Unsere Jugendlichen leben in einer Gesellschaft des Wertewandels und werden davon beeinflusst. Ihnen fällt es manchmal schwer, diesen Einfluss zu erkennen.
Von der Redaktion
Bei einer Reise durch die USA in den 1830er Jahren führte der französische Autor Alexis de Tocqueville den außerordentlichen Wohlstand und die wachsende Größe jener Nation auf „die Überlegenheit ihrer Frauen“ zurück, die „mittels der Todesstrafe vor der Vergewaltigung“ geschützt wurden. „In der öffentlichen Meinung gibt es kein anderes Verbrechen, das mit der gleichen unerbittlichen Härte geahndet wird. Der Grund dafür ist folgender: Den Amerikanern ist nichts wichtiger als die Ehre einer Frau“, fügte er hinzu. Es war eine Zeit der Ritterlichkeit, Ehre und der sittsamen Kleidung. Es war eine Zeit, in der eine Frau „überall ohne Angst spazieren gehen konnte, so groß war der Respekt der Männer vor ihrer Sittsamkeit“ (Wendy Shait, A Return to Modesty: Discovering the Lost Virtue, 1999, Seite 39-40).
Es ist offensichtlich, dass sich die Zeiten geändert haben. Heute wollen manche Frauen mit Respekt behandelt werden, doch achten sie bei ihrer Kleidung nur wenig auf Bescheidenheit. Viele Männer sehen sich provokativ gekleidete Frauen gerne an und behaupten dabei, sie zu respektieren. Was hat sich seit der Zeit de Tocquevilles geändert? Wie entwickelte sich die moderne Mode und welchen Einfluss hat sie auf diejenigen, die ein Gott wohlgefälliges Leben führen wollen?
Unter wahren Christen gibt es sicherlich viele, die hinsichtlich ihrer Kleidung ein gutes Beispiel geben. Der vorliegende Beitrag soll nicht als Klage gegen solche Menschen aufgefasst werden. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund der Trends in unserer Gesellschaft gebühren ihnen unser Lob und unsere Nachahmung. Wie wir sehen werden, kämpfen Christen in einem Krieg der sich widerstreitenden Werte, bei dem Kleidung einer der offensichtlichsten Aspekte ist.
Ein kurzer Blick auf moderne Mode bestätigt, dass viel sichtbare Haut „in“ ist. Als Beispiel genügt ein Medienspektakel in den USA, das jährlich die höchsten Einschaltquoten im Fernsehen erreicht: das Endspiel des amerikanischen Profi-Footballs, der „Super Bowl“. In den letzten Jahren macht sich bei diesem Spiel ein deutlicher Trend bemerkbar: Ob bei den Werbespots während des Spiels oder bei der Unterhaltung zur Halbzeit sind Kostüme gefragt, die viel Haut zeigen.
In einem bekannten Werbespot streiten sich zwei junge Frauen über das am meisten zu lobende Attribut einer bekannten Biermarke. Der Streit steigert sich, und dabei reißen sich die Frauen gegenseitig die Kleidung vom Leibe. Zum Schluss landen sie, nur noch in Unterwäsche beikleidet, im Schlamm und führen dort einen kurzen Ringkampf aus.
Frauenrechtlerinnen kritisierten den Werbespot mit dem Einwand, er würde Frauen im Allgemeinen degradieren. Der Bierbrauer verteidigte die Werbung und wies die Kritik mit dem Kommentar zurück, der Werbespot sei nur scherzhaft gemeint und spiegele die Denkweise nur einiger Männer wider. Die Kontroverse über den Werbespot trug nur zur besseren Verbreitung der Reklame für das Produkt bei.
Während des Endspiels war das keineswegs der einzige Werbespot „mit viel Fleisch“. In einem anderen Werbespot waren Frauen in Bikinis zu sehen, die kaum etwas zudeckten, und für die Unterhaltung zur Halbzeit traten eine Sängerin mit einem BH und ein Sänger „oben ohne“ auf. Der Chefredakteur der Zeitschrift Christianity Today, Marty White, meinte dazu: „Seit Jahren habe ich keinen ,Super Bowl‘ mehr gesehen, aber in diesem Jahr sah ich mir das Spiel an. Es war auf mehr als eine Weise interessant. Die Werbespots waren wie gewohnt unterhaltsam, aber es ist entmutigend, wie jedes Jahr der Standard des guten Geschmacks gedehnt wird, wenn von ,gut‘ überhaupt noch die Rede sein kann“ (29. Januar 2003).
Neue „Maßstäbe“ setzen
Der Wandel in der von der Gesellschaft geduldeten Mode hat nicht übernacht stattgefunden. Popmusiker, Modedesigner und Schauspieler in Spielfilmen bzw. im Fernsehen haben alle ihren Einfluss gehabt als Teil eines vielseitigen Angriffs auf die Sittsamkeit früherer Generationen.
Die Kolumnistin Laura Sessions Stepp umriss die Modetrends der letzten 20 bis 30 Jahre: „Was Macht und eine den Sex betonende Kleidung anbelangt, gab es keine größere Persönlichkeit als die Popsängerin Madonna. Mädchen, die in den 1980er Jahren nicht einmal geboren waren, wissen, dass Madonna in jenem Jahrzehnt Unterwäsche als Oberbekleidung salonfähig machte. Mit ihren Musikvideos, die über den Popkanal MTV ausgestrahlt wurden, sorgte Madonna dafür, dass wir sie als eine von ihrem Selbst besessene Frau kennenlernten, die sich genau das vom Leben nahm, was sie wollte, ganz gleich was irgendein Mann von ihr hätte haben wollen.
Ihr folgten die Vokalistinnen [Britney] Spears und [Jennifer] Lopez, die Millionen von Fans die Vorstellung einschärften, dass Anmache gleichbedeutend mit Befreiung ist. In diesen Jahren übernahmen Modedesigner, Kleidungshersteller und Warenhäuser das Konzept des ,Dekonstruktionismus‘, was auf die Abschaffung der Kleidung überhaupt hinauslief.
Während Madonna 1989 ihr Lied ,Express Yourself‘ [,Drücke Dich aus‘] sang, fasste sie sich zwischen den Beinen an. In dem Jahr liefen Models oben ohne auf dem Laufsteg, gefolgt von ihresgleichen im Korsett und schwarzen Strümpfen, Hüfthosen und ,slip dresses‘.
Modekommentatoren prophezeiten den Niedergang des ,slip dresses‘ innerhalb eines Jahres. Sie irrten sich, wie es jeder Abschlussball auf der Realschule beweist. [Anmerkung der Redaktion: Ein „slip dress“ ist ein figurnahes glattes Satinkleid mit Spitze am Ausschnitt, das früher als Unterrock unter einem Kleid getragen wurde.]
Werbekampagnen für Erwachsenenmode setzten erstmalig Mädchen im Teenageralter ein. Es dauerte nicht lange, bevor der Modemarkt für die Kids entdeckt wurde. Warenhäuser wie Wet Seal, Hot Topic und Gadzooks boten die Playboy-Mode und später auch die von Hotkiss an, dessen Marketingleiter genau die richtigen Worte fand: ,Wir appellieren an das unabhängige Mädchen, das genügend Selbstbewusstsein besitzt, um unsere körperbetonte und provokative Kleidung zu tragen‘ “ (Washington Post, „Nothing to Wear: Girls Fashions Are Long on Skin, Short on Modesty“, Laura Sessions Stepp, 3. Juni 2002).
Interessanterweise sehen junge Frauen, die bis zur Ehe jungfräulich bleiben wollen (ein zunehmender Trend in den USA, den die Medien weitgehend ignorieren), keinen Widerspruch darin, sich provokativ zu kleiden. Daniela Aranda aus Texas ist beispielhaft dafür.
„Obwohl das Meer 1000 km entfernt liegt, wurde Daniela Aranda kürzlich zur ,Miss Hawaiian Tropic‘ der Stadt El Paso, Texas, gekürt. Ihre Eltern könnten kaum stolzer sein. In ihrem Wohnzimmer haben sie ein Foto ihrer im Bikini gekleideten Tochter aufgestellt. ,Die Leute sagen mir immer, dass ich nicht wie eine Jungfrau aussehe‘, meinte die 20-jährige Daniela, die funkelnden Augenlidschatten, dunklen Lippenstift und eine Bluse mit tiefem Ausschnitt trägt. ,Wie sieht aber eine Jungfrau aus? Jemand, der sich in weiß kleidet und sich gern Blumen anschaut?‘
Daniela modelt für Harley-Davidson-Verkaufsveranstaltungen, ist Cheerleader für eine örtliche Fußballmannschaft, die ,Patriots‘, und verbringt Zeit mit Freundinnen, die bei der Gaststätte ,Hooters‘ kellnern. Außerdem ist sie evangekalische Christin, die mit dreizehn Jahren einen Eid auf Jungfräulichkeit abgelegt hat, an den sie sich bis heute gehalten hat. ,Es ist zu schaffen, ich bin der lebendige Beweis.‘ Daniela weiß um Versuchung Bescheid: Jedes Mal, wenn sie, im Bikini bekleidet, den Laufsteg betritt, werden ihr die Männerblicke gewahr. Sie sieht jedoch keinen Widerspruch in ihrem Doppelleben als Jungfrau und Schönheitskönigin, sondern es ist für sie eine persönliche Herausforderung“ (Newsweek, „Choosing Virginity“, 9. Dezember 2002).
Freizügige Mode beschränkt sich nicht allein auf Popsängerinnen und Schönheitsköniginnen. Das sexy Aussehen steht fast jedem in jeder Größe zur Verfügung. Es wird zunehmend beliebt, männliche Models ohne Hemd zu sehen und junge Männer in herabhängenden Hosen zu erleben, die die Oberkante der Unterwäsche nicht zudecken.
In nichts zurückstehend gibt es auch tiefhängende Hosen für Frauen, die von hinten einen Blick auf den darunter liegenden Tangaslip erlauben und von vorne den „bauchfreien“ Blick ermöglichen. Hängt die Kleidung auf die beschriebene Weise nicht herab, muss sie hingegen hauteng bzw. körperbetont sein.
Ein Besuch im Einkaufszentrum
Geht man im Einkaufszentrum spazieren, stellt man etwas Interessantes fest. Überall im Lande sieht man junge Leute, die sich in der eben beschriebenen Weise kleiden. Manche meinen sogar, dass es eine Herausforderung ist, konservative Kleidung überhaupt zu finden. In den Schaufenstern sieht man immer wieder Schaufensterpuppen, die mit der knappen Mode ausgestattet sind. Der Druck zur Konformität ist enorm. Die nicht so subtile Botschaft lautet: „Jeder kleidet sich so, und du sollst es auch tun.“
Leider lassen sich die Amerikaner die Botschaft verkaufen. Der Gruppendruck, sich sexy zu kleiden, hat schon die Altersgruppe vor dem Teenageralter erreicht. Dazu wieder Laura Sessions Stepp: „Es ist die Welt der nackten Mode für Mädchen in der Oberschule bis hin zur Grundschule. Es ist der ,weniger ist mehr‘-Look mit Blick auf Busen, Bauch und Hintern. Die meisten Schulen verbieten solche Kleidung. Eltern und Lehrer beschweren sich darüber, doch der Trend hält nach einem Jahrzehnt des Wachstums unvermindert an.
Was wahrhaft erstaunlich ist, ist die Zielgruppe dieser Kleidung – etwas, das selbst ältere Teenager als abscheulich bezeichnen. Man findet metallisch glänzende BHs und Unterwäsche mit der Aufschrift ,Schlampe‘ in der Kinderabteilung von Kaufhäusern und Stringtangas für Mädchen zwischen sieben und vierzehn Jahren.
,Verkaufen Sie so etwas überhaupt?‘, fragte ein Besucher beim US-Bekleidungsgeschäft Abercrombie & Fitch. In der Hand hielt er ein pink- und gelbfarbenes Bikiniteil, kaum größer als ein großes Heftpflaster. ,Leider ja‘, war die Antwort der Verkäuferin, selbst kaum mehr als 21 oder 22 Jahre alt. ,Letzte Woche tauchte eine Mutter hier mit zwei Mädchen auf, die wahrscheinlich keine zehn Jahre alt waren. Die Mutter sagte mir, sie müsste einen Stringtanga für ihre Töchter kaufen, weil alle anderen Mädchen in der Klasse bereits einen hatten.‘
Nach einem von Eltern initiierten Briefboykott gab ein Pressesprecher der Firma später bekannt, dass die Kette diese Art Kleidung nicht mehr führen wird.“
Schlüsselbotschaften
Wenn Schulen oder Eltern die neueste Mode als unpassend bezeichnen und ihr Tragen untersagen, ist die gewöhnliche Antwort der Gegner ein Appell an die Wahrung der persönlichen Freiheit. Manche vertreten die Ansicht: „Wenn du es hast, zeig es“ – sexy Mode ist also Macht. Für solche Menschen ist praktisch alles erlaubt, sofern es einen selbst nicht stört.
Unter denen, die sich entsprechend dieser Denkweise kleiden, achtet man nur wenig auf die potenzielle Wirkung solcher Kleidung auf andere. Unter Teenagern ist die Sichtweise weit verbreitet, dass der eigene Ruf nichts damit zu tun hat, wie man sich kleidet, sondern allein damit, wie man sich verhält – ob man sexuell aktiv ist.
Einige Mädchen sagen sogar, dass Jungen, wenn sie sich von den Mädchen angemacht fühlen, es halt überwinden müssen. Ihrer Meinung nach haben Mädchen genauso das Recht wie Jungen, ihr Selbstbewusstsein mittels ihrer Kleidung auszudrücken. Darüber hinaus ist es nicht ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich die Jungen richtig verhalten.
Mode und Christ sein
Welche Wirkung hat diese Mode auf diejenigen, die ein Gott wohlgefälliges Leben führen wollen? Die Autorin Wendy Shalit meint: „Eine Gesellschaft, die den Respekt vor weiblicher Bescheidenheit verloren hat, ist nicht nur eine Gesellschaft, die ihren Männern den Schutz der Frau nicht mehr beibringt, sondern eine, die Frauen als quasi Witzfiguren behandelt“ (A Return to Modesty, Discovering the Lost Virture, Seite 146).
Es ist ironisch, dass sich unsere Gesellschaft einerseits zum Respekt vor der Frau bekennt, andererseits aber Modestandards akzeptiert, die diesen Respekt untergraben.
In einem Vorwort zum Buch Christian Modesty and the Public Undressing of America von Jeff Pollard schreibt Doug Philipps: „Der Aufstieg des Antinomismus [die Ablehnung Gottes als Gesetzgeber], die Wiederbelebung des Gnostizismus und die weitverbreitete Akzeptanz der Neutralität in alltäglichen Moralfragen führt dazu, dass sich viele moderne Christen von kulturellen Trends einfach treiben lassen, anstatt der biblischen Ermahnung Folge zu leisten, jeden Gedanken in den Gehorsam gegenüber Jesus Christus gefangen zu nehmen.
In früheren Jahrhunderten waren christliche Menschen oft für ihre Bescheidenheit und die Heiden für ihre Unbescheidenheit bekannt. Heute ist die Trennung zwischen dem bekennenden Christen und dem unzivilisierten Stammesangehörigen zunehmend unklar geworden.
Immer mehr ,christliche‘ Menschen beteiligen sich an heidnischen Riten wie dem Ritzen, Tätowieren und der körperlichen Verstümmelung. Darüber hinaus lehnen sie die ,Schranken‘ sittsamer Kleidung ab zugunsten des gerade Modischen und körperlich Enthüllenden“ (Seite 12-13).
Freilich sind es nicht nur Frauen, die von einer Gesellschaft, die die Sittsamkeit nicht mehr achtet, beeinflusst werden. Im zweiten Petrusbrief lesen wir über den gerechten Lot, der in der perversen Stadt Sodom lebte und „dem die schändlichen Leute viel Leid antaten mit ihrem ausschweifenden Leben“. Lot „musste alles mit ansehen und anhören und seine gerechte Seele von Tag zu Tag quälen lassen durch ihre bösen Werke“ (2. Petrus 2,7-8; Hervorhebung durch uns).
Einfluss auf die Kirche
Wenn der gerechte Lot von der Gesellschaft damals beeinflusst worden ist, werden nicht auch wir von den Trends in unserer heutigen Gesellschaft beeinflusst? Was wir hören und sehen hat einen Einfluss auf uns. Paulus schreibt: „Lasst euch nicht verführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten“ (1. Korinther 15,33).
Die Bibel offenbart das Prinzip Ursache und Wirkung. Sprüche 6, Vers 27 sagt uns: „Kann auch jemand ein Feuer unterm Gewand tragen, ohne dass seine Kleider brennen?“ Die Welt übt einen Einfluss auf uns aus. Wie drückt sich das aus?
Selbst bei unseren Jugendfreizeiten in der United Church of God kommt es vor, dass junge Menschen mit provokativer Kleidung zur Aktivität erscheinen, obwohl vorher diesbezüglich klare Anweisungen dagegen verteilt wurden. In den allermeisten Fällen reagieren die Jugendlichen positiv auf die Bitte unserer Betreuer, andere Kleidung zu tragen. Doch die Botschaft ist klar: Unsere Jugendlichen leben in einer Gesellschaft des Wertewandels und werden davon beeinflusst. Ihnen fällt es manchmal schwer, diesen Einfluss zu erkennen und sich ihm zu widersetzen.
Unbescheidene Kleidung gibt es aber auch gelegentlich bei unseren Aktivitäten für Erwachsene. Ob der knappe Bikini am Strand, ein unbescheidenes Kleid am Tanzabend oder tiefe Ausschnitte und kurze Röcke beim Gottesdienst, der Einfluss der Gesellschaft macht sich bei uns bemerkbar.
Wenn wir geminderte Maßstäbe in Bezug auf Kleidung wahrnehmen, ist das nicht als Angriff auf unsere Versammlungsbesucher zu verstehen. Viele Gemeindemitglieder kleiden sich vorbildlich. Wir wollen damit lediglich den Zeitgeist unserer Gesellschaft und die damit verbundene Herausforderung für uns anerkennen. Der erste Schritt bei der Überwindung eines Problems ist, das Problem überhaupt zu erkennen und einzuräumen. In der Fortsetzung dieses Themas in der nächsten Ausgabe von Intern behandeln wir biblische Prinzipien, die beim Treffen diesbezüglicher Gott wohlgefälliger Entscheidungen behilflich sein können.
Lesen Sie als Ergänzung zu diesem Thema auch den Beitrag Die Wahrung sittsamer Kleidung.