timotheus 3,2).

In den Paulusbriefen finden wir ausführliche Abschnitte, in denen Paulus die familiäre Beziehung, eheliche Ratschläge und die Pflichten der einzelnen Familienmitglieder behandelt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Epheserbrief, Kapitel 5, Vers 22 bis Kapitel 6, Vers 4.

Auf der anderen Seite finden wir ein paar Aussagen von Paulus, die einige im Sinne des Zölibats auslegen. In 1.  Korinther 7, Vers 1 lesen wir: „Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.“ In Vers 7 fügt er hinzu: „Ich wollte zwar lieber, alle Menschen wären, wie ich bin.“

Warum riet Paulus in 1. Korinther 7 von Eheschließungen ab? Zunächst gilt es zu bedenken, in was für einer sittenlosen und moralisch enthemmten Stadt die Gemeindemitglieder zu Korinth lebten. Der Stadtname „Korinth“ hatte in der Antike in etwa die gleiche Bedeutung wie „Prostitution“. Korinth war bekanntlich eine Hafenstadt, in der Laster und Bisexualität blühten wie sonst in Griechenland.

Viele der Gläubigen in Korinth hatten vor ihrer Berufung u. a. schwerwiegende Sexsünden begangen: „Täuscht euch nicht: Menschen, die Unzucht treiben oder Götzen anbeten, die die Ehe brechen oder als Männer mit Knaben oder ihresgleichen verkehren, Diebe, Wucherer, Trinker, Verleumder und Räuber werden nicht in Gottes neue Welt kommen. Manche von euch gehörten früher dazu“ (1. Korinther 6,9-11). In der Gemeinde zu Korinth hatte ein Mann sogar Ehebruch mit seiner eigenen Stiefmutter begangen und mußte vorübergehend aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden (1. Korinther 5).

Der Hauptgrund aber, warum Paulus von Eheschließungen in Korinth abriet, war ein anderer: „So meine ich nun, es sei gut um der kommenden Not willen, es sei gut für den Menschen, ledig zu sein“ (1. Korinther 7,26). Paulus stellte jedoch klar, daß dies seine Meinung und kein Gebot des Herrn war: „Über die Jungfrauen habe ich kein Gebot des Herrn; ich sage aber meine Meinung als einer, der durch die Barmherzigkeit des Herrn Vertrauen verdient“ (Vers 25).

Paulus schrieb seinen ersten Brief an die Gemeinde zu Korinth ca. 25 Jahre nach der Gründung der neutestamentlichen Gemeinde. In diesen ersten Jahren ihres Bestehens – und danach – war die christliche Urgemeinde ständig Verfolgungen, aber auch Hungersnöten und Kriegen ausgesetzt. Paulus meinte, daß aufgrund praktischer Überlegungen (einer Krisensituation) vorübergehend auf die Ehe verzichtet werden sollte.

In besseren Tagen hätte Paulus sicherlich das Gegenteil empfohlen; er hätte verantwortungsbewußten Junggesellen geraten, eine Frau zu nehmen, zumal für ihn ein erzwungenes Zölibat eine „Lehre böser Geister“ war (1. Timotheus 4,1-3). Selbst in der Krisensituation, in der Paulus sich sah, verbot er die Ehe nicht: „Wenn du aber doch heiratest, sündigst du nicht, und wenn eine Jungfrau heiratet, sündigt sie nicht ... wer seine Jungfrau heiratet, der handelt gut“ (1. Korinther 7,28. 38).

Deshalb kann die Empfehlung von Paulus, nicht zu heiraten, kaum als Plädoyer für das christliche Zölibat verstanden werden.

Sollen alle heiraten?

Sexualität in der Ehe ist keine Sünde (Hebräer 13,4). Heiraten ist keine Sünde (1. Korinther 7,28), noch ist es das Ledigsein (1. Korinther 7,8).

Allerdings kann es manchmal körperliche, psychische, umständebedingte oder auch weltanschauliche Gründe geben, die es ratsam erscheinen lassen, eine Heirat aufzuschieben oder überhaupt keine Ehe einzugehen. Niemand heiratet mit dem Gedanken, daß er sich später scheiden lassen wird. Einige sind dennoch der Meinung, daß bei einer Scheidung die heutige Gesetzgebung und gängige Rechtspraxis, die dazu führen können, daß ein geschiedener Vater isoliert wird, Anlaß geben, lieber ledig zu bleiben.

Manche Menschen haben das Bedürfnis und die Fähigkeit, der Ehe zu entsagen. Das Zölibat als christliches Ideal vor Ehe und Familie läßt sich mit keiner Zeile der Bibel begründen, sondern ist auf eine falsche Haltung zur Sexualität zurückzuführen. Grundsätzlich meinte Paulus: „Es ist besser, zu heiraten als sich in Begierde zu verzehren“ (1. Korinther 7,9). „Wer eine Ehefrau gefunden hat, der hat etwas Gutes gefunden“, war das Urteil von Israels König Salomo (Sprüche 18,22).

Ist die Mutter Jesu eine Jungfrau geblieben?

Die römisch-katholische Kirche lehrt, daß Jesu Mutter Maria auch nach seiner Geburt Jungfrau geblieben sei und keine weiteren Kinder zur Welt gebracht habe. Um diese Lehre der bleibenden Jungfräulichkeit von Maria aufrechtzuerhalten, vertreten Katholiken die Meinung, der Apostel Jakobus sei nur der Cousin Jesu gewesen.

Der biblische Bericht hingegen identifiziert Jakobus als Halbbruder Jesu, nicht als Cousin. Maria war seine Mutter und Josef sein Vater. Die Bibel nennt Jesus nicht den einzigen Sohn der Maria, sondern ihren ersten Sohn: „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ (Lukas 2,7).

Daß Josef seine Verlobte Maria vor der Geburt Jesu nicht „berührte“, läßt den Schluß zu, daß er sie nach der Geburt „berührte“, womit normaler Geschlechtsverkehr unter Eheleuten gemeint ist (vgl. Matthäus 1,24-25).

In den Evangelien werden die anderen Kinder von Josef und Maria mehr als einmal erwähnt. In Markus 6, Vers 3 lesen wir: „Ist er [Jesus] nicht der Zimmermann, Marias Sohn, und der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns? Und sie ärgerten sich an ihm.“

Der Apostel Paulus nennt Jakobus „des Herrn Bruder“ (Galater 1,19). Das in diesem Fall benutzte Wort im Urtext ist adelphos. Es bedeutet Bruder und nicht Cousin. In Kolosser 4, Vers 10 benutzt Paulus ein anderes griechisches Wort, anepsios, mit der Bedeutung Cousin: „Es grüßt euch Aristarch, mein Mitgefangener, und Markus, der Vetter des Barnabas“ (Hervorhebung durch uns). Die Meinung, Jakobus sei Jesu Cousin gewesen, entbehrt jeglicher biblischen Grundlage.

Die griechisch-orthodoxe Kirche vertritt eine weitere Sichtweise, wonach Maria Jungfrau geblieben und Jakobus der Sohn Josefs aus einer früheren Ehe gewesen sei. Danach wäre er Jesu Stiefbruder und ohne direktes Verwandtschaftsverhältnis gewesen.

Als Josef mit seiner Familie nach Ägypten geflohen ist, um dem bevorstehenden Massaker an männlichen jüdischen Kleinkindern in Bethlehem zu entkommen, lautete die diesbezügliche Aufforderung eines Engels wie folgt: „Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen“ (Matthäus 2,13). Zur Zeit dieser Aufforderung gab es keine weiteren Angehörigen der Familie Josefs, sondern nur seine Frau Maria und ihren Sohn Jesus, das erste von mehreren Kindern in dieser Ehe. Es gab keine Kinder aus einer früheren Ehe Josefs.

Auch eine prophetische Aussage des Alten Testamentes bestätigt unseren Standpunkt. Israels König David war der Autor von Psalm 69, den Bibelkommentatoren und Theologen richtigerweise als eine Vorausschau auf das Leiden des Messias deuten. Zu dem Leiden von Jesus gehörte auch die vorübergehende Entfremdung von seiner eigenen Familie: „Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter“ (Vers 9).

Jakobus war genau das, was die Bibel ihn nennt: Jesu leiblicher Bruder.