Eine Untersuchung der Aussagen der Bibel zum Alten Bund zeigt, dass er von Anfang an als zeitlich befristete Vereinbarung gedacht war. Gilt das auch für das Gesetz?
Von Roger Foster
Seit der Erschaffung des Menschen offenbart Gott nach und nach die Details seines großartigen Plans zur Errettung der Menschheit. Von grundlegender Bedeutung in diesem Plan waren die Geburt und der Auftrag des Messias, des verheißenen Nachkommens Davids und Abrahams. Um die Unwiderruflichkeit seines Plans zu unterstreichen, bestätigte Gott ihn durch eine Reihe von Bünden.
Um die Aussagen des Neuen Testaments richtig zu verstehen, ist es notwendig, den Zweck und die zeitlich befristete Beschaffenheit des Bundes zu verstehen, den Gott mit Israel am Berg Sinai schloss. Der Inhalt dieses Bundes wurde eine Art Landesverfassung für die Nation Israel.
Mit Gott als seinem König war Israel im Prinzip ein theokratischer Staat – ein befristetes, irdisches Reich Gottes. Die Israeliten nahmen die von Gott gestellten Bedingungen des Bundes an: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun“ (2. Mose 19,8). Mittels einer Zurschaustellung seiner Macht durch Donner, Blitze und Rauch am Berg Sinai verkündete Gott Israel die Zehn Gebote (2. Mose 20,1-18).
Wie reagierten die Israeliten auf die Stimme Gottes? „Der Herr, unser Gott, hat uns heute seine Größe und Herrlichkeit sehen lassen und wir haben aus dem Feuer seine Stimme gehört. Wir haben staunend erfahren, dass Gott zu Menschen sprechen kann, ohne dass sie deshalb sterben müssen. Aber wir haben Angst, dass uns dieses große Feuer doch noch verzehren wird. Wenn wir die Stimme des Herrn, unseres Gottes, noch länger hören, werden wir es gewiss nicht überleben. Noch kein sterblicher Mensch hat so wie wir die Stimme des lebendigen Gottes mitten aus dem Feuer reden hören und ist am Leben geblieben. Deshalb geh du [Mose] jetzt hin, höre alles, was der Herr, unser Gott, sagt, und teile es uns mit. Wir werden darauf hören und alles befolgen“ (5. Mose 5,24-27; Gute Nachricht Bibel; alle Hervorhebungen durch uns).
Die Worte der Propheten als die „Stimme des Herrn“
Aus Angst vor der Manifestierung von Gottes Macht baten die Israeliten darum, dass Gott nie wieder mit eigener Stimme mit ihnen sprechen sollte. Von dieser Zeit an trugen die inspirierten Worte der Propheten Gottes die gleiche Autorität, als hätte Gott selbst gesprochen. Der Apostel Petrus bestätigt, dass die Botschaften der Propheten nicht ihrer eigenen Fantasie zu verdanken waren: „Das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet“ (2. Petrus 1,20-21).
In 5. Mose 5, Verse 28-31 rekapituliert Mose noch einmal, wie Gott der Bitte der Israeliten am Berg Sinai stattgegeben hat, dass er in Zukunft nur noch durch seine Propheten zu ihnen sprechen sollte: „Als aber der Herr eure Worte hörte, die ihr mit mir redetet, sprach er zu mir: Ich habe gehört die Worte dieses Volks, die sie mit dir geredet haben; es ist alles gut, was sie geredet haben.
Ach dass sie ein solches Herz hätten, mich zu fürchten und zu halten alle meine Gebote ihr Leben lang, auf dass es ihnen und ihren Kindern wohlginge ewiglich! Geh hin und sage ihnen: Geht heim in eure Zelte! Du [Mose] aber sollst hier vor mir stehen bleiben, damit ich dir verkündige das ganze Gesetz, die Gebote und Rechte, die du sie lehren sollst, dass sie danach tun in dem Lande, das ich ihnen geben werde, um es einzunehmen.“
Das Volk Israel hatte die richtigen Worte gefunden. Es hatte Gottes Bedingungen zugestimmt. Die Israeliten hatten sich verpflichtet, gemäß allem zu leben, was Gott ihnen durch Mose und die Propheten, die nach ihm kommen sollten, als sein Wort auftragen würde. Aber Gott wusste, dass mehr als ihr Versprechen erforderlich war, um die Resultate zu erzielen, die er sich wünschte.
Das hätte eine Veränderung ihrer Herzen durch die Gabe des heiligen Geistes erfordert. Und für den Großteil von ihnen kann das nur möglich werden, nachdem der Messias gekommen ist, um die Strafe für ihre Sünden auf sich zu nehmen. Vor dieser Zeit hatte Gott, wie wir im Alten Testament aufgezeichnet finden, seinen Geist nur einer relativ kleinen Zahl von ausgewählten Menschen wie Noah, Abraham, David und anderen Propheten und Dienern gegeben.
Das Beispiel des alten Israels lehrt uns die Lektion, dass es nicht genügt, gerechte Gesetze zu haben, wenn das Herz nicht rechtschaffen ist. Israels jahrhundertelanges Beispiel veranschaulicht klar und deutlich, dass es nicht genügt, die Erkenntnis der Wahrheit zu erhalten, da dies von sich allein aus nicht zu vollem und dauerhaftem Gehorsam führt (Römer 3,9-12).
Gerechter Charakter offenbart und definiert
Die fünf von Mose verfassten Bücher – 1. Mose bis 5. Mose – definieren die gerechte Lebensweise, deren bereitwillige Annahme Gott sich für alle Völker und Nationen wünscht (siehe 5. Mose 4,6; 6,4-6; 8,2-4).
Diese Bücher, die Gottes Anweisungen an die Israeliten enthalten, wurden zum höchsten religiösen und rechtlichen Kodex des alten Israels. Sie enthielten nicht nur die Vorschriften, Gesetze und Verfahrensweisen, nach denen die Israeliten gerichtet werden sollten, sondern auch Rituale und Zeremonien, die die Beziehung zu ihm, die Gott von ihnen erwartete, versinnbildlichten.
In Hebräisch werden diese Bücher die Thora genannt (was „die Lehre“ oder, heutzutage üblicher, „das Gesetz“ bedeutet). Wie Mose erklärte: „Nun, Israel, was fordert der Herr, dein Gott, noch von dir, als dass du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, dass du in allen seinen Wegen wandelst und ihn liebst und dem Herrn, deinem Gott, dienst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass du die Gebote des Herrn hältst und seine Rechte, die ich dir heute gebiete, auf dass dir’s wohlgehe?“ (5. Mose 10,12-13).
Diese Thora war es, in der „alle Wege Gottes“ zum ersten Mal schriftlich festgehalten wurden. Diese Bücher offenbaren und definieren, als die Stimme des Herrn, das rechtschaffene Verhalten, das die Grundlage einer gottgefälligen Lebensweise bildet.
Deshalb hat Mose, fast vier Jahrzehnte nach der Vermittlung des Sinai-Bundes, erneut erklärt, dass das, was er niederschrieb, in der Tat von Gott stammte: „Und der Herr, dein Gott, wird dir Glück geben zu allen Werken deiner Hände . . . Denn der Herr wird sich wieder über dich freuen, dir zugut, wie er sich über deine Väter gefreut hat, weil du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchst und hältst seine Gebote und Rechte, die geschrieben stehen im Buch dieses Gesetzes“ (5. Mose 30,9-10).
Es geht hier darum, dass der Bund, den Gott mit dem alten Israel schloss, nicht nur auf die Worte begrenzt war, die er am Berg Sinai an sie richtete. Die Israeliten stimmten allem zu, was er ihnen befehlen würde – damals und in der Zukunft. Sie baten aber, dass Gott von dieser Zeit an nicht mehr persönlich mit seiner eigenen Stimme zu ihnen sprechen würde, sondern sich durch seine Propheten an sie wenden würde. Ihre Vereinbarung mit Gott beinhaltete, dass sie all das einhalten würden, was er ihnen befehlen würde – auch die Worte der Propheten, die auf Mose folgen sollten.
Die Propheten wurden so zu den Sprachrohren Gottes. Die Botschaften, die sie von Gott erhielten und die oft in Büchern für spätere Generationen niedergeschrieben wurden, sollten als „das Wort des Herrn“ (siehe Jesaja 38,4; Jeremia 1,4-5; Hesekiel 6,1-3) befolgt werden. Die gleiche Autorität wurde später den Aposteln übertragen (Apostelgeschichte 4,29-31).
Heute beansprucht die gesamte Bibel diese Autorität als das geschriebene Wort Gottes. Und Gott verheißt, diejenigen zu segnen, die der Bibel als seinem Wort gehorchen.
Ein Bund, der nur vorübergehende Vorteile bot
Gegen Ende des Buches 3. Mose finden wir eine lange Ankündigung der Segnungen für Gehorsam und Flüche für Ungehorsam (3. Mose 26,3-45). Diese Segnungen und Flüche waren eine Mahnung an die alten Israeliten, ihre Bundesbeziehung und Bundesverpflichtungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn sie Gott gehorsam sein würden, dann würden sie sich an reichen Ernten, guter Gesundheit, Wohlstand und nationaler Sicherheit erfreuen können (Verse 4-10). Diese Vorteile waren jedoch in der Hauptsache materieller Art.
Ein Vergleich der materiellen Segnungen von 3. Mose 26, Verse 3-13 mit denjenigen, die in 5. Mose 28, Verse 1-14 aufgelistet sind, zeigt, dass in beiden Listen etwas Entscheidendes fehlt. Gott erklärt sich bereit, ihr Gott zu sein und sie als sein Volk anzusehen (3. Mose 26,11-13; 5. Mose 28,9). Dieser Bund enthält aber keine Verheißung des ewigen Lebens. Seine Segnungen beziehen sich vor allem auf das, was Menschen in diesem gegenwärtigen physischen Leben genießen können.
Für diejenigen Diener und Propheten Gottes, die schon zu jener Zeit den heiligen Geist erhalten haben, wurde eine Ausnahme gemacht. Das wird von Petrus bestätigt, der erklärt: „Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach“ (2. Petrus 1,10-11).
Das ist aus einem sehr wichtigen Grund von Bedeutung! In den Erläuterungen des Neuen Testaments zu den Bünden und dem Gesetz wird sehr deutlich dargelegt, dass das ewige Leben nur durch den Glauben an Jesus Christus als den prophezeiten Messias erreichbar ist (Apostelgeschichte 4,12). Die Propheten der Vergangenheit freuten sich im Glauben auf den Tag, an dem der Messias, Jesus Christus, dieses Opfer für sie bringen würde.
Zur Zeit des Sinai-Bundes war der Messias noch nicht gekommen. Das ewige Leben wurde dem Volk bei diesem Bund also nicht angeboten. Nur jene besonderen Diener, die auf Gottes Wegen wandelten und das Volk diese lehrten, bildeten in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Der Rest des Volkes hatte keinen Zugang zu Gottes heiligem Geist.
Trotzdem waren der Sinai-Bund und Gottes Gesetz weit davon entfernt, die Last zu sein, als die sie heute oft dargestellt werden. Stattdessen bescherten sie dem ganzen Volk Israel eine erstaunliche Reihe von Segnungen und Vorteilen.
Segnungen für Gehorsam
Obwohl der Sinai-Bund eine einzigartige Beziehung zwischen den Israeliten und Gott begründete, enthielt er eine entscheidende Bedingung. Die Vorteile dieser Beziehung standen ihnen – zu ihrem eigenen Wohl – nur dann zur Verfügung, wenn sie ihren Teil dazu beitragen würden, indem sie Gottes Anweisungen folgten! Sie mussten treu alles, dem sie zugestimmt hatten, in die Praxis umsetzen. Und sie hatten zugestimmt, alle Anweisungen, die Gott ihnen geben würde, zu befolgen – um so wirklich zu einem „heiligen Volk“ zu werden.
Wenn sie ihren Teil der Abmachung kontinuierlich eingehalten hätten, dann wären sie für die ganze Welt zum Gegenstand der Bewunderung geworden, eine unglaublich gesegnete Nation. Keine andere Nation auf Erden hätte sich an dem gleichen Ausmaß an Segnungen und Vorteilen, die Gott ihnen gegeben hätte, erfreuen können. Sie wären für all die umliegenden Nationen zu einem Paradebeispiel der Gerechtigkeit geworden.
Wie Gott ihnen durch Mose erklärte: „Sieh, ich hab euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen Völkern, dass, wenn sie alle diese Gebote hören, sie sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft wir ihn anrufen?“ (5. Mose 4,5-7).
Gottes Gesetze definieren ein Verhalten, das auf natürliche Weise zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand führt. Wenn die Israeliten Gott nach ihren besten natürlichen Möglichkeiten gehorsam gewesen wäre, dann hätten sie dafür seine verheißenen Segnungen im reichlichen Ausmaß geerntet. Die umliegenden Nationen hätten daraus ersehen können, dass auch ihnen der Genuss solcher wunderbaren Vorteile möglich wäre, wenn sie nur die gleichen Gesetze einführen würden.
Im nächsten Vers fordert Mose die Israeliten deshalb dazu auf, sich selbst zu fragen: „Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ (5. Mose 4,8). Nicht nur waren ihnen reichliche physische Segnungen versprochen worden, sie hatten von Gott auch das weltweit fairste und gerechteste Regierungssystem erhalten!
Die Grenzen der physischen Segnungen
Ein Haupthindernis stört dieses rosige Bild – die nach innen gerichteten, eigensinnigen Neigungen jedes Menschen. Moses erklärte den Israeliten: „So wisse nun, dass der Herr, dein Gott, dir nicht um deiner Gerechtigkeit willen dies gute Land zum Besitz gibt, da du doch ein halsstarriges Volk bist . . . Von dem Tage an, als du aus Ägyptenland zogst, bis ihr gekommen seid an diesen Ort, seid ihr ungehorsam gewesen dem Herrn“ (5. Mose 9,6-7).
Gott wusste im Voraus, dass das Volk Israel – wie alle anderen Völker auch – ohne die Gabe des heiligen Geistes nicht in der Lage sein würde, sein Versprechen, Gott zu gehorchen, zu halten. Sie hätten jedoch das, was ihnen beigebracht wurde, wesentlich besser befolgen können, als es die meisten von ihnen taten. Das wird aus ihrer Geschichte deutlich. Es gibt Abschnitte, in denen sich die gesamte Nation um die Befolgung der Anweisungen Gottes bemühte (Josua 24,31; 2. Chronik 32,26).
Dabei ist von Bedeutung, dass den Israeliten jeglicher natürlicher Vorteil, den ein Volk nur begehren konnte, gewährt wurde. Es mangelte ihnen nur an der übernatürlichen Hilfe von Gottes heiligem Geist, der sie befähigt hätte, ein beständig gerechtes Herz zu haben.
Obwohl manche Menschen gesetzestreuer als andere sind, ist es keinem außer Jesus Christus gelungen, ohne Sünde zu leben. Dieses Problem bestand seit Anfang der Menschheitsgeschichte bei allen Menschen in allen Nationen und Kulturen. Nur durch den Empfang von Gottes Geist kann dieses Problem gelöst werden. Und es wird weltweit erst dann gelöst werden, wenn Christus zurückkehrt, um alle Nationen zu regieren.
Wie Paulus mit seinem Zitat von Psalm 14, Vers 3 anmerkt: „Aber sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der [kontinuierlich] Gutes tut, auch nicht einer“ (Römer 3,12). Das ist die Lektion, die wir lernen müssen, damit wir nie in Versuchung geraten, den Sinai-Bund als einen Fehlschlag zu deuten. Er hat genau das erreicht, was Gott mit ihm vorhatte.
Eine zwischenzeitliche Vereinbarung
Der Sinai-Bund ist kein vollständiges, endgültiges Modell für unsere Beziehung zu Gott. Obwohl er dauerhafte, ewige Prinzipien enthielt, versinnbildlichten viele seiner symbolischen Vorteile, ganz gleich wie lehrreich sie waren, nur die weitaus besseren Vorteile, die in der auf dem Neuen Bund fußenden Beziehung zu Gott gegründet sind. Dieser Neue Bund wurde später von dem verheißenen Messias Jesus Christus eingeführt.
Wie Hebräer 9, Verse 9-10 erklärt, war der Ritualismus des am Berge Sinai geschlossenen Bundes „ein Gleichnis für die gegenwärtige Zeit: es werden da Gaben und Opfer dargebracht, die nicht im Gewissen vollkommen machen können den, der den Gottesdienst ausrichtet. Dies sind nur äußerliche Satzungen über Speise und Trank und verschiedene Waschungen, die bis zu der Zeit einer besseren Ordnung auferlegt sind.“
Eine zukünftige Verbesserung dieses Bundes – vor allem, was die Aspekte des Todes und dem Auftrag des kommenden Messias anbetrifft – war verheißen worden. Gott kündete durch seine Propheten an, dass er mit diesem „besseren Bund“ seine Gesetze in den Verstand und das Herz der Menschheit schreiben würde. Er verhieß, dass er – auf individueller Basis – direkten Zugang zu sich eröffnen würde (Hebräer 8,6; Jeremia 31,31-34).
Es sollte mittlerweile deutlich geworden sein, dass Gott nicht von Israels Versagen überrascht wurde. Er sah dieses voraus. Von Anfang an offenbarte er Hinweise auf eine „bessere“ Lösung für die Sündhaftigkeit der Menschheit, die nur durch das Kommen des Messias eröffnet werden konnte. Diese „Hinweise“, in der Gestalt unterschiedlicher Zeremonien, Symbole und Rituale, sind in die Anweisungen, die als Teil des Sinai-Bundes gegeben wurden, eingewoben.
Gottes dauerhafte Lösung für die Ungerechtigkeit
Die Probleme, die durch menschliche Schwäche und Begierden verursacht werden (siehe Jakobus 1,14-15), beschränken sich nicht allein auf das alte Israel. Sie verursachen Probleme für alle Menschen. Bei seinem Entwurf einer dauerhaften Lösung hatte Gott deshalb weitaus mehr als nur das Wohlergehen der Israeliten im Auge. Seine Lösung erstreckt sich auf alle Menschen in allen Nationen.
Wie Gott bereits Abraham verheißen hatte: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (1. Mose 12,3). Bevor diese dauerhafte Lösung mehr als nur der „kleinen Herde“ wahrhaft gehorsamer Christen, die Gottes Geist in dieser „gegenwärtigen bösen Welt“ erhalten haben, eröffnet wird (siehe Lukas 12,32 und Galater 1,4), muss die gesamte Menschheit aber zuerst einige entscheidende Lektionen lernen.
Gott nutzt die in der Bibel aufgezeichneten Erfahrungen des alten Israels, um der gesamten Menschheit bei der Einsicht zu helfen, wie leicht wir der Sünde erliegen. Am Ende müssen alle Nationen zur Einsicht gelangen, warum die Sünde so schrecklich ist und warum so viel mehr als nur menschliche Bemühungen erforderlich sind, um sie aus dem menschlichen Herzen zu tilgen.
Im Sinai-Bund mit dem alten Israel hat Gott umfassend und dauerhaft die Grundlagen gerechten Charakters definiert. Aber das Mitteilen von Wissen über Gottes Gesetze hat nicht automatisch Gerechtigkeit in den Herzen und Gedanken der Israeliten bewirkt.
Die notwendige Verwandlung findet nur in denjenigen statt, die durch die Gabe des heiligen Geistes zusätzliche Hilfe erlangen. Um Gottes Geist erhalten zu können, muss man zuerst von Gott berufen sein (Johannes 6,44. 65), wahrhaft die Sünde bereuen und sich von ihr abwenden (Apostelgeschichte 2,38). Gott hat seinen Geist bis zu der Zeit, als Christus gekreuzigt und auferweckt wurde, nicht allgemein zur Verfügung gestellt.
Nachdem die Sünde erst einmal Einzug in den Garten Eden gehalten hatte, entschied sich Gott dazu, die Bereitstellung seines Geistes für die Menschheit bis auf die Zeit nach dem Tod Jesu Christi, durch den er zum Erlöser der Menschheit wurde, zu verzögern. Nur die Wenigen, die er als seine speziellen Diener und Propheten einsetzte, stellen da eine Ausnahme dar.
Deshalb ist auch das Verständnis von Christi Rolle als Sühneopfer und Priester in einem „besseren Bund“ so entscheidend. Er eröffnet den Weg zur Sündenvergebung und der so kostbaren Gabe des heiligen Geistes.
Diese Zusätze stellen die entscheidend wichtigen Erweiterungen des Alten Bundes dar, den Gott mit den Menschen des alten Israels geschlossen hat. Sie werden es ihren Nachkommen, die von Jesus Christus bei seiner Wiederkehr wieder im Heiligen Land versammelt werden (Jeremia 23,5-8), ermöglichen, eine persönliche Beziehung zu Gott zu haben. Das durften nur wenige ihrer Vorväter erleben.
Gott verheißt für diese Zeit: „Denn das ist der Bund, den ich schließen will mit dem Haus Israel nach diesen Tagen, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz geben in ihren Sinn, und in ihr Herz will ich es schreiben und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Und es wird keiner seinen Mitbürger lehren oder seinen Bruder und sagen: Erkenne den Herrn! Denn sie werden mich alle kennen von dem Kleinsten an bis zu dem Größten. Denn ich will gnädig sein ihrer Ungerechtigkeit, und ihrer Sünden will ich nicht mehr gedenken“ (Hebräer 8,10-12).
Dieser Abschnitt zitiert Gottes Verheißung eines Neuen Bundes, die in Jeremia 31, Verse 31-34 verzeichnet ist. Nicht lange nachdem Jesus Christus gekreuzigt worden war, wurde im Jahre 70 n. Chr. der Tempel in Jerusalem zerstört und das gesamte System aus Zeremonien und Opferungen, das damit in Zusammenhang stand, beendet. Es war wahrhaft überflüssig geworden.
Nachdem das Sühneopfer Christi stattgefunden hatte, waren diese Tempelzeremonien und Rituale nicht länger notwendig. Aber wie Hebräer 8, Verse 10-12 auch deutlich macht, waren die geistlichen Gesetze, die Gott mit in den Sinai-Bund aufgenommen hatte, nicht aufgelöst. Dadurch dass der Geist Gottes heute zur Verfügung steht, können diese Prinzipien der Liebe, die das Gesetz so sprachgewaltig zum Ausdruck brachte, endlich in die Herzen all derjenigen geschrieben werden, die ihr Übertreten bereuen.
Diese Möglichkeit ist die Kernverheißung des Neuen Bundes.
Wie können wir Gottes Gebote befolgen?
Manch bekennender Christ klagt: „Ich wünsche mir, ich könnte den Zehn Geboten gerecht werden, aber ich weiß, dass das nicht möglich ist.“ Für solche Menschen ist das Halten von Gottes Geboten ein unerreichbares Ziel. Hinter dieser Vorstellung steht ein großes Missverständnis darüber, was das Wesen und der Zweck von Gottes Zehn Geboten sind.
Diese Gebote können, zumindest was den äußeren Buchstaben anbelangt, von gewöhnlichen Menschen – selbst wenn sie noch nicht Gottes heiligen Geist erhalten haben – befolgt werden. Zum Beispiel ist jeder Mensch in der Lage keine Götzen anzubeten, seine Eltern mit Respekt zu behandeln, niemanden zu ermorden, keinen Ehebruch zu begehen und nicht das zu stehlen, was anderen gehört. Das ist der Grad von Gehorsam, den Gott vom alten Israel erwartete und den er nun auch im Sinne der Reue erwartet, noch bevor jemand getauft wird und dadurch den heiligen Geist erhalten kann.
Ein höheres Maß an Gerechtigkeit
Aber von Anfang an hat Gott mehr vom Menschen gewollt. Es interessiert ihn mehr, was aus dem Herzen eines Menschen kommt und ob das, was im menschlichen Herzen ist, mit Begeisterung in die Tat umgesetzt wird. Das Herz und der Verstand sind es, in die Gott den vollen Umfang seiner Gesetze schreiben möchte.
Das meinte Jesus Christus in einem Gleichnis über einen Diener, der nur das tut, was sein Herr fordert (Lukas 17,7-8). Jesus stellte seinen Jüngern dann folgende Frage: „Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (Lukas 17,9-10).
Jesus wies auf eine höhere Ebene der Gerechtigkeit hin, die die Minimalanforderungen der Zehn Gebote übersteigt. Dabei geht es um einen Geist bzw. eine geistliche Absicht des Gesetzes, die den reinen Buchstaben des Gesetzes übersteigt (2. Korinther 3,5-6). Jesus fasste diesen Maßstab folgendermaßen zusammen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“ (Matthäus 22,37-40). Diese beiden großen Gebote fassen das endgültige, höchste Maß an Gerechtigkeit, das Gott in seinen Kindern schafft, zusammen.
Dieses Maß an Liebe für Gott und unsere Mitmenschen übertrifft alles, was irgendein Mensch ohne göttliche Hilfe haben und voll zum Ausdruck bringen kann. Gott vermittelt uns seine Hilfe durch die Kraft seines heiligen Geistes. Damit ist eine Ebene an Liebe möglich, die den nach innen gerichteten Neigungen unserer fleischlichen Natur direkt entgegensteht (Jakobus 1,13-15; 4,1-3).
Grundlegende Schritte zur wahren Reue
Um diesen heiligen Geist zu erhalten, muss jeder zuerst seine Missachtung der Gebote Gottes bereuen. Was sind also einige der grundlegenden Schritte zur wahren Reue, die Gott von uns erwartet, bevor er uns seinen heiligen Geist gibt?
Zuerst müssen wir anerkennen, dass Gottes Gebote geistlicher Natur sind (Römer 7,14), sowie heilig, gerecht und gut (Vers 12). Wir müssen erkennen, dass Gott keine ewige Beziehung mit jemandem eingehen wird, der sich mutwillig dazu entscheidet, Gottes Gesetz zu übertreten (Jesaja 59,1-2). Wir müssen erkennen, dass seine Gesetze herrlich sind und auf ewig Bestand haben werden (Psalm 119,129. 160). Der erste Schritt der Reue ist daher, sich bewusst für den Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes als einzige akzeptable Grundlage für eine rechte Beziehung zu ihm und Jesus Christus zu entscheiden (Matthäus 19,16-19; Lukas 6,46).
Jesu Christi Sühneopfer zur Tilgung unserer Sünden durch die Taufe anzunehmen, damit wir den heiligen Geist empfangen können, ist der nächste große Schritt. Es „ging ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird“ (Apostelgeschichte 2,37-38).
Wenn dies geschieht – mit echtem geistlichem Verständnis und echter Aufrichtigkeit – ist unsere Entwicklung auf einer völlig neuen Ebene der Gerechtigkeit möglich. Es ist eine Gerechtigkeit, die wir nach dem Wunsch Gottes mit der Hilfe, die er uns durch seinen Geist eröffnet, anstreben sollten.
Wie Paulus es formulierte: „Also, meine Lieben, – wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, – schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, damit ihr ohne Tadel und lauter seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt“ (Philipper 2,12-15).
Auf diese Weise erweitert Gott die Beziehung, die wir zu ihm und Jesus Christus haben, vom Gehorsam lediglich dem Buchstaben seines Gesetzes gegenüber zu einer tiefen, selbstlosen Liebe ihm und seiner Lebensweise und unseren Mitmenschen gegenüber. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass diese Ebene der Gerechtigkeit niemals allein durch menschliche Bemühungen erreicht worden ist und niemals erreicht werden kann.
Wenn wir aber unsere eigenen Wege, die uns zum Sündigen verleiten, bereuen und unser Leben bedingungslos unserem himmlischen Vater unterstellen, können wir Gottes Sühneopfer für unsere Sünden annehmen und Vergebung erlangen. Gott verheißt dann, dass wir „Anteil [bekommen werden] an der göttlichen Natur“ und der „verderblichen Begierde in der Welt“ entrinnen werden (2. Petrus 1,4).