Seit der Zeit des irdischen Wirkens Jesu Christi lässt sich das wahre Christentum der Bibel mit bestimmten Aspekten der jüdischen Tradition nicht harmonisieren.

Von Larry Walker

Vor einigen Jahren nahm ich an einem Kurs über die „Hebräischen Wurzeln des Christentums“ eines messianischen Rabbiners teil. Ich besuchte auch mehrere Seminare, die von messianisch-jüdischen Dozenten angeboten wurden. Ich machte die Bekanntschaft von verschiedenen örtlichen Führern der messianischen Bewegung in der Hoffnung, dass wir in Bereichen von gemeinsamem Interesse voneinander lernen könnten. Leider musste ich feststellen, dass das, was gemeinsame Interessen zu sein schienen, ganz anders als unsere Sicht des Glaubens und unsere Bräuche waren. Die messianischen Anhänger, mit denen ich zu tun hatte, waren nicht offen dafür, von unseren Glaubensauffassungen zu lernen.

Die messianische Bewegung setzt sich, wie das traditionelle Christentum und das rabbinische Judentum, auch aus zahlreichen Einzelpersonen und Organisationen zusammen, die in ihren Glaubenslehren und Bräuchen zu einem gewissen Grad unterschiedlich sind. Das messianische Judentum wurde verschiedentlich so definiert:

„Juden, die Jesus Christus als den Messias annehmen, sind Mitglieder der Bewegung des messianischen Judentums. Sie streben danach, ihr jüdisches Erbe zu erhalten und der jüdischen Lebensweise zu folgen, während sie gleichzeitig die christliche Theologie annehmen“ (Jack Zavada, „What is Messianic Judaism?“, www.about.com).

Wikipedia definiert das messianische Judentum als „eine synkretische religiöse Bewegung, die in den 1960er und 1970er Jahren entstand. Sie vermischt evangelische christliche Theologie mit Elementen von religiösen jüdischen Praktiken und Terminologie.“

Man könnte sagen, dass das rabbinische Judentum das Alte Testament, rabbinische Lehren und die jüdische Tradition umfasst. Das messianische Judentum ist also das rabbinische Judentum plus der Glaube an Jesus als Messias. Der bekannte messianische Autor David Stern sagt in der Einleitung zu seinem Jewish New Testament Commentary: „Das messianische Judentum definiert sich selbst als 100 Prozent jüdisch und 100 Prozent messianisch.“

Eine andere Webseite berichtet: „Messianische Juden und Christen haben die gleichen Kernglaubenssätze. Das messianische Judentum hat den gleichen Glauben, er wird aber innerhalb der jüdischen Überlieferung zum Ausdruck gebracht“ („Messianic Judaism: Questions and Answers“, Webseite der „Congregation Shema Yisrael“). Diese Behauptung ist problematisch, weil sich das biblische Christentum seit der Zeit des irdischen Wirkens Jesu Christi mit bestimmten Aspekten der jüdischen Tradition nicht harmonisieren lässt (Matthäus 15,1-9; Markus 7,1-13).

In diesem Artikel möchte ich, auf meinen begrenzten persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen basierend, einige Problembereiche behandeln.

Jüdische Sitten für eine nichtjüdische Kultur

Manche jüdischen Bräuche sind bunt und bedeutungsvoll. Wie der Apostel Paulus aber gegenüber seinem Kollegen Petrus betonte, ist es nicht notwendig, jüdische Praktiken zu übernehmen, um ein Christ zu sein: „Als aber Kephas nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage gegen ihn. Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete. Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden, sodass selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln. Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Kephas öffentlich vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben?“ (Galater 2,11-14; alle Hervorhebungen durch uns).

Petrus handelte in diesem Fall nach der jüdischen Sichtweise seiner Zeit, die auf den Einfluss der Pharisäer zurückzuführen war, wonach Juden keine Tischgemeinschaft mit Nichtjuden pflegen sollten (vgl. dazu Apostelgeschichte 11,1-3). Eine biblische Anordnung dieser Art gibt es jedoch nicht, sondern es handelte sich um die jüdische Tradition zur Zeit der ersten Christengeneration.

Ein nichtbiblischer Brauch der Juden heute ist die kippah bzw. yarmulka, die Kopfbedeckung. „Das Tragen einer Kopfbedeckung (yarmulka, Käppchen, kippa bzw. Mehrzahl kippot) für Männer wurde erst in der talmudischen Zeit eingeführt (etwa um das 2. Jahrhundert n. Chr.). Es wird zum ersten Mal im Tractate Schabbat erwähnt, wo Respekt für Gott und Gottesfurcht behandelt werden. Manche Quellen verglichen es mit dem Hohepriester, der einen Hut (Mitznefet) trug, der ihn daran erinnern sollte, dass immer etwas zwischen Gott und ihm stand.

Eine Kippa zu tragen lässt uns wie der Hohepriester werden und verwandelt uns in eine ,heilige Nation‘. Die Kopfbedeckung ist auch ein Zeichen der Demut für Männer, ein Anerkennen dessen, was ,über‘ uns steht – Gott“ (Jewish Virtual Library, Stichwort „Kippa“).

Die angebliche Bedeutung des Tragens eines Hutes ist, dass es uns „daran erinnern sollte, dass immer etwas zwischen Gott und [uns] stand“. Warum sollten wir aber an etwas erinnert werden, was heute gar nicht mehr der Fall ist? Im Hebräerbrief lesen wir: „Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, und haben einen Hohepriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben“ (Hebräer 10,19-22).

Interessanterweise warnt Jesus uns vor menschlichen Traditionen, deren Befolgung eine Barriere zwischen uns und Gott schafft. Er sagt uns, dass solche Traditionen auf eine vergebliche Anbetung Gottes hinauslaufen können (Matthäus 15,9; Markus 7,7).

Ein anderer Brauch mancher messianischen Juden ist das Tragen eines tallit (Gebetsschal) mit tzitzits (Quasten). Diesen Brauch führt man auf 4. Mose 15, Verse 38-40 zurück: „Rede mit den Israeliten und sprich zu ihnen, dass sie und ihre Nachkommen sich Quasten machen an den Zipfeln ihrer Kleider und blaue Schnüre an die Quasten der Zipfel tun.

Und dazu sollen die Quasten euch dienen: sooft ihr sie anseht, sollt ihr an alle Gebote des Herrn denken und sie tun, damit ihr euch nicht von eurem Herzen noch von euren Augen verführen lasst und abgöttisch werdet, sondern ihr sollt an alle meine Gebote denken und sie tun, dass ihr heilig seid eurem Gott.“

Die Quasten sollten die Israeliten daran erinnern, was Gott ihnen gesagt hatte – an seine Gebote. Derjenige, der Mose diese Worte sagte, war das Wort, der später in Menschengestalt als Jesus auf die Erde gekommen ist (Johannes 1,1-3. 14). Gegenüber seinen Jüngern betonte Jesus, dass es der heilige Geist ist – nicht Quasten –, der sie an seine Worte erinnern sollte:

„Der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Johannes 14,26).

Durch den heiligen Geist wird das Verständnis von Gottes Gesetzen fest in unserem Denken verankert, ebenso die Motivation in unserem Herzen, diesen Gesetzen zu gehorchen (Hebräer 8,10; 10,16). Das ist ein wesentliches Merkmal des Neuen Bundes: Gottes Gesetz soll nicht etwas Äußerliches sein, auf Steintafeln geschrieben, woran uns äußerliche Kleidungsmerkmale erinnern, sondern es soll verinnerlicht werden. Für Christen des Neuen Bundes, denen der heilige Geist als Erinnerungshilfe zur Verfügung steht, sind Quasten anachronistisch.

Es gibt messianische Juden, die es nicht gern sehen, wenn Nichtjuden jüdische Bräuche übernehmen. Vor einigen Jahren haben ein weiteres Mitglied der United Church of God und ich mehrere anregende theologische Diskussionen mit einem jüdischen Rabbiner geführt. Er fand unseren Dialog so erfreulich, dass er eine öffentliche Diskussion anregte, zu der wir unsere Gemeinden und die Öffentlichkeit einladen sollten.

Wir hatten auch einen Nichtjuden bei der Diskussionsrunde dabei, der Teil der messianischen Bewegung war. An einem Punkt der Diskussion wandte sich der Rabbiner ihm zu und sagte: „Ich weiß, was Larry ist, du aber – du kleidest dich wie ein Jude, du redest wie ein Jude, aber du bist kein Jude!“ Als ich mir die Anwesenden ansah, von denen die meisten Teil der jüdischen Gemeinde waren, stellte ich ihre Zustimmung zum Gesagten fest. Derjenige, der als Nichtjude jüdische Bräuche angenommen hatte, wurde mit Skepsis betrachtet, während ich als Christ mit biblischer Orientierung akzeptiert wurde.

Mangelnde Unterscheidung zwischen Tradition und Bibel

Bei einem der Kurse, an denen ich teilnahm, erklärte und führte der Dozent den Teilnehmern die jüdische Zeremonie des Kerzenzündens vor, die zu Beginn des Sabbats durchgeführt wird. Die Zeremonie beginnt mit einem Gebet: „Gelobt seist du, Herr unser Gott, König der Welt, der du uns durch deine Gebote geheiligt hast und uns geboten hast, das Licht des Sabbats zu zünden.“

An diesem Punkt hob ich meine Hand und fragte: „Wo wird dieser Brauch des Kerzenzündens geboten?“ Der Dozent erwiderte: „Ich glaube, wir finden es in 3. Mose.“ „Nein, dort ist es nicht“, sagte ich, worauf er erwiderte: „Vielleicht ist es Tradition.“ Ich sagte darauf: „Nun, ich glaube, dass es ziemlich wichtig ist, diese Unterscheidung zu treffen!“

Schlomo Rashi, ein Rabbiner im Mittelalter (Talmud, Shabbat 31b), lehrte, dass „Frauen verpflichtet sind, die Schabbatkerzen anzuzünden, weil Frauen dafür verantwortlich waren, das Licht der Welt zu verdunkeln [Eva wurde von der Schlange versucht bzw. verführt], und jetzt das Licht in die Welt zurückbringen müssen.“

Deckt sich diese Schlussfolgerung des Rabbiners mit den Aussagen der Heiligen Schrift? Laut Bibel ist Jesus Christus derjenige, der Satan überwunden hat und Licht in diese Welt bringt (Johannes 1,9; 8,12; 12,46). Alle Christen sollen Gefäße für Gottes Licht sein (Matthäus 5,14; Philipper 2,14-15).

Nicht alle Traditionen sind schlecht oder stehen im Widerspruch zur Bibel. Eine Kerze am Sabbat anzuzünden ist an sich nichts Schlechtes, solange wir es nicht zu einem für alle verbindlichen Gebot erheben oder meinen, wir sind bessere Christen, wenn wir diesen Brauch praktizieren. Es ist immer wichtig, zwischen menschlicher Tradition und biblischen Geboten zu unterscheiden. Wir dürfen niemals menschliche Bräuche und Traditionen mit Gottes Geboten verwechseln.

Ein weiteres Beispiel ist der jüdische Brauch des Seders, den manche dem Passah des Alten Testaments gleichsetzen. Der Seder unterscheidet sich aber stark von dem ursprünglichen Passah, das Gott geboten hat. Der Hauptteil des Passahs bestand aus dem Opfern und Essen eines Lammes.

Beim Seder-Mahl liegt ein Seroa – eine angebratene Lammkeule mit wenig Fleisch – auf dem Teller. Doch der Seroa bleibt während des Seders auf dem Teller liegen, so sagt es zumindest die Tradition der Aschkenasim. Zu der Zeremonie gehört auch ein Ei, was nicht in den Anweisungen für das Passah vorkommt, die Gott den Israeliten gab.

Die einzigen Speisen beim Seder-Mahl, die Teil des ursprünglichen Passahmahls waren, sind das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter. Alles andere wurde als Tradition hinzugefügt, einschließlich zahlreicher weiterer Details im Zusammenhang mit dem Mahl. Dazu gehören Lesungen aus dem Alten Testament, aber auch aus rabbinischen Schriften. Christen sollten also verstehen, dass der Seder auf jeden Fall nicht das Gleiche ist wie das alttestamentliche Passah.

Gebete auf Hebräisch

Ein weiterer Aspekt der jüdischen Kultur in der messianischen Bewegung sind Gebete, die in Hebräisch gesprochen werden. Vor einigen Jahren besuchte ich einen Vortrag, der von einer Person mit messianischer Autorität gehalten wurde. Vor dem Essen, das auf seinen Vortrag folgte, wurde ein Gebet auf Hebräisch gesprochen.

Ist es verkehrt, in der hebräischen Sprache zu beten? Keineswegs, wenn das die Sprache ist, die man selbst spricht (entweder als Muttersprache oder erlernte Sprache). Es ist aber problematisch, wenn man irrtümlicherweise meint, dass Gebete auf Hebräisch „bessere“ Gebete sind als genauso ernsthaft gemeinte Gebete, die in anderen Sprachen gesprochen werden.

Darüber hinaus gilt es, Jesu Ermahnung in Bezug auf das Beten zu beherzigen, nicht viel zu „plappern“ wie die Heiden (Matthäus 6,7). Es gibt Christen, die des Hebräischen nicht mächtig sind, die aber ein bestimmtes Gebet auf Hebräisch auswendig gelernt haben. Sie verstehen eigentlich die Bedeutung der einzelnen hebräischen Wörter nicht, doch mit Eifer und guten Absichten sprechen sie die auswendig gelernten Laute aus.

Als Beispiel sei das Vaterunser genannt, das einige Christen auf Hebräisch sprechen (oder singen). Der uns überlieferte Text des Vaterunsers ist aber griechisch, nicht hebräisch. Das Vaterunser auf Hebräisch ist also eine Übersetzung des uns überlieferten Textes, genauso wie das Vaterunser auf Deutsch oder Englisch. Ist das Vaterunser auf Hebräisch ein „besseres“ Vaterunser als auf Deutsch? Keineswegs.

Der Apostel Paulus gibt uns wichtige Prinzipien in Bezug auf die Verwendung von Sprachen, die nicht von allen Anwesenden gesprochen bzw. verstanden werden. „Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich den nicht verstehen, der redet, und der redet, wird mich nicht verstehen . . . Wie soll der, der als Unkundiger dabeisteht, das Amen sagen auf dein Dankgebet, da er doch nicht weiß, was du sagst? Dein Dankgebet mag schön sein; aber der andere wird dadurch nicht erbaut“ (1. Korinther 14,11. 17).

So war es in meinem Fall, als ein Dankgebet auf Hebräisch gesprochen wurde, das viele Anwesende nicht verstanden haben. Deshalb sagt Paulus: „Ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in Zungen [in einer Sprache, die die Anwesenden nicht verstehen]“ (Vers 19).

Der Grund für diese Betonung der hebräischen Sprache ist die unbewiesene und unbeweisbare Behauptung, Hebräisch sei die „reine Sprache“. Sprache ist einfach ein Kommunikationsmittel. Seit dem Turmbau zu Babel sind alle Sprachen verwirrt und enthalten heidnische Begriffe und Ungereimtheiten. Der Prophet Zefanja sagte: „Ich will den Völkern reine Lippen geben, dass sie alle des Herrn Namen anrufen sollen und ihm einträchtig dienen“ (Zefanja 3,9).

Der Begriff „reine Lippen“ hier bezieht sich auf eine Sprache, die zeremoniell rein ist. Das bedeutet nicht unbedingt, dass jeder die gleiche Sprache sprechen wird.

Ist Hebräisch wirklich die „reine“ Sprache? Zu Zefanjas Prophezeiung merkt der Expositor’s Bible Commentary Folgendes an: „Vor der Zerstreuung der Menschen beim Turmbau zu Babel war die Welt durch eine Sprache vereint; aber es war eine Welt von rebellischen Menschen. Im Kontrast dazu wird die neue, gereinigte Sprache empfängliche Menschen kennzeichnen. Die Lippen oder die Sprache, die durch ihren Gebrauch beim Götzendienst unrein geworden ist, wird gereinigt werden, so dass alle in Einheit den Namen des Herrn anrufen mögen.“

Die hebräisch sprechende jüdische Nation, an die sich Zefanjas Prophezeiung richtet, war da offensichtlich keine Ausnahme.

Die Betonung des Hebräischen führt manche dazu, das uns auf Griechisch überlieferte Neue Testament als Fälschung eines ursprünglich auf Hebräisch niedergeschriebenen Textes zu sehen. Diese Meinung ist äußerst problematisch, da es überhaupt keine hebräischen Manuskripte der neutestamentlichen Bücher gibt.

Dafür meinen messianische Christen eine Erklärung zu haben. Bei der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. sollen die Römer den hebräischen Text des Neuen Testaments vernichtet haben. „Sie [die Römer] waren sich nicht bewusst, dass es ein hebräisches Neues Testament gab, als sie alle hebräischen Texte vernichteten, auch die hebräischen Schriftrollen des judenchristlichen Neuen Testaments. Rom unterschied genauso wenig zwischen den alt- und neutestamentlichen hebräischen Schriften wie zwischen Juden und Judenchristen“ („Was the New Testament Originally Greek?”, Yahweh’s Assembly In Yahshua).

Für diese Behauptung gibt es jedoch keinerlei historische Beweise. Selbst diejenigen, die an einen hebräischen Text des Neuen Testaments glauben, räumen ein, dass Lukas, ein griechisch sprechender Heidenchrist, den der Apostel Paulus auf seiner zweiten Reise kennenlernte, seine beiden Bücher (das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte) auf Griechisch schrieb.

Paulus sprach Griechisch (Apostelgeschichte 21,7) und schrieb mehrere seiner Briefe an Gemeinden in Regionen, in denen Griechisch die gängige Muttersprache war. Die Juden der Diaspora in diesen Regionen sprachen Griechisch, nicht Hebräisch. Es widerspricht Paulus’ eigenen Worten, wenn er diese Briefe in einer Sprache verfasst hätte, die seine Leser nicht hätten verstehen können (1. Korinther 14,19).

Das Alte Testament wird stärker betont als das Neue

Angesichts der Wichtigkeit des Hebräischen in der messianischen Bewegung überrascht es nicht, dass diese Bewegung dazu neigt, das Alte Testament stärker zu betonen als das Neue Testament. Messianisten sprechen davon, „Thorabefolger“ zu sein. Sie bezeichnen ihr persönliches Bibelstudium als „Thorastudien“.

Manche glauben, dass das Neue Testament gemäß dem interpretiert werden muss, was Christen als das „Alte Testament“ bezeichnen (ein Begriff, den rabbinische und messianische Juden verständlicherweise ablehnen).

In unseren Glaubenssätzen stellen wir fest: „Wir glauben, dass die Schrift, sowohl das Alte als auch das Neue Testament, Gottes Offenbarung und vollständiger Ausdruck seines Willens an die Menschheit ist . . . Das Alte und Neue Testament offenbaren als harmonische Einheit Gottes Plan für die Errettung der Menschheit und zeigen dessen Erfüllung in der menschlichen Geschichte.“

Das Alte Testament liefert in der Tat eine Grundlage für das Neue Testament. Die Evangelien und die Apostelbriefe helfen uns wiederum dabei zu verstehen, wie die alttestamentlichen Lehren im Kontext des Neuen Bundes verstanden und angewandt werden sollen.

Die Evangelien und die Apostelgeschichte des Neuen Testaments beschreiben, wie viele der Jahrhunderte zuvor im Alten Testament niedergeschriebenen Prophezeiungen in Erfüllung gingen. Details über Jesu Geburt, Leben, Wunder, Tod und Auferstehung bestätigen die Erfüllung alttestamentlicher Prophezeiungen und damit das erste Kommen des Messias – Jesus von Nazareth.

Selbst die Prophezeiungen des Neuen Testaments gründen sich auf Vorhersagen des Alten Testaments. Bei diesen neutestamentlichen Prophezeiungen geht es in erster Linie um die Wiederkehr Jesu Christi.

Die fortschreitende Offenbarung Gottes an die Menschen setzt sich im Neuen Testament fort. Das Neue Testament enthält Lehren, die im Alten Testament lediglich angedeutet wurden. Im Hebräerbrief erfahren wir, dass Jesus unser wahrer Hohepriester ist und dass sein Opfer sämtliche Opfer des im Alten Testament angeordneten levitischen Systems erfüllt bzw. ersetzt.

Ihre Betonung des Alten Testaments führt manche Messianisten dazu, den Neuen Bund als den „erneuerten Bund“ zu bezeichnen. „Die Bibel ist keine zwei Bücher, die zwei Bünde enthalten. In der Tat ist das Wort Gottes ein Buch, das einen Gott, einen Messias, eine Glaubensfamilie und einen ewigen Bund offenbart. Der Tanach, in der Kirche als das Alte Testament bekannt, bildet die Grundlage des Lehrens und der Unterweisung. Es wurde von Gott an eine erlöste Gemeinschaft gegeben. Das B’rit Hadasha oder Neue Testament ist der größte jemals verfasste Kommentar zum Tanach. In der Tat würde eine genauere Übersetzung des Hebräischen es als ,erneuerter Bund‘ wiedergeben. All die Lehren des Messias gründen auf dem Tanach“ (A. A. Wayde, „Written On Our Hearts“).

Ich habe messianische Anhänger behaupten hören, dass „sich nichts geändert hat“. Die Prophezeiung über den Neuen Bund in Jeremia 31, die zweimal im Hebräerbrief zitiert wird, sagt aber klar: Der Neue Bund „wird nicht dem Bund gleichen, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm und aus Ägypten herausführte“ (Jeremia 31,32; Gute Nachricht Bibel).

Der Hebräerbrief, der geschrieben wurde, um den Übergang vom Sinai-Bund zum Neuen Bund und von der levitischen Priesterschaft zum Melchisedek-Priestertum von Jesus Christus zu erklären, beginnt mit dieser wichtigen Aussage: „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat“ (Hebräer 1,1-2).

Auch wenn die geistlichen Gesetze Gottes universell und ewig sind, richten sich die meisten Anweisungen des Alten Testaments eindeutig an die physische Nation Israel. Die Verwaltung und Anwendung dieser Gesetze bei den heute Berufenen ist anders als bei einer physischen Nation.

Durch den heiligen Geist bietet uns der Neue Bund die Fähigkeit zu erkennen, wie wir die zeitlosen geistlichen Gesetze Gottes anwenden und wie wir sie von dem unterscheiden sollen, was sich auf eine bestimmte Weise auf die alte Nation Israel bezog und heute nicht mehr zutrifft.

Der Neue Bund ist ein besserer Bund, der auf besseren Verheißungen gegründet [nomotheteo, „mit Gesetz ausgestattet“] ist (Hebräer 8,6). Viel hat sich geändert und das zum Besseren! Der Hebräerbrief erklärt viele dieser positiven Veränderungen und überragenden Vorteile.

Unbeweisbare Dinge als Fakten darstellen

Meine Behandlung der Probleme der messianischen Bewegung schließe ich mit einem Hinweis auf die vielen dramatischen Aussagen von messianischen Quellen, die ich selbst gelesen oder gehört habe, die einfach nicht beweisbar sind. Ich nenne ein Beispiel.

Während eines der Kurse, die ich besucht habe, hat sich ein messianischer Gläubiger zu Wort gemeldet, um einen Kommentar zu Gottes Aufforderung an Abram in 1. Mose 15, Vers 5 abzugeben: „Und er [Gott] ließ ihn [Abram] hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!“

Dann behauptete dieser Mann einfach verwegen: „Abraham konnte mit bloßem Auge 600 000 Sterne sehen, was genau der Zahl der Familienoberhäupter entsprach, die Ägypten während des Auszugs verlassen haben!“

Wie aufregend und interessant! Es ist nur sehr schade, dass es sich nicht beweisen lässt, ganz abgesehen von der Tatsache, dass diese fantasievolle Behauptung den Sinn dieser Bibelstelle völlig verfehlt. Abrahams Nachkommen sollten wie die Sterne am Himmel sein: zu zahlreich, um überhaupt gezählt werden zu können!

Solchen Menschen aber, die Ausschau nach aufregendem neuem Wissen halten, können solche Informationen sehr reizvoll erscheinen. Es scheint, dass wir in einer Zeit leben, die Paulus in 2. Timotheus 4, Verse 3-4 folgendermaßen charakterisiert hat: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden“ (Elberfelder Bibel).

Fügt man dem Ganzen noch den Reiz bunter, unterhaltsamer Bräuche im Hinblick auf Essen, Tanzen und Feiern hinzu, dann hat man ein Rezept für einen gefährlichen Abweg von dem weisen Ratschlag von Herbert W. Armstrong. Er ermahnte uns oft in Bezug auf biblische Lehren, die Hauptfächer zu betonen, anstatt uns vordergründig mit Nebensächlichkeiten zu befassen.

Verführung und Ablenkung sind zwei von Satans Hauptwerkzeugen, um Menschen „von der Einfalt und Lauterkeit gegenüber Christus“ (2. Korinther 11,3) und dem Wichtigsten im Gesetz (Matthäus 23,23) wegzuführen. Beherzigen wir in diesem Sinne die Ermahnung des Apostels Paulus an Titus:

„Es gibt viele Ungehorsame, Schwätzer und Schwindler, besonders unter denen, die aus dem Judentum kommen. Diese Menschen muss man zum Schweigen bringen, denn aus übler Gewinnsucht zerstören sie ganze Familien mit ihren falschen Lehren. Einer von ihnen hat als ihr eigener Prophet gesagt: Alle Kreter sind Lügner und faule Bäuche, gefährliche Tiere. Das ist ein wahres Wort. Darum weise sie streng zurecht, damit ihr Glaube wieder gesund wird und sie sich nicht mehr an jüdische Fabeleien halten und an Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden“ (Titus 1,10-14).

Meine Ausführungen werden diesem wichtigen Thema nur ansatzweise gerecht. Es ist dennoch meine Hoffnung, dass diese Informationen hilfreich sind und zur Festigung richtiger Prioritäten hinsichtlich des Glaubens beitragen werden. Wir sollen den Fallstrick solcher Bräuche und Praktiken meiden, die, statt uns nach vorne im Hinblick auf den Plan Gottes zu führen, eher rückwärts gerichtet sind.