Am Abend vor seinem Tod wusch Jesus Christus seinen Jüngern die Füße. Welche Bedeutung hat diese Handlung heute für die Nachfolger Jesu?

Von Jerold Aust

Am Abend vor seinem Tod wusch Jesus seinen Jüngern die Füße. Dann gebot er ihnen und gab damit ein Beispiel für alle seine Nachfolger, die Fußwaschung weiterzuführen. Es ist eine wichtige Zeremonie, die uns an die Lektion erinnert, die Jesus an jenem Abend mittels der Fußwaschung vermittelte. Was lehrt uns diese einfache, jedoch tiefgründige Handlung?

Petrus war verwirrt, als Jesus von Nazareth vor ihm niederkniete, um ihm und den anderen Jüngern die Füße zu waschen. Jesus und die zwölf Apostel waren in einem privaten Raum versammelt. Er hatte zuvor Petrus und Johannes beauftragt, dort die Vorbereitungen für ihr letztes gemeinsames Mahl zu treffen.

An diesem Abend führte Jesus die Symbole des neutestamentlichen Passah ein: Das ungesäuerte Brot versinnbildlicht seinen gebrochenen Leib und der Wein sein Blut, welches nur wenige Stunden später, bei seiner Geißelung und anschließenden Kreuzigung, vergossen wurde.

Petrus war anscheinend entsetzt, als Jesus sich niederbeugte, um seinen Jüngern die Füße zu waschen. Es war seltsam, ja unerhört, daß ein angesehener Lehrer wie Jesus einen so demütigenden Dienst verrichtete.

Petrus hatte gesehen, wie Jesus vom Mahl aufstand, sein Obergewand ablegte und sich einen Schurz umband. Petrus wußte sehr wohl, daß diese Aufgabe gewöhnlich von Sklaven oder einfachen Hausdienern ausgeführt wurde. Wann immer Gäste zu damaliger Zeit eingeladen waren, wusch der niedrigste zum Haushalt gehörende Sklave oder Diener die Füße der Gäste. (Johannes 1, Vers 27 und Lukas 7, Vers 44 beziehen sich auf diesen Brauch.)

In diesem Fall war es jedoch ein privates Treffen, das in einem angemieteten Raum stattfand. Deshalb waren keine Diener anwesend, die den niedrigen Dienst, Sandalen auszuziehen und die Füße der Gäste zu waschen, hätten ausführen können.

Was tat Jesus da? Nach der Vorstellung von Petrus war es sicherlich unter der Würde Jesu, sich auf diese Weise zu erniedrigen. Als Jesus von einem Jünger zum anderen ging, wurde es im Raum wahrscheinlich ganz still. Alle Augen folgten jeder seiner Bewegungen. Die Jünger schauten gespannt zu, wie er den Krug anhob und das Wasser in eine Schüssel goß.

Jesus ging langsam von Jünger zu Jünger und wusch ihnen die Füße. Petrus beobachtete genau jede einzelne Bewegung Jesu. Dann war Jesus direkt vor ihm – er war jetzt an der Reihe!

Sollte sich Jesus wirklich derart erniedrigen?

Als Jesus sich vor Petrus niederbeugte, um ihm die Füße zu waschen, protestierte Petrus: „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ (Johannes 13,6; alle Hervorhebungen durch uns).

Anscheinend war Petrus der einzige unter den Jüngern, der offen die Handlungen seines Meisters hinterfragte und dagegen protestierte. Er hatte noch kein richtiges Verständnis für das Verhalten Jesu. Später, nachdem Gott ihm und den anderen Jüngern seinen heiligen Geist gegeben hatte, wurde ihm die tiefe geistliche Bedeutung dieses Beispiels der Demut bewußt.

Deshalb antwortete Jesus einfach: „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren“ (Vers 7). Jesus bezog sich natürlich auf die Wirkung des heiligen Geistes, welcher schließlich das Verständnis der Jünger lenken (Johannes 16,13) und sie befähigen würde, die geistliche Bedeutung dieser physischen Handlung zu erkennen. Dann würden sie begreifen, daß diese jährliche Fußwaschung die demütige innere Haltung der Dienstbereitschaft von Christen ihren Mitmenschen gegenüber versinnbildlicht.

Nochmals reagierte Petrus ungestüm. Er protestierte, Jesus sollte sich niemals zum unwürdigen Verhalten dieses Dieners erniedrigen: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“ Jesus antwortete ruhig: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir“ (Johannes 13,8). Petrus’ nächste Bemerkung spiegelt unsere menschliche Tendenz wider, übertrieben zu reagieren: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!“ (Vers 9).

Unser Erlöser erklärte Petrus dann: „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle“ (Vers 10).

Er machte klar, daß das gegenseitige Fußwaschen in diesem Fall keine Handlung persönlicher Hygiene war. Obwohl seine Jünger dies erst später verstehen würden, sprach Jesus über die geistliche Reinigung durch sein vergossenes Blut und seinen Tod für die Sünden der Menschheit.

Einer unter den Jüngern war geistlich unrein. Judas Ischariot hatte vor, seinen Heiland zu verraten. Jesus wußte, wer ihn preisgeben würde, „darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein“ (Vers 11).

Lehre für Jesu Nachfolger

Was sollen wir durch Jesu Beispiel der Demut lernen? Jesus selbst erklärte die vorrangige Lektion der Fußwaschung: „Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen“ (Verse 13-14).

Mit anderen Worten: Wenn Jesus bereit ist, demütig und bedingungslos seinen Nachfolgern durch eine niedrige menschliche Aufgabe zu dienen, sollen seine Jünger diesem Beispiel folgen und selbst bereit sein, sogar die unangenehmsten Aufgaben für ihre Mitmenschen zu übernehmen.

Später erklärte der Apostel Johannes, der diese Ereignisse niederschrieb, diese Einstellung mit einer einfachen Frage: „Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm?“ (1. Johannes 3,17). Einem wahren Nachfolger Jesu steht es schlecht an, den Dienst an einem Mitmenschen zu verweigern. Gott beobachtet sein Volk und segnet solche, die ihm dadurch dienen, daß sie seine Wahrheit und wahre Rechtschaffenheit vorleben.

In der Fußwaschung können wir auch die Symbolik der Bereitschaft Jesu erkennen, zur Erde zu kommen und mit seinem Leben und seinem Tod allen Menschen zu dienen. Zuvor hatte er seinen Jüngern klargemacht, daß seine wahren Nachfolger die Wichtigkeit des Dienens beherzigen sollen: „Ihr wißt, daß die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“ (Matthäus 20,25-28).

Jesu größter Dienst an den Menschen war seine Bereitschaft, sein Leben für sie zu opfern, was er am nächsten Nachmittag tat. Sein Beispiel der Demut, des Dienstes und der Großzügigkeit ist durch den Kontrast zum Verhalten weltlicher Politiker bzw. Herrscher um so ergreifender. Unsere natürliche Tendenz ist es, uns lieber von anderen Menschen dienen zu lassen. Im Gegensatz dazu macht Gottes Lebensweise uns bescheiden und willig, anderen zu dienen.

Wer anderen nach Gottes Vorstellungen dient, ist uneigennützig und erwartet keinen Lohn: „Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lukas 6,35). Diese eindringliche Schriftstelle offenbart uns viel über Gottes Charakter und seine Haltung des unvoreingenommenen Dienstes an der Menschheit.

Dienen oder Eigennutz?

Jesus offenbart uns ein geistliches System, bei dem ein jeder von uns durch Dienen „hinzugewinnen“ kann. Das spiegelt nicht unsere normale Denkweise wider. Gott ruft uns auf, unser Leben nach seinen Prinzipien auszurichten, die ewiglich und für alle Menschen funktionieren.

Unsere eigene Lebensweise, nach eigenem Gutdünken, funktioniert nicht auf Dauer. Obwohl wir vorübergehend profitieren mögen, wird uns langfristig die eigene Lebensweise zu Fall bringen (Sprüche 14,12; 16,25). Nur der Dienst an unseren Mitmenschen hat Bestand. Nehmen und Eigendienst werden jedoch mit denjenigen sterben, die danach trachten, sich von anderen dienen zu lassen. Diejenigen, die Jesus Christus nachfolgen wollen, müssen sich eine schwierige Frage stellen: Werden wir Jesu Haltung des demütigen Dienstes gegenüber anderen annehmen, oder bleiben wir auf dem Weg dieser Welt – fordernd, nehmend und uns selbst dienend? Das Beispiel Jesu, als er seinen Freunden die Füße wusch, ist eine Erinnerung an diese Grundsatzentscheidung, die jeder Mensch in seinem Leben einmal treffen muß.

Was können wir tun, um Jesu Beispiel der Dienstbereitschaft besser nachzuahmen? Wir können:

• Gott um Hilfe bitten, um die innere Haltung der Fußwaschung besser zu verstehen und zu erkennen;

• biblische Beispiele des selbstlosen Dienstes an anderen beachten. Darunter sind die Beispiele von Personen wie Abraham, Rut und Daniel;

• gezielt nach Möglichkeiten Ausschau halten, um anderen zu dienen.

Lassen Sie uns jedes Jahr, wenn das Passah näher rückt, über die wunderbare Lektion der Fußwaschung nachdenken. Sie symbolisiert unseren demütigen Dienst an anderen, ohne daß wir Bedingungen stellen. Jesus gebietet uns, ihm in dieser einfachen Zeremonie nachzufolgen: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Johannes 13,15).

Dann zeigt er uns das mögliche Resultat dieser selbstlosen Haltung: „Wenn ihr dies wißt – selig seid ihr, wenn ihr’s tut“ (Vers 17).