Jesus wurde als Messias nicht akzeptiert. Warum?
Von Bill Bradford
Jesus tat Zeichen und Wunder. Er heilte die Kranken, erweckte die Toten zum Leben, stillte die Stürme der Natur, speiste die Menge und übte absolute Autorität über die Geistwelt aus. Dennoch wurde er nicht als Israels Messias akzeptiert.
Bei all diesen Beweisen göttlichen Wirkens würde man meinen, Jesus wäre automatisch als Messias ausgerufen worden. Stattdessen wird uns gesagt, dass „die Seinen“ – Jesu Landsleute, die Juden – ihn nicht angenommen haben (Johannes 1,11). Nach dreieinhalb Jahren des Predigens waren bei der Gründung seiner Kirche nur 120 Jünger versammelt (Apostelgeschichte 1,15).
Eine Prophezeiung über den Messias sagte voraus, dass er „verachtet und von den Menschen gemieden“ würde (Jesaja 53,3; Einheitsübersetzung). Jesu große Taten, die ihm eine momentane Popularität bescherten, genügten nicht, um die Missgunst der religiösen Führer zu überwinden oder die beständige Treue der Massen zu sichern.
Jesu Wirken und Lehre liefen der Stellung derjenigen zuwider, die im Judentum hohe Positionen innehatten. Die allermeisten seiner Landsleute, die ihn erlebten, verstanden seine Botschaft nicht.
Was erwarteten die Juden?
Die Juden kannten viele der Prophezeiungen über den Messias – den „Gesalbten“ nach der hebräischen Bedeutung dieses Wortes. Sie glaubten fest an einen Messias, der sie als starker irdischer König von der römischen Herrschaft befreien und ein neues unabhängiges jüdisches Königtum etablieren würde. Die Weisen aus dem Morgenland hatten nach der Geburt Jesu gefragt: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ (Matthäus 2,1-2).
Der von den Römern eingesetzte Herrscher Judäas, Herodes, erkannte in Jesus einen möglichen Konkurrenten. Er fragte die Hohepriester und die Schriftgelehrten nach dem Geburtsort des Messias, damit er die Bedrohung für seine Herrschaft ausschalten konnte (Matthäus 2,3-16).
In der Sprache des Neuen Testaments, Griechisch, hat christos (= Christus) dieselbe Bedeutung wie das hebräische Wort maschiach (= Messias): der „Gesalbte“, womit eine besondere Auserwählung durch Gott angezeigt wird. Herodes und den Führern der Juden war der Titel „Christus“ gleichbedeutend mit dem „König der Juden“, was der allgemeinen Erwartung jener Zeit entsprach (vgl. Verse 2 und 4).
Die Erwartung eines Christus als König passte zu ihrem Verständnis des Christus als Nachkomme Davids, des berühmtesten aller Könige Israels und des Maßstabs, an dem alle anderen israelitischen Könige gemessen wurden. Eine Bestätigung hierfür finden wir in Matthäus 22, Vers 42, als Jesus die Pharisäer fragte: „Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er?“ David war ihre Antwort.
Jesus wurde von zwei Blinden (Matthäus 9,27), von einer kanaanäischen Frau (Matthäus 15,22) und wieder von zwei Blinden bei Jericho (Matthäus 20,30) mit „Sohn Davids“ angeredet. Nachdem Jesus einen blinden und stummen Besessenen geheilt hatte, fragte die Menge: „Ist dieser nicht Davids Sohn?“ (Matthäus 12,22-23). Bei seinem triumphalen Einzug nach Jerusalem riefen ihm die Menschen zu: „Hosianna dem Sohn Davids!“ (Matthäus 21,9).
Die vielen großen Wunder Jesu – die in der Geschichte Israels ohne ihresgleichen waren, auch zur Zeit der großen Propheten – ließen viele sich fragen, ob Jesus nicht doch der verheißene Messias war. „Aber viele aus dem Volk glaubten an ihn und sprachen: Wenn der Christus kommen wird, wird er etwa mehr Zeichen tun, als dieser getan hat?“ (Johannes 7,31).
Zeit für die Wiederherstellung des Königtums?
Bei ihrer Erwartung des „Sohns Davids“ hofften die Juden auf denjenigen, der das Königtum Israel unter der davidschen Dynastie wiederherstellen sollte. Nach der Speisung der 5000 meinten die Menschen: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (Johannes 6,14). Damit meinten sie den Propheten, dessen Auftreten Mose vorhergesagt hatte (5. Mose 18,15-19). Die Jünger Jesu sahen in ihm diesen Propheten: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth“ (Johannes 1,45).
Welchen besseren König kann es geben als den, der hungrige Menschen durch ein Wunder speist? Die davon Betroffenen wollten sofort Jesus zum König ausrufen. Aber „als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein“ (Johannes 6,15). König über ein mächtiges Israel zu sein gehörte nicht zu Jesu Auftrag in der damaligen Zeit.
Selbst nach Jesu Tod und Auferstehung waren seine eigenen Jünger auf der Vorstellung fixiert, dass die Wiederherstellung des davidschen Königtums bevorstehen könnte: „Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?“ (Apostelgeschichte 1,6). Sie verstanden noch nicht alle Teile des prophetischen Puzzles, das er ihnen offenbarte.
Die messianischen Prophezeiungen verstehen
Die Erwartung der Juden beruhte zum Teil auf einem falschen Verständnis der Prophezeiungen in ihren eigenen Schriften. Eine genaue Untersuchung zeigt, wie Jesus durch seine Worte und Taten den wahren Auftrag seines ersten Kommens offenbarte. Dieser Auftrag wurde in den Prophezeiungen der Bibel klar dargelegt, doch die Juden haben ihn nicht verstanden.
Es wurde prophezeit, dass der Messias zu seinem Volk kommen sollte. In früheren Artikeln haben wir gezeigt, dass viele dieser Prophezeiungen in Erfüllung gingen, als der Messias als Mensch in die Welt kam. Er war Diener, litt während seines Lebens und opferte sein Leben bereitwillig als Sühne. Doch es gibt viele andere Prophezeiungen, die nicht in Erfüllung gingen – jedenfalls nicht damals.
Bei Jesaja finden wir z. B. eine dieser Prophezeiungen: „Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen“ (Jesaja 2,2).
In den Prophezeiungen der Bibel stellen Berge und Hügel die Regierungen der Länder dar. Diese Prophezeiung sagt eine Zeit voraus, in der die zukünftige Regierung des Messias existieren und über alle irdischen Regierungen und Länder herrschen wird. Dieses prophetische Verständnis eines göttlichen Reiches steht im Mittelpunkt sowohl der Botschaft Jesu als auch der zukünftigen Aufgabe des Messias.
Als Jesus das „Herbeikommen“ vom Reich Gottes ankündigte (Markus 1,15), meinte er das zukünftige Reich Gottes, das auf der Erde eingeführt wird. Er selbst weist den Weg zu diesem Reich. Doch wenn wir in den Evangelien lesen, dass seine Zuhörer an ihn glaubten, hatten sie einen Messias im Sinn, der zu ihren Lebzeiten das Königtum Israel wiederherstellen sollte.
Warum war Jesus nicht offener?
Immer wieder wies Jesus seine Zuhörer auf die wahre Bedeutung der Heiligen Schrift hin, als er ihre falschen Vorstellungen vom erwarteten Messias hörte. Seine Landsleute hatten die alttestamentlichen Prophezeiungen derart falsch ausgelegt, dass sie den Messias, mit dessen Auftreten sie jeden Augenblick rechneten, nicht erkennen konnten.
Interessant ist, dass Jesus sich selbst nicht als Messias anpries. Den Dämonen, die er aus den Menschen austrieb, verbot er, ihn als Christus zu bezeugen (Lukas 4,41). Als Petrus Jesus als Christus identifizierte, wies Jesus seine Jünger strikt an, niemandem zu sagen, dass er der Christus war (Matthäus 16,15-16. 20).
Johannes der Täufer ließ seine Jünger Jesus fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ (Matthäus 11,3). In seiner Antwort wies Jesus auf seine Wunder und sein Predigen hin (Verse 4-6).
Doch bei einigen Gelegenheiten bestätigte Jesus offen seine messianische Identität, beispielsweise gegenüber der samaritischen Frau am Brunnen Jakobs. Als sie das Kommen des Christus erwähnte, erwiderte Jesus: „Ich bin’s, der mit dir redet“ (Johannes 4,25-26). Zu Beginn seines Wirkens widersprach Jesus seinen ersten Jüngern nicht, als sie ihn als Messias bezeugten (Johannes 1,41-50).
In solchen Fällen, in denen es sich um Privatgespräche handelte, akzeptierte Jesus die Bezeichnung „Messias“ bzw. „Sohn Gottes“. In der Öffentlichkeit mied er jedoch diese Bezeichnungen. Was er mit diesen Titeln gemeint hätte und das Verständnis seiner Landsleute in Bezug auf sie waren zweierlei. Jesus konnte zwar nicht leugnen, was er war oder was er zu tun hatte, doch erklärte er das Wesen des zukünftigen Reiches auf sorgfältige Weise, um falschen Eindrücken in Bezug auf seinen Auftrag entgegenzuwirken.
Jesus waren die Erwartungen seiner Landsleute hinsichtlich des Messias klar. Wahrscheinlich war das ein Grund, warum er den Titel Messias nicht für sich in Anspruch nahm und auch andere anwies, dies nicht zu tun. Um den Auftrag seines ersten Kommens zu erfüllen, wollte er keinen Volksaufstand seiner Landsleute entfachen, die die verhasste römische Herrschaft los sein wollten und sich nach einem unabhängigen Königtum sehnten.
Darüber hinaus hätte Jesus, wenn er sich als Messias ausgerufen hätte, wahrscheinlich eine sofortige Konfrontation mit den jüdischen Führern und der römischen Obrigkeit provoziert. Dadurch wäre er frühzeitig hingerichtet worden. Als die Zeit seiner Kreuzigung jedoch gekommen war, bestätigte Jesus vor den jüdischen und römischen Autoritäten, dass er der Sohn Gottes war.
Jesus als König
Bei Jesu Verhör vor dem Hohepriester fragte man ihn: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?“ Darauf antwortete Jesus: „Ich bin’s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels“ (Markus 14,61-62). Sofort beschuldigte der Hohepriester Jesus der Gotteslästerung, was ein Todesurteil bedeutete (Vers 64).
Ja, Jesus war in der Tat der Messias, von Gott gesandt und zum König geboren. Das bestätigte Jesus vor Pontius Pilatus. Doch Jesus predigte das Reich Gottes, nicht das Königtum Israel. Vor Pilatus warfen die Juden Jesus vor, er hätte behauptet, „Christus, ein König“ zu sein (Lukas 23,2). Damit wäre Jesus eine Bedrohung für die römische Autorität gewesen.
Als der besorgte Pilatus Jesus nach dieser Beschuldigung fragte, antwortete Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36).
Pilatus hackte nach und wollte wissen, ob Jesus ein König war, worauf Jesus erwiderte: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen“ (Vers 37). Pilatus hatte aber nicht den Eindruck gewonnen, dass Jesus eine Bedrohung für die römische Herrschaft war. Doch die Juden bedrangen Pilatus, Jesus hinrichten zu lassen, und zwar weil sie behaupteten, er hätte sich als König bezeichnet (Johannes 19,12). Pilatus ließ sogar eine Tafel mit der Schrift „Der König der Juden“ über Jesu Kopf bei seiner Kreuzigung anbringen (Verse 19-22).
Nach der Geißelung Jesu präsentierte ihn Pilatus den Juden mit den Worten „Seht, das ist euer König!“, womit er anscheinend dachte, die Geißelung würde die aufgebrachte Menge zufriedenstellen. Er irrte sich aber: „Sie schrien aber: Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn! Spricht Pilatus zu ihnen: Soll ich euren König kreuzigen? Die Hohepriester antworteten: Wir haben keinen König als den Kaiser“ (Johannes 19,14-15).
Ihren eigenen König vermochten sie nicht zu erkennen!
Das zukünftige Reich
Jesus sagte Pilatus, dass sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist. Es wird kein Reich unter den Regierungen dieser Weltordnung sein, d. h. in diesem Zeitalter des Menschen. Es kommt aber ein neues Zeitalter, in dem Jesu Reich auf der Erde etabliert wird, um über alle Nationen zu herrschen.
In den dreieinhalb Jahren seines irdischen Wirkens erfüllte Jesus viele messianische Prophezeiungen. Doch andere Prophezeiungen über die Einführung vom Reich Gottes auf der Erde werden erst in der Zukunft durch Jesus erfüllt.
Als Jesus das Reich Gottes ankündigte, verstanden seine Zuhörer seine Botschaft nicht. Die Juden des ersten Jahrhunderts unterschieden nicht zwischen Prophezeiungen über das erste Kommen des Messias und Prophezeiungen, die mit seiner Wiederkehr zu tun haben.
Für Jesu Zeitgenossen waren die Vorhersagen über den Messias und das messianische Reich wie der Anblick des Nachthimmels. Die Sterne am nächtlichen Himmel scheinen alle gleich weit entfernt zu sein, doch in Wirklichkeit unterscheiden sie sich in ihrer Nähe zur Erde. So erschienen die messianischen Prophezeiungen den Juden – sie meinten, alle würden zur gleichen Zeit erfüllt.
Jesu zweites Kommen
Manche haben es nicht erkannt, als der Messias das erste Mal zur Erde kam. Niemand wird sein zweites Kommen übersehen: „Die Völker der ganzen Welt werden jammern und klagen, wenn sie den Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit göttlicher Macht und Herrlichkeit kommen sehen“ (Matthäus 24,30; Gute Nachricht Bibel).
Werden die Menschen Jesus bei seinem Kommen anerkennen? Werden die Juden meinen, der Messias kommt nur zu ihnen? Werden Christen erwarten, zusammen mit Jesus entrückt zu werden? Wird man meinen, Jesus sei ein außerirdischer Eindringling?
Jesus gab dem Apostel Johannes eine Vision, die wir in der Offenbarung finden. In dieser Vision vervollständigt Jesus die Prophezeiungen, die er in der Zeit seines irdischen Wirkens gab. Diese Vision offenbart, dass Jesus, wie bei seinem ersten Kommen, auch bei seinem zweiten Kommen nicht akzeptiert wird. Doch bei seiner Wiederkehr geht es nicht darum, das Reich Gottes nur anzukündigen, sondern einzuführen!
Irren wir uns nicht: Die Menschen werden Jesus bei seiner Wiederkehr nicht anerkennen. Jesu Rückkehr ist für sie „der große Tag ihres Zorns“ (Offenbarung 6,17). Sie werden verführt werden, „sich an jenem großen Tag Gottes zum Kampf gegen den Allmächtigen zu sammeln“ (Offenbarung 16,14; „Neues Leben“-Übersetzung).
Die Bibel beschreibt Jesus bei seiner Wiederkehr als denjenigen, der „richtet und kämpft mit Gerechtigkeit“ (Offenbarung 19,11). Mit „einem scharfen Schwert“ wird er „die Völker schlagen“, und „er tritt die Kelter, voll vom Wein des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen“ (Vers 15).
Solche Vorhersagen stellen klar, dass die Welt den wiederkehrenden Jesus nicht mit offenen Armen empfangen wird. Das ist die Wahrheit über Jesus, die heute in christlichen Kirchen kaum gepredigt wird. Der „Empfang“, den die Welt Jesus bei seiner Wiederkehr bereiten wird, unterscheidet sich kaum von der Ablehnung, die Jesus bei seinem ersten Kommen erfuhr.
Wir erlauben uns daher die Frage: Kennen Sie wirklich den wahren Jesus der Bibel? Wissen Sie wirklich, was sein Auftrag ist? Was hat sein Reich – das Reich Gottes – auf sich?
Wer tötete Jesus?
Vor 2000 Jahren wurde Jesus von Nazareth ermordet. Von dem Verrat durch den Kuss eines Vertrauten bis hin zu der Leugnung des Petrus in der Stunde der größten Not seines Herrn übersteigen die Bedeutung und die Wichtigkeit des Todes Jesu alle anderen Morde in der Menschheitsgeschichte.
Die Ungerechtigkeit der Verhaftung Jesu, der Anklage gegen ihn und seiner Hinrichtung ist gewaltig. Keiner war jemals so schuldlos wie Jesus. Er hatte seine Strafe wirklich nicht verdient, wie Petrus es uns bestätigt: „Er hat keine Sünde begangen und in seinem Mund war kein trügerisches Wort“ (1. Petrus 2,22; Einheitsübersetzung).
Jesus forderte seine Gegner heraus: „Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen?“ (Johannes 8,46; Einheitsübersetzung). Der römische Hauptmann, der Jesu Kreuzigung beaufsichtigte, war anschließend überzeugt, einen frommen Mann getötet zu haben (Lukas 23,47). Einer der beiden Diebe, die mit Jesus gekreuzigt wurden, erkannte, dass Jesus unschuldig war (Lukas 23,41).
Selbst Pilatus, der den Befehl für Jesu Kreuzigung erteilte, bezeugte vor den Juden zweimal, dass er keine Schuld an Jesus fand (Johannes 18,38; 19,4). Dennoch wurde die Hinrichtung ausgeführt und das Leben eines Unschuldigen nicht verschont.
Jesus war „heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden“ (Hebräer 7,26). Schließlich war er, wie der Hauptmann erkannte, der Sohn Gottes (Markus 15,39). Die Ungerechtigkeit des Todes Jesu macht sie nicht nur zum Verbrechen des Jahrhunderts oder des Jahrtausends, sondern der gesamten Menschheitsgeschichte.
Rechtfertigung für Völkermord
Die Details um den Mord an Jesus sind hinlänglich bekannt und mangeln nicht an Dramatik. Der spätere Versuch, die Schuld an seinem Tod bestimmten Menschen oder Völkern anzuhängen, offenbart die große Verderbtheit der menschlichen Natur. Meistens waren es die Juden, die als Schuldige ausgemacht wurden. In vergangenen Jahrhunderten wurden die Juden als die Mörder Jesu wiederholt verfolgt.
Selbst im 20. Jahrhundert bedienten sich die Nationalsozialisten Deutschlands dieser Rechtfertigung für ihre Judenpolitik. Die eifrigen Anhänger Adolf Hitlers, die den Lehren Jesu Christi gar keinen Respekt zollten, gaben den Juden in all ihren Generationen die Kollektivschuld für den Tod des Sohnes Gottes. Damit, so die Sichtweise jener Nazis, hätten die Juden die Verfolgung und ihr damit verbundenes Leiden verdient.
Die Vorstellung, dass nur die Juden den Tod Jesu verantworten müssen, lässt sich durch die Bibel nicht beweisen. Interessanterweise waren die Nationalsozialisten nicht die ersten, die diese Sichtweise vertraten.
Jahrhundertelang hat das etablierte Christentum, zunächst römisch-katholischer Prägung und anschießend auch evangelischer, die Juden wegen ihrer angeblichen Schuld an dem Tod Jesu angeprangert.
Der Mordkomplott gegen Jesus
Schuldzuweisungen gegen andere können oft nichts anderes als der Versuch sein, eine eigene Schuld abzustreiten. Die Frage, die sich jeder Mensch stellen soll, lautet: Wer trägt wirklich die Schuld am Tod Jesu Christi?
Jesus hatte viele Feinde. Er forderte den Status quo und die Mächtigen seiner Zeit heraus. Manche hatten schon ihre Gründe dafür, ihn loswerden zu wollen. Zunächst war es nicht die breite Masse, die Jesus töten wollte, sondern die Hohepriester, Schriftgelehrten und Pharisäer. Unter ihnen waren diejenigen, die das Volk vor Pilatus manipulierte, den Tod Jesu zu fordern (Markus 15,11). Die Menschen, die lauthals nach seinem Tod riefen, waren zum Teil dieselben, denen er gepredigt hatte, die seine Wunder gesehen hatte und die ihn bei seinem triumphalen Einzug nach Jerusalem den Sohn Davids nannten (Matthäus 21,9).
Die Römer machten sich auch am Tod Jesus schuldig. Obwohl Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war, ließ er ihn hinrichten. Es waren römische Soldaten, die auf Jesus einschlugen, ihn geißelten, Nägel durch seine Handgelenke und Füße trieben und schließlich sein Kreuz in aufrechte Position stellten.
Wer trägt wirklich die Schuld?
Wenige Wochen später nannte Petrus die Schuldigen beim Tod Jesu: „Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels“ (Apostelgeschichte 4,27). Da bleibt niemand ausgeklammert!
Es ist einfach, die Schuld am Tod Jesu einer kleinen Gruppe einflussreicher Menschen zuzuweisen, die ihre eigene Stellung verteidigen wollten. Es ist genauso einfach, die Schuld einem ganzen Volk zuzuschreiben. Man kann auch argumentieren, dass der römische Staat impliziert war. So einfach ist das Ganze aber nicht.
Es ist wohl wahr, dass Jesus in jeder Gesellschaft, deren Sünden und Heuchelei er angeprangert hätte, Anstoß erregt hätte. Jesus hätte sich auch in anderen Zeiten der Gefahr der Ermordung ausgesetzt.
Das ist die unangenehme Wahrheit, die wir alle leugnen wollen. Jesu Jünger sagen aus, dass sich kein Mensch von der Schuld an Jesu Tod freisprechen kann. Wir alle waren daran beteiligt. Paulus war von seiner persönlichen Schuld überzeugt: „Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin“ (1. Timotheus 3,15).
Eine Welt in Unkenntnis
Der ehemalige Pharisäer Paulus beschrieb sich folgendermaßen: „. . . der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben“ (1. Timotheus 3,13). Genau das ist das Problem. In Bezug auf Jesu Opfer für Sünde sind wir alle unwissend gewesen. Paulus stellt fest: „Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben“ (Römer 5,5; Einheitsübersetzung). Die Welt weiß einfach nicht, was sie tut.
Gott weiß es aber, und eines Tages werden auch alle Menschen es wissen. Das hat er von Anfang an vorgesehen. Jesus kam mit dem Wissen in die Welt, dass man ihn töten wird (Johannes 12,27). Jesus inspirierte die Propheten des Alten Testaments, seinen Tod nicht nur vorauszusagen, sondern ihn auch in grafischen Details zu beschreiben. Darüber hinaus waren die rituellen Opfer, die Israel gegeben wurden, eine Vorausschau auf das vollkommene Opfer für Sünde, das kommen sollte.
Gegenüber seinen Jüngern sagte Jesus mehrere Male sein Leiden und seinen Tod voraus. Sie haben ihn aber nicht verstanden. Stattdessen scheinen sie daran geglaubt zu haben, dass er das Königtum Israel bald wieder etablieren wollte.
Paulus redete von „der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist“ und die „keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“ (1. Korinther 2,7-8).
Seinen Landsleuten sagte Petrus: „Nun, Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt, ebenso wie eure Führer.“ Er fügte hinzu: „Gott aber hat auf diese Weise erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten im Voraus verkündigt hat: dass sein Messias leiden werde“ (Apostelgeschichte 3,17-18; Einheitsübersetzung).
Nicht unwissend bleiben
Gott will nicht, dass wir unwissend bleiben. Das Fazit ist klar: Jeder Mensch hat gesündigt, und Jesus ist für jeden Menschen gestorben. Das einzusehen ist gewiss nicht kompliziert. Wenn wir nicht gesündigt und Gottes Lebensweise missachtet hätten, wären Jesu Leiden und Tod nicht notwendig gewesen. Davon kann sich kein Mensch freisprechen. Das ist die Botschaft von Petrus, Paulus und Johannes.
Vielleicht sagen wir uns, wenn wir von der Eifersucht und dem Hass lesen, den die jüdischen Führer auf Jesus hatten: „Das hätte ich nicht getan.“ Dabei irren wir uns aber. Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen Eifersucht, Neid, Zorn und Hass gegenüber unseren Mitmenschen und der Misshandlung, die Jesus erfuhr? Jesus selbst sagte: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40. 45).
Sünde ist Sünde. Wäre Jesus nicht für uns gestorben, würde die Todesstrafe für Sünde auf uns warten. Was nützt es uns, anderen die Schuld für Jesu Tod anzulasten, wenn wir alle unseren Anteil daran hatten?
Es stellt sich auch die Frage, ob wir, wenn wir vor 2000 Jahren in Judäa gelebt hätten, wirklich anders gehandelt hätten. Judas, der anfangs Jesu treuer Jünger war, verriet ihn für dreißig Silberlinge. Petrus, der Jesus energisch verteidigte, leugnete seine Bekanntschaft mit Jesus, als Jesus verhört wurde. Alle anderen Jünger, die Jesus die Treue bis zum Tode versprochen hatten (Matthäus 26,35), verschwanden in der Nacht, als Jesus verhaftet wurde. Niemand stand ihm bei, als er zu Unrecht angeklagt wurde.
Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war. Um die Gunst der Juden besorgt, zahlte er einen unglaublich hohen Preis und willigte ein, einen Unschuldigen hinzurichten. Die religiöse Obrigkeit der Juden konnte nicht zulassen, dass ein Emporkömmling ihr System durcheinanderbrachte. Die Juden, die sich vor Pilatus versammelten, wurden zu einem unbeherrschten Pöbel.
Wir stellen nochmals die Frage: Wer tötete Jesus Christus? Wir alle töteten ihn, denn unsere Sünden sprechen uns schuldig. Unsere Erlösung vom Tod war jedoch Teil des göttlichen Willens, der Jesu Leiden und Opfer für unsere Sünden vorgesehen hat.
Gott gab „seinen eingeborenen Sohn“ (Johannes 3,16). „Doch es war der Wille des Herrn, ihn leiden zu lassen und zu vernichten. Wenn sein Leben jedoch als Opfer für die Sünde dargebracht wird, wird er viele Nachfolger haben“ (Jesaja 53,10; „Neues Leben“-Übersetzung). Jesus sagte: „Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse . . . Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es . . . Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater“ (Johannes 10,17-18). Von Anfang an war dies Gottes Plan.
„Amen, ja, komm, Herr Jesus!“
Die Schlagzeilen in unserer Tagespresse zeugen von Problemen, die uns belasten. Energie wird knapp und teuer, Hunger breitet sich aus, AIDS und andere Erreger belasten arme Länder, Angst vor Terroranschlägen gehört für viele zum Alltag usw. – wie soll es weitergehen? Selbst Optimisten haben gelegentlich Mühe mit ihrer Vorstellung einer Welt, die ihrer Probleme Herr werden wird.
Jesus Christus sagte eine Zeit beispiellosen Leidens unmittelbar vor seiner Wiederkehr voraus (Matthäus 24,7-8. 21). Unser Messias versprach, die Menschheit durch sein zweites Kommen vor der Selbstausrottung zu bewahren (Matthäus 24,22. 30).
Als Könige der Könige wird Jesus Gottes wunderbares, gerechtes Königreich etablieren (Offenbarung 11,15). Nach dieser Zeit haben sich Christen seit 2000 Jahren mit ihrem Gebet „Dein Reich komme“ gesehnt.
Johannes, ein Apostel der Liebe und des Mitgefühls, erhielt eine Vision über das Zeitalter nach unserer Zeit der Sorgen, Probleme und Kriege, die die Sünde hervorruft. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ (Offenbarung 21,4).
Zum Schluss der Vision in der Offenbarung hielt Johannes Jesu wunderbare Verheißung fest: „Siehe, ich komme bald“ (Offenbarung 22,7. 12. 20). In Vers 20 antwortet Johannes auf Jesu Worte mit einem Ausruf, dem alle Christen zustimmen können: „Amen, ja, komm, Herr Jesus!“