Durch Jesu Tod sind wir mit Gott versöhnt. Durch Jesu Leben sind wir eine neue Kreatur in geistlicher Gestalt. Was soll dann unsere Haltung zum Gesetz Gottes sein?
Von Roger Foster
Der Zweck des Paulusbriefs an die Galater war es zu verdeutlichen, dass es den Heiden im Hinblick auf das Heil überhaupt nichts einbrachte, durch die Beschneidung zu „adoptierten“ Nachkommen Judas zu werden. (Juda war der Urenkel Abrahams, von dem der Begriff „Jude“ abgeleitet wird.) Sogar beschnittene Juden mussten durch das Blut Christi gerechtfertigt werden und danach ihr Leben nach der Führung des heiligen Geistes ausrichten.
Nichtsdestoweniger waren manche Heidenchristen in Galatien von Argumenten für die Beschneidung beeindruckt (oder eingeschüchtert). In der Beschneidung sahen sie einen vernünftigen Weg, ihre unklare soziale Identität, nach der sie weder Götzenanbeter noch Juden waren, zu ändern.
Gott inspirierte Paulus dazu, das Ganze anders zu sehen. Die falschen Argumente, mit denen man die galatischen Heiden verführen wollte, hätten ihre gesamte Sicht darüber verändert, was das Sündopfer Christi für sie wirklich bedeutete. Sie hätten nicht verstanden, dass wir die Rechtfertigung durch Gottes Gnade, verknüpft mit Gehorsam, erlangen. Gnade beruht auf unserem Glauben an Jesu vergossenes Blut, und Gehorsam wird durch den uns innewohnenden heiligen Geist möglich.
Paulus erkannte, dass diese falschen Argumente stillschweigend die Beschneidung und einen eifrigen Gehorsam gegenüber dem Gesetz als den Weg zur Erlangung des ewigen Lebens beinhalteten. Dies drohte ihren Glauben an Christus als ihren Heiland und Erlöser zu unterminieren.
Damit wäre auch die Tatsache verschleiert worden, dass sie durch die Rechtfertigung durch den Glauben bereits eine bessere Identität als Kinder Gottes und Erben der Verheißungen, die direkt an Abraham ergangen waren, erlangt hatten. Das war weitaus mehr, als sie jemals durch eine physische Beschneidung hätten erlangen können.
Ihm ging es darum, dass sie nicht als Juden adoptiert zu werden brauchten, um „Kinder Gottes“ zu werden (Galater 3,26) und das ewige Leben zu erlangen.
Die Rechtfertigung kommt nicht „durch das Gesetz“
Paulus reagierte darauf: „Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben“ (Galater 2,21). Den Gehorsam gegenüber dem Gesetz durch physische Maßnahmen (einschließlich der Beschneidung) als einen Weg zur Rechtfertigung anzusehen, würde unterstellen, dass der Glaube an Christus als unseren Heiland und Erlöser unnötig oder unzureichend wäre.
Im Endeffekt hätte dies die Rechtfertigung vom Bereich der Barmherzigkeit und der Ermächtigung durch den Glauben in den Bereich der rechtlichen Verbindlichkeit verschoben. Daraus wäre etwas geworden, was durch eifriges, natürliches Bemühen hinsichtlich des Gehorsams als Verdienst erworben werden könnte. Das hätte die Tatsache verschleiert, dass der Heiligen Schrift gemäß die gesamte Menschheit eingeschlossen ist „unter die Sünde, damit die Verheißung durch den Glauben an Jesus Christus gegeben würde denen, die glauben“ (Galater 3,22).
Nachdem man einmal gesündigt hat, kann das eifrigste Bemühen um das Halten des Gesetzes, das man jemals aufbringen könnte, niemals die Vergebung verdienen. Dabei spielt es keine Rolle, welches Gesetz gemeint ist.
Das Wunder einer „neuen Kreatur“
Wie Paulus müssen auch wir betonen, dass es beim Neuen Bund um die Beschneidung des Herzens geht. Es geht darum, eine „neue Kreatur“ in Christus zu werden. Das ist ein Wunder, das zum Inhalt hat, dass Gott sein Gesetz in unser Herz und unseren Verstand schreibt. Das geschieht nicht durch eine physische Beschneidung, sondern durch die Gabe des heiligen Geistes.
Wie wird der heilige Geist also empfangen? Das wurde deutlich gemacht, als die Kirche ins Leben gerufen wurde. Es war an dem Tag, als der heilige Geist zum ersten Mal den Jüngern gegeben wurde. „Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen“ (Apostelgeschichte 2,38; Einheitsübersetzung).
Keine Werke irgendwelcher Art können uns die Vergebung der Sünden oder die Gabe des heiligen Geistes als Verdienst erwirken! Obwohl Reue und Glauben die Bedingung dafür sind, handelt es sich doch bei beiden nichtsdestoweniger um Gnadengeschenke, die uns aufgrund des Opfers Jesu zuteil werden.
Paulus stößt daher direkt zum Kern der Sache vor: „O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte? Das allein will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben? Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleisch [d. h. die Beschneidung] vollenden?“ (Galater 3,1-2).
Die Notwendigkeit der physischen Beschneidung und dazu auch noch andere zeremonielle Handlungen des Gesetzes anzuerkennen hätte eine stillschweigende Leugnung der Hinlänglichkeit der Rechtfertigung durch Christus bedeutet. Damit hätte man physische „Werke des Gesetzes“ an die Stelle seines Opfers gesetzt.
Es geht hier nicht um das Gesetz
Es ging hier nicht darum, ob das Gesetz Gottes gut oder schlecht ist. Es ging um die Frage, ob man sich durch ein Halten dieses Gesetzes die Sündenvergebung und das ewige Leben verdienen kann und ob menschliches Bemühen jemals Gottes Anforderungen für wahren Gehorsam gerecht werden kann. Paulus betonte hier, dass man sich durch die „Werke des Gesetzes“ nichts in Bezug auf die Rechtfertigung verdienen kann. Schon allein die Vorstellung, dass man sich die persönliche Vergebung und das Heil verdienen könnte, ist absurd.
Das Gesetz definiert die Sünde und legt eine Strafe für sie fest. Daran hat sich nie etwas geändert. Das Gesetz vergibt jedoch keine Sünden und vermag dies auch nicht. Es eröffnet keinen Weg, wie man sich die Unschuld zurückgewinnen könnte, nachdem man einmal gesündigt hat.
Paulus erklärt hier also, dass es, wenn erst einmal Übertretungen stattgefunden haben, zwecklos ist, Vergebung und Rechtfertigung durch „Werke des Gesetzes“ anzustreben. „Denn die aus den Werken des Gesetzes leben, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben: Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er’s tue“ (Galater 3,10).
Beachten Sie hier, dass der Fluch – die Todesstrafe – über all diejenigen verhängt wird, die darin versagen, alles im Gesetz zu halten. Das Gesetz selbst ist nicht der Fluch. Das Gesetz fordert den Fluch des Todes für alle, die ungehorsam sind, nicht aber für den, der immer gehorsam war, wie es Jesus Christus war! Der Fluch (Tod) fällt nicht auf jemanden, der das Gesetz hält, sondern auf diejenigen, die es brechen (lesen Sie dazu auch „Der ,Fluch des Gesetzes‘ “ zum Schluss dieses Artikels).
Die geistliche Schuld und die daraus resultierende Todesstrafe für die gesamte Menschheit wurde auf unseren Erlöser Jesus Christus übertragen. Das Sündopfer Christi ermöglicht uns die Vergebung unserer Sünden und die Rechtfertigung. Die Vergebung erwächst nicht aus irgendwelchen Werken, die wir vollbringen, sondern daraus, dass er, der allein nie gesündigt hat, diesen „Fluch“ des Todes auf sich nahm, den wir durch unsere Sünden verdient hatten. Wenn wir aber nicht bereuen – das bedeutet, dass wir zu sündigen aufhören (Johannes 8,11) –, werden wir umkommen (Lukas 13,3. 5).
Wir sind mit Jesus Christus gekreuzigt
Wenn wir in dem Glauben bereuen, dass Jesus an unserer statt gestorben ist, so erklärt Paulus, dann gelten wir als „mit ihm gekreuzigt“. „Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galater 2,19-20).
Die Tatsache, dass Jesus Christus die vom Gesetz geforderte Todesstrafe für Übertretungen erleiden musste, zeigt, dass Gott das Gesetz immer noch als bindend ansieht. Die Bedingungen des Gesetzes mussten also eingehalten werden. Jesus erfüllte die Strafanforderungen des Gesetzes an unserer statt, damit wir Zugang zu Gottes Gnade erhalten konnten. Paulus fährt daher fort: „Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben“ (Galater 2,21).
Die Schlussfolgerung von Paulus basiert auf diesen grundlegenden Wahrheiten: Wenn man die Todesstrafe erst einmal auf sich gezogen hat, kann das Gesetz diejenigen, die sich dieser Strafe schuldig gemacht haben, nicht davon befreien. Jesus Christus hat deshalb bei seiner Kreuzigung die Todesstrafe für unsere Übertretungen auf sich genommen.
Sobald wir durch Reue unsere Sünden zugeben, an Christi Tod als rechtmäßige Abgeltung für die Todesstrafe, die wir verdienen, glauben und uns verpflichten, ihm von nun an mit seiner Hilfe zu gehorchen, sieht uns Gott als „dem Gesetz gestorben“ und mit ihm versöhnt an.
Wenn wir dem Gesetz gegenüber als tot erachtet werden sollen, muss dieses Gesetz immer noch in Kraft sein. Die Rechtfertigung wäre gegenstandslos, wenn es kein Gesetz gäbe, das übertreten werden könnte. Nur indem uns unsere Todesstrafe vergeben wird, können wir „Kinder Gottes“ werden und mit Christus „Miterben“ der ewigen Verheißungen sein, die an Abraham ergangen sind (Römer 8,16-17).
Die Beschneidung war lediglich das physische Zeichen, das die Nachkommen Abrahams nach dem Fleisch identifiziert hat. Obwohl sie von symbolischem Wert für das Volk Israel war, trägt sie nichts zur Rechtfertigung bei und hat keinen Nutzen, was die Tilgung von Schuld anbelangt.
Mit der Beschneidung wollten manche Heidenhristen ihr Beziehungsproblem zur jüdischen Gemeinschaft lösen. Hauptsächlich ging es darum, keine Verfolgung „um des Kreuzes Christi willen“ erleiden zu müssen. Mit der Beschneidung waren sie jedoch im Begriff, ihre Beziehung zu Gott zu gefährden (Galater 6,12).
Sie wurden so hinsichtlich der Frage, was wirklich wichtig ist, um als Gottes heiliges Volk akzeptiert zu werden, in die Irre geführt. Diese Akzeptanz kann man sich nicht durch irgendwelche „Werke des Gesetzes“ verdienen – und sicherlich auch nicht durch die Beschneidung.
Der soziale Kontext von Galater 3
Einige der Gedankengänge von Paulus im Galaterbrief beruhen auf römischer Kultur. Ein minderjähriger Sohn eines römischen Gutsbesitzers wurde nicht als dessen Erbe anerkannt, solange der Besitzer sein Verwandtschaftsverhältnis zu dem Kind nicht später durch eine offizielle Erklärung bestätigt.
Der „Fluch des Gesetzes“
Galater 3, Verse 10-13 ist einer der am häufigsten missbrauchten Abschnitte der Bibel. Sowohl in ihren Schriften als auch in ihren Predigten berufen sich Gelehrte und Geistliche auf diesen Abschnitt, um die irrige Annahme zu stützen, Paulus hätte Gottes Gesetz als Fluch gesehen. Wie konnte er es aber als einen Fluch sehen, wenn er in Römer 7, Vers 12 geschrieben hat, dass Gottes Gesetz heilig ist?
Paulus spricht in der Tat vom „Fluch des Gesetzes“ (Galater 3,13), meint damit aber einen Fluch, der durch das Gesetz verordnet wird. Er bezeichnet aber nicht das Gesetz selbst als einen Fluch.
Was Paulus wirklich sagt, ist Folgendes: „Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns; denn es steht geschrieben: Verflucht ist jeder, der am Holz hängt (Galater 3,13).
Einige Verse zuvor schreibt er: „Denn die aus den Werken des Gesetzes leben, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben: Verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er’s tue“ (Galater 3,10).
Erstens gilt es zu beachten, dass der Fluch denjenigen trifft, der „nicht bleibt bei alledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er’s tue“. Für diejenigen, die „alledem“, was das Gesetz verlangt, gehorchen, wird kein Fluch ausgesprochen.
Natürlich hat nur Jesus Christus allem im Gesetz gehorcht, ohne irgendetwas davon zu übertreten. Alle anderen Menschen haben gesündigt.
Was ist dann der „Fluch des Gesetzes“? Und auf welche Weise ist Christus für uns zum Fluch geworden?
Das kann leicht aus dem Gesetz selbst heraus erklärt werden. Galater 3, Vers 10 gibt lediglich eine Umschreibung einer alttestamentlichen Bibelpassage wieder: „Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, dass er danach tue“ (5. Mose 27,26). Der Fluch ist nicht das Gesetz. Es ist ganz klar die Strafe, die für ein Nichthalten des Gesetzes auferlegt wird.
Galater 3, Vers 13 stellt auch ein zusammengefasstes Zitat einer alttestamentlichen Bibelpassage dar, die genau erklärt, wer verflucht ist und warum: „Wenn jemand eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist, und wird getötet und man hängt ihn an ein Holz, so soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben, sondern du sollst ihn am selben Tage begraben – denn ein Aufgehängter ist verflucht bei Gott –, auf dass du dein Land nicht unrein machst, das dir der Herr, dein Gott, zum Erbe gibt“ (5. Mose 21,22-23).
Diejenigen, die eines Vergehens, das „des Todes würdig war“, begangen hatten – die die Todesstrafe verdienten –, wurden nach ihrer Hinrichtung als abschreckendes Beispiel an einen Baum gehängt. Sie wurden vor allen als verurteilte Sünder, die wegen ihrer Sünden verflucht waren, zur Schau gestellt.
Alle Menschen haben durch Sünde Schuld auf sich geladen. Deshalb verdienen wir alle die Verurteilung und Zurschaustellung als überführte und „verfluchte“ Sünder.
Jesus Christus, der gekreuzigt und somit als verurteilter Verbrecher an ein Holz gehängt worden war, hat „unsre Sünde selbst hinaufgetragen . . . an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben“ (1. Petrus 2,24). Das meinte Paulus, als er in Galater 3, Vers 13 schrieb: „Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns.“